Die Magier von Stonehenge Teil II.

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Da fiel Matthew wieder ein, was er schon fast vergessen hatte. Der Stein! Es war lange her, seit er im Garten damals einen Spaziergang gemacht hatte, und zufällig auf diesen seltsamen Stein gestoßen war. Dicht überwachsen mit Moos, hatte er ihn übersehen und war darüber gestolpert. Und nachdem er das Moos abgekratzt hatte, waren ein Pentagramm und eine alte Schrift zum Vorschein gekommen. „Vae Victis!“ „Wehe dem Besiegten!“ Damals hatte er nicht begriffen, worauf er da zufällig gestoßen war. Aber jetzt dämmerte es ihm langsam. Matthews Verdacht ließ sein Blut wie wild durch seine Adern schießen, so aufgewühlt war er innerlich. Hatte es dieser Bastard wirklich gewagt? Er konnte es kaum glauben, musste sich aber gleichzeitig eingestehen, dass er so Einiges nie von ihm erwartet hätte, was dann letztlich doch zur traurigen Gewissheit geworden war. Das würde auch das plötzliche Verschwinden seines Vaters erklären. Niemand hatte je wieder etwas von ihm gehört oder gesehen. Schwer atmend vor Zorn, der ihn zusehends überkam, verließ er den Raum und machte sich auf den Weg zum hinteren Garten. Keiner der Angestellten ließ sich blicken, so konnte er ungesehen in den Garten gelangen, um seinem Verdacht nachzugehen.



Matthew durchdrang nur schwer das dichte Gestrüpp. Der Garten war ungepflegt und wirkte inzwischen wie ein Urwald. Überall wucherte das Unkraut und man konnte kaum noch etwas von den Steinplatten sehen, die einst als Weg gelegt worden waren. Es war auch sehr dunkel, denn das Licht fand kaum ein Durchkommen durch die hohen Bäume, die ihn umsäumten. Mühsam und fluchend, weil ihm mancher Ast ins Gesicht schlug, kämpfte er sich durch das Dickicht, bis er endlich an die Stelle gelangte. Als er da so stand und auf den dicht mit Moos bewachsenen Stein sah, dachte er mit Abscheu an seinen Großvater, Sir Raven de Clare, der auch gleichzeitig Namtar war. Die Unterschiede ihrer Charaktere war viel zu groß, als das sich hier Gemeinsamkeiten finden ließen. Obwohl er lange selbst diesen Weg beschritten hatte, aber dazu wäre er nicht fähig gewesen. Wie konnte er nur?! Was hatte er ihm getan, dass er zu solchen Mitteln gegriffen hatte? Sein eigener Schwiegersohn!



Er musste versuchen, dem Geist seines Vaters zu helfen, auch wenn es ihn davor ekelte. Wenn er seinem Vater helfen wollte, dann musste er sein Grab öffnen. Also stellte er sich über die Platte und versuchte sie mit aller Kraft anzuheben. Doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Namtar musste sie wohl mit einer magischen Zauberformel belegt haben. Matthew überlegte, wie er den Zauber durchbrechen konnte. Er hob seine Arme, holte seine Kraft aus seinem tiefen Bewusstsein nach oben, und rief: „Precipio audieritis me Ut fiat et sponte protegens quod petis!“ Da schob sich ächzend die Platte ein wenig auf die Seite und gab den Zugang frei. Matthews Magengrube machte sich unangenehm bemerkbar. Der ekelhafte Gestank, der in seine Nase strömte, brachte ihn beinah dazu, sich zu übergeben. Er schob mit aller Kraft die Platte beiseite und sah nach unten in die Gruft, die sich ihm nun offenbarte. Da er kaum etwas sehen konnte, entzündete er sein magisches Licht in seiner Rechten und beleuchtete damit die steinerne Kammer. Da stockte ihm der Atem, als er seinen Vater, oder was noch von ihm übrig war, vor sich am Boden liegen sah. Man konnte noch gut erkennen, dass er hinuntergestoßen worden war, so wie er da lag. Mit gebrochenem Genick und weit von sich gestreckten Gliedern. Matthew schluckte. Unbändiger Hass gegen Namtar breitete sich in ihm aus. Hätte er damals schon davon gewusst, hätte er ihn bestimmt niemals am Leben gelassen. Nun wünschte er sich, dass Paymon das für ihn erledigt hatte. Denn Gnade hatte er nicht verdient. Großvater oder nicht, das hier ging einfach zu weit.



