Buch lesen: «Der Integrale Yoga»
Omsriaurobindomira
Alles
Leben
ist
Yoga
“All life is Yoga.” – Sri Aurobindo
Der Integrale Yoga
Wie man beginnt
Sri Aurobindo | Die Mutter
SRI AUROBINDO BHAVAN
BERCHTESGADENER LAND
Copyright 2021
AURO MEDIA
Verlag und Fachbuchhandel
Wilfried Schuh
Deutschland
www.sriaurobindo.center
www.auro.media
ALLES LEBEN IST YOGA
Der Integrale Yoga – Wie man beginnt Auszüge aus den Werken von Sri Aurobindo und der Mutter 2. Aufl. 2021 ISBN 978-3-937701-48-6
© Fotos und Textauszüge Sri Aurobindos und der Mutter:
Sri Aurobindo Ashram Trust
Puducherry, Indien
Blume auf dem Cover:
Plumeria rubra. Tiefrosa bis hell purpurrot. Die von der Mutter gegebene spirituelle Bedeutung: Psychologische Vollkommenheit auf dem Weg zur Erfüllung Der Zustand derer, die den Yoga ernsthaft aufnehmen.
Foto auf der Titelseite:
© @megmcaul via Twenty20
Anmerkung des Herausgebers
Einfache Auszüge aus den Werken Sri Aurobindos und der Mutter sollen für die Sadhana eine praktische Orientierung zu bestimmten Themen geben. Die Themen behandeln das gesamte Feld menschlicher Aktivitäten, denn wahre Spiritualität ist nicht eine Abkehr vom Leben, sondern die Kunst, das Leben zu vervollkommnen.
Die Übersetzung der Textstellen von Sri Aurobindo erfolgte aus dem ursprünglichen Englisch, während die meisten Passagen der Mutter bereits Übersetzungen aus dem Französischen waren. Fast alle Texte der Mutter wurden ihren Gesprächen, die sie mit Kindern und Erwachsenen führte, entnommen, einige ihren Schriften. Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass die Auszüge ihrem ursprünglichen Zusammenhang entnommen wurden und dass jede Zusammenstellung ihrer Natur nach möglicherweise einen persönlichen und subjektiven Charakter hat. Es wurde jedoch der aufrichtige Versuch unternommen, der Vision Sri Aurobindos und der Mutter treu zu bleiben.
Die Textauszüge sind vom Verlag zum Teil mit Kapiteln und Überschriften versehen worden, um ihre Themen hervorzuheben. Sofern es möglich war, wurden sie in Anlehnung eines Satzes aus dem Text selbst gewählt.
Sri Aurobindo und die Mutter machen von der in der englischen Sprache gegebenen Möglichkeit, Wörter groß zu schreiben, um ihre Bedeutung hervorzuheben, häufig Gebrauch. Mit dieser Großschreibung bezeichnen sie meist Begriffe aus übergeordneten Daseinsbereichen, doch auch allgemeine wie Licht, Friede, Kraft usw., wenn sie ihnen einen vom üblichen Gebrauch abweichenden Sinn zuordnen. Diese Begriffe wurden in diesem Buch kursiv hervorgehoben, um dem Leser zu einer leichteren Einfühlung in diese subtilen Unterscheidungen zu verhelfen.
Eckige Klammern bezeichnen Einfügungen des Übersetzers, die um des besseren Verständnisses willen angebracht erschienen. Einige wenige Sanskritwörter wie Sadhana, Sadhaka, Yoga usw. wurden eingedeutscht, da sie durch ihren häufigen Gebrauch bereits als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden können. Alle anderen Sanskritwörter sind kursiv hervorgehoben, wobei auf diakritische Transkriptionszeichen verzichtet wurde.
Die kursiv geschriebenen Textpassagen vor den Worten Sri Aurobindos und der Mutter sind Fragen bzw. Antworten von Schülern oder sonstige erläuternde Texte.
