Depression und Burn-out überwinden

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Depression und Burn-out überwinden
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Dr. Sabine Gapp-Bauß

Depression und Burn-out
überwinden

Ihr roter Faden aus der Krise:

Die wirksamsten Selbsthilfestrategien


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH

Eschbachstr. 5

79199 Kirchzarten

Deutschland

www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2015

Coverfoto: Eric Audras, plainpicture/Zenshui

Covergestaltung: Sabine Fuchs, Oberhaching

Lektorat: Norbert Gehlen

Gesamtherstellung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany

ISBN: 978-3-86731-172-4 (Paperback)

ISBN: 978-3-95484-387-9 (ePub)

ISBN: 978-3-95484-388-6 (kindle)

ISBN: 978-3-95484-389-3 (PDF)

Inhalt

Vorwort

Worum es geht

Eine Navigationshilfe für dieses Buch

Diagnosen und was sie bedeuten

Was geschieht im Gehirn?

Warum gerade jetzt? Krankheit als Heilungsversuch

Worauf es bei der Heilung ankommt

Themenkreis 1: Die Krise ist da

Der erste Schritt

Für existenzielle Sicherheit und Stabilität sorgen

Schnelle Entlastung – das Prinzip Hoffnung

Trost und Halt auf dem Weg aus der inneren Einsamkeit

Sie müssen jetzt nichts können!

Schlafprobleme „in den Griff“ bekommen

Der Notfallkoffer

Themenkreis 2: Gute Rahmenbedingungen schaffen

Was ist richtig, was ist falsch? – Stimmige Entscheidungen treffen

Die Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig

Raus aus dem Morgentief!

Themenkreis 3: Unterstützendes für Körper und Seele

Sich selbst gut spüren – Wohltuendes für den Körper

Bewegung hilft – aber wie?

Achtung, Alkohol & Co.!

Beruhigung für Körper, Geist und Seele

Erschöpfung, Schmerzen und Beschwerden – Umgang mit Körpersymptomen

Nervennahrung und Stärkungsmittel für die Seele

Themenkreis 4: Umgang mit typischen Problemen und Nöten

Wenn die Stimmung abrutscht

Du schaffst es nie! – Umgang mit negativen inneren Stimmen

Angst und Panik: So kommen Sie raus!

Das Gefühl der Gefühllosigkeit – und was dahintersteckt

Umgang mit Zwangsgedanken

Sorgen und Schuldgefühle? – Gedankenstopp!

Trägheit und Lethargie: So finden Sie raus!

Umgang mit der Grenzerfahrung „Ich will nicht mehr“

Perfektionismus und Selbstabwertung verstehen und loslassen

Traumabedingte Gefühle und Spaltungen auflösen

Schutzräume und ein inneres „Wir-Gefühl“ entwickeln

Leib-Seele-Kontakt durch heilsames Klopfen und Berühren

Inventur der äußeren und inneren Stressfaktoren

Probleme kompostieren, transformieren, eliminieren

Selbsthilfe mit kreativem Schreiben

Themenkreis 5: Sinnfragen und heilsame Einstellungen

Auf etwas Tragendes bauen

In Frieden kommen statt Emotionen schüren

Demut und Dankbarkeit wiederentdecken

Ein Selbstgefühl entwickeln

Selbstfürsorge statt Opferhaltung

„Tankstellen“ für die Seele – Quellen der Freude

Sich selbst lieben lernen

Themenkreis 6: Ich und die anderen

Ein Wort an Angehörige und Freunde oder: So gelingt Beziehung

Was denken „die Leute“? – Der Spagat zwischen Selbstschutz und Offenheit

Selbstbestimmt statt abhängig

Der eigenen Wahrnehmung trauen

Selbsthilfe in Gruppen

Themenkreis 7: Es geht aufwärts – Die letzte Phase der Genesung

Rückfall?

Kampf mit dem Drachen statt depressivem Sog

Angst vor dem Gesundwerden?

Trauern über Enttäuschungen und nicht Gelungenes

Wiedereinstieg ins Arbeitsleben oder neue Wege?

