Buch lesen: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 565»

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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-972-7

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Davis J. Harbord

Gaukler

Jeden Abend tanzt sie am Hafen – und dann gehen die Langfinger um …

Sie tanzte zum Tamtam eines Tamburins und zu den Zupfklängen eines Saiteninstruments. Sie tanzte ziemlich verrucht, und je nach den Drehungen ihres Oberkörpers zeigte sie eine Menge von dem, was die Bluse eigentlich verbergen sollte. Denn die Bluse war bis zum Bauchnabel offen.

Mac Pellew war hingerissen. Old Donegal ebenso. Sie standen sehr weit vorn im Ring der gaffenden Männer, denen Fatima, die Blume von Istanbul, direkt am Hafen ihre Kunst des Bauchtanzes vorführte.

Als der Liliputaner dann Geld einsammelte und ihnen die Kupferschale entgegenhielt, langten sie beide großzügig in ihre Taschen, um der Blume von Istanbul blinkende Talerchen zu spendieren. Nur waren ihre Taschen leer, obwohl sie die vor dem Landgang gut gefüllt hatten.

„Mich hat jemand beklaut!“ sagte Mac ächzend.

„Mich auch!“ fauchte Old Donegal und sah sich wild um.

„Uhh!“ sagte eine grollende Stimme, und Old Donegal zuckte zusammen, denn vor ihm ragte ein Muskelgebirge von Kerl auf, der böse auf ihn hinunterstarrte, als habe er die Absicht, ihn samt Holzbein und Krücken mit einem Schnapp zu verspeisen. Was der Kerl sonst noch sagte, verstanden weder Mac noch Old Donegal, aber es hieß eindeutig: Schwingt die Hufe, Giaurs, sonst …

Die Hauptpersonen des Romans:

Fatima – die Blume von Istanbul tanzt mit dem Bauch und geizt nicht mit ihren Reizen.

Old Donegal O’Flynn – ist der Meinung, daß seine beiden Enkel noch nicht an Land dürfen.

Mac Pellew – der zweite Kombüsenmann hat „magische Kontakte“ und will eine schwarze Perle verschenken.

Edwin Carberry – dem Profos stehen die Haare zu Berge, aber das sieht niemand, weil er einen Turban trägt.

Hasard und Philip Killigrew – die Zwillinge des Seewolfs erleben in Istanbul eine Rückkehr in die Vergangenheit.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Auch vor Mac Pellew tauchte so ein Ungetüm von Muskelgebirge auf, bestimmt die fünffache Portion vom Zweitkoch der Arwenacks, der ja eher als hager zu bezeichnen war.

Macs Ungetüm gab ebenfalls ein „Uhh!“ von sich und rollte dazu mit den Augen. Dazwischen keifte der Liliputaner und schien sich zu erregen. Der Grund dafür war zu erraten: Die beiden Giaurs hatten Fatimas Bauchtanz zwar begierig zugeschaut, aber für ihre Schaulust zu bezahlen, daran dachten sie nicht.

Mac krempelte hastig seine Hosentaschen um, aber davon wurden die auch nicht voller. Ein bißchen packte ihn die Panik, zumal ihn ein schneller Blick belehrte, daß das Ungetüm vor ihm langsam die Pranken zur Faust schloß.

Ogottchen! schoß es ihm durch den Kopf. Was für Fässer!

„Wir müssen hier weg!“ zischte er Old Donegal zu. „Die hauen uns zu Mus!“

Und Mac dachte mit Schaudern daran, daß Old Donegal mit seinem Holzbein keineswegs einer der Schnellsten war – was sich kurz danach als Irrtum herausstellte.

Jedenfalls war Old Donegal zu der gleichen Ansicht wie Mac gelangt, daß sie beide rein kräftemäßig kaum eine Chance hatten, einen Kampf gegen diese Muskelgebirge zu bestehen. Im übrigen schienen sich da noch mehr finstere Kerle zusammenzurotten, in der Absicht, sie durchzumangeln.

