... und dann kam Ronk

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... und dann kam Ronk
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Copyright: Daniela Thimm 2016

Layout, Umschlagsgestaltung und Illustrationen: Anja Grote, Design & Illustration

Lektorat: Steffi Korda, Büro für Kinder- und Jugendliteratur, Hamburg

ISBN 9783 7418 6884 9

1. Ronk in Schwierigkeiten

Abends, wenn es dunkel wird und die ersten Sterne am Himmel leuchten – dann kannst du sehen, wo Ronk wohnt. Und so findest du ihn: Schau auf den Mond, zähle zwei Sterne nach rechts, dann einen nach unten und wieder zwei nach rechts. Das ist der Planet Knor. Genau hier ist Ronk mit seiner Familie zu Hause. