Buch lesen: «Bei Gelegenheit Liebe»

Schriftart:

Bei Gelegenheit Liebe

Inhalt

Prolog

1. KAPITEL EINS

2. KAPITEL ZWEI

3. KAPITEL DREI

4. KAPITEL VIER

5. KAPITEL FÜNF

6. KAPITEL SECHS

7. KAPITEL SIEBEN

8. KAPITEL ACHT

Epilog

ÜBER DIE AUTORIN

Bücher von Dawn Brower

Auszug: Für immer mein Graf

Prolog

KAPITEL EINS

Chance of Love © 2020 Dawn Brower

Cover: Mandy Koehler

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buchs darf ohne schriftliche Zustimmung benutzt oder vervielfältigt werden, weder elektronisch noch in Druckform, Datenspeicherung und Datenabfragesysteme eingeschlossen, außer es handelt sich um kurze Zitate in Rezensionen.

Prolog

April 1816

Frühling war immer ihre liebste Jahreszeit gewesen. Lady Lenora St. Martin hatte nicht viel mehr, auf das sie sich freuen konnte, und die bloße Vorstellung von Neubeginnen tat es ihr an. Jeden Frühling spross neues Leben und die fruchtlose Landschaft war von Schönheit und Wundern erfüllt. Das galt auch für die Ballsäle in London. Neue Debütantinnen wurden in die Gesellschaft eingeführt und die neueste Frucht wahrer englischer Schönheiten wurde für diejenigen Gentlemen zur Schau gestellt, die auf der Suche nach einer Ehefrau waren.

Lenora war nie als Schönheit angesehen worden …

Sie hatte ihr Los im Leben vor langer Zeit angenommen. Sie hatte dunkelbraunes Haar und haselnussbraune Augen, beides langweilig. Ihre Attribute, zusammen mit ihrer Schüchternheit, hielten ihre Stellung als Mauerblümchen sicher. Niemand bemerkte sie und meistens war das in Ordnung für sie. Ihr Cousin Bennett, der Marquess of Holton, bestand darauf, dass sie gesellschaftliche Zusammenkünfte besuchte. Lenora verstand die Gründe, auch wenn sie diesen nicht besonders zustimmte. Bennett hoffte, dass sie einen Verehrer fand, sich verliebte und dann heiratete, so dass sie ihre eigene Familie haben konnte. All diese Dinge klangen wundervoll. Bei nichts davon war es wahrscheinlich, dass es geschah. Zumindest nicht bei ihr …

Dieser Ball, derjenige, bei dem sich die meisten Debütantinnen und deren Mütter darum rissen, ihm beizuwohnen, war ein gutes Beispiel. Die jungen Fräulein schäkerten mit ihren Gentlemen-Verehrern und deren Mütter tratschten mit anderen Matronen. Die Mauerblümchen taten, was sie am besten konnten – die Wände umarmen. Lenora tat hingegen nichts davon. Sie stand nicht nur lediglich an der Wand und hoffte, dass irgendein abtrünniger Gentleman sie entdecken und auf die Tanzfläche führen würde. Das wäre zu einfach gewesen und wahrscheinlich von ihrem Cousin vorgezogen worden. Nein, Lenora tat nichts nach normalen Normen. Sie hasste es bemerkt zu werden und hätte es geliebt zuhause zu bleiben und einen ihrer Lieblingsromane zu lesen. Sie versuchte das Beste aus einer schrecklichen Situation zu machen und versteckte sich in der finstersten Ecke, die sie finden konnte.

Frühling mochte Neubeginne bedeuten, aber es bedeutete auch neue gesellschaftliche Zusammenkünfte. Es führte zu ihrem größten Unbehagen und es graute ihr davor. Wenn sie in Ruhe gelassen werden würde, um in den Gärten zu spazieren oder sich in der Wärme des Sonnenlichts zu aalen, das durch ihr Schlafzimmerfenster strömte, wäre sie herrlich glücklich gewesen. Stattdessen wurde sie in Ballsäle gezwungen und dazu, sich in Ecken zu verstecken.