„Rückzug!“ sagte Old Donegal mit knirschenden Zähnen und stieß seinem Gegenüber die Zwinge der rechten Krücke mit Wucht auf die Zehen.

Der Kerl riß den Kopf in den Nacken und jaulte den Nachthimmel an.

Sekunden später stimmte auch Macs Ungetüm in die Jaulerei ein. Mac hatte ihm einen Stiefeltritt ans Schienbein verpaßt, so richtig aus dem Hüftgelenk heraus und ziemlich explosiv.

Zwei Davids gegen zwei Goliaths. Und die Goliaths hüpften.

Mac und Old Donegal gaben Fersengeld, wobei es Old Donegal sogar noch gelang, einem dritten Kerl, der ihn anspringen wollte, mit der Krücke die Beine wegzuschlagen. Der Kerl fiel platt auf den Bauch und küßte das Kopfsteinpflaster, was ihn einen Zahn kostete. Nun wurde im Trio gejault.

Als sich die anderen Kerle von ihrer Verblüffung erholt hatten, waren die beiden Arwenacks bereits in einer Gasse verschwunden. Doch drei oder vier setzten ihnen nach.

Auch sie wurden von Old Donegal abgefangen. Er lauerte mit Mac in einer Türnische. Als die Kerle vorbeistürmten, hielt Old Donegal seine eine Krücke dazwischen. Es gab einen Massensturz, den die beiden Arwenacks hurtig in einen allgemeinen Langschlaf umwandelten. Noch bevor sich die Kerle aufrappeln konnten, verteilten Old Donegal und Mac Kopfnüsse von der harten Sorte. Old Donegal klopfte mit der Schmalseite der Achselstütze seiner Krücke und Mac mit den Knauf seines Messers.

Das Klopfen wurde von Ächzen und Seufzen begleitet, dann war Stille. Mac und Old Donegal lauschten, grinsten sich an und verdrückten sich in eine weitere Gasse.

Ihren Landgang konnten sie in den Schornstein schreiben: ohne Geld kein Amüsement. Gerade Mac war so richtig spitz darauf gewesen, sich unterm Kinn kraulen zu lassen. Und Old Donegal war auf der Suche nach einer Wahrsagerin gewesen, von der Nils Larsen berichtet hatte.

Der war am gestrigen Abend in dieser Gegend – zusammen mit Sven Nyberg – auf die Alte gestoßen, und die hatte aus der Hand von Nils geweissagt, er werde fünf Töchter und fünf Söhne haben. Bei Sven war das Ergebnis magerer gewesen: er würde es nur zu drei Töchter bringen.

Nils Larsen war über seinen künftigen Kinderreichtum entzückt gewesen. Bei Sven Nyberg war das Gegenteil der Fall. Er nannte die Wahrsagerin eine verdammte alte Schleiereule, die weiter nichts als Kohl rede und sich diesen Kohl auch noch teuer bezahlen ließe. Er und Nils hatten je fünf Taler berappen müssen.

Für nichts und wieder nichts! hatte Sven gewettert, was von Nils nur mit einem Grinsen quittiert worden war. Sicher, drei Kinderchen waren eben weniger als zehn, nicht wahr?

Darum also war Old Donegal mit Mac losgezogen – in froher Erwartung, vielleicht von der Alten zu erfahren, daß auch ihm noch weitere Vaterfreuden ins Haus standen. Immerhin war er der Großvater der beiden Killigrewjunioren und Vater von sieben Söhnen und einer Tochter. Und Mary Snugglemouse, seine zweite Frau, hatte ihm noch einen achten Sohn geschenkt – den kleinen Edwin Shane O’Flynn.

Ha! Das sollte ihm mal einer nachmachen!

Also: Mac würde an diesem Abend auf Liebesfreuden verzichten müssen und Old Donegal auf die frohe Kunde, daß der Klapperstorch noch weitere O’Flynnchen bringen werde. Auf einigen Umwegen kehrten sie zu der Pier zurück, an der die Dubas im Binnenhafen auf der Westseite des Goldenen Horns vertäut war.

Natürlich mußte ihnen ausgerechnet Carberry über den Weg laufen, als sie an Bord gingen.

