Mit Erfolg promovieren in den Life Sciences

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Allein die Tatsache, dass die Anzahl der Promovenden in der Humanmedizin abnimmt, scheint ein Indiz zu sein, dass sich auch bei Medizinern die Einstellung zum Doktortitel ändert. Abschließend sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch im Rahmen der medizinischen Promotion qualitativ sehr hochwertige Forschung betrieben werden kann. Viele Medizinische Fakultäten haben hierfür mittlerweile spezifische Programme aufgelegt. Wer später eine Karriere in der Hochschulmedizin anstrebt (z. B. Chefarzt einer Klinik am Universitätsklinikum), wird auf diesen Nachweis der eigenständigen Forschung und auch später an der Habilitation nicht vorbeikommen.

Diese kurze Darstellung belegt, dass sich eine Promotion lohnen kann, sowohl was die späteren Karriereoptionen angeht als auch was das persönliche Einkommen betrifft. Jedoch bedarf es für eine erfolgreiche und gute Promotion auch eine gehörige Portion persönlichen Engagements. Insbesondere in den Lebenswissenschaften kann von einer geregelten 5 Tage Woche mit festen Arbeitszeiten kaum die Rede sein. Einerseits steht man häufig in starker Konkurrenz zu anderen Arbeitsgruppen, die auf dem gleichen Forschungsgebiet arbeiten und muss daher die Experimente exzellent und zügig durchführen, um den Wettkampf um die Erstpublikation zu gewinnen. Andererseits hat dies auch rein praktische Gründe: Die Arbeit mit lebenden Systemen erfordert ein großes Maß an zeitlicher Flexibilität. Zellen, Zebrafische oder Taufliegen beispielsweise müssen so versorgt werden, dass ausreichend Material für die Experimente zur Verfügung stehen. Dies gelingt meistens nur dann, wenn man auch am Wochenende bereit ist, Zellen zu splitten oder Zebrafische so zu verpaaren, dass man auch montags Laich zur Verfügung hat. Auch sollte man sich bereits vor der Promotion darüber im Klaren sein, dass Forschung auch immer das Betreten von Neuland bedeutet. Das Ergebnis von Experimenten ist im Vorfeld nicht bekannt, allenfalls vage vorhersagbar. Viele Hypothesen müssen im Laufe der Arbeit als falsch verworfen und neue aufgestellt werden. Auch muss man wissen, dass im Labor häufig Methoden neu etabliert werden müssen und dass auch dies ein steiniger Weg sein kann. Eine Promotion in den Lebenswissenschaften erfordert somit ein außergewöhnliches Maß an Begeisterungsfähigkeit, Belastbarkeit und Frustrationstoleranz. Gerade der letzte Punkt ist wichtig. Man muss die vielen Negativerlebnisse verkraften können, mit denen man konfrontiert wird, wenn man in den Lebenswissenschaften erfolgreich sein will. Dies leitet zwangsläufig zu der Frage nach der persönlichen Motivation zur Durchführung eines Promotionsvorhabens über.

Grundsätzlich können wir bei der Frage der Motivation zu einem Vorhaben zwischen intrinsischen und extrinsischen Faktoren unterscheiden. Unter der intrinsischen Motivation verstehen wir zunächst einmal das Interesse an der Sache an sich, z. B. einem Gewinn an Erkenntnis. Auch das Glücksgefühl beim Lösen einer gestellten Aufgabe ist an dieser Stelle zu nennen, genauso wie die positiven Belohnungssysteme und das daraus resultierende Selbstbewusstsein durch z. B. die Akzeptanz einer eingereichten Publikation oder Erfolg bei der Drittmitteleinwerbung. Ein hohes Maß an intrinsischer Motivation verhilft zu einer hohen Frustrationstoleranz und ist Grundlage eines außergewöhnlichen Engagements. Zu den extrinsischen Motivationsfaktoren gehören das Lob und die Anerkennung durch andere für die gute Arbeit, die Anerkennung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft oder gar wissenschaftliche Preise. Wie bei der intrinsischen Motivation sind hier auch der Publikationserfolg und der Erfolg beim Einwerben von Drittmitteln zu nennen. Auch diese extrinsischen Faktoren sind in der Wissenschaft von erheblicher Bedeutung. Eine mangelnde Motivation bezüglich der eigenen Arbeit ist von Dauer

der Arbeit nicht zuträglich und kann letztlich auch zu ihrem Abbruch führen.