Das Stress-Notprogramm für alle Fälle

Leben im Hier und Jetzt – so bleiben Sie in der Balance

Mit den eigenen Schwächen in Frieden leben

Ausblick: Depression als Ressource und eine von vielen Antworten auf das Leben

Anhang

Verzeichnis der Selbsthilfemaßnahmen

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Vorwort

Lebenskrisen wie Depressionen oder Zustände von Burn-out sind vor allem eines: die Erfahrung von tiefster innerer Verunsicherung bis hin zu Einsamkeit und Verzweiflung; diese Erfahrung kann das Leben eines Menschen schwer erschüttern. In meiner Praxis begegne ich täglich Menschen, die aus dieser belastenden Lebenssituation herauskommen möchten und dazu viele Fragen haben.

 

Zwar beschreibt dieses Buch in erster Linie Selbsthilfestrategien für Betroffene, doch können auch Angehörige hier viele Antworten auf ihre Fragen rund um das Thema Depression und Burn-out finden. Das Buch hilft Menschen in der Krise ganz praktisch dabei, aus dem alltäglichen „Es geht mir schlecht …“ mit all seinen Begleiterscheinungen wie Angst und Panik herauszukommen. Ich möchte ihnen vermitteln, dass sie seelisches Leiden grundsätzlich immer überwinden können. Gleichgültig, ob sie sich erst seit gestern oder schon seit vielen Jahren mit Depressivität oder wiederkehrenden Erschöpfungszuständen und Stimmungstiefs herumschlagen – sie selbst können viel dazu beitragen, dass sie gesund werden.

Als Ärztin und Therapeutin begleite ich Menschen, die oftmals viele vergebliche Versuche hinter sich haben, ihre seelischen Probleme in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grunde habe ich immer nach ganzheitlichen Verständnismodellen und unmittelbar wirksamen Methoden gesucht, um Kranke selbst in die Lage zu versetzen, ihren Heilungsprozess zu fördern. Das Buch ist aus dieser ganz praktischen Erfahrung mit Menschen in Krisen entstanden und arbeitet mit Methoden, die in der Behandlung besonders hilfreich waren und immer wieder sind.

Vielleicht haben Sie dieses Buch in die Hand genommen, weil Sie sich fragen: „Warum bin ich gerade jetzt in solch einem Stimmungstief?“, oder: „Wie kommt es, dass ich seelisch immer wieder so instabil werde, obwohl mein Leben doch so schön sein könnte?“ Vielleicht beunruhigt es Sie, dass Sie immer wieder oder immer noch auf Medikamente für Ihre seelische Stabilität angewiesen sind. Vielleicht sind Sie es aber auch ganz einfach leid, dass man Ihnen die Diagnose „Depression“ oder „Burn-out“ angeheftet hat, obwohl Sie instinktiv spüren, dass dieses Etikett den Experten mehr nützt als Ihnen. Vielleicht sind Sie umgeben von Menschen, die es wirklich gut mit Ihnen meinen, doch Sie fühlen sich nicht wirklich verstanden. Vielleicht suchen Sie schon länger nach einem Erklärungsmodell für Ihre schwierige Situation, das Ihnen Hoffnung gibt und Ihnen Mut macht.

Ich möchte Sie durch diese verunsichernde Lebensphase begleiten und Ihnen eine systematische und ganzheitliche Vorgehensweise vermitteln, die Sie spürbar aufbaut und mit der Sie diese schwierige Lebensphase sogar mit Gewinn überstehen. Wenn Symptome nicht mehr als lästige „Betriebsstörung“, sondern als heilsame Signale verstanden werden, können sie sich auflösen und nachhaltige Lernprozesse anregen.

Es gibt viele Ratgeber zum Thema Depression, die mehr aus der Sicht eines von außen beobachtenden Therapeuten geschrieben wurden und viele allgemeine Ratschläge von Fachleuten enthalten. Meine Erfahrung ist, dass Menschen in Krisen sich ganz individuell verstanden wissen und plausible Anregungen erhalten möchten. Es handelt sich hier um eine ganzheitliche und sehr pragmatische Sichtweise von Depression und Burn-out, die über das klassische psychiatrische oder psychotherapeutische Denken hinausgeht. In diesem Buch werden Sie deshalb mitten in Ihrem dunklen Lebensgefühl, Ihrer Blockiertheit und Ihrer Verzweiflung abgeholt und können neue Perspektiven entdecken. Indem Sie den „Experten in sich selbst“ aktivieren, werden Sie zunehmend Vertrauen in sich selbst und in Ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen.

