Buch lesen: «CoronaX by Musterbrecher»
Stefan Kaduk/Dirk Osmetz
CoronaX
by MUSTERBRECHER
Lernen in der Krise und für danach
Inhalt
Ein Prospekt über Muster in der Krise
CoronaX EXPERIMENT VOR PLAN Musterbrecher 1
CoronaX STRUKTUR VOR KULTUR Musterbrecher 2
CoronaX ROBUSTHEIT VOR EFFIZIENZ Musterbrecher 3
CoronaX Urteilskraft vor Instanz Musterbrecher 4
CoronaX Harter Pol vor Regeln Musterbrecher 5
CoronaX Relevanz vor System Musterbrecher 6
CoronaX Futur Zwo vor Retro Musterbrecher 7
Die Autoren
Ein Prospekt über Muster in der Krise
Jede Krise provoziert Reflexe im Umgang mit ihr. In den aktuellen Ereignissen rund um Corona lassen sich viele Muster beobachten, die auf dem Weg in eine alte oder neue Normalität die gängige Managementlogik reproduzieren. So ist zwar überall vom »Fahren auf Sicht« und von Experimenten die Rede, doch mehrheitlich wird das getan, was man schon immer gemacht hat: planen, steuern, standardisieren, kontrollieren. Und genau das wird von Entscheidern – in der Krise in erster Linie von der Politik – auch erwartet. Menschen können offenbar schwer damit umgehen, dass es für den Umgang mit dem Ungewissen keinen Masterplan geben kann. Wenn es ernst wird, werden die modernen Bekenntnisse zum Ausprobieren und zum »Trial and Error« schnell zur Fassade. Insgeheim wird dann doch eine »klare Strategie« erwartet, man fordert Planungssicherheit und einheitliche Regelungen.
Auf der Grundlage von 20 Jahren Musterbrecher-Forschung und -Praxis blicken wir auf das Krisengeschehen und reflektieren es anhand ausgewählter Leitbegriffe aus dem Buch MusterbrecherX. Dabei unternehmen wir den Versuch eines kritisch-sortierenden Blicks auf eine komplexe Herausforderung und skizzieren Ansatzpunkte, wie sich der gängige Slogan »Krise als Chance« mit Inhalt füllen lässt. Wie gewohnt argumentieren wir »rezeptbefreit«, stellen aber pointiert zusammen, für welche Wege man sich im Sinne einer musterbrechenden Denkhaltung entscheiden könnte.
Jetzt gibt es die Chance zu lernen: für die Krise
und für die Zeit danach.
CoronaX
EXPERIMENT VOR PLAN
Musterbrecher 1
»Diese Situation ist ernst und sie ist offen.«
Bundeskanzlerin Angela Merkel
am 18. März 2020 in ihrer Fernsehansprache
»Diese als ›Shutdown‹ bezeichneten Maßnahmen basieren teilweise auf Annahmen ohne ausreichende Wissensbasis, denn viele wissenschaftliche Fragen zu den Risiken von COVID-19 sind angesichts der unzureichenden Datenlage noch ungeklärt.«
Bericht der Leopoldina zur Coronavirus-Pandemie
vom 13. April 2020
»Ich bin immer ganz neidisch auf all diejenigen, die schon immer alles gewusst haben. […] Und ich bin mir sicher: Jenseits von Politik wird auch für Gesellschaft, selbst für Virologen und Wissenschaftler eine Phase kommen, wo wir alle im Nachhinein feststellen werden, dass man an der einen oder anderen Stelle falschgelegen hat oder an der einen oder anderen Stelle noch mal korrigieren oder nachsteuern muss. Das finde ich in einer Zeit wie dieser vergleichsweise normal. Und wenn wir ein Grundsatzverständnis hätten, dass das in einer Zeit solcher Unwägbarkeit dazugehört, dann wäre das schon mal ein wichtiger Schritt.«
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister,
am 22. April im Bundestag
Wenn, wie gerade zu erleben, die bekannten Muster offensichtlich nicht ausreichend sind, um für Sicherheit zu sorgen, wenn Experten zugeben, dass sie eigentlich in ihrem Spezialgebiet nicht mehr wissen, als sie wissen, dann sollten Menschen auf eines der erprobtesten Meta-Muster zurückgreifen, das sie vielleicht wie kein anderes von allen anderen Lebewesen unterscheidet: die Fähigkeit, zu experimentieren und als Gemeinschaft daraus zu lernen.