Matthew stieg hinunter in die Kammer und nahm das schwere Pentagramm aus Eisen ab, das man auf den Leichnam gelegt hatte. Er atmete schwer. Es war sehr stickig und frische Luft strömte nur langsam in das Innere der tiefen Kammer, die, gute drei Meter unter der Erde lag. Er wagte es nicht, den Leichnam zu berühren, und betrachtete ihn nur still. Sein Herz war schwer von Trauer und hasserfüllt zugleich, als er sah, wie plötzlich ein kleines, hell strahlendes Licht von oben in die Kammer schwebte und sich auf dem leblosen Körper niederließ. Es breitete sich rasch aus und umhüllte den ganzen Leichnam. Matthew hockte wie erstarrt neben dem Leichnam, und sah erstaunt zu, wie sich aus ihm plötzlich der Geist seines Vaters erhob. In Licht getaucht und hell schimmernd schwebte er vor ihm und streckte langsam seine Hand nach ihm aus. Seine Augen verrieten tiefe Dankbarkeit, dass er seine Seele von dem teuflischen Bann befreit hatte. Es schien, als wüsste er sehr genau, wer Matthew war. Doch kein Laut kam über seine Lippen und das Licht zog ihn zusehends fort nach oben gen Himmel, bis er gänzlich verschwunden war.



Matthew freute sich, dass sein Vater nun endlich seine letzte Ruhe gefunden hatte. Wenigstes das hatte er noch für ihn tun können. Mit gemischten Gefühlen von Trauer, Zorn und Freude, machte er sich daran, das Grab wieder zu verschließen. In Gedanken versunken, stand er vor dem leeren Grab seines Vaters und schwor sich in diesem Augenblick, dass, wenn er Namtar je wiedersehen würde, er ihn töten würde für diese Tat. Er würde ihn diesmal keinesfalls mehr ungestraft davonkommen lassen.



Matthew verabschiedete sich von Henry und verließ Cardiff Castle. In Gedanken versunken fuhr er nach Hause. Fieberhaft überlegte er, wie er das schwarze Buch finden konnte. In Myrddins Versteck hatte er es nicht finden können. Wo konnte es noch versteckt sein? Es gab doch sonst keinen Ort, wo Myrddin es ausreichend hätte schützen können, außer…



Schlagartig wurde ihm bewusst, dass es ja nicht nur Myrddins Versteck unter dem Felsen gab. Mangeniohood war ja genauso stark geschützt wie der Felsen. War es möglich, dass Myrddin es dort versteckt hatte? War es die ganze Zeit über vor seiner Nase gewesen, und er hatte keine Ahnung davon gehabt? Matthew stieg abrupt aufs Gaspedal. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause, um der Sache auf den Grund zu gehen. Noch nie hatte er an diese einfache aber logische Möglichkeit gedacht. Er musste jeder Chance nachgehen, um das für ihn so wichtige Buch zu finden. Mit quietschenden Reifen bog der Wagen in die Einfahrt von Mangeniohood. Matthew sprang aus dem Auto und lief ins Haus.



Elisabeth sah ihn erschrocken an, als er die Tür aufriss und sagte: „Vielleicht ist es hier!“ „Was meinst du?“ „Na, das schwarze Buch!“ „Du denkst, dass es hier auf Mangeniohood versteckt ist? Aber das wäre doch…“



„Ja, ich weiß“, antwortete er, „aber darin liegt doch aber auch vielleicht der Sinn. Niemand würde doch vermuten, dass es hier ist. Jeder würde doch denken, dass es in Myrddins Versteck ist, aber nicht hier, vor aller Augen.“ Elisabeth sah ihn an, überlegte und sagte dann: „Wenn man es so betrachtet, könntest du vielleicht sogar recht haben. Aber wo könnte es hier sein? Hier gibt es doch keine Möglichkeit für ein Versteck. Oder doch?“ Sie sah ihn etwas ratlos an. „Das dachte ich zuerst auch, aber vielleicht haben wir auch etwas übersehen“, gab er nachdenklich zurück. Ich bin mir trotzdem ziemlich sicher, dass es hier irgendwo verborgen ist. Es muss einfach hier sein!“



„Na dann hoffen wir mal, dass du recht hast“, antwortete sie ein wenig zweifelnd. „Ich werde mich heute einmal ganz genau umsehen. Vielleicht ist mir auch manches noch gar nie aufgefallen, weil ich daran auch noch nie gedacht habe. Bestimmt gibt es auch hier irgendetwas, wo man so ein Buch verstecken könnte. Ein Buch braucht ja nicht so viel Platz. Und wenn man bedenkt, dass ihm dieses Buch wohl sehr wichtig war, könnte ich mir gut vorstellen, dass er es lieber in seiner Nähe wusste. Dann hätte er sofort reagieren können, wenn jemand versucht hätte, es zu stehlen. Insofern, könntest du vielleicht sogar recht haben.“



Nach dem Abendessen trieb es ihn förmlich in den Garten. Er hatte so ein unbestimmtes Gefühl... Dieser war allerdings extrem groß, und reichte fast bis an die umliegenden Wälder. Die Möglichkeiten waren schier unbegrenzt. Unter jedem Baum, jedem Strauch… es konnte wirklich überall sein. Wie sollte er es hier nur je finden?? Die ganze Situation schien hoffnungslos.