»Was macht eine entzückende Dame wie Sie in dieser dunklen Ecke?« Seine Stimme war warm wie Honig an einem heißen Sommertag. Seine verlockende Süße überspülte sie und ließ sie sich nach einer Kostprobe sehnen ... von etwas. Er war außerdem der größte Schwerenöter in ganz London. Julian Everleigh, der Duke of Ashley, war ein notorischer Verführer. »Kommen Sie, tanzen Sie mit mir, kleine Maus.«

Lenora rümpfte bei seinem Kosenamen für sie ihre Nase. Sie himmelte Julian an, aber sie wusste es besser, als irgendetwas von dem, was er anbot, anzunehmen. Er besuchte ihren Cousin oft genug. Sie sollte von seiner Koketterie unbeeindruckt sein. Diese begeisterte sie jedoch und sie wollte sie auskosten, wann auch immer er sich herabließ mit ihr zu sprechen. »Nein, ich danke Euch«, sagte sie sacht. »Mir geht es gut, versprochen.«

Er gluckste leicht und neigte dann seine Lippen in dem sündigsten Lächeln, von dem sie je Zeuge war, nach oben. Nicht dass sie viele gesehen hätte … Die meisten Gentlemen scheiterten daran, sie zu bemerken, ganz zu schweigen davon, absichtlich in ihre Richtung zu lächeln. »Sie sollten nichts versprechen, das nicht wahr ist, Kleines«, sagte er. »Ich mache mir nie die Mühe mit einem Versprechen, weil ich mich selbst zu gut kenne. Ich werde es bei der ersten Gelegenheit brechen, die sich mir bietet.« Julian zwinkerte ihr zu und es schickte ein Flattern durch ihren Bauch, das sie noch nie zuvor in ihrem ganzen Leben verspürt hatte. »Stattessen werde ich sichergehen, dass Sie es nie vergessen werden mit mir getanzt zu haben. Ich bin ziemlich gut darin.« Er streckte seine Hand aus. »Jetzt erweisen Sie mir bitte die Ehre und verbringen ein paar Momente mit mir. Ich bedarf verzweifelt Schutz vor ungewollten Avancen.« Er lehnte sich gerade genug herunter, so dass sie seinen warmen Atem spüren konnte, als er sprach. »Sind Sie willens meine Retterin zu sein?«

In diesem Moment hätte sie ihm alles versprochen, aber sie hielt sich zurück. Er sagte, dass ihm Versprechungen nichts bedeuteten. Der Herzog hat offen zugegeben, dass er diese oft brach. Der Schwur, den sie gleich gegeben hätte, wären leere Worte für ihn. Sie lächelte also stattdessen, auch wenn es ein bisschen wackelig war. Vor allen zu tanzen machte ihr schrecklich Angst. »Ich kann es versuchen …«

»Das ist alles, worum man bitten kann«, sagte er zu ihr.

Warum musste er so umwerfend sein? Er war zu gutaussehend und viel zu hübsch, um ihr Aufmerksamkeit zu zollen. Sein goldblondes Haar kam der Sonne in seiner Brillanz gleich und seine blauen Augen waren schillernder als der auserlesenste Saphir. Sie könnte sich mühelos in seiner charmanten Fassade verlieren, wenn sie es sich selbst erlaubte. »Ich schätz … schätze« Sie stotterte bei dem Wort. Lenora räusperte sich und begann noch einmal. »Ich schätze, das ist wahr.«

»Also?« Er hob eine Braue. »Werden Sie sich mir für den nächsten Durchgang anschließen?«

Sie nickte, als die Stränge eines Walzers den Raum füllten. Lenora ächzte beinahe, als sie bemerkte, zu was sie eingewilligt hatte. Der Walzer war der intimste Tanz und sie hatte niemals einen mit einem anderen Mann als ihrem Cousin getanzt. Hölle, sie hatte überhaupt nie mit einem Mann neben ihrem Cousin getanzt … Das schmälerte ihr Dilemma nicht. Ein Walzer mit dem Herzog würde Aufsehen erregen und sie wäre so nahe bei ihm … Ihre Hand zitterte, als sie diese in seine legte. »Geht voran, Euer Gnaden.«

Er führte sie auf die Tanzfläche und dann wirbelte er sie in den Tanz, bevor sie die Zeit hatte ihre Meinung zu ändern, und sie war dem nahe gewesen. Je näher sie in Richtung des Lichts und der neugierigen Blicke der feinen Gesellschaft getreten war, desto besorgter wurde sie. Es war weise von ihm gewesen ihr diese Entscheidung abzunehmen.