„Wahre Spiritualität bedeutet nicht, dem Leben zu entsagen, sondern das Leben mit einer Göttlichen Vollkommenheit zu vollenden.“ – Die Mutter
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InhaltTitelseiteCopyrightAnmerkung des HerausgebersZitatI. DAS ZIEL1. Die integrale göttliche VollendungII. WIE MAN BEGINNT1. Der Wanderstab muss aus dem Feuer des Glaubens bestehen2. Das zentrale Geheimnis der Sadhana: Zur Mutter hin offen sein3. Nimm Zuflucht bei der Mutter4. Der erste Schritt – Verinnerlichung5. Entdecke die Gottheit im Innern6. Arbeit als Teil des Yoga7. Lesen als Hilfe für die Sadhana8. Setze dein Wissen in die Praxis um9. Auf dem Weg seinANHANGQuellenangabenGuideCoverInhaltStart
Was der Intellekt verstanden hat, lass nun das ganze Wesen verwirklichen. Mentales Wissen muss durch die flammende Macht des Fortschritts ersetzt werden. — Die Mutter
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Teil I
Kapitel 1
Die integrale göttliche Vollendung
Worte Sri Aurobindos
Unser Ziel ist die göttliche Vollkommenheit des menschlichen Wesens. Wir müssen zunächst wissen, welche wesentlichen Elemente eine totale Vollkommenheit des Menschen ausmachen. Ferner müssen wir uns klar machen, was wir unter göttlicher im Unterschied zur menschlichen Vollkommenheit verstehen. Wenn sich auch nur eine Minderheit der Menschen mit dieser Möglichkeit, die das wichtigste Ziel unseres Lebens sein soll, befasst, wird doch von der gesamten denkenden Menschheit grundsätzlich anerkannt, dass der Mensch seinem Wesen nach dazu befähigt ist, sich selbst zu entwickeln und an einen Stand der Vollkommenheit heranzukommen, den sein Mental begreifen, den es sich vornehmen und nach dem es streben kann. Manche fassen dieses Ideal als weltliche Umwandlung auf, während es für andere religiöse Umkehr bedeutet.
Oft begreift man die weltliche Vollkommenheit als etwas Äußeres, Soziales, als die Sache einer Aktion: Ein vernünftigerer Umgang mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt, bessere und tüchtigere Bürger sein und unsere Pflichten genauer erfüllen, die Lebensweise soll bereichert, freundlicher und glücklicher gestaltet werden, die Gesellschaft soll die Möglichkeiten der Existenz gerechter und harmonischer gestalten. Andere bevorzugen ein inneres und subjektives Ideal: Intelligenz, Wille und Vernunft sollen aufgeklärt, auf eine höhere Stufe gehoben werden, die Macht und Fähigkeit der menschlichen Natur soll erhöht und besser geordnet, das sittliche Leben edler, das ästhetische reicher, das Gefühlsleben mehr verfeinert und das vitale und körperliche Wesen gesünder und besser unter Kontrolle gehalten werden. Manchmal wird ein einzelnes Element bis fast zum Ausschluss der übrigen hervorgehoben. Manchmal – und das bei weitblickenden und ausgeglichenen Menschen – wird eine ganzheitliche Harmonie als totale Vollkommenheit angestrebt. Das äußere hierfür angewandte Mittel ist eine Veränderung in der Erziehung und in den sozialen Institutionen, oder man bevorzugt ein inneres Selbst-Training und eine Selbst-Entfaltung als wahre Hilfsmittel. Diese beiden Ziele können aber auch miteinander vereinigt werden: Vervollkommnung des inneren individuellen Wesens und die Vervollkommnung des äußeren Lebens.