Matthew durchstreifte langsam und hoch konzentriert, den üppig mit Büschen und Hecken verwachsenen Garten. Seine blauen Augen schweiften umher, wie die eines Löwen auf der Jagd. Er drehte sich langsam im Kreis um sich selbst und überlegte fieberhaft. Irgendetwas hatte er bis jetzt übersehen, dessen war er sich sicher. Wo hätte Myrddin ein solches Buch wohl am ehesten versteckt? Es musste dort besonders gut geschützt sein, sodass niemand vermuten würde….



Stunde um Stunde verging. Matthew wanderte langsam durch den hinteren Teil des Gartens. Alles war hier schon sehr dicht verwachsen, sodass kaum noch ein Durchkommen war. Nein, hier konnte es nicht sein! Es war auch einfach schon zu weit weg vom Haus. Er überlegte intensiv. Was gab es hier noch? Im Garten standen viele römische Statuen und große Blumenkübel aus Stein. Aber würde er es in so etwas versteckt haben? Kopfschüttelnd ging er zurück in Richtung des Hauses und sah sich immer wieder genau um. Außer den üblichen Gartenzierden gab es hier nichts, was darauf schließen ließ, dass es hier sein könnte. Und er wusste ja nicht einmal, wie lange diese Dinge hier überhaupt schon standen. Bestimmt wurden sie erst sehr viel später angeschafft. Plötzlich kam ihm eine Idee. Es gab doch diese alten Pläne vom Haus, die er damals kaum beachtet hatte, als er das Gut dann übernahm. Vielleicht konnten sie ihm dabei helfen, herauszufinden, was es schon sehr viel länger hier gab. Er konnte ja schlecht jede Figur untergraben. Das wäre zudem viel zu auffällig. Die Angestellten würden unangenehme Fragen stellen. Das kam nicht infrage. Also musste er einen anderen Weg suchen.

 



Er ging zurück zum Haus und suchte im Büro nach den alten Plänen. Viele davon waren aus den Fünfzigern, in denen man anscheinend einiges verändert hatte. Aus dieser Zeit stammten wohl auch die zahlreichen Statuen. Matthew verglich zahllose alte Pläne, bis er auf einen stieß, auf dem kein Datum eingetragen war. Die Zeichnung war noch mit Tinte ausgeführt und auch die Überschrift war anders. „MAGICIS TERRA“ stand darüber in großen Buchstaben. Das musste es sein! Aufgeregt begutachtete Matthew ganz genau den Plan und verglich ihn mit den restlichen. Jedes neuere Detail kreuzte er rot an, bis nur noch zwei davon übrig blieben, die auf beiden Plänen vorhanden waren. Worum es sich hierbei handelte, musste er jedoch erst herausfinden.



Die Dämmerung war schon hereingebrochen, als sich Matthew auf den Weg machte, um die erste der beiden markierten Stellen zu suchen. Ungefähr an der Stelle, die im Plan eingezeichnet war, stand eine uralte große Eiche. Unter dieser fand er einen offensichtlich sehr alten Bildstock. Matthew betrachtete eingehend die Malerei, auf der man nur noch schwach einen Mann erkennen konnte, der auf einem Pferd saß und eine Rüstung trug. Da die Malerei schon sehr verwittert war, konnte er nicht erkennen, was der Mann in der Hand hielt. Aber auf der Rüstung selbst konnte er noch ein rotes Kreuz erahnen, das teilweise noch erhalten war. Unter dem Bild war ein Löwenkopf aus Stein, der einen verwitterten Eisenring im Maul trug. Matthew zog die Augenbrauen hoch. Schon wieder ein Abbild der Templer? Aber warum? Und warum ausgerechnet auf Myrddins Land? Verwundert suchte er den Boden rund um den Bildstock ab, fand aber keinerlei Hinweise darauf, dass sich hier etwas finden ließe. Entweder war er hier an der falschen Stelle oder es war wirklich gut versteckt. So beschloss er, nach der zweiten Markierung auf dem Plan zu suchen, die wohl etwas weiter nördlich zu liegen schien. Also ging er ein ganzes Stück zurück und verglich den Plan mit dem heutigen Garten.