Julian war ein erstaunlicher Tänzer, aber das hätte sie nicht überraschen sollen. Alles an ihm, oder was er tat, schien perfekt. »Nun«, begann er, »das scheint nicht so schlimm, oder, Kleines?«

Zumindest hatte er sie nicht wieder eine Maus genannt … »Nein«, stimmte sie zu. Es war tatsächlich ziemlich beschwingend. Lenora fühlte sich, als ob sie auf Luft schwebte.

»Ich habe tanzen immer als zu dekadent angesehen, als dass man es angemessen in einem öffentlichen Forum tun würde«, begann er. »Zumindest die Art, die ich bevorzuge.«

Sie schob ihre Augenbrauen zusammen. »Ich bin nicht sicher, ob ich folge …«

»Ich erwarte nicht, dass Sie das können«, erwiderte er geheimnistuerisch. »Eines Tages verstehen Sie es vielleicht. Eventuell sagen Sie es mir, wenn Sie das tun.« Sein Mundwinkel zog sich nach oben … beinahe arrogant. Als ob nur er wirklich die Geheimnisse der Welt verstand …

»Ich nehme an, Euer Gnaden, dass sich unsere Wege in den kommenden Jahren nicht oft kreuzen werden.« Der Herzog mochte einer der Freunde ihres Cousins sein, aber sie erwartete gänzlich zu irgendeinem Zeitpunkt allein zu leben. Sobald sie in ein paar Monaten ihre Volljährigkeit erreichte, hatte sie vor zu reisen. Vielleicht nach Italien … Sie hatte es noch nicht gänzlich entschieden. »Wir pflegen nicht den gleichen Umgang und mit der Zeit werden sich die kleinen Verbindungen, die wir haben, auflösen.«

»Möglicherweise«, stimmte er zu. »Die Zeit wird es weisen, schätze ich.« Er wirbelte sie auf der Tanzfläche fachmännisch umher.

Lenora würde diesen Moment niemals vergessen. Sie würde wahrscheinlich niemals wieder tanzen, zumindest nicht so. Sie war dankbar, dass sie es dem Herzog erlaubt hatte sie zu überzeugen mitzumachen. Danach würde sie wahrscheinlich ihren Weg zu ihrer Lieblingsecke finden, um sich zu verstecken. In den dunkelsten Momenten wäre sie in der Lage zu diesem Walzer zurückzureisen und sich liebevoll daran und an Julian erinnern. Wenn sie glaubte, dass sie eine Möglichkeit auf etwas mehr mit ihm hätte … Sie schüttelte den Gedanken weg. Ihn zu lieben war eine schreckliche Idee und möglicherweise das Einzige, das sie bereute. Dies war eine Nettigkeit, wenn auch untypisch für ihn, aber sie würde nichts anderes von ihm erwarten.

Die Stränge des Walzers endeten und Enttäuschung erfüllte sie. Sie hatte zu Beginn versucht sein Ersuchen zurückzuweisen und jetzt wollte sie, dass der Tanz nie endete. Der Herzog wirbelte sie ein letztes Mal auf der Tanzfläche herum und führte sie dann dorthin, wo ihr Tanz begonnen hatte. Er verbeugte sich und küsste ihre behandschuhte Hand. »Ich danke Ihnen für Ihre Güte, my Lady.« Seine blauen Augen funkelten vor Unfug. »Und dafür, dass Sie meine Beschützerin waren, als ich es brauchte.«

Sie sollte ihm danken. Er hatte Gefühle in ihr erweckt, die sie für lange begraben gehalten hatte. Ihr Herz platzte vor Glück und Zuneigung zu diesem Mann. »Ihr benötigt meinen Schutz nicht eher, als Ihr mit mir zu tanzen brauchtet.« Sie runzelte die Stirn. Lenora konnte seine Motive dafür, darauf zu bestehen, sie in den Walzer zu führen, noch immer nicht herauslesen. »Wie dem auch sei, der Tanz war entzückend. Ich bin dankbar, dass ich nicht dagegen beharrt habe.«

Er lachte leicht und schüttelte seinen Kopf. »Kleine Maus, Sie sind immer so formell.« Julian verbeugte sich wieder. »Das Vergnügen war ganz meinerseits.« Er blickte über seine Schulter und dann wieder zu ihr. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er. »Ich muss mich etwas Wichtigem annehmen.« Sein Lächeln war strahlend und erschien aufrichtig. »Genießen Sie den Rest Ihres Abends, my Lady.« Mit diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und steuerte in die entgegengesetzte Richtung.