Fassen Sie Mut und legen Sie los!

Worum es geht
Eine Navigationshilfe für dieses Buch

Liebe Leserin, lieber Leser, Sie, die Sie dieses Buch in die Hand genommen haben, weil Sie selbst an Depressionen oder starker Erschöpfung leiden, wissen vielleicht gerade nicht, wo Ihnen der Kopf steht. „Wo soll ich nur anfangen?“, werden Sie sich fragen. Ihnen fehlt so etwas wie der rote Faden für die nächsten Heilungsschritte. Wenn man an ganz verschiedenen Nöten leidet, hat man ja oft das Problem, womit man beginnen soll. Sie können vielleicht schlecht schlafen, sind erschöpft und leer und haben immer wieder Zustände schlechter Stimmung. Sie bekommen Panik, wenn Sie an den „Berg“ denken, der vor Ihnen liegt. Ihnen fehlt eine klare Perspektive. Nun ist es so: Ich kann Ihnen in diesem Buch nur nacheinander verständlich machen, was eigentlich gleichzeitig geschehen müsste. Das ist wirklich ein Dilemma!


Selbsthilfefaktoren für den Heilungsprozess

Um Ihnen also die Orientierung zu erleichtern, habe ich meine Empfehlungen in sieben Themenkreise gegliedert, aus denen Sie sich Hilfreiches heraussuchen können, das Ihnen hilft zu verstehen, warum Sie gerade gewisse Probleme oder Stimmungen haben oder warum Sie zurzeit oder immer wieder auf eine bestimmte Art und Weise reagieren. Schritt für Schritt erleben Sie konkrete Möglichkeiten, wie Sie aus diesen belastenden inneren Zuständen herauskommen. Wenn Sie akut großen Leidensdruck haben, beginnen Sie also gleich bei Themenkreis 1 (vgl. Inhaltsverzeichnis). Mit den hier zunächst folgenden Abschnitten über Diagnosen, über Vorgänge im Gehirn und über die Frage, wie Heilung geschieht, können Sie sich später immer noch beschäftigen, wenn Ihnen danach ist.

Ich möchte mit Ihnen im Themenkreis 1 („Die Krise ist da“) ein Überlebenspaket schnüren und gute Startbedingungen für Ihren Heilungsprozess schaffen. Ähnlich, wie ich es in einem Erstgespräch in meiner Praxis tun würde, möchte ich Ihnen verständlich machen, welche Herangehensweisen, Maßnahmen und Strategien Priorität haben, um das Gefühlschaos zunächst einmal etwas zu lichten und Ihnen Struktur und Halt zu vermitteln. Hier geht es unter anderem um eine gelassene Einstellung, um die Sicherung der Existenz, um Krankschreibung, Unterstützungsnetzwerke sowie die Frage: Wie behält man einen klaren Kopf?

Im Themenkreis 2 erfahren Sie, wie Sie sich für den Heilungsprozess „gute Rahmenbedingungen schaffen“, indem Sie aus der Selbstüberforderung herauskommen und den Tag bewusst strukturieren. Im ersten Stadium der Krise sollten wir nämlich nichts einfach so dem Zufall überlassen. Heilung braucht ein Halt gebendes Ambiente. Das gibt Sicherheit und stabilisiert!

Im Themenkreis 3 („Unterstützendes für Körper und Seele“) geht es um eine gute körperliche Verfassung und stabilisierende Faktoren für Ihren Seelenzustand. Beides stellt Ihren Heilungsprozess auf sichere Füße. Suchen Sie sich heraus, was Sie am ehesten anspricht.