„He, Mackilein, was ist denn mit dir los?“ dröhnte er und starrte grinsend auf die beiden Säcke, die Mac links und rechts aus der Hose hingen.

Mac stopfte sie hastig zurück und murmelte etwas Unverständliches. Old Donegal war auch nicht sehr redselig. Er sah ziemlich muffig aus.

Carberry kombinierte richtig: den beiden mußte eine Riesenlaus über die Leber gekrochen sein, sie waren außerdem stocknüchtern, und Mac hatte leere Hosentaschen. Wieso das?

„Bist du blank, Mackilein?“ erkundigte sich der Profos wohlwollend.

„Ja.“ Das klang recht einsilbig.

Carberry wußte genau, daß der gute Mac und Old Donegal voller Tatendrang an Land gezogen waren. Old Donegal hatte die Absicht gehabt, sich von der alten Zigeunerin etwas aus den Handlinien vorlesen zu lassen und Mac hatte mit türkischen Ladys schäkern wollen. Aus beiden Absichten schien nichts geworden zu sein.

Carberry wunderte sich. Mac war blank, aber eingekauft hatte er auch nichts. Jedenfalls war nichts sichtbar.

„Warum bist du denn blank?“ fragte der Profos.

Da ließ Mac es raus. „Bin beklaut worden – Donegal auch!“

„Waaas?“ Der Profos stemmte die Fäuste in die Hüften und legte den Kopf schief. „Ihr habt euch beklauen lassen? Das gibt’s doch gar nicht. Seid ihr überfallen worden?“

Sie schüttelten beide die Köpfe.

„Wir haben Fatima zugeschaut“, knurrte Old Donegal.

„Fatima?“

„’ne Bauchtänzerin“, erklärte Mac. Sein Essiggurkengesicht hellte sich etwas auf, und damit der Profos auch erfuhr, was „’ne Bauchtänzerin“ war – obwohl ihm das sehr genau bekannt war –, ließ der dürre Mac seine Hüften kreisen und mimte Bauchtänzerin. Zweifellos waren Fatimas Darbietungen wesentlich eindrucksvoller, und an Busen hatte Mac auch nichts vorzuzeigen.

Carberry grinste bis zu den Ohren über sein bauchtanzendes „Mackilein“. Den Mannen, die sich um die beiden versammelt hatten, erging es genauso. Macs Bauchtanz war eine Clownsnummer.

„So hat sie getanzt“, sagte Mac und war etwas aus der Puste.

„Ja. Und dann?“ fragte der Profos. „Hat sie sich entschleiert?“

„Entschleiert?“ Mac schüttelte den Kopf. „Du meinst, ob sie dann nackicht war?“

„War sie nicht!“ fuhr Old Donegal dazwischen. „Nur ihre Bluse war offen – bis zum Bauchknöpfchen. Da steckte ’ne Kirsche drin!“

„’ne Kirsche?“ fragte Carberry verblüfft.

„Keine Kirsche, ’n Rubin“, verbesserte Mac.

„’ne Kirsche“, beharrte Old Donegal.

„Was soll denn ’ne Kirsche im Bauchknöppchen!“ ereiferte sich Mac.

„Ha! Und was hat da ’n Rubin zu suchen?“ setzte Old Donegal dagegen.

Mac winkte überlegen ab. „Rubine sind Liebessymbole! Je röter sie sind, desto heißer entbrennt die Liebe. Bei Fatima war der Rubin glutrot. Sie hatte mich gesehen und war entflammt!“

Old Donegal starrte Mac an, als habe er Rubine in den Nasenlöchern. Was Mac da behauptete, verschlug ihm schier die Sprache. Und die Mannen konnten wieder ausgiebig grinsen. Allerdings neigte der gute Mac in letzter Zeit immer häufiger dazu, sich einzubilden, daß es die Ladys stets nur auf ihn abgesehen hätten. Er stilisierte sich selbst zum Hahn im Korbe, als den Liebling aller Frauen und großen Herzensbrecher.