Da er kaum noch etwas sehen konnte, weil es schon ziemlich dunkel geworden war, gestaltete sich die Suche zunehmend schwieriger. Er kämpfte sich durch dichtes Buschwerk und blieb mehrmals an den Dornen der vielen Rosenstöcke hängen, die hier überall zwischen dem Gestrüpp wuchsen. Ihr intensiver betörender Geruch, lag schwer über der noch warmen Sommerluft. Ratlos lehnte er sich an einen alten Ahornbaum, der eigentlich schon ganz in der Nähe der Stelle sein musste. Doch er konnte nichts sehen außer Bäume und Gestrüpp. Müde von der langen Suche, setzte er sich ins weiche Moos, das den dicken Baum umgab. Den Plan in der Hand versuchte er, herauszufinden, ob er vielleicht falsch lag, was die Markierung betraf. Da bemerkte er erst, dass oberhalb der Markierung zusätzlich noch ein Buchstabe eingezeichnet war. In der Hektik musste er es völlig übersehen haben. Ein großes M, allerdings winzig klein geschrieben. Da fiel ihm wieder ein, dass er diesen Buchstaben schon einmal gesehen hatte, in einem Buch in der Bibliothek auf Cardiff Castle. Aber auch da war es nur als Anmerkung erwähnt worden, ohne weitere Hinweise. Was hatte dieses M nur zu bedeuten? Stand es für Myrddin? Er nahm an, dass dies wohl so sein musste.



Ein wenig frustriert darüber, dass er noch nichts herausgefunden hatte, machte er sich auf den Rückweg zum Haus. In dieser Dunkelheit hatte er keine Chance, etwas zu sehen, was so verborgen lag. Und da die Gefahr gesehen zu werden zu groß war, konnte er sein Magica Lux hier nicht verwenden. Das würde bei den Angestellten nur zu Gerede führen und das wollte er vermeiden. Als er zurückkam, sah er, dass Elisabeth schon zu Bett gegangen war. Er machte es sich auf der Couch gemütlich und ließ seine Gedanken schweifen.



Warum war auf dem Land Myrddins eine Abbildung eines Templers? Was hatte diese hier zu suchen? Matthew wusste, dass Myrddin in der Mitte des fünften Jahrhunderts gelebt hatte, und die Templer hatte es seines Wissens nach erst sehr viel später gegeben. War das alles nur Zufall? Vielleicht war das Land aber auch einem der hier ansässigen Grafen oder Barone zugefallen, der auf die eine oder andere Weise, zu dem Orden der Templer eine Verbindung hatte. Vermutlich war es so. Sonst hatte er keine Erklärung dafür.



Es ärgerte ihn, dass er seine Suche hatte abbrechen müssen. Die Zeit schritt voran und er brauchte dringend Antworten. Jeder Tag, der ohne neue Erkenntnisse verging, war ein verlorener. Er beschloss, am nächsten Morgen, wenn alle noch schliefen, sich erneut auf die Suche zu machen.



Schon vor dem ersten Hahnenschrei erwachte er. Die Sonne warf ihre ersten Sonnenstrahlen über das Land und tauchte den Himmel in ein zartgoldenes Rosa. Noch in der Kleidung vom Vorabend, lag er auf der Couch und erhob sich leise, um Elisabeth nicht zu wecken. Matthew nahm seinen Plan mit und ging wieder in den Garten hinaus.



Der jähe Schrei des Adlers, der abermals über seinem Haupt zu kreisen schien, ließ ihn zusammenzucken. Das bestätigte seinen Verdacht, dass Paymon ihn beobachten ließ. Matthew hatte kein gutes Gefühl dabei. Wenn er nun doch etwas finden sollte, würde Paymon umgehend davon erfahren, und das wollte er vermeiden. Denn genau das war sein Vorteil. Solange er nicht wusste, was Matthew zur Verfügung stand, konnte er ihn nicht einschätzen. Er überlegte eine kurze Weile. Dann sah er grinsend hinauf zu dem Vogel. Was Paymon wohl nicht bedacht hatte, war, dass er ihm auf diese Weise sehr eindeutig zeigte, dass er noch immer keinen Weg gefunden hatte, dieses geschützte Land zu betreten. Das gab Matthew wiederum ein sehr beruhigendes Gefühl. Solange Paymon auf Mangeniohood nicht eindringen konnte, waren auch seine Frau und sein Ungeborenes in Sicherheit. Das verschaffte ihm wiederum Zeit. Matthew beschloss, es für den Moment dabei zu belassen, und ging zurück zum Haus. Schließlich konnte das Buch überall sein und im Haus konnte er ihn nicht beobachten lassen.