Experimente machen Menschen aus; denn letztlich ist das ganze Leben durch nie endende Episoden des Ausprobierens geprägt. Kinder versuchen, andere zu imitieren. So erschließen sie sich die Welt – zuerst im sicheren Umfeld ihrer Eltern, bevor sie langsam immer mutiger werden. Und auch im Erwachsenenalter wird ständig experimentiert. Jede Beziehung ist ein Versuch mit der nicht ganz unwahrscheinlichen Möglichkeit des Irrtums. Das experimentelle Vorgehen gehört zum Wesen des Menschen. Oft werden genaue Überlegungen angestellt, bevor ein Versuch gestartet wird. Manchmal wird einfach ausprobiert, einige Chancen werden ergriffen, andere nicht genutzt. Das Ende bleibt dabei stets offen und ungewiss.
// Ganz schön anstrengend
Unser Gehirn hasst Ungewissheit wie die Pest!
Im Umgang mit der ungeliebten Ungewissheit gibt es zwei Möglichkeiten: Sie lässt sich durch Planung ignorieren oder durch Experimente erforschen. In den Naturwissenschaften hat sich das Experiment als mächtigster Katalysator des Fortschritts und der Wissensproduktion erwiesen. Ohne den Mut, Fragen zu stellen, die bisher keiner zu stellen gewagt hatte, wären alle Errungenschaften bis heute schlicht unvorstellbar gewesen. Nicht der fatalistische Umgang mit scheinbar gesichertem Wissen, sondern die Evidenz durch das Experiment trieben die technische, aber auch die soziale Entwicklung. François Jacob, Nobelpreisträger für Medizin, bezeichnete das Experiment als einen »Brutkasten der Hoffnung« oder als »Maschinerie zur Herstellung von Zukunft«. Und das gilt in der Krise mehr denn je.
// Zweifler bevorzugt
Hoffnung sollten uns nicht diejenigen machen, die uns suggerieren, sie wüssten, wie es sein muss, sondern diejenigen, die zweifeln, hinterfragen, ausprobieren, abwägen, sich revidieren und um ihr eigenes Unwissen wissen.
Es sind die Wissenschaftler – Epidemiologen und Virologen –, die uns die Fragilität der Lage erläutern. Die Hoffnung richtet sich auf das Können und die glückliche Hand der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Pharmaindustrie, der Softwareunternehmen und der Medizinbranche. Täglich ist zu hören, wie Christian Drosten, Chefvirologe der Charité, sich aufgrund neuer Erkenntnisse und Studien korrigiert. In der Presse liest man davon, dass die Corona-Krise ein »Experiment mit der gesamten Weltbevölkerung« und dass »alles möglich« sei. Ein vom Bundesinnenministerium ins Leben gerufener Expertenkreis hat ein Strategiepapier ausgearbeitet, in dem eine »Experimentierklausel für innovative Lösungen« gefordert wird. Und dennoch scheinen sich weder die Politik noch die Bevölkerung mit dem Experimentiermodus anfreunden zu können. Überall ist der Wunsch nach Beibehaltung der üblichen Planungs- und Managementlogik zu spüren.
// Kapitäne auf die Brücke!
Wir benötigen Manager – Krisenmanager!
Die Managementdenke eines gesteuerten und geplanten Vorgehens mit Meilensteinen und definierten Zwischen- und Endzielen hat die Gesellschaft, alle Institutionen und Organisationen so sehr durchdrungen, dass Ergebnisoffenheit nicht ertragen wird; schon gar nicht in Zeiten, in denen Unerwartetes passiert.
Management versteht sich als Planungsinstanz, als Erfüllungsgehilfe von Kontinuität, Produktivität, Wertschöpfung und Stabilität. Es sollte wissen, was zu tun ist – und dieses Wissen wird von der Gesellschaft auch erwartet. Unangenehme Überraschungen sind zu vermeiden. Im Managementkontext ist das Experimentieren negativ belegt. Als Managerin oder Manager zu experimentieren würde bedeuten, unprofessionell zu handeln, unkalkulierbare Risiken einzugehen und Wissenslücken zuzugeben.