Old Donegal fand seine Sprache wieder.

„Was hat Fatima?“ schnappte er. „Dich gesehen? Die hatte gar keine Zeit dazu beim Bauchwackeln. Außerdem hingen ihr die Haare vor den Augen. Und ganz vorn standen wir auch nicht.“

Old Donegal wurde mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Von oben herab erklärte Mac: „Davon verstehst du nichts. Fatima brauchte mich gar nicht zu sehen, nicht mit den Augen – wir standen mit unseren Herzen in magischem Kontakt, das ist es!“

Old Donegal schnappte nach Luft.

Carberry hingegen beugte sich vor und fragte besorgt: „Mackilein, bist du ganz in Ordnung?“

„Natürlich. Warum soll ich nicht in Ordnung sein?“

Old Donegal ächzte. „Dieses Luder hat ihn verhext! Darum hält er die Kirsche auch für ’nen Rubin!“

„Es war ja auch einer!“ fauchte Mac. „Glutrot …“

„… und flammend“, sagte der Profos.

„Genau. Woher weißt du das?“

„Hab ich mir gedacht“, sagte der Profos, „weil du das so bildlich beschrieben hast.“

„Magischen Kontakt!“ sagte Old Donegal erbost. „Herzen! Du hast ja ’n Hai verschluckt, Mister Pellew! Und es war doch ’ne Kirsche!“

„War es nicht!“

„War es doch!“

Sie stierten sich an wie zwei Kampfhähne, die gleich wieder hochspringen, um sich mit den Sporen zu bearbeiten. Carberry schob sich dazwischen.

„Nun mal Ruhe, Leute“, sagte er, „und immer ein Bein vors andere. Ihr habt also Fatima zugeschaut …“

„Der Blume von Istanbul“, unterbrach ihn Mac.

„Gut, der Blume von Istanbul. Und dann?“

„Was dann?“

Carberry schickte einen Blick zum Himmel. Mac war heute abend wohl doch etwas bescheuert.

„Was ist dann passiert? Ihr seid doch beklaut worden!“

„Ach so.“ Mac schielte zu Old Donegal. Aber der war wieder oder immer noch muffig. Der vertrug’s eben nicht, wenn auch mal andere magische Kontakte aufnahmen. „Ja.“ Mac kratzte sich hinterm Ohr. „Da stand plötzlich so ’n Liliputaner vor uns, so ’n Wurzelzwerg, verstehst du?“

Carberry nickte. „Verstehe, ein Gnom, was, wie?“

„Genau, ein richtiger Gnom. Und der hielt uns ’n Topf hin …“

„Kupferschale“, verbesserte Old Donegal.

„Erzähl ich hier, oder erzählst du?“ fuhr ihn Mac an.

„Du. Aber es war ’ne Kupferschale, kein Topf. Genauso wie der Rubin ’ne Kirsche war.“

„Es war ein Rubin!“ brüllte Mac hysterisch. „Keine Bauchtänzerin steckt sich Kirschen ins Bauchknöppchen. So ein Scheiß! Sollen da Kirschbäume aus den Bäuchen wachsen?“

Ausnahmsweise blieb Old Donegal ganz ruhig. Und er ging auch gar nicht weiter auf das Problem – Kirsche oder Rubin – ein.

Er sagte: „Der Gnom wollte bei uns kassieren, klarer Fall. War auch sein gutes Recht. So ein Bauchwackeln siehst du nicht jeden Tag, ich kann das beurteilen. Fatimas Busen wackelte auch. Mann-Mann! Ganz spitz! Ich langte also in die Tasche, um für die ganze Wackelei zu berappen. Erst in die eine, dann in die andere. Beide Hosentaschen waren leer …“

„Genau! Meine auch!“ Und wieder zerrte Mac seine Taschensäcke aus den Hosen und zeigte deren Leere.