Im Büro suchte er auf allen alten Unterlagen und Plänen, die er finden konnte, noch einmal ganz genau. Er wollte keine Möglichkeit außer Betracht lassen.



Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Elisabeth zur Tür hereinsah. „Was machst du denn da?“, fragte sie neugierig. Matthew sah sie lächelnd an und antwortete: „Guten Morgen Liebes, ich suche nach Hinweisen. Ich habe heute Morgen Paymons Späher wieder am Himmel gesehen und dachte, es wäre wohl momentan sinnvoller, die Suche drinnen fortzuführen.“ Elisabeth nickte nur und verschwand aus der Tür. Sie wollte ihn nicht von seiner Arbeit ablenken. Dazu hing viel zu viel davon ab. Intuitiv strich sie sich über ihren Bauch. „Dein Papa tut alles dafür, damit du in Sicherheit bist“, flüsterte sie leise und ging zurück ins Schlafzimmer. Sie brauchte ein wenig Ruhe, denn sie litt zurzeit unter heftiger Morgenübelkeit. Sie schlüpfte zurück ins Bett und versuchte, noch ein wenig zu schlafen, bis ihr Magen sich beruhigt hatte.



Matthew war ganz vertieft in seine Unterlagen. Auf den Plänen vom Haus an sich, hatte er noch nichts Auffälliges entdecken können, aber das mochte nichts heißen. Konnte auch gut sein, dass man dies absichtlich nicht aufgezeichnet hatte, um Neugierige fernzuhalten.



Berge an alten Zetteln und Anmerkungen durchforstete er stundenlang. Bücher, die mit der Buchhaltung des Haushalts gefüllt waren, brachten auch kein wirkliches Ergebnis, bis auf einen kleinen Eintrag, der vom 4. März des Jahres 1886 stammte, der Matthew stutzig machte. Hierin war nur kurz und knapp vermerkt, dass man offenbar eine Renovierung im Kellergewölbe bezahlt hatte. Im Keller? Da wurde Matthew hellhörig, denn er wusste nichts von einem Keller. So wie sich das Gehöft jetzt darstellte, war es nie unterkellert worden. Verwundert betrachtete er eingehend diesen alten Eintrag. Hatte man den Keller, den es offenbar einst hier gegeben hatte, zugemauert? Und wenn ja, dann warum? Einen Keller benutzte man früher auch, um Lebensmittel zu lagern und zu kühlen. Warum also sollte man genau diesen dann zumauern? Das war nicht logisch nachvollziehbar. Er beschloss, den Verwalter zu fragen, der schon sehr lange hier lebte. Jonathan Barker versorgte gerade die Pferde im Stall, als Matthew ihn aufsuchte. „Jonathan, sie brauche ich kurz, ich habe da eine Frage.“ „Ja Sir, gerne wenn ich ihnen helfen kann.“ „Jonathan, wissen sie zufällig, ob das Haus schon einmal umgebaut wurde, oder vielleicht auch einmal unterkellert war, in früheren Zeiten?“ Jonathans verdutzter Blick war unübersehbar. „Wozu möchten sie denn das wissen, Sir?“ „Ach, ich wollte nur mehr über die Geschichte des Gehöfts erfahren und hatte mir überlegt, ob man nicht einen Keller bauen sollte. Das wäre doch für so manche Dinge sicherlich sehr praktisch, wegen der kühlen Lagerung. Dann könnten wir dort Weine und Obst besser lagern.“ Auf die Schnelle war Matthew nichts Besseres eingefallen, um weitere Fragen zu vermeiden. Jonathan nickte, nahm seine Mütze ab und fuhr sich nachdenklich durch seine noch wenig vorhandenen grauen Haare. „Hmm, da müsste ich mal überlegen“,…



„Tun sie das und sagen sie mir Bescheid, wenn ihnen was dazu einfallen sollte.“ Matthew drehte sich um und ging zum Haupthaus zurück. „Das mache ich!“, rief ihm sein Verwalter noch nach. „Seltsame Frage“, murmelte Jonathan vor sich hin und widmete sich dann wieder seiner Arbeit.



„Schatz?“, rief Matthew gedämpft. Er wusste nicht, ob Elisabeth vielleicht noch schlief, er wollte sie auf keinen Fall wecken. „Hier bin ich“, schallte es aus der Küche zurück. „Ach, du bist schon auf?“ „Ja, genug geschlafen, es geht schon wieder.“ „Geht es dir besser?“, fragte Matthew. „Ja ein wenig. Ich muss wohl damit leben, dass mir jetzt öfter übel sein wird.“ Sie schmunzelte. Matthew antwortete ihr: „Das würde ich dir gerne abnehmen, wenn ich das könnte, Schatz, aber leider“,….