Lenora lächelte, während sie beobachtete, wie er davonzog. Sie begann zu glauben, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Er war charmant gewesen, wie erwartet, aber auch nett und großzügig mit seiner Zeit. Es war vom Herzog nicht verlangt worden mit ihr zu tanzen. Das war es von keinem Gentleman. Das machte seine Aufmerksamkeit umso kostbarer für sie.

Sie wanderte zum ersten Mal am ganzen Abend willentlich aus ihrer Lieblingsecke. Zuvor zählte nicht, weil Julian sie davon weggelockt hatte. Möglicherweise sollte sie den Ballsaal verlassen und die Gärten erkunden. Es begann im Ballsaal erdrückend zu werden. Lenoras Glück brach beinahe aus ihr hervor. Sie umarmte sich selbst und wirbelte umher, während sie sich auf ihren Weg den leeren Flur entlang machte, der zum Balkon führte. Es gab eine kleine Treppe auf dem Balkon, der zu den Gärten hinabführte.

Stimmen schallten zu ihr zurück. Zwei männliche Stimmen, um präziser zu sein, und beide waren erkennbar.

»Hat sie getanzt?«, fragte ihr Cousin. Warum war Bennett so bedacht auf ihr Tanzen? Warum konnte er sie nicht lassen, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen?

»Selbstverständlich hat sie das«, antwortete Julian. »Zweifelst du meine Fähigkeit an eine Frau zu bezaubern?« Er klang so … angewidert. War das, weil er mit Lenora tanzen musste oder weil Bennett seine Fähigkeit angezweifelt hatte? »Ich kann jede Frau dazu überreden, nun ja, alles zu tun«, prahlte er. »Aber ein Mauerblümchen? Das ist nicht einmal eine Herausforderung.«

Sie war bis zu diesem Moment frohlockend gewesen. Jetzt fiel jeder Umfang an Freude, die sie in sich gehalten hatte, unverzüglich in sich zusammen. Er war zuvor so nett erschienen … Wie hatte sie es so missverstanden?

»Aufmerksamkeit von dir sollte die Kenntnisnahme aller wählbaren Gentlemen im Raum erhascht haben«, sagte Bennett. »Sie werden alle wissen wollen, warum der Duke of Ashley sich mit einem Mauerblümchen abgibt. Bald wird sie mehr Besucher haben, als sie will.«

Sie wollte keine Besucher … Ein Teil von ihr hasste ihren Cousin dafür, sich auf diese Weise in ihr Leben eingeschlichen zu haben. Warum bat er seinen Freund ihr Aufmerksamkeit zu zollen? Hasste er es so sehr, dass sie bei ihm lebte? Sie hatte gedacht, dass sie sich näher als das stehen würden …

»Ich habe dir diesen Gefallen getan«, sagte der Herzog. »Bitte mich nie wieder darum.« Sein Tonfall war barsch und unnachgiebig. Es stach sie in ihr zerbrechliches Herz. Sie war an der Schwelle dazu gestanden, sich in ihn zu verlieben. Der Duke of Ashley verdiente ihre Zuneigung nicht. Lenora bezweifelte, dass er der Liebe irgendeiner Frau würdig war.

Tränen stachen in ihren Augen und glitten ihre Wange hinab. Sie streifte sie mit einem Wischen ihrer Fingerspitzen weg. Sie würden ihr nicht helfen und sie waren so nutzlos wie ihre Fähigkeit Menschen zu lesen. Lenora verhärtete in diesem Moment ihr Herz. Sie würde nie wieder den Narren spielen. Es war Zeit, dass sie lernte sich ihren Weg durch die Gesellschaft zu weben, ohne jemand anderen wieder ihre Seele berühren zu lassen. Sie würde nie wieder so einfach überlistet werden, aber sie hatte eine Menge zu lernen. Es gab eine Person, die ihr das beibringen konnte, und sie würde tun, was auch immer es brauchte, um sie zu überzeugen. Diese eine Person war die frische Lulia Prescott – die Roma-Duchess of Clare …

Da sie ihre Entscheidung getroffen hatte, eilte sie aus dem Ballsaal und ging den ganzen Weg zum Holton Stadthaus. Sie würde eine gute Nacht Ruhe benötigen, bevor sie ihre Reise begann. Ihr erster Halt wäre Tenby, Wales, um mit der Herzogin zu plaudern. Danach würde sie, wie geplant, reisen. Wenn sie wieder nach London zurückkehrte, wäre sie eine vollkommen andere, bessere Frau.