Persönliche Grundlagen für eine erfolgreiche Promotion:

Das „WINNER-Prinzip“

Eine Promotion wird durch bestimmte persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die ein Kandidat aufweisen sollte, sehr begünstigt. Hierzu zählen die Motivation, Begeisterungsfähigkeit, Neugierde, Fähigkeit zur Selbstkritik, Ausdauer/Beharrlichkeit und eine hohe Frustrationstoleranz. Diese Eigenschaften und Fähigkeiten kann man zum „Winner-Prinzip“ zusammenfassen:

Motivation (Willingness to perform): Bin ich intrinsisch motiviert oder überwiegt die extrinsische Motivation?

Begeisterungsfähigkeit (Intellectual enthusiasm): Kann ich mich für meine Forschung begeistern?

Neugierde (Nosiness): Kann ich mich für wissenschaftliche Fragestellungen begeistern? Bin ich daran interessiert, Neuland zu betreten?

Fähigkeit zur Selbstkritik (Necessity for self-criticism): Bin ich in der Lage, eigene Ergebnisse zu hinterfragen? Wann bin ich mit einem experimentellen Ergebnis zufrieden?

Ausdauer (Endurance): Kann ich an einem Problem oder einer Fragestellung längere Zeit arbeiten, ohne das Interesse zu verlieren? Bin ich bereit, immer und immer wieder das gleiche Experiment durchzuführen oder langweilt mich das irgendwann?

Frustrationstoleranz (Resistent to frustration): Wie gehe ich mit Frustration um? Bin ich darauf vorbereitet, wenn (zeitaufwendige) Experimente nicht klappen, oder das Ergebnis genau das Gegenteil davon ist, was ich erwartet habe?

1.2Der Begriff Promotion und seine ­geschichtliche Entwicklung

Der Begriff „Promotion“ leitet sich vom lateinischen Wort promotio ab und bedeutet Beförderung (zu einer Ehrenstelle), Erhöhung, Förderung. Obwohl der Begriff Promotion heute eng an eine wissenschaftliche Leistung geknüpft ist, hat er im Laufe der Jahrhunderte mehrere inhaltliche Wandungen durchlaufen. Für eine Promotion wird der akademische Grad eines Doktors (aus dem Lateinischen docere = lehren bzw. doctus = gelehrt) verliehen. Dabei war dieser Begriff in der römischen Antike eine Art Berufsbezeichnung und bedeutete soviel wie Lehrmeister oder Gelehrter. So wurde ein Fechtmeister, der die Gladiatoren im Fechten unterrichtete, als doctor gladiatorum, der Ausbilder der römischen Netzkämpfer als doctor retiariorum und derjenige, der die schwerbewaffneten Gegenspieler der Netzkämpfer trainierte, als doctor secutorum bezeichnet. Die Bedeutung dieses Wortstamms hat sich beispielsweise im Italienischen bis heute erhalten und findet sich wieder im Wort docente, dem Lehrer. Im Deutschen ist der Begriff des Dozenten auch heute noch gebräuchlich.

Die historische Entwicklung der Promotion und des Doktorgrades sind sehr interessant und sollen nachfolgend beispielhaft skizziert werden. Eine ausführlichere Übersicht über die Geschichte der Promotion liefert beispielsweise Wollgast (2001), auf den wir uns in den folgenden Abschnitten überwiegend beziehen. Die Gründungen der ersten europäischen Universitäten Bologna, Paris, Oxford, Cambridge und Montpellier datieren auf die Jahre 1088 bis 1220. Die älteste Universität der heutigen Bundesrepublik ist Heidelberg mit dem Gründungsjahr 1386. Die Anzahl der Fakultäten war gering: die drei oberen Fakultäten Theologie, Jura und Medizin sowie im Rang darunter die Artistenfakultät (facultas artium). Das Studium an der Artistenfakultät mit seinen Fächergruppen Grammatik, Rhetorik, Dialektik sowie Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik diente häufig als Grundlage zu einem Studium an einer der höheren Fakultäten (Wollgast 2001). Aus der Artistenfakultät entwickelte sich später die Philosophische Fakultät, die – je nach Fach – ihrerseits Grundbaustein für die heutigen geisteswissenschaftlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten waren.