Old Donegal warf ihm nur einen schiefen Blick zu und räusperte sich. Als er fortfahren wollte, fragte Paddy Rogers: „Und Fatimas Busen war ganz spitz?“

Mac ruckte herum und zischte: „Das hat dich überhaupt nicht zu interessieren, Mister Rogers! Fatima ist mit mir verlobt!“

Paddy Rogers, sonst mit dem Denken um Stunden oder noch länger zurück, fragte schlagfertig: „Ach – müßt ihr heiraten?“

Die Mannen hielten die Luft an.

„Heiraten? Wieso das denn?“ fragte Mac verdattert.

„Weil ihr schon magischen Kontakt hattet“, sagte Paddy treuherzig und fügte etwas verlegen hinzu: „Bei magischem Kontakt – hab’ ich mal gehört – sollen Frauen sofort gesegnet ten Leibes sein.“ Und Paddy kriegte einen roten Kopf.

Was auf der Dubas der Arwenacks einschlug, war eine Lachbombe. Sie explodierte mit infernalischem Getöse. Und die Arwenacks hielten sich die Bäuche oder betrommelten ihn und hüpften, genauso wie der richtige Arwenack, der sich in diesem Moment freute, weil sich seine Leute freuten. Fehlte nur noch, daß sie keckerten, die Zähne fletschten und einen Kobolz schossen.

Einzig Mac Pellew stand da wie eine Trauerweide im Spätherbst und bei Nieselregen. Der fand das überhaupt nicht lustig. Die wieherten auf seine Kosten. War wohl doch keine gute Idee gewesen mit dem magischen Kontakt. Und der Himmel sei davor, daß jene Folgen eintraten, die dieser Mister Rogers, dieser Blödmann, angekündigt hatte!

Mac schüttelte sich. Und er sah vergrämt wie eh und je aus. Dabei hatte ihn Fatima, die Blume von Istanbul, tatsächlich entflammt. Vielleicht würde er ihr morgen abend seine Reverenz erweisen und sie zu einem Spaziergang einladen. Ei-ei!

Holde Tulpe von Istanbul, würde er sagen, deiner Knospen Pracht hat; mich … Scheiße! Um das zu sagen, mußte er Türkisch sprechen. Vielleicht sollte er Hasard und Philip ins Vertrauen ziehen und sich von ihnen das Passende übersetzen lassen. Das würde er üben müssen. Außerdem konnte er mit den Händen reden …

Es kehrte wieder Ruhe ein.

„Ja, Mackilein“, sagte der Profos immer noch grinsend, „da wird man plötzlich Papa und weiß gar nichts davon, eh?“

Mac warf einen giftigen Blick zu Paddy hinüber.

„Dieser Mister Rogers ist ein stoffeliger Einfaltspinsel“, erklärte er wütend. „Außerdem frißt er zuviel, und darum ist sein Gehirn verfettet.“

Bei Jack Finnegan, der seinen Freund Paddy stets verteidigte und nicht aufs Maul gefallen war, kam er damit schlecht an.

Ziemlich scharf sagte Jack: „Fragt sich nur, wie stoffelig einer ist, der uns hier was von magischen Kontakten vorschwafelt. Du hast mit diesem Unsinn angefangen, Mister Pellew, dann wundere dich also nicht, wenn andere darauf reagieren. Wenn bei Paddy das Gehirn verfettet, sein soll, dann scheint mir deins eher an der Auszehrung zu leiden!“

Bevor Mac loslegen konnte, dröhnte der Profos: „Nachdem das geklärt ist, bitte ich Old Donegal um Fortsetzung der Geschichte! Ihr hattet also leere Taschen, was bedeutet, daß ihr beklaut wurdet.“

„So ist es“, sagte Old Donegal, „und ich weiß sehr genau, daß ich einige Talerchen eingesteckt hatte, bevor wir an Land gingen. Als der Gnom nun merkte, daß wir nicht berappen konnten, fing er an zu lamentieren. Und plötzlich stand so ein Riesenaffe vor mir …“

„Vor mir auch!“ ereiferte sich Mac. „Meiner war noch größer als deiner!“

„Aber meiner hatte ’ne Glatze!“

Es war zum Auswachsen mit den beiden, und damit sie sich nicht wieder über die Einzelheiten in die Haare gerieten, sagte der Profos schnell: „Die haben euch bedroht, eh?“