1

KAPITEL EINS

April 1818

Lady Lenora St. Martin starrte quer durch den Ballsaal. Es war zwei Jahre her, seit sie den jährlichen Ball dieser speziellen Matrone besucht hatte. Der Loxton Ball war es gewesen, als sie schließlich gegenüber den Möglichkeiten, die das Leben zu bieten hatte, aufgewacht war, und als sie erkannte, dass Julian Everleigh, der Duke of Ashley, nicht nur ein Schwerenöter war, sondern auch wertlos. Zumindest für sie …

Zwei Jahre Arbeit mit dem Tutor, den Lulia ihr finden geholfen hat, hatten sie immens verändert. Sie war nicht länger die schüchterne Maus, die in einer Ecke schwebte. Jetzt sprühte sie vor Leben, war stark und entschlossen der Stolz der feinen Gesellschaft zu sein. Sie hatte noch immer kein richtiges Verlangen zu heiraten. Lenora war zufrieden damit, eine reiche Junggesellin zu werden, die ihren eigenen Weg schuf und Glück in etwas anderem als einem Mann oder einer Familie fand.

Dieser Ball war ihr Neubeginn. Der Frühling ihres zuvor trostlosen Lebens … Ihr stumpfes braunes Haar war von der Zeit, die sie in der italienischen Sonne verbracht hatte, jetzt von Gold durchzogen. Ihre tristen haselnussbraunen Augen funkelten vor goldenen Tupfen, die sie zuvor nicht bemerkt hatte. Anstatt in einer faden weißen Robe kleidete sie sich in der neuesten Mode. In ihre Robe war noch immer Weiß eingearbeitet, aber sie war ebenfalls mit blauem Satin und Spitze gesäumt. Der Schnitt betonte ihr Dekolleté und umarmte ihre Kurven. Kurz gesagt, diese war pure Dekadenz.

»Bist du sicher, dass du für diesen Schritt vorbereitet bist?«, fragte ihre Begleitung. Luca Dragomir war Mitglied der königlichen Familie der winzigen Insel Dacia, und der Tutor, den Lulia für sie in Dienst genommen hatte, um ihr auszuhelfen. Zeit in der Wärme von Dacia sowie an der italienischen Küste zu verbringen, hatte ihr geholfen ihr Herz zu heilen und die Stärke zu finden, die sie brauchte, um sich zu ändern. Luca war gutaussehend und selbstbewusst, und nicht ein Mal, seit sie sich kennengelernt haben, war er ihr gegenüber leutselig gewesen. Er hatte sie behandelt, als ob ihre Meinung wichtig war …

Sie tätschelte seinen Arm und antwortete auf seine vorige Frage. »Es wird nie einen Moment geben, der perfekter sein wird, um zur Londoner Gesellschaft zurückzukehren.« Lenora blickte zu ihm hoch. Sein dunkles Haar und seine meergrünen Augen, zusammen mit seiner gebräunten Haut ließen ihn aus den Gecken hervorstechen, die im Ballsaal herumstolzierten. Die Londoner Damen würden ihn umschwärmen und ihn bauchpinseln. Er war anders und, mehr oder weniger, ein Prinz. Er war der Fünfte in der Thronfolge, aber das würde für die Fräulein mit Heirat im Sinn und deren Mütter keine Rolle spielen.

»Wenn du sicher bist …« Er verflocht seinen Arm mit ihrem. »Dann lass uns sehen, wo uns das hinführt.« Luca führte sie die Treppe hinunter, die in den Ballsaal abstieg. Köpfe drehten sich, um sie anzustarren, während sie langsam auf sie alle zugingen.

»Ich glaube, wir haben einen Auftritt«, er lehnte sich herunter und flüsterte. »Aber ist es ein guter?« Er hob eine Braue.