Auch im Mittelalter mussten die Kandidaten schon bestimmte Ausbildungsschritte durchlaufen, bevor sie den Doktorgrad erwerben konnten. Die Erlangung der Doktorwürde war recht mühsam, die zu erbringenden Leistungen abhängig von der jeweiligen Fakultät, aber für den jeweiligen Kandidaten auf jeden Fall mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Einige der damaligen Sitten und Gebräuche findet man auch heute noch bei den modernen Promotionen wieder. Beispielhaft sei hier kurz der Werdegang zur Promotion in Paris im Mittelalter skizziert (Wollgast 2001). Nach Erlangung des Grades Bakkalaureus muss der Kandidat noch einige Jahre Lehrerfahrung sammeln und die Fähigkeit zur Lehre zum Teil in einem förmlichen Examen vor Lehrern nachweisen. Vorgeschrieben war ein Streitgespräch (Disputation). Nach erfolgreichem Bestehen des Streitgesprächs wurde dem Bakkalaureus der Grad Lizentiat verliehen, der mit einer prinzipiellen Lehrbefugnis für alle Universitäten verbunden war. Zum Erhalt der vollen Lehrbefähigung und damit dem Grad Magister oder Doktor waren einige weitere Jahre der Lehre notwendig und eine feierliche Aufnahme der Korporation, also in die Gruppe der Gelehrten. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Promotion ursprünglich eher die Lehrbefugnis widerspiegelte, was heute durch die Habilitation abgedeckt ist.

Die Kosten, die mit einer Promotion verbunden waren, waren sehr hoch und abhängig von der jeweiligen Universität bzw. Fakultät. Nach Wollgast (2001) lagen die Gebühren für eine theologische Promotion in Deutschland im 17. Jahrhundert im Durchschnitt bei 100 Talern. Hinzu kamen die indirekten Kosten wie der essenzielle Doktorschmaus. Hierzu wird berichtet, dass auf einer Feier der Theologischen Fakultät der Leipziger Universität im April 1666 folgendes Essen und Getränke auf Kosten des frischen Doktors angeboten wurden: „1 Reh, 19 Hasen und 3 andere Stück Wild, 9 Wildenten, 15 Trut- und 3 Auerhähne, 5 Wasserhühner sowie 52 Junghühner. Hinzu kamen Aale, Lachse und Hechte, 12 Kannen italienischen Weins, 3 Faß Bier, für 205 Thaler gewöhnlicher Tischwein sowie für 124 Thaler Konfekt, Marzipan und Mandeltorte.“ (Wollgast 2001)

 

Als äußeres Zeichen der Erlangung der Doktorwürde trugen die Promovierten den Doktorhut (Barett), einen Mantel (Talar) und einen Ring, die zum Teil nach erfolgreicher Prüfung feierlich übergeben wurden. Durch diese Markenzeichen unterschieden sich die Lehrenden von den Lernenden und waren zudem äußerlich gut erkennbar. Diese Tradition hat sich bis heute teilweise erhalten; die Übergabe des Doktorhutes nach bestandener mündlicher Prüfung wird nach wie vor zelebriert. Nur ist dies nicht mehr ein formaler Akt, der vom Dekan durchgeführt wird, sondern vielmehr ein Brauch, bei dem Mitglieder der Arbeitsgruppe diesen Doktorhut basteln und überreichen. Vorgaben über das Aussehen existieren nicht. Zudem wird dieser Doktorhut heute mit vielerlei Laborutensilien geschmückt, die einerseits an das durchgeführte Forschungsprojekt erinnern sollen und andererseits lustige (Alltags-)Begebenheiten repräsentieren, die sich während der Promotionsphase ereignet haben.