„Bedroht ist gar kein Ausdruck“, sagte Old Donegal, „bei meinem hatte ich Angst, daß ich dem unter der Nase hänge, wenn er Luft holt.“

Mac packte noch drauf. „Meiner hatte einen Nacken wie zwei Ochsen, Muskeln so prall wie Mehlsäcke und Finger so dick wie mein Oberschenkel!“

Der Profos war beeindruckt – mit der Einschränkung, daß es so schlimm nicht gewesen sein konnte, denn die beiden Landgänger zeigten keine Beschädigungen und waren heil und in einem Stück. Anders ausgedrückt: Senge hatten sie demnach nicht bezogen.

„Wir hatten also“, fuhr Old Donegal fort, „kaum eine Chance, mit diesen beiden Ungetümen fertigzuwerden …“

„Überhaupt keine“, redete Mac wieder dazwischen.

„Sagte ich doch“, knurrte Old Donegal.

„Du sagtest ‚kaum‘“, nörgelte Mac.

Jetzt wurde auch der Profos grantig. „Mac, sabbel nicht dauernd dazwischen, laß Old Donegal endlich mal ausreden, sonst stehen wir morgen früh hier noch rum!“

„Dann sage ich gar nichts mehr.“

„Sehr gut“, lobte der Profos, „erzähl weiter, Donegal.“

Der Alte räusperte sich. „Ich schätze, diese beiden Kerle waren so etwas wie Geldeintreiber. Der Gnom hätte uns nicht gefährlich werden können. Aber ich hatte den Eindruck, daß da noch mehr Typen darauf scharf waren, sich mit uns anzulegen. Die hielten uns wohl alle für so ’ne Art Zechpreller.“ Old Donegal grinste. „Und daß wir keine Muselmännchen sind, werden sie wohl auch bemerkt haben. Nächstes Mal setz ich ’n Fez auf und zieh mein Nachthemd an, wenn ich an Land gehe.“

Es wurde wieder heiter bei den Arwenacks, denn sie stellten sich vor, wie ihr Old Donegal mit Fez und im Nachtgewand aussehen würde.

„Du gibst bestimmt ein prächtiges Muselmännchen ab“, bestätigte der Profos grinsend.

„Siehst du“, sagte Old Donegal, „und man fällt nicht so auf. Aber zurück zu unserer Geschichte. Uns blieb nur der Rückzug, bevor es uns an den Kragen ging. Ich stieß also meinem Gegenüber die Zwinge der Krücke auf die Zehen, und Mac verpaßte seinem Riesenaffen einen saftigen Tritt vors Schienbein. Einem anderen Kerl, der mich anspringen wollte, schlug ich mit der Krücke die Beine weg. Mac und ich zeigten die Hacken. Dann versteckten wir uns in einer Türnische. Die vier Kerle, die uns verfolgten, ließ ich über meine Krücken stolpern, wir klopften ihnen was an die Köpfe und verdrückten uns. Das war’s auch schon. Eins steht fest: Da waren Langfinger am Werk, und die haben uns satt ausgenommen.“

„Während ihr abgelenkt wart, weil ihr Fatima zuschautet“, sagte Hasard junior.

Old Donegal runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“

„Ganz einfach“, erwiderte Hasard junior, „das ist ’n uralter Trick, ’ne abgekartete Sache.“

„Was verstehst du Hüpfer denn davon?“ schnappte Old Donegal.

Der Junior feixte seinen Großvater an. „’ne ganze Menge, Granddad, genau wie Phil.“ Er schaute zu seinem Bruder. „Zeig ihm mal, was du Mister Carberry aus der Hosentasche geholt hast!“

Grinsend langte Philip in die eigene Tasche und zog eine Geldkatze hervor, ein Ledersäckchen mit Talern.

„Und das hier“, sagte Hasard junior und brachte einen zusammengerollten Ledergürtel zum Vorschein, „habe ich mir erlaubt, Mister Tucker aus den Schlaufen zu ziehen, während er wie ihr alle Mister Pellew beim Bauchtanz zuschaute!“ Mit einer leichter Verbeugung gab er dem riesigen Schiffszimmermann den Gürtel zurück. Der sah ziemlich dumm aus.