Während sie ihren Marsch zum Ende der Treppe fortführten, kündigte ein Diener sie an. »Lady Lenora St. Martin und Prinz Luca Dragomir, Seine königliche Hoheit von Dacia.«

Sobald Lucas Name aufgeschnappt wurde, brach der ganze Ballsaal aus. Lenoras Lippen neigten sich nach oben. »Ich glaube, wir werden gleich angesprochen«, sagte sie leise. »Bist du darauf vorbereitet, umworben zu werden?« Sie war an der Reihe eine Braue zu heben.

»Alles für einen guten Zweck«, erwiderte er kryptisch. Seine Lippen zuckten. »Hast du deine Tanzkarte?«

Sie tippte mit ihrer Hand auf die Karte, die an ihr Handgelenk gebunden war. »Sie ist bereit gefüllt zu werden. Wünschst du deinen Platz zuerst zu beanspruchen?«

Er hob die Karte und schrieb schnell seinen Namen für den ersten Tanz des Abends darauf. Dann verbeugte er sich. »Bis später, my Lady.« Luca ließ sie am Rand der Tanzfläche allein. Wenn die Musiker begannen den ersten Tanz anzuspielen, würde er zurückkommen, um sie zu holen.

»Das ist ein ziemlicher Auftritt«, sagte ein Mann direkt hinter ihr. Sie erkannte diese Stimme. Es war eine, die sie niemals vergessen würde, und diese zu hören fühlte sich noch immer wie eine Klinge an, die in ihr Herz stieß.

Sie drehte sich, um ihn anzusehen. »Was deutet Ihr an?«

»Ich deute nichts …« Er schüttelte seinen Kopf, als ob er nicht sicher war, wie er fortfahren sollte. Welch neuartige Vorstellung. Dem Duke of Ashley fehlten die Worte. Er räusperte sich und begann erneut: »Es war nicht meine Absicht etwas anzudeuten. Ich stelle mich hierbei nicht sehr gut an, oder?« Er verbeugte sich. »Wenn ich mich vorstellen dürfte. Ich bin der Duke of Ashley.«

Er erkannte sie nicht … Wie interessant. Das war etwas, das sie gegen ihn benutzen konnte, wenn sie sich dazu entschied. Sie war eine Weile weg gewesen, aber nicht ein Mal hatte sie geglaubt, dass er ihre Existenz gänzlich vergessen könnte. Er war immerhin der Freund ihres Cousins. »Mir war nicht bewusst, dass es akzeptabel wäre sich selbst jemandem vorzustellen«, sagte sie in bissigem Ton. »Solltet Ihr nicht einen gemeinsamen Bekannten haben, der die Tat vollbringt?«

»Nun ja«, begann er. »Ich bin unsicher, ob eine solche Person existiert. Ich erinnere mich nicht daran, Sie in letzter Zeit bei einem der Bälle gesehen zu haben.« Er deutete in Lucas Richtung, der von einigen Damen umringt war. »Oder den interessanten Gentleman, mit dem Sie angekommen sind.«

In Ordnung, das wurde absurd. Er mochte sie nicht erkennen, aber er hatte sicherlich gehört, wie ihr Name verkündet wurde. Warum stellte er die Verbindung nicht her? Sprach er nicht länger mit Bennett? Sie starrte ihn an, versuchte seine Motive herauszulesen. »Ihr wisst wahrlich nicht, wer ich bin, oder?« Er begegnete weiterhin ihrem aufrichtigen Blick und nicht ein Mal wankte er.

»Sollte ich das?« Er hob eine Braue.

Unglaublich … Sie entließ einen verärgerten Atemstoß. Wenn sie nicht an irgendeiner wahnhaften Erwartung festgehalten hätte, dass er sie im Geheimen liebte ... nun ja, es war gut, dass sie das nicht hatte, denn sie wäre jetzt bitterlich enttäuscht. Er war, selbstverständlich, so gutaussehend wie immer. Der herzogliche Gott, den er der Welt präsentierte, mit goldblondem Haar und sündigen blauen Augen. »Ich nehme nicht an, dass Ihr das würdet«, bot sie an.

»Bitte erlauben Sie mir die Geringschätzung, die ich Ihnen zuteil habe werden lassen, richtigzustellen.« Seine Stimme enthielt ein bisschen Flehen, aber es kümmerte sie nicht sehr. Sie war nicht dieselbe kleine Maus, die er zwei Jahre zuvor aus der Ecke gelockt hatte.