Und es scheint ja auch erfolgreich zu sein, wenn mit dem Tunnelblick des Krisenmanagements ausschließlich auf Infektionszahlen und andere Kennziffern geschaut wird. Durch das Extrapolieren von Trends, mit dem Berechnen der Eintrittswahrscheinlichkeiten sensitiver Szenarien und dem Prognostizieren möglicher zukünftiger Entwicklungen gelingt es vermutlich sehr gut, das den Pandemieverlauf beeinflussende Verhalten der Bevölkerung gezielt zu managen und die Anzahl der Neuinfektionen einzudämmen. Abstandsregeln, Gesichtsmasken, vorübergehende Beschulung zu Hause und weitere Maßnahmen führen zu einer Senkung der Basisreproduktionsrate. Der Pandemieverlauf wird positiv beeinflusst.
Allerdings hat dieses Vorgehen Nebenwirkungen, die in der Komplexität der Krise und ihren unklaren, unvorhersehbaren und vielschichtigen Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche der Weltgesellschaft begründet sind. Wenn die verengte Perspektive auf die medizinischen Kennzahlen geöffnet wird, offenbart sich eine nicht zu managende Problemlage.
// Fataler Flügelschlag
Der »Schmetterlingseffekt« in der Corona-Krise
Der Chaosforscher Edward N. Lorenz warf einst die Frage auf: »Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?« Jetzt weiß man: Ein »Fledermaus-Virus« aus China kann das soziale Leben weltweit zum Erliegen bringen. Selbst die Fans apokalyptischer Drehbücher und Science-Fiction-Romane hätten wohl nicht ernsthaft geglaubt, dass so etwas wirklich passieren kann.
Die Komplexität der Welt wird plötzlich greifbar. Dinge, die auf einem »nassen Markt« in China passieren, können ungeahnte Auswirkungen haben. Doch es wäre naiv zu glauben, dass ein Schmetterlingseffekt »nur« zur Entstehung und Verbreitung der Pandemie führt. Vielmehr tritt er ebenso bei den meisten Maßnahmen auf, die zur Bewältigung der Krise angegangen werden. Anders gesagt: Jede Krisenreaktion (etwa der Shutdown oder die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Bundesliga) ist ein Flügelschlag, der unüberblickbare Folgen hat. Die sozialen, psychologischen und wirtschaftlichen Nebenfolgen des bisherigen Krisenmanagements werden nicht zu managen sein.
// Einsicht vorhanden – Handlung fehlt
Intellektuell ist alles klar: »Wir müssen auf Sicht fahren.« Der Übergang vom Erkennen zum Handeln aber fällt schwer.
Jaime Lerner, ehemaliger Bürgermeister der Zwei-Millionen-Metropole Curitiba und ein echter Musterbrecher, sagte uns im Interview: »Plant nicht zu lange! Wer lange und ausgiebig plant, findet gute Gründe, etwas nicht zu tun. Innovation heißt aber anfangen!«
Das Experiment ist die sichere Einführung von Unsicherheit und Ungewissheit in die Planungs- und Managementlogik und somit das wirksamste Mittel im Umgang mit dem Unplanbaren. Aus unserer Forschungs- und Praxiserfahrung wissen wir, dass Experimente dabei helfen, Potenziale und verborgene Energien zu mobilisieren. Sie entlarven limitierende (Denk-)Muster, widerlegen Theoriestandards und geben neue Antworten.
Die experimentelle Führung bildet ein Gegengewicht zur stabilen, auf Reproduzierbarkeit und Effizienz ausgerichteten Routine von Organisationen und Institutionen (eine besondere Form der Organisation mit staatlichem und gesellschaftlichem Auftrag).
// Paradox genug: Sicherheit durch Experimente
Wenn es gelingt, in allen Bereichen der Gesellschaft eine Haltung des Experimentierens zu verankern, dann entsteht daraus eine Sicherheit, besser mit der Unplanbarkeit zurechtzukommen.
Der Übergang von der Planungs- zur Experimentierlogik bedingt einschneidende Haltungsänderungen. Haltungen sind stabil und relativ immun gegen einfache Appelle wie etwa »Seid mutig und experimentiert!«. Die Adressaten werden allenfalls so tun, als würden sie experimentieren, vor allem dann, wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Auffordernden stehen. Man muss sich einlassen wollen auf neue Erfahrungen, die unter die Haut gehen. Dadurch wird eine bestehende Haltung irritiert, und es besteht die Chance, dass sie sich verändert, wenn die gesammelten Erfahrungen emotional bedeutsam sind. Dann – nur dann – werden Menschen in der Folge auch anders handeln können. Doch wie gelingt es, neue Erfahrungen zu machen?