Das weltliche Ziel verwendet das gegenwärtige Leben und seine Möglichkeiten als Betätigungsfeld. Im Gegensatz dazu besteht das religiöse Ziel in einer Selbst-Vorbereitung auf eine andere Existenz nach dem Tode. Das allgemeine Ideal der Religion ist eine Art Heiligkeit. Ihr Mittel ist Bekehrung des unvollkommenen oder sündigen menschlichen Wesens durch die göttliche Gnade oder durch den Gehorsam gegenüber dem Gesetz, das in einer Heiligen Schrift niedergelegt oder durch einen Religionsstifter gegeben wurde. Das Ziel der Religion mag gesellschaftliche Umwandlung einschließen, doch diese Umwandlung geschieht meist durch die Annahme eines gemeinsamen religiösen Ideals und die Methode eines gottgeweihten Lebens, durch eine brüderliche Gemeinschaft der Heiligen, eine Theokratie oder ein Reich Gottes, das auf Erden das Himmelreich widerspiegelt.
Das Ziel unseres Yoga, der auf einer Synthese beruht, muss in dieser Beziehung wie in anderen Teilen integraler und umfassender sein. Er muss all diese Elemente oder diese Tendenzen eines stärkeren Impulses zur Selbstvervollkommnung enthalten, und er muss sie in Einklang miteinander, ja zur Einheit bringen. Damit er das mit Erfolg tun kann, muss er eine Wahrheit zugrunde legen, die weiter als das gewöhnliche religiöse und höher als das weltliche Prinzip ist. Alles ist ein geheimer Yoga, ein geheimes Wachsen der Natur zur Entdeckung und Erfüllung des göttlichen Prinzips, das in ihr verborgen liegt und das im menschlichen Wesen, je weiter dieses Wachsen fortschreitet, mehr und mehr offenbart, bewusst und lichtvoll wird. Je mehr sich alle Instrumente des Wissens, Wollens, Handelns und Lebens dem Geist öffnen, der im Menschen und in der Welt ist, desto stärker bekommt das Selbst dieses göttliche Prinzip in seinen Besitz. Mental, Leben und Körper, alle Gestaltungen unserer menschlichen Natur, sind die Mittel für dieses Wachsen. Ihre höchste Vervollkommnung finden sie aber nur dann, wenn sie sich für etwas öffnen, das jenseits von ihnen ist, denn erstens sind sie nicht das Ganze, das der Mensch eigentlich ist, und zweitens ist jenes Etwas, das er eigentlich ist, der Schlüssel zu seinem vollständigen Wesen. Es bringt ihm ein Licht, das ihm die ganze hohe und weite Wirklichkeit seines Wesens offenbart.
Das Mental kommt durch ein größeres Wissen zu seiner Erfüllung; es ist jetzt erst im Dämmerlicht. Das Leben entdeckt seine Bedeutung in einer größeren Macht und in einem stärkeren Willen, aus denen es jetzt noch verdunkelt nach außen wirkt. Der Körper findet seine höchste Verwendung darin, Instrument einer Macht des Seins zu sein, für die er die physische Stütze und den materiellen Ausgangspunkt bildet. Sie alle müssen sich zuerst selbst entfalten und ihre gewöhnlichen Wirkensmöglichkeiten entdecken. Unser normales Leben ist ein Ausprobieren dieser Möglichkeiten und eine Gelegenheit für dieses vorbereitende und zaghafte Selbst-Training. Jedoch kann das Leben erst dann zur vollkommenen Selbst-Erfüllung gelangen, wenn es sich für jene größere Wirklichkeit des Seins öffnet, für die es dann ein wohlbereitetes Wirkungsfeld ist, deren reichere Macht es entfaltet, vernünftiger verwendet und deren Leistungsfähigkeit es steigert.
Darum sind Ausbildung und bessere Anwendung des Intellekts, des Willens, der Sittlichkeit, des Gefühls- und ästhetischen Lebens sowie des Körpers sehr nützlich, doch nur eine konstante Kreisbewegung ohne befreiendes und erleuchtetes Endziel, falls sie nicht dahin gelangen, dass sie sich für die Macht und Gegenwart des Geistes öffnen und dessen direkte Einwirkung zulassen. Dieses unmittelbare Einwirken führt zur Umkehr des Wesens, der unentbehrlichen Bedingung unserer Vervollkommnung. Darum ist es Prinzip und Ziel eines Integralen Yoga der Selbst-Vervollkommnung, dass wir in die Wahrheit und Macht des Geistes hineinwachsen und durch das direkte Wirken dieser Macht zu einem brauchbaren Träger werden, durch den das Selbst sich so zum Ausdruck bringen kann – ein Leben des Menschen im Göttlichen und ein göttliches Leben des Geistes in der Menschheit.