»Das ist nicht notwendig«, sagte sie zu ihm und begann davonzugehen. Er streckte seine Hand aus und erfasste ihren Arm. »Lasst los«, fauchte sie im Flüsterton. »Ich bin fertig mit unserer Unterhaltung.«

»Ich habe das Gefühl, dass ich Sie kennen sollte«, erklärte er. »Ihre Reaktion und Worte besagen das. Wie könnte ich einen Anblick wie Sie vergessen?«

»Weil Ihr ein selbstsüchtiger Esel seid«, entgegnete sie vernichtend. »Keine Sorge, Euer Gnaden, ich bin sicher, dass es hier eine andere Dame gibt, die willens ist Euren Charme zu ertragen.« Sie riss ihren Arm los und stolzierte von ihm weg. Ihre Lippen neigten sich in einem arglosen Lächeln nach oben. Das war weitaus besser gelaufen, als sie je hätte erwarten können.


Er war von ihrer Schönheit abgelenkt worden, als sie die Treppen in den Ballsaal hinabgestiegen war, und war daran gescheitert, ihren Namen zu hören, als dieser verkündet wurde. Warum erkannte er sie nicht wieder? Je mehr er mit ihr sprach, desto mehr glaubte er, dass er sie kennen sollte, aber er konnte sie nicht einordnen. Wenn sie in letzter Zeit bei irgendeiner gesellschaftlichen Veranstaltung gewesen ist, hätte er sie sicherlich bemerkt. Wie hätte er das nicht können? Sie war eine Göttin und eine, die nicht so reinweiß wie das normale englische Fräulein war. Ihre Haut hatte ein leichtes, von der Sonne geküsstes Bronze an sich. Sie hatte in letzter Zeit etwas Zeit im Freien verbracht. Was darauf hinwies, dass sie überhaupt nicht in England gewesen sein konnte. Woher war sie gekommen? Möglicherweise wäre der Prinz, mit dem sie angekommen war, in der Lage ein paar seiner Fragen zu beantworten.

Er bummelte zu dem Auflauf aus Damen hinüber, die sich darauf vorbereiteten, ihn zu bauchpinseln. Julian musste zugeben, dass er es nicht gewohnt war, dass ein anderer Gentleman ihm die Schau stahl. Normalerweise strömten sie in seine Richtung und er schwelgte in ihrer Aufmerksamkeit. Er mochte es zu tändeln und zu tanzen, aber ließ sie am Ende alle hängen. Ehe war für ihn nicht auf dem Tisch. Vielleicht eines Tages, aber er hoffte, dass dieser Tag lange nicht kommen würde. Er hatte aus erster Hand mitbekommen, wie eine Ehe das Leben eines Mannes ruinieren konnte. Sein Vater hatte sich törichterweise verliebt und den Preis dafür bezahlt. Seine Mutter war der Untergang des vorigen Herzogs gewesen. Sie hatte zahlreiche Affären und seinen Vater fortgestoßen. Sie hatte ihre Pflicht getan und ihm seinen Erben geboren. Was die verräterische Herzogin betraf, war sie frei von jedweden weiteren Verpflichtungen.

Vielleicht konnte er die Beliebtheit des Prinzen zu seinem Vorteil nutzen. Er rückte näher zu ihm hin und lehnte sich herunter, um in die Ohren einer der Damen in der Nähe zu flüstern: »Ich hätte nie gedacht, dass du von einem Prinzentitel angezogen wärst.«

Sie seufzte. »Mach dich nicht lächerlich. Er ist ein Freund, nicht mehr. Ich hatte gehofft, ihn zu sprechen, aber es scheint, dass das nicht möglich sein wird.« Die Duchess of Clare war eine frühere Roma-Prinzessin und ihr Akzent floss durch ihre Worte.

Er hob eine Braue. »Du bist mit einem Prinzen befreundet? Warum bin ich nicht überrascht?« Julian gluckste leicht. »Bist du ebenfalls mit der Frau bekannt, mit der er angekommen ist?«

Vielleicht musste er nicht näher an den Prinzen herankommen. Er wollte sich sowieso nicht mit ihm anfreunden. Etwas an dem anderen Mann störte Julian. Er konnte jedoch nicht genau bestimmen, was es war. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf Lulia, die Duchess of Clare.