1.3Dissertation, Disputation und Rigorosum

Heute unvorstellbar, aber wahr: In der frühen Neuzeit (16. Jahrhundert) konnte die Promotionsschrift, die Dissertation, vom Promovenden (bzw. Respondent) oder seinem Doktorvater, dem Präses, verfasst werden (Wollgast 2001). Der Präses leitete zudem die Verteidigung des Kandidaten. Ebenso verwunderlich ist, dass es besonders geeigneten Kandidaten oder Kandidaten aus dem Stand der Adeligen erlaubt war, sine praeses zu verteidigen. Die Dissertation musste publiziert werden, aber lange Zeit wurden sie nicht unter dem Namen des Promovenden, sondern unter dem Namen des Praeses publiziert, der dadurch eine hohe akademische Anerkennung erhielt.

Diese Vorgehensweise hatte einen kommerziellen Hintergrund. Druckkosten für wissenschaftliche Publikationen waren hoch und einen Geldgewinn konnte man durch deren Verkauf kaum erzielen. Somit bot sich die einfache Lösung an, die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien in eine Dissertation zu verpacken und einen Respondenten zu suchen, der bereit war, einerseits über die Schrift des Präses zu disputieren und andererseits die Druckkosten zu tragen. Auf diese Art und Weise konnten von einem Präses z. T. Dutzende an Promotionen veröffentlicht werden.

Abgeschlossen wurde das Studium durch ein mündliches Examen, das Rigorosum oder Disputation genannt wurde. Beides findet auch heute noch Anwendung. Im Examen rigorosum können neben dem eigentlichen Promotionsthema angrenzende Fachgebiete geprüft werden. Die Disputation ist hingegen ein wissenschaftliches Streitgespräch, in dem der Promovend (der Respondent) die Arbeit kritisch diskutieren und gegenüber seinen Prüfern verteidigen muss. Ein Sonderfall ist hierunter die Prüfungsform des Kolloquiums. Dieses teilt sich meistens in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt ist identisch mit der klassischen Disputation, in der die Ergebnisse der Dissertation kritisch diskutiert, von den Prüfern hinterfragt und vom Promovenden verteidigt werden müssen. Im zweiten Teil der Prüfung muss der Promovend heute eine biomedizinische oder molekularbiologische Hypothese vorstellen und sie gegen den Prüfungsausschuss verteidigen. Die Art der Abschlussprüfung variiert von Universität zu Universität und von Fachbereich zu Fachbereich. Länge und Art der Prüfung sind in der jeweiligen Prüfungsordnung bindend festgelegt.

1.4Promotionsregeln und Promotionsordnung

Wie das bisherige Kapitel zeigt, werden Promotionen seit Anbeginn nach bestimmten strengen Regeln durchgeführt, auch wenn diese aus heutiger Sicht nicht immer nachvollziehbar sind. Sehr seltsam mutet z. B. der Eid an, den die Promovenden im Mittelalter zur Promotion ablegen mussten: „Im Falle einer Abweisung durften sich die Kandidaten nicht an den Prüfern rächen.“ Er durfte körperlich nicht abnorm erscheinen und nicht unehelicher Geburt sein (Wollgast 2001). Andererseits hat sich zumindest eine der Vorgaben des Mittelalters bis in die heutigen Tage gehalten: Dem Promovend musste ein guter Leumund eigen und sein moralischer Wandel einwandfrei sein. Diese Voraussetzung spiegelt sich in dem polizeilichen Führungszeugnis wider, dass auch heute noch für eine Promotion notwendig ist.