In unserer Beratungsarbeit sind wir Anhänger eines Experimentierens auf freiwilliger Basis. Es hat sich bewährt, Menschen zum Experimentieren einzuladen und mit denen zu arbeiten, die sich auf diese Logik einlassen wollen.
// Die Corona-Krise
Eine erzwungene Erfahrung
Diese Wahl gibt es derzeit nicht. Jetzt werden notgedrungen alle Teil eines großen Experiments. Die einen agieren aktiv als Experimentatoren, die anderen fühlen sich als wehrlose Versuchskaninchen – der Unterschied ist in diesem Fall nur eine Frage der Haltung. Wir alle mussten mit den Auswirkungen des Shutdowns neue – zeitlich befristete – Erfahrungen machen: mit Freiheitsbeschränkungen, im Dauer-Homeoffice, durch Home Schooling, mit Führung auf Distanz und fehlenden Direktkontakten bei gleichzeitiger Langzeitnähe in der Familie …
Und auch nach dem Shutdown hört das Experimentieren natürlich nicht auf. Die sogenannte Rückführung ins Büro, die Neugestaltung von Lieferketten und das Ankurbeln der Wirtschaft mit Billiardenhilfen sind allesamt Experimente mit offenem Ausgang.
Viele dieser zwangsläufigen Erfahrungen irritieren sicherlich verfestigte Haltungen – sowohl bezogen auf den Arbeits- als auch auf den privaten Kontext. Aus unserer Sicht wäre es jedoch wichtig, die Reflexion dieser (Lern-)Erfahrungen nicht auf einen Zeitpunkt zu verschieben, von dem man sich (gewohnte oder neue) Normalität erhofft. Doch von oberster politischer Stelle werden andere Signale ausgesendet. So antwortete die Bundeskanzlerin nach der Sitzung des Corona-Kabinetts am 9. April auf die Frage, welche Erkenntnisse sie aus der größten Krise während ihrer Amtszeit als Regierungschefin, aber auch als Mensch ziehe: »Es ist noch zu früh. Das können Sie mich dann einmal fragen. Wir stecken jetzt ja mitten in der Anspannung, und sie ist schon gewaltig. Wir alle wissen noch nicht, wie das weitergeht. … Bilanz ziehen wir dann sehr viel später.«
Aus unserer Sicht ist es ein großer Fehler, das Lernen aus diesen erzwungenen Experimenten aufzuschieben. Zweifellos muss man den aktuellen Versuchsaufbau im Blick haben; es ist aber genauso wichtig, auch öffentlich darüber zu diskutieren, welche Fehler im Vorfeld gemacht wurden und welche Folgeversuche sich im Nachgang anbieten könnten: Wurde zu zaghaft auf schwache Signale reagiert, die sich bereits im Februar gezeigt haben – und aus welchen Gründen? Was sollte man eventuell anders oder nicht mehr tun? Um wirklich zu neuen Lösungen zu kommen, muss alles diskutiert, alles infrage gestellt werden dürfen.
// Dringend erforderlich
Die Konservierung der gemachten Erfahrungen und deren Transport in eine »Nach-Corona-Realität« sind entscheidend.
Die Reflexion über das zugemutete Corona-Experiment im großen gesellschaftlichen Rahmen ist ein Erfordernis. Ein anderes ist die experimentelle Reaktion auf diese Zumutung im kleineren Rahmen und in gesellschaftlichen Teilbereichen. Für beide Erfordernisse gilt: Das Zeitfenster ist begrenzt. Spätestens dann, wenn ein Impfstoff oder ein Medikament zur Verfügung steht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Gesellschaft in einem Langstreckensprint (vermeintlich) Verlorenes zurückgewinnen möchte. Wichtige Weichenstellungen könnten verpasst werden, wenn die potenziell haltungsverändernden Irritationen nicht zum Erproben neuer Wege genutzt werden.