»Was ist denn?«, fragte er. In diesem Moment bemerkte er, dass sie zu keiner Zeit seine frühere Frage beantwortet hatte. »Du kennst sie, oder?«

»Selbstverständlich«, erwiderte sie kryptisch. »Und du ebenfalls.« Sie seufzte. »Ich hatte mehr Vertrauen in dich als das. Du bist wirklich ein törichter Mann.«

»Nun«, sagte er. »Wer ist sie?« Julian konnte die Ungeduld nicht aus seiner Stimme halten. Er hatte sich ihr selbst vorgestellt, aber sie hatte sich nicht die Mühe gemacht es zu erwidern. Es verärgerte ihn ein wenig, dass er auf eigene Faust die Information enthüllen musste.

Das kehlige Lachen der Herzogin erschallte um ihn herum. Jeder in der Nähe hielt ein, um auf sie beide zurückzublicken, sogar der Prinz. Das verärgerte Julian mehr als Lulias Spott. Sie blickte ihn an, wobei sich Humor aus ihren Augen ergoss. »Du armer, armer Fiesling«, sagte sie sanft. »Du solltest mir nicht leidtun, aber sobald du erkennst, was für ein Narr du warst, wirst du dich selbst treten. Ich wünsche dir Glück.«

»Bei was genau?« Er hasste diese kryptischen Diskussionen, die er seit dem Moment hatte, in dem der Prinz und seine mysteriöse Dame ankamen. Warum wollte sie ihm nicht einfach sagen, wer die liebreizende Frau war? Der Herr wusste, dass er keine Ahnung hatte und etwas Hilfe brauchen konnte.

»Deinen Kopf aus deinem Arsch zurückzubekommen, für den Anfang.« Die Herzogin gackerte beinahe vor Häme, während sie sprach.

»Du weißt immer mit Sprache umzugehen.« Julian rollte mit seinen Augen. »Wie gewöhnlich war dies eine fesselnde Unterhaltung. Sag mir, besucht dein Ehemann den Ball heute?« Möglicherweise konnte Fin ihm bei der Identität der Dame helfen. Wenn Lulia sie kannte, tat er es gewiss auch.

Die Herzogin zuckte mit den Schultern. »Er mag gesellschaftliche Veranstaltungen nicht. Das weißt du.«

Das tat er. Fin mochte es nicht sein Stadthaus zu verlassen, außer es war absolut notwendig, aber er mochte es auch nicht Lulia allein zu lassen. »Ist er dann im Kartenzimmer?« Fin hatte nach einem Spiel in ihrem Club eines Tages seine Liebe für Karten entdeckt. »Möglicherweise kann ich mich dort zu ihm gesellen.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Tu, was dir gefällt, wie du es immer tust.« Dann drehte sie sich von ihm weg und ging auf den Prinzen zu. Die Menge teilte sich für sie und, als sie ihn erreichte, öffnete er seine Arme und umarmte sie freimütig. Diese Art von Zuneigung war nicht die Norm für gesellschaftliche Veranstaltungen. Die feine Gesellschaft würde sie dafür kreuzigen. Vielleicht aber auch nicht … Alle wussten, wie sehr Lulia und ihr Mann einander vergötterten. Sie machten kein Geheimnis daraus, dass ihre Partie aus Liebe gemacht war. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich alle darum rissen, mehr von diesem rätselhaften Prinzen zu erfahren, der auf dem Loxton Ball gelandet war.

Julian ging von der Menge weg und steuerte zum Kartenzimmer. Lulia hatte nicht zugegeben, dass Fin dort gefunden werden konnte, aber er sah keinen Grund nicht nachzusehen. Er hielt ein Mal an, bevor er den Ballsaal verließ, und blickte auf seine unbekannte Dame zurück. Sie lachte über etwas, das ein anderer Gentleman sagte. Die Stränge eines Walzers begannen zu spielen, was darauf hinwies, dass das Tanzen gleich beginnen würde. Der Prinz verbeugte sich vor seinen Verehrerinnen und ging an die Seite der unbekannten Dame, führte sie dann auf die Tanzfläche. Sie tanzten wunderschön zusammen und das verärgerte ihn sogar noch mehr. Etwas, das er nie zuvor verspürt hatte, überspülte ihn – Eifersucht. Er mochte das kein bisschen. Er biss das übelkeiterregende Gefühl zurück und verließ den Raum. Julian musste Fin finden, und zwar schnell. Das musste besser früher als später enden, denn Julian hasste es als Schachfigur jeglicher Art benutzt zu werden.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

€14,99