Die erste den Autoren bekannte Promotionsordnung stammt aus dem Jahr 1219 von der Universität Bologna. Die älteste bekannte ausgefertigte Promotionsurkunde zur Verleihung des akademischen Grads eines Doktors an der damaligen deutschen Universität Prag ist auf den 12. Juni 1359 datiert und wurde für einen Theologen ausgefertigt (Blecher 2006). Bologna gilt als die älteste Universität Europas und gibt auf ihrer Homepage als Gründungsjahr 1088 an (http://www.eng.unibo.it, Stand: 06.02.2014). Ende des 11. Jahrhunderts gab es nachweislich eine Rechtsschule, aus der sich schrittweise eine Universität nach heutigen Maßstäben mit einem breiten Fächerspek­trum entwickelte. Alle Universitätsgründungen bedurften damals einer Gründungsurkunde des Papstes oder Kaisers, den Vertretern der geistlichen beziehungsweise weltlichen Herrschaft. Die Promotionsordnung erhielt Bologna folgerichtig durch eine Dekretale des Papstes Honorius III (Wollgast 2001) an den Archidiakon (Erzdiakon; Archidiakonat = kirchliche Verwaltungseinheit, die mehrere Dekanate umfassen konnte) des Domstiftes von Bologna. Eine Dekretale ist eine in Urkundenform veröffentlichte Antwort des Papstes auf eine Rechtsanfrage oder eine Entscheidung im Rahmen der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt, die in kirchenrechtliche Sammlungen aufgenommen und dadurch als allgemeine Norm wahrgenommen bzw. verstanden wurde. In seiner Dekretale verfügte Honorius III, das „künftig niemandem das Doktorat verliehen werden dürfe, der nicht zuvor sorgfältig geprüft und durch den Archidiakon mit der Licencia docendi ausgestattet worden war“ (Wollgast 2001). Bis zu diesem Zeitpunkt stand das Recht zur Erteilung der Lehrlizenz und des Doktorgrads dem Doktorandenkollegium ohne zusätzliche externe Qualitätskontrolle zu. Da dies zu einer Abnahme der Qualität der Promotion führte, erhoffte man sich durch die Mitwirkung des Archidiakons an der Erteilung der Lehrlizenz eine qualitativen Verbesserung des Lehrkörpers. Dies zeigt, dass man sich auch zu damaliger Zeit schon über das Qualitätsmanagement im Promotionsprozess Gedanken machte.

Das Verfahren verlief so, dass ein Kandidat, der die erforderliche Zeit studiert hatte, von einem Doktor dem Archidiakon präsentiert wurde. Dieser lud offiziell zum Examen ein, wobei die eigentliche Prüfung vom Doktorkollegium abgenommen wurde und der Archidiakon lediglich die Überwachung der Prüfung übernahm. Bestand der Kandidat die Prüfung, erteilte der Archidiakon die formelle Erlaubnis zur Verleihung des Grades. Die Promotion selbst wurde daraufhin durch die Überreichung der Insignien vom präsentierenden Doktor vorgenommen. Auch in diesem Verfahren gibt es durchaus Parallelen mit den heutigen Promotionsverfahren. So leitet der Vorsitzende des Promotionsausschusses oder einer seiner Vertreter das Promotionsverfahren, kontrolliert die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens und lässt – gleich dem Archidiakon – Fragen zu oder lehnt sie ab.

1.5Der Inhalt der Promotion im Wandel der Zeit

Die heutige Promotion in der Biomedizin ist der Nachweis der eigenverantwortlichen und selbstständigen Forschung auf einem definierten Themengebiet. Dies war nicht immer so. An der mittelalterlichen Universität stand das Lernen und Aneignen von Wissen im Vordergrund und nicht das Forschen. Mit dem Doktorgrad erwarb man die unbeschränkte Lehrbefähigung an hohen Schulen. Erst im 18. Jahrhundert bildeten sich die Universitäten aus reinen Lehrstätten auch in Forschungseinrichtungen um. Damit hat sich der Ausbildungsweg von Akademikern deutlich gewandelt. Strebt man heute eine universitäre Karriere an, erbringt man über die Promotion zunächst den Nachweis der Forschungsbefähigung. Erst danach erwirbt man die Lehrbefugnis, die Venia legendi (lateinisch = Erlaubnis zu lesen), die man im Zuge einer Habilitation erhält. Die Habilitation ist der Nachweis, dass der Kandidat sein Fach in voller Breite in Forschung und Lehre vertreten kann. Die Habilitation schließt sich der Promotion an, dauert in der Regel mehrere Jahre und ist an bestimmte Leistungen geknüpft wie Anzahl und Güte von Veröffentlichungen in einem Forschungsgebiet sowie Lehrleistungen in Form von regelmäßigen Vorlesungen und Praktikumsbetreuungen. An einigen Fakultäten wird nach erfolgreichem Abschluss des Habilitationsverfahrens die akademische Bezeichnung Privatdozent (PD oder Priv.-Doz.) verliehen. Alternativ verleihen zahlreiche Fakultäten zusätzlich den akademischen Grad eines habilitierten Doktors (Doctor habilitatus, kurz: Dr. habil.). Die Habilitation war bis vor kurzem der einzige Zugang in Deutschland, um auf eine Professur berufen werden zu können. Heute gibt es hierzu alternative Karrieretracks, wie z. B. die Juniorprofessur (siehe auch Seite 124).