Im Themenkreis 4 („Umgang mit typischen Problemen und Nöten“) erfahren Sie ganz konkret, wie man schwierigen Stimmungen und typischen depressiven Symptomen am sinnvollsten begegnet. Vor allem lernen Sie, sich selbst besser zu verstehen und bewusst mit sich umzugehen. Hier werden gezielte Techniken vorgestellt, die hilfreich sind, um unter anderem aus traumatischen Erlebnisweisen herauszukommen und sie in realitätstaugliche Sichtweisen und Gewohnheiten umzuwandeln. „Lesen“ Sie sich das heraus, was Sie zu Ihrer Unterstützung gerade besonders benötigen.

Im Themenkreis 5 („Sinnfragen und heilsame Einstellungen“) geht es um eine neue Haltung zu sich selbst, die eine tiefere Ebene Ihres Seins berührt und so einen neuen Blickwinkel auf das Leben erlaubt. Überfordern Sie sich auch hier nicht, indem Sie meinen, alles umsetzen zu müssen. Halten Sie sich an die Texte, von denen Sie sich besonders angesprochen fühlen.

Im Themenkreis 6 („Ich und die anderen“) erfahren Sie hilfreiche Strategien für den Umgang mit typischen Problemen, die Menschen in der Krise mit ihrem Umfeld haben. Sie werden sehen, mit einer gewissen inneren Klarheit lassen sich für alles Lösungen finden. Gerade Angehörige werden hier wichtige Hinweise bekommen.

Im Themenkreis 7 („Es geht aufwärts – Die letzte Phase der Genesung“) gehe ich auf typische Stationen dieser Phase mit all ihren Klippen ein. Insbesondere erfahren Sie die wichtigsten stabilisierenden Faktoren für die Zeit, wenn Sie wieder im „normalen Leben“ angekommen sind. Denn da wollen Sie doch sicher wieder hin, oder?

*

Wie Sie sehen, sind die Kapitel bewusst so gestaltet, dass sie einzeln, jedes für sich gelesen werden können. Richten Sie sich beim Lesen ganz nach Ihren aktuellen Bedürfnissen und orientieren Sie sich an dem, was Sie gerade anspricht. Ich traue Ihnen zu, dass gerade Sie als Hilfesuchende besonders kompetent darin sind, herauszufinden, worauf Sie ganz dringend eine Antwort benötigen. Wenn Sie sich derzeit bereits in der Phase der Wiedereingliederung in Ihren Arbeitsprozess befinden, mögen Sie das Buch vielleicht sogar lieber von hinten anfangen.

An den Anfang eines jeden Kapitels habe ich einen kurzen Vorspann gestellt, der die Problematik kurz umreißt. Auch am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenstellung von wesentlichen Einsichten und konkreten Tipps. Sie können diese zunächst einmal schnell überfliegen, um sich zu orientieren.

Auch wenn Sie, liebe Leser, Angehörige eines erkrankten Menschen sind, können Sie von fast allen Kapiteln profitieren. Ich möchte damit ausdrücken, dass es nicht auf der einen Seite den „armen“ Kranken und auf der anderen Seite den „beneidenswert“ Gesunden gibt, sondern dass wir, Therapeuten, Kranke und Gesunde, alle nur Menschen sind – mit vielen Kompetenzen, aber auch mit Schwächen. Deshalb möchte ich dieses Buch mehr als ein Bündel aus praktischem und theoretischem Wissen verstanden wissen, aus dem sich jeder nach seinen individuellen Bedürfnissen bedienen kann. Egal, ob gesund oder krank, wir alle sind von Zeit zu Zeit auf der Suche nach heilenden Einsichten.

Ich habe versucht, Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen zu finden:

•Was ist mit mir los und wie sind meine Symptome zu erklären?

•Was hilft mir und wie kann ich mir selbst konkret helfen?

Das zusammengetragene Wissen habe ich aus der praktischen Arbeit mit Menschen in krisenhaften Lebenssituationen und immer auch aus meinen eigenen Lebenserfahrungen gewonnen. Ich möchte Ihnen damit vermitteln: Es gibt Hoffnung auf ein Leben nach Depression oder Burn-out!