„Ist schon gut. Das ist nun mal das, was wir Frauen alleine zu tragen haben. Ihr Männer würdet das doch gar nicht aushalten, seien wir doch mal ehrlich!“, scherzte sie und kniff ihn lachend in die Seite. Matthew schnaubte erbost und gab sich pikiert. „Pah“, was ihr könnt, das können wir doch schon lange. Das starke Geschlecht sind immer noch wir Männer, die euch beschützen müssen. Ohne uns wärd ihr doch hoffnungslos verloren, gib es doch zu!“ Er lachte schallend und nahm sie fest in die Arme. Elisabeth zierte sich zuerst entrüstet und spielte die Unnahbare, um sich dann doch von ihm küssen zu lassen. „Ach du“,… „du bist wie alle Männer, ihr denkt, ihr seid die Allergrößten nicht wahr?“, sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, nachdem er sie wieder losgelassen hatte. „Ohne uns Frauen wüsstet ihr doch gar nicht, was ihr tun sollt. Zudem würde so mancher Mann verhungern und in Bergen von Dreck untergehen, wenn es uns nicht geben würde.“ Sie lachte lauthals, drehte sich um und fing elegant das Geschirrtuch auf, das ihr Matthew gespielt entrüstet entgegenwarf. „Nun ist es aber genug“, lachte er und schlug wieder einen ernsteren Ton an. „Um auf unser Problem nun wieder zurückzukommen, ich werde mich die Tage weiter damit beschäftigen, aber ich werde mich dazu eher hier im Haus umsehen. Ich habe da was ganz Interessantes gefunden in den Büchern, das mich stutzig gemacht hat.“ „Ach ja?“, fragte Elisabeth. „Ja, ich habe einen Eintrag über eine Renovierung des „Kellergewölbes“ gefunden. „Des was?“ Sie sah ihn verwundert an. „Wo sollte denn der sein? Ich habe hier noch keinen Keller gesehen bisher.“ Matthew nickte vielsagend. „Und genau das ist der Punkt, der mich auch gewundert hat.“ Elisabeth sah ihn fragend an. „Aber wo bitte willst du danach suchen, wenn es gar keinen gibt?“ Matthew atmete tief durch und überlegte. „Ich denke, ich warte ab, bis Jonathan mir vielleicht mehr sagen kann.“ „Jonathan? Was hat er damit zu tun?“ „Ich habe gedacht, ich frage ihn einfach, ob er mehr über das Haus und seine Geschichte weiß, könnte doch sein, wo er doch schon so lange hier lebt“, antwortete Matthew nachdenklich. „Vielleicht haben wir ja Glück, wer weiß. Sehr viele Ansatzpunkte haben wir in dem Fall ja leider nicht.“ Elisabeth nickte. „Das stimmt allerdings, ich wüsste nicht, wo ich hier danach suchen sollte.“



Matthew ließ seine Frau in der Küche zurück und verzog sich wieder in sein Büro. Der Berg an Dokumenten musste ja trotzdem noch genau durchleuchtet werden. So oder so. Wenn Jonathan ihm keine weiteren Hinweise geben konnte, waren diese Aufzeichnungen sein einziger Ausgangspunkt. Matthew verbrachte deshalb den Rest des Tages, in einem Gewühl an Zetteln und alten Büchern. Manches war schon reichlich vergilbt und damit fast unleserlich geworden. Stück für Stück legte er zur Seite, was er schon durchgesehen hatte. Bisher hatte er keine neuen Hinweise mehr finden können. Etwas ermattet knipste er die Schreibtischlampe an, denn es war draußen schon dunkel geworden. Er wollte sich gerade an das letzte Buch machen, als überraschend Jonathan hereinstürmte. „Sir! Entschuldigen sie bitte, dass ich sie bei der Arbeit störe, aber mir ist gerade eben wieder etwas eingefallen, was ich fast schon vergessen hatte!“ Matthew war ein klein wenig erschrocken aufgrund des plötzlichen Überfalls. „Oh, Jonathan…ja bitte setzen sie sich“, er verwies auf den Stuhl seinem Schreibtisch gegenüber und lächelte ihm ermunternd zu. „Erzählen sie bitte, ich bin ganz Ohr.“

 