// Experimentieren während der Krise
Lokal überschau- und nachvollziehbar
Es ist notwendig, die Experimente lokal durchzuführen. Damit meinen wir nicht nur die naheliegende Begrenzung auf ein Bundesland, sondern eine viel kleinteiligere Betrachtung. Teilweise sollten auf der Ebene der einzelnen Schule, des einzelnen Restaurants oder des jeweiligen Betriebs Lösungen gefunden werden. Man müsste sich sorgfältig den Versuchsaufbau überlegen und aus den gesammelten Erfahrungen Lehren ziehen, sich über diese austauschen und auf andere Bereiche übertragen. Erfahrungen des Gelingens wie des Scheiterns müssten der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Wenn – wie etwa in der deutschen Fleischindustrie – die Problemlagen dramatische Ausmaße annehmen, dann geschieht das auch. Das Pflegen von Lernbeziehungen wäre aber auch jenseits von Großereignissen immens wichtig: zwischen Schulen, Betrieben, Abteilungen und einzelnen Menschen.
// Mut zum Widerspruch
Ausgangspunkt beim Design der Experimente bilden Hypothesen und Vermutungen, die den herrschenden Glaubenssätzen widersprechen.
Gerade jetzt wird die Kraft benötigt, Hypothesen für den Umgang mit der Krise und für die Zeit danach zu formulieren.
Mit Blick auf die Herausforderungen, die sich durch vergleichbare Krisen in der Zukunft für die Gesellschaft ergeben könnten, erscheint uns die folgende Hypothese interessant, die bereits in der Diskussion ist: Wenn es ein Bürgergeld oder ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, würde die Gesellschaft robuster und damit krisenfester werden.
// Hypothesen basieren …
… auf Lerneffekten aus erzwungenen Experimenten für eine gewünschte Post-Corona-Zeit.
Auch Unternehmen brauchen Hypothesen, mit denen sie gesammelte Erfahrungen in eine neue Normalität übertragen. Zum Beispiel: Wenn grundsätzlich und nicht nur in der Krisenlage auf Zeiterfassung verzichtet wird, werden die Mitarbeitenden ihre Leistung erbringen, ohne sich dabei zu überfordern. Oder: Mitarbeitende benötigen keine Führungskraft, um ihre tägliche Arbeit zu organisieren, aber sie brauchen Führungskräfte, die Beziehungen gestalten. Oder: Wenn Entscheidungskompetenz konsequent von den Zentralen an den Rand der Unternehmen verlagert wird, dann …
Führung ist gefordert, Undenkbares zu denken, um dadurch Denkbares zu erkennen. Aus unserer Sicht besteht der zukünftig wohl anspruchsvollste Musterbruch darin, die Gesellschaft konsequent als »Labor« zu verstehen und den Mut zu haben, durch eine experimentelle Führung in der Politik, in der Verwaltung und in der Wirtschaft den jeweils besten eigenen Weg zu finden. Doch dieses Bekenntnis zum Experimente erfordern Mut, weil man öffentlich eingestehen muss, dass ihr Ausgang ungewiss ist. Weil man das eigene Bild als Held oder Heldin des Krisenmanagements bereits im Entstehen ins Wanken bringt. Und weil man den vielen Verunsicherten zeigen muss, wie man die eigene Unsicherheit zu überwinden versucht – und manchmal daran scheitert.
Die Default-Einstellung des Musterbruchs lautet: Mut zum Experiment! In den folgenden Kapiteln werden Sie immer wieder Felder finden, in denen es darum gehen wird, Neues auszuprobieren. Das Motto lautet: Neugier statt Blaupause!
Stoppt Krisenmanagement!
• Wir fordern dazu auf, auf Forderungen nach einem Plan aus der Krise zu verzichten.
• Wir fordern dazu auf, sich der Schmetterlingseffekte jeder Entscheidung bewusst zu werden. Auch wenn das ursprüngliche Problem (scheinbar) gemanagt wurde.
Stoppt den Selbstbetrug!
• Nutzen wir den Slogan »Wir fahren auf Sicht«. Aber nur dann, wenn wir aufhören, mit dem Fernlicht in den Nebel zu leuchten.
• Feiern wir diejenigen, die den Mut haben, täglich ihre Position neu zu bestimmen. Und nicht diejenigen, die über fehlende Klarheit schwadronieren.
Reflektiert!
• Wie gelingt es, in Kindertagestätten, in Schulen, in der Aus- und Weiterbildung den experimentellen Umgang mit Ungewissheit zu trainieren?
• Experimentatoren oder Versuchskaninchen: Wie können wir in einem Experiment, das uns zugemutet wurde, trotzdem eine aktive Rolle einnehmen?
Auf den Punkt:
Geben wir uns die Lizenz zum Experimentieren!
Der kostenlose Auszug ist beendet.