Diagnosen und was sie bedeuten

Für diejenigen unter Ihnen, die sich vielleicht fragen: „Was habe ich denn nun?“, oder: „Was hat es mit gewissen Diagnosen auf sich?“, möchte ich an dieser Stelle einen Pfad durch das Dickicht der verschiedenen Begriffe aufzeigen. Diagnosen sind dazu da, verschiedene seelische und körperliche Symptome medizinisch-wissenschaftlich zu katalogisieren. Wenn Sie zum Beispiel unter den Symptomen A, B und C leiden, dann nennt man das X, Y oder Z.

In der Medizin kursieren verwirrend viele Begriffe für seelische Leidenszustände mit depressiver Färbung, die oft wenig darüber aussagen, woran jemand wirklich leidet. Vielen Betroffenen wird gesagt, sie hätten eine „Depression“. Andere haben angeblich „nur“ einen Erschöpfungszustand oder ein „Burn-out“. Bei wieder anderen wird von einem „Nervenzusammenbruch“ gesprochen, der angeblich bald wieder vorbei ist. Auch gibt es die sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung, die Folge einer oder verschiedener traumatischer Erfahrungen sein kann. All diese Bezeichnungen überlappen einander in ihrer Bedeutung. Die Symptome sind ähnlich und nicht immer eindeutig voneinander zu trennen.

Viele Betroffene kommen in die hausärztliche Behandlung mit der Vermutung: „Ich habe ein Burn-out“. Sie leiden unter zunehmenden körperlichen Beschwerden, Erschöpfungszuständen und Lustlosigkeit bis hin zu geistiger Lethargie. Oftmals wird bei anhaltenden Schlafstörungen eine Depression vermutet. Bei Laien hat sich zunehmend der Begriff des Burn-out-Syndroms eingebürgert, der ursprünglich ein Phänomen beschrieb, das vor allem Erschöpfungszustände in der Arbeitswelt betraf. Heute ist dieser Begriff fast schon zum Modebegriff avanciert und wird fälschlicherweise auf jede Art von seelischer Überforderung angewendet. Beim Burn-out liegt die Betonung mehr darauf, dass sich jemand in seinem Beruf verausgabt hat: Vielleicht musste er über einen langen Zeitraum unter hohem Druck und Zeitmangel arbeiten, wurde aber in seinen Anstrengungen überhaupt nicht wertgeschätzt. Vielleicht gab es auch über lange Zeit unlösbare Konflikte oder gar Mobbing am Arbeitsplatz.

 

Beim Burn-out, das eigentlich keine fest umschriebene medizinische Diagnose ist, steht die körperliche Erschöpfung im Vordergrund. Sie entsteht, wenn Mitarbeiter sich ständig überfordert fühlen, sich dabei auch noch selbst überfordern und sich nicht mehr von der Arbeit distanzieren können. Irgendwann entwickeln sich dann schon bei den geringsten Anforderungen Versagensängste und psychische Fehlleistungen. Eine depressive Grundstimmung kommt meist hinzu.

Bei einem schweren Burn-out kann es zu einer Depression kommen, wenn sich dieser Prozess der Überarbeitung auf die gesamte Persönlichkeit auswirkt und die Seele tiefgreifend erfasst. Der Begriff „Burn-out“ ist heute eine gesellschaftlich anerkannte Krankheitsbezeichnung, die oftmals dazu dient, die stigmatisierende Diagnose „Depression“ nicht in den Mund nehmen zu müssen.

Wie Sie noch sehen werden, gibt es nicht „die“ Depression oder „den“ Burn-out-Zustand, sondern jeder Mensch reagiert ganz unterschiedlich auf lange anhaltenden psychischen Stress. Gleichgültig, welche Diagnose man Ihnen zuschreibt – mir persönlich geht es mehr darum, dass Sie das konkrete Leiden als eine nachvollziehbare Reaktion Ihres Körpers und Ihrer Seele verstehen können. Auf diese Weise können Sie sich sehr viel besser Gesundungsprozesse erschließen.