Jonathan räusperte sich verlegen. Er kam sich gerade ein wenig lächerlich vor, wie ein altes Tratsch Weib, das nichts Besseres zu tun hatte, als altes Geschwätz weiterzuerzählen. Er überlegte, wie er seinem Chef das am besten erzählen sollte, ohne, dass der ihn für wunderlich hielt. Nur zögerlich begann er zu berichten, was man ihm damals mitgeteilt hatte. „Also das war so“,…… „es ist wirklich schon ewig lange her. Ich war damals noch ein kleiner Junge, aber ich habe hier mit meiner Familie ganz in der Nähe gelebt. Sir, ich kann ihnen wirklich nicht genau sagen, ob da etwas dran ist oder nicht, aber man hat sich damals so einiges im Dorf erzählt über Mangeniohood.“ „Ist schon ok, Jonathan, fahren sie nur fort“, gab Matthew, der nun sehr neugierig geworden war, zurück.



„Also das war so“,… begann Jonathan betont ernst, als ob es sich um das größte Geheimnis überhaupt handeln würde. „Ich war eben noch ein kleiner Junge und vielleicht spielt hier auch meine Fantasie mit hinein, oder mein mangelndes Erinnerungsvermögen, weil es so lange her ist, aber ich glaube mich daran zu erinnern, was mir einst ein sehr alter Mann, der hier lange gearbeitet hatte, erzählt hat. Matthew sah dem Alten gespannt in die Augen und bemerkte, dass er sich wirklich große Mühe gab, sich zu erinnern, um nichts Falsches zu sagen. Dieser alte Mann hat mir erzählt, dass er mit einigen anderen Männern, unter dem Haus eine große Grube gegraben hat. Er hat davon berichtet, weil er sich sehr über den geringen Tagelohn, der ihnen für diese schwere Arbeit bezahlt wurde, geärgert hatte. Obwohl sie, laut ihm, dazu verpflichtet worden waren, über ihre Arbeit, die sie verrichteten, zu schweigen. Meine Eltern dachten damals, der Alte wollte sich nur wichtigmachen, deshalb hatte man ihm auch nie so wirklich Glauben geschenkt. Na, auf jeden Fall hatte ich mich damals vor dem Haus zu ihm gesetzt, und er hat mir einige sehr merkwürdige Dinge erzählt. Später dann, als ich schon größer war, habe ich mir dann gedacht, dass er mir einfach nur eine spannende Geschichte erzählen wollte, wie man sie Kindern eben gerne erzählt. Ich habe dann auch nie mehr daran gedacht, bis sie mich vorhin danach gefragt hatten.“ Jonathan war sich merklich unsicher, was er hier zum Besten gab. Er wollte sein Ansehen nicht verlieren und als Märchenerzähler dastehen, dem man dann nur mehr mit einer gewissen Vorsicht Glauben schenkte. Matthew spürte seine Ängste und Bedenken und versuchte, sie ihm zu nehmen. „Ist schon gut Jonathan, sie brauchen sich nichts dabei denken, es wird außer mir niemand davon erfahren, was sie mir hier unter vier Augen erzählen. Versprochen. Und ob da wirklich etwas Wahres dran ist, werden wir dann ja sehen. Nur Mut, erzählen sie ruhig weiter.“



Jonathan fasst sich erneut ein Herz und begann zu erzählen: „Ich erinnere mich daran, dass er davon sprach, dass drei Leute bei dieser Arbeit gestorben sind, aber keiner wusste warum. Sie wurden immer einzeln tot in der Grube liegend gefunden, ohne Hinweise darauf, was ihnen zugestoßen war. Sie hatten keine Verletzungen oder Blut an ihren leblosen Körpern. Die Leute dachten, sie hätten sich wohl einfach überanstrengt und wären einem Herzinfarkt erlegen, aber der Alte, war da ganz anderer Ansicht. Zu dieser Zeit gab es ja auch niemanden, der das überprüft hätte. Ein einfacher Arbeiter zählte zu dieser Zeit gar nichts und so beerdigte man sie einfach in aller Stille und schwieg darüber. Die Leute im Dorf wussten ja auch gar nicht genau, was sie da eigentlich taten. Man sagte ihnen nur, dass der alte Baron, dem das alles damals gehörte, sie hatte kommen lassen, für Renovierungsarbeiten am Haus. Alle, die hier beschäftigt waren, kamen nicht aus unserer Gegend, sondern waren von weit hergekommen. Sie schliefen in der alten Scheune und wurden dort auch verköstigt, sodass sie so wenig wie möglich Kontakt zu den Leuten im Dorf hatten.“ Jonathan machte dann eine bedeutsame Pause, bevor er weitersprach. „Ich weiß wie gesagt nicht, ob das stimmt und ich weiß nicht, wie ich das jetzt sagen soll, ohne dass sie mich für verrückt halten, aber der Alte sagte mir noch etwas ganz im Vertrauen und ich glaube, das hat er nur mir erzählt, denn ich habe nie von einem anderen darüber etwas gehört.“ Er atmete hörbar tief ein, bevor er leise weitererzählte. „Ich hatte seither als kleiner Junge lange Zeit große Angst vor diesem Haus und habe es deswegen immer vermieden, hierher zu kommen.“ Matthew wurde langsam ungeduldig. „Aber was war denn nun der Grund dafür? Nun rücken sie schon raus mit der Sprache Jonathan! Ich werde sie schon nicht auslachen oder ihnen den Kopf abreißen, also sagen sie schon“…