1.6Akademische Grade in den Lebenswissenschaften heute

Der akademische Grad, der in den Lebenswissenschaften für Kandidaten mit naturwissenschaftlichen Studium in Deutschland heute am häufigsten vergeben wird, ist der Doktor der Naturwissenschaften Dr. rer. nat. (doctor rerum naturalium). Er wird für erfolgreiche Promotionen in den Fächern Biologie, Biomedizin, Molekulare Medizin, (Bio-)Chemie, (Bio-)Physik, Mathematik und (Bio-)Informatik vergeben. Einige wenige Universitäten haben zudem das Promotionsrecht zur Vergabe des angelsächsischen Äquivalents zum Dr. rer. nat., dem Doctor of Philosophy (PhD). Die Leistungen, die zum Erbringen beider Grade notwendig sind, sind vielfach identisch und einige Universitäten bieten ihren Promovierenden die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Graden für ihre Promotion an. Zudem ist es nach angelsächsischem Vorbild oft möglich, den PhD als Zusatz mit dem Fachgebiet zu versehen, in dem die Dissertation erlang wurde. So sind akademische Grade wie „PhD in Immunology“ oder „PhD in Physiology“ möglich.

Es gibt eine klare Tendenz bei der Wahl zwischen dem deutschen Grad Dr. rer. nat. und dem angelsächsischen PhD: Deutsche Promovierende bevorzugen in der Regel den Dr. rer. nat., wogegen Ausländer, insbesondere aus den asiatischen Staaten, beispielsweise aus Indien, Pakistan, China oder aus den angelsächsischen Ländern, sich eher für den PhD entscheiden. Die Gründe hierfür sind nicht ganz klar. Doch mag dies einerseits den Bekanntheitsgrad und/oder die bessere Akzeptanz des Doctor of Philosophy in diesen Ländern widerspiegeln. In Deutschland kommt hinzu, dass das Kürzel für den Doktorgrad (Dr.) in amtliche Urkunden wie Personalausweis, Reisepass und Führerschein eingetragen werden kann. Allerdings ist der Grad entgegen der landläufigen Meinung kein Namenszusatz, wie der Bundesgerichtshof schon vor mehr als 50 Jahren entschieden hat. Ein Eintragen des Grades PhD ist zur Zeit nur aufgrund einer universitären Äquivalenzbescheinigung als Dr. rer. nat. möglich.

Ein weiterer wichtiger Grad in den Lebenswissenschaften ist der Dr. med. (doctor medicinae) bzw. Dr. med. dent. (doctor medicinae dentariae). Dabei kann ersterer nur von Absolventen eines Humanmedizinstudiums und zweiterer von Absolventen eines Studiums der Zahnheilkunde erworben werden. Im Vergleich zu den prinzipiell naturwissenschaftlichen Graden Dr. rer. nat. und PhD gibt es drei gravierende Unterschiede:

(1) Während die Promotion in den naturwissenschaftlichen Fächern im Anschluss auf ein Masterstudium folgt, fertigen Promovenden in der Human- und Zahnmedizin ihre Dissertation in den meisten Fällen bereits während des Studiums an. Da die Voraussetzung zur Erlangung eines Doktorgrades aber der Abschluss eines mindestens vierjährigen Hochschulstudiums ist, erfolgt die Disputation und damit auch die Vergabe des akademischen Grades erst nach dem Staatsexamen.

(2) Die Dauer zur Anfertigung der medizinischen Dissertation ist deutlich kürzer. Während in den Naturwissenschaften als Richtwert eine Promotionsdauer von drei bis vier Jahren Vollzeit angestrebt werden soll, ist die Bearbeitung in der Human- und Zahnmedizin deutlich kürzer, studienbegleitend und – falls nicht in einem speziellen Promotionsprogramm durchgeführt – häufig nicht in Vollzeit.

(3) Nur wenige medizinische Doktorarbeiten beinhalten eine experimentelle Phase. Häufig werden vorhandene Patientendaten statistisch ausgewertet, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu forschungs- und lehrförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin (2004) sind wir bereits weiter oben eingegangen.