„Da soll doch gleich der Teufel dreinfahren!“ wetterte der Profos. „Dieser Spitzbube! Langt einem ehrlichen Seemann in die Tasche und klaut ihm die Talerchen!“

„Nur zur Demonstration, Mister Carberry“, sagte Philip, „und zum Beweis, daß du abgelenkt warst, genauso wie Granddad und Mister Pellew, als sie Fatima bewunderten.“

„Ich laß mich doch von so einem Weibsbild nicht ablenken“, sagte Old Donegal empört. „Wer bin ich denn!“

„Aber deine Taschen sind leer“, sagte Hasard junior.

„Fatima ist kein Weibsbild“, maulte Mac Pellew.

„Eine Schlange ist das“, zischte Old Donegal. „Aber du mußtest dich auch noch vordrängeln, um sie besser beglotzen zu können!“

„Du hast genauso geglotzt“, sagte Mac hitzig.

„Wie sieht diese Fatima eigentlich aus?“ fragte Hasard junior sachlich. „Gibt’s da irgendwelche besonderen. Merkmale?“

„Ob sie ’n Leberfleck auf dem Busen hat, hab’ ich nicht gesehen“, sagte Old Donegal brummig, „so was weiß auch dieser Mister Pellew immer besser, woanders guckt der ja nicht hin.“

„Da war kein Leberfleck“, sagte Mac Pellew.

„Das meinte ich nicht“, sagte Hasard junior und war darum bemüht, ernst zu bleiben. „Ich wollte wissen, wie sie sonst so aussieht.“

„Schlampig“, sagte Old Donegal abfällig. „Die müßte mal ihre Bluse waschen oder sich ’ne neue kaufen.“

Hasard junior räusperte sich. „Hat sie vielleicht zufällig eine Nase?“

„Natürlich hat sie eine – dämliche Frage!“

„Dünn, dick, gekrümmt, gerade?“ fragte Hasard junior beharrlich.

„Weiß ich nicht“, sagte Old Donegal muffig.

Mac wußte es auch nicht.

„Aha“, sagte jetzt der Profos und grinste wieder. „Wie ihr Busen aussieht, wißt ihr ziemlich genau, aber von ihrem Gesicht habt ihr keine Ahnung – mithin wart ihr also doch abgelenkt.“

Die beiden Bauchtanz-Beschauer schwiegen verdrossen.

Philip fragte: „Könntet ihr denn den Liliputaner beschreiben?“

„Der war klein“, sagte Mac sofort.

„Hätte ich mir fast gedacht“, sagte Philip trocken.

Mac biß sich auf die Lippen – er hatte begriffen, daß seine Antwort nicht sehr geistreich gewesen war.

Old Donegal sagte: „Der Gnom hatte im Verhältnis zu seiner Zwergenhaftigkeit einen ziemlich großen Kopf mit vorragender Stirn und breiter, eingesunkener Nase sowie abstehenden Ohren.“

„Und krumme Beine“, sagte Mac.

„Aha“, sagte Philip und wechselte einen Blick mit seinem Bruder. Dann fragte er: „Gab’s einen Unterschied zwischen den beiden Riesenkerlen, die vor euch auftauchten? Granddad sprach davon, seiner habe eine Glatze gehabt.“

„Meiner war zwar auch ganz kahl“, sagte Mac, „aber in Schädelmitte hatte er einen geflochtenen langen schwarzen Zopf.“

„Woher wißt ihr, daß die Bauchtänzerin Fatima heißt?“ fragte jetzt Hasard junior.

„Weil der Gnom sie ansagte oder so ansprach“, erwiderte Old Donegal. „Könnt ihr mir mal verraten, was die ganze Fragerei soll?“

„Weil wir was vermuten“, sagte Hasard junior geheimnisvoll.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
100 S. 1 Illustration
ISBN:
9783954399727
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
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