„Ja Sir, tut mir leid, es ist nur so, … also er sagte, dass es hier spuckt, das hat er selber erlebt.“ Nun war es raus und Jonathan senkte verlegen den Kopf. Matthew bewahrte seine Haltung und gab sich ganz locker, um Jonathan nicht noch mehr zu verunsichern. Dass er über derartige Dinge nur zu gut Bescheid wusste, konnte er ihm schlecht sagen. Matthews Neugierde war nun endgültig geweckt, er wollte mehr darüber wissen. „Ok und hat er ihnen auch erzählt, was genau er dort erlebt hat?“ Jonathans Finger bearbeiteten nervös den Stoff seiner Kappe, an der er sich festhielt, als könnte sie ihm Halt geben. „Ja. Er erzählte mir, dass er dort allein die Nachtwache verbracht hatte, bei der sie sich abwechselten. Und eines Nachts, als er da so alleine auf einem Hocker saß in der Grube, hörte er plötzlich so ein Flüstern. Er dachte zuerst, es seien die anderen und sah sich um, aber da war niemand außer ihm. Dann sah er plötzlich eine Gestalt, die fast durchsichtig wirkte und von einem schwachen Licht umringt war. Er sagte, es sei ein sehr alter Mann gewesen mit langem weißem Bart.“ Matthew nickte, ihm war sofort bewusst, um wen es sich dabei handeln musste. „Und hat er auch etwas zu ihm gesagt?“ Jonathan schüttelte den Kopf. „Nein, Sir, davon weiß ich nichts, darüber hat er mir nichts erzählt. Er sagte nur, dass er große Angst bekam und davongelaufen sei. Mehr weiß ich nicht darüber.“ Matthew gab nicht so schnell auf und fragte ihn: „Und hat er nichts darüber erzählt, wofür sie diese Grube gegraben haben, oder was danach geschah?“ „Nein, Sir, das war wirklich alles, was er mir erzählt hat, mehr weiß ich auch nicht.“



„Ok, danke Jonathan, sie können dann gehen. Und sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, von mir erfährt keiner was über diese Geschichte.“ Jonathan erhob sich von dem Stuhl und nickte nur kurz, dann verließ er sein Büro. Wohl fühlte er sich nicht wirklich dabei, schließlich hatte er einen guten Ruf zu verlieren.



Matthew grübelte. Was war wirklich dran an dieser Geschichte? Ohne nähere Angaben, wo diese Grube gegraben worden war und wozu, konnte er nicht viel ausrichten. Etwas zu suchen, dessen Ort man nicht kannte, war alles andere als einfach. Wo konnte man dieses Kellergewölbe, das es sicherlich schließlich geworden war, gegraben haben? Er ging noch einmal die Pläne vom Haus durch, irgendein Hinweis musste doch zu finden sein, sei er auch noch so gering. Und eines war auch klar, wenn es wirklich stimmte, dass dem alten Mann damals Myrddin erschienen war, dann musste es auch einen triftigen Grund dafür geben. Wenn man dies dabei in Betracht zog, konnte diese Geschichte wirklich wahr sein. Das war definitiv eine intensive Suche wert. Matthew wollte nicht unnütz Zeit verschwenden, er wusste ja nicht, wie viel ihm noch blieb. Also ging er nun akribisch die Pläne des Gehöfts durch, das in den Jahren immer mal wieder ausgebaut worden war. Er verglich jedes auch noch so geringe Detail, um dem Ganzen auf die Spur zu kommen. Es musste sich einfach etwas finden lassen. Viele Stunden vergingen, ehe er einen winzig kleinen Unterschied in einem alten Plan entdeckte. Auf einem neueren Plan war an derselben Stelle des älteren, keine Türe eingezeichnet worden. Auf beiden war allerdings auch kein Raum dahinter verzeichnet, dass dies erklären konnte. Es musste also dort ein Raum existiert ha