Zur Beseitigung dieser Mängel werden an den Medizinischen Fakultäten seit einigen Jahren gezielt sogenannte strukturierte Promotionsprogramme für medizinische Doktorarbeiten aufgelegt (siehe Seite 65). In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, dass Absolventen des Humanmedizinstudiengangs an einigen Einrichtungen auch den Grad Dr. rer. nat. oder PhD erwerben können. Dies setzt aber eine drei bis vierjährige Vollzeit-Promotionsphase nach dem Staatsexamen voraus. Da aber Medizinische Fakultäten in der Regel nicht entsprechende Promotionsverfahren durchführen dürfen, setzt dies eine Kooperation mit einer Naturwissenschaftlichen Fakultät oder mit einer Graduiertenschule voraus. Um den Qualitätskriterien zu genügen, sind solche Kandidaten zudem häufig Mitglieder in spezifischen Promotionsprogrammen.

 

Neben diesen Hauptabschlüssen gibt es noch eine Reihe von weiteren akademischen Graden, die im Bereich der Lebenswissenschaften vergeben werden. Beispielhaft seien erwähnt der Doktor der Humanbiologie (Dr. biol. hum., biologiae humanum), Doktor der Tiermedizin (Dr. med. vet., medicinae veterinariae), Doktor der Biomedizin/Medizintechnologie/medizinischen Biometrie und Bioinformatik/Gesundheitswissenschaften (Dr. rer. medic., rerum medicinalium). Die Erlangung des Grades Dr. biol. hum. setzt in der Regel den Abschluss eines mindestens vierjährigen (Regelstudienzeit) Studiums in naturwissenschaftlichen Fächern, Humanbiologie, Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Informatik, Psychologie, Soziologie oder Pharmazie voraus. Nicht zu verwechseln ist der Dr. biol. hum. mit dem Studium der Humanbiologie, das in Deutschland z. B. an den Universitäten Greifswald und Marburg angeboten wird (www.hochschulkompass.de). Dieses befasst sich mit der Biologie des Menschen sowie den biologischen Grundlagen der Humanmedizin. Ziel ist es, die Absolventen zur wissenschaftlichen und praktischen Arbeit auf dem Gebiet der biomedizinischen Grundlagenforschung der Medizin zu qualifizieren. Dieses Studium schließt mit dem Master ab.

Der Abschluss Dr. med. vet. kann man nur nach dem Studium der Tier- bzw. Veterinärmedizin erlangen und dies auch nur an Universitäten mit einer entsprechenden Fakultät, z. B. an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Freien Universität Berlin oder den Universitäten Giessen und Leipzig.

Der Grad Dr. rer. medic. oder auch Doktor der theoretischen Medizin, wie er zum Teil genannt wird, wurde ursprünglich wohl von Medizinischen Fakultäten eingeführt, um das Manko des Fehlens des Vergaberechtes für den Dr. rer. nat. zu beheben. Dadurch waren sie der Möglichkeiten beraubt, Absolventen von medizinnahen, zumeist naturwissenschaftlichen Fächern an den eigenen Instituten/Kliniken zu promovieren, und waren damit in einem ernsten Konflikt. Denn einerseits wird ein Großteil der biomedizinischen Forschung heute von naturwissenschaftlichen Promovenden durchgeführt. Andererseits durften diese Doktoranden ohne die Kooperation mit einer Fakultät, die das Promotionsrecht zum Dr. rer. nat. hat, nicht promovieren. Um diesen Standortnachteil gegenüber den naturwissenschaftlichen Fakultäten auszuräumen, wurde der Grad Dr. rer. medic. oder der bereits erwähnte Grad Dr. biol. hum. eingeführt. Die Zulassungsbestimmungen zur Promotion zum Dr. rer. medic. sind sehr unterschiedlich und primär von spezifischen Fächeranforderungen des jeweiligen Standorts abhängig. So gibt es Standorte, die ein Studium der Human- oder Zahnmedizin in ihren Prüfungsordnungen explizit ausschließen und andere Standorte, die dies zulassen. Allen gemeinsam ist jedoch, dass der Abschluss eines mindestens vierjährigen Hochschulstudiums (Regelstudienzeit) Voraussetzung ist.