Gerade weil eine persönliche Anstrengung dazu notwendig ist, muss es bei dem Prozess dieser Umwandlung zwei Stufen geben. Zuerst muss das menschliche Wesen seine persönlichen Kräfte einsetzen, sobald es durch die Seele, das Mental und das Herz dieser göttlichen Möglichkeit innewird und sich ihr als wahrem Lebensziel zuwendet, um sich dafür vorzubereiten und all das loszuwerden, was einem niederen Wirken angehört. Es muss sich von allem befreien, was dem entgegensteht, um sich für die spirituelle Wahrheit und ihre Macht zu öffnen, um mit der Befreiung sein spirituelles Wesen in Besitz zu nehmen und alle natürlichen Regungen in Mittel umzuwandeln, durch die sich das Selbst frei zum Ausdruck bringt. Mit dieser Umkehr beginnt der des Selbstes bewusste Yoga, der sich über seine Ziele klar ist: Es kommt zu einem neuen Erwachen und zu einer Hinwendung des Lebensmotivs nach oben. Wir befinden uns solange in dem geheimen, noch unerleuchteten, vorbereitenden Yoga der Natur, als wir uns nur intellektuell, ethisch oder anders für die jetzigen normalen Ziele des Lebens üben, was kaum über den gewöhnlichen Wirkenskreis des Mentals, des Vitals und des Körpers hinausgeht. Wir verfolgen dabei allein das Ziel gewöhnlicher menschlicher Vollkommenheit. Das effektive Zeichen dieser Umwandlung und der vorläufigen Macht einer großen integralen Umkehr unseres Wesens und Lebens ist das spirituelle Verlangen nach dem Göttlichen und einer göttlichen Vollkommenheit, nach Einung mit ihm in unserem Wesen und nach spiritueller Vervollkommnung unserer menschlichen Natur.
Durch diese persönliche Anstrengung kann nur eine vorläufige Umwandlung, eine anfängliche Umkehr bewirkt werden. Sie besteht darin, dass unsere mentalen Motive, unser Charakter und Temperament mehr oder weniger spiritualisiert werden. Das vitale und physische Leben wird gemeistert, zur Ruhe oder zu einem veränderten Wirken gebracht. Die umgewandelte subjektive Wesensart kann zur Grundlage für eine Kommunion oder Einung der im Mental wohnenden Seele mit dem Göttlichen werden und zu einer teilweisen Spiegelung der göttliche Natur in der Mentalität des menschlichen Wesens. Bis zu dieser Grenze kann der Mensch mit seiner nicht oder nur indirekt unterstützten Anstrengung gehen. Denn das ist ein Ringen des Mentals, und das Mental kommt auf die Dauer nicht über sich hinaus: Das Höchste, zu dem es sich erheben kann, ist eine spiritualisierte und idealisierte Mentalität. Wenn es über diese Grenze hinausgeht, verliert es den Halt an sich selbst und den Halt am Leben. Es gerät dann entweder in einen Trancezustand, der es völlig absorbiert, oder in eine Passivität. Zur höheren Vollkommenheit kann man nur gelangen, wenn eine höhere Macht das gesamte Wirken des Wesens durchdringt und zu sich emporhebt. Darum ist es die zweite Stufe dieses Yoga, beharrlich alles Wirken der menschlichen Natur in die Hand dieser höheren Macht zu legen. Wir ersetzen so das persönliche Ringen durch deren Einfluss und Herrschaft über uns und ihr Wirken in und durch uns. Schließlich wird das Göttliche, nach dem wir streben, zum unmittelbaren Meister des Yoga und bewirkt unsere volle spirituelle und ideelle Umkehrung.
Der kostenlose Auszug ist beendet.