Als larvierte Depression versteckt sich die Krankheit hinter diversen körperlichen Beschwerden, von chronischen Verdauungsstörungen über Herzprobleme, Tinnitus bis hin zu Nervenschmerzen. Häufig haben depressive Menschen schon seit Jahren körperliche Beschwerden, die eigentlich seelische Gründe haben. Die agitierte Depression beschreibt einen krisenhaften Krankheitszustand, bei dem die Betroffenen sich hochgradig unruhig bis panisch fühlen. Die frühere Bezeichnung endogene Depression ist längst überholt. Dabei wurde angenommen, dass die Depression ohne jeden Anlass einfach so „ausbricht“, wenn es dafür eine familiäre Vorbelastung gibt. Diese Einschätzung wurde im Grunde gegeben, weil man sich die Ursache, warum bestimmte Menschen depressiv reagieren, nicht erklären konnte, oder weil man damals nicht wusste, was dagegen half. Sicherlich gibt es auch heute ganz schwere Depressionen bei besonders vorbelasteten Menschen, deren Behandlung langwierig ist, vielleicht sogar schwer zu beeinflussen ist und eines ganz besonderen therapeutischen Engagements bedarf. Manchmal gibt es auch Lebenssituationen, in denen Krankheit eine mögliche Form ist, das eigene Leben zu bewältigen. Grundsätzlich kann man jedoch davon ausgehen, dass jede Depression ihre innerpsychischen Gründe hat, wie schwerwiegend diese auch sein mögen.

Viele Betroffene sind jedoch deshalb in die Krise geraten oder depressiv geworden, weil sie in ihrer Kindheit traumatisierende Erfahrungen gemacht haben, etwa jahrelanges Mobbing in der Schulzeit oder mangelnde Unterstützung bis hin zu Missachtung und Gewalt in der eigenen Familie. Manche haben schwere Verluste erlitten, die sie nicht verkraftet und erst einmal völlig weggedrängt haben. Auch unverarbeitete Kriegserlebnisse können noch Jahrzehnte später in bestimmten Lebenssituationen hochkommen und massive depressive Krisen auslösen. Es kann sich auf diese Weise eine Posttraumatische Belastungsstörung zeigen, die ähnlich wie eine Depression ganz unterschiedliche Symptome verursacht.

Jemand, der durch gewisse Lebensumstände in eine Krise gerät und doch bis vor Kurzem noch voll im Leben gestanden hat, ist nicht kontinuierlich in einem Erwachsenenzustand, sondern fällt häufig emotional in den Zustand zur Zeit seiner Vorerfahrung zurück (Flash-back).

Das kann zum Beispiel das Lebensgefühl eines ängstlichen Kindes sein, das sich verständlicherweise nicht viel zutraut im Leben und voller Versagensängste ist. Gleichgültig, welche traumatischen Ereignisse zugrunde liegen, auch die Folgen einer Traumatisierung können mit entsprechender Unterstützung vollständig ausheilen. Unter anderem im Kapitel über Stimmungsschwankungen und Spaltungsphänomene komme ich auf diese Problematik ausführlich zu sprechen. Unter entsprechenden unterstützenden Bedingungen, sei es mit oder ohne Medikamente, ist eine Depression grundsätzlich heilbar. Manchmal sind die Bedingungen für eine Heilung noch nicht gegeben. Das kann sich jedoch jederzeit ändern. Meine Beobachtung von Krankheitsverläufen, die über Jahre gingen und als chronisch bezeichnet wurden, hat mir gezeigt, dass allein durch ein neues Verständnis von sich selbst oft erstaunliche Fortschritte eingeleitet werden.

Wenn Sie von diesem Buch profitieren möchten, ist es nicht wichtig, welche genaue Diagnose Sie haben oder wie lange Ihre Krankheit schon besteht. Hier geht es um lösungsorientierte Strategien, die gleichermaßen auch „Gesunde“ nutzen können. Der Einfachheit halber werde ich im Folgenden vorwiegend den Begriff „Depression“ verwenden, gleichgültig, ob es sich um eine traumabedingte schwere depressive Krise oder vielleicht nur um ein vorübergehendes Stimmungstief oder ein Burn-out handelt.

Mir geht es darum, konkrete Ideen zu entwickeln, wie Sie sich Schritt für Schritt stabilisieren und wieder zu Ihrer Lebendigkeit und Schwingungsfähigkeit zurückfinden (oder sie ganz neu für sich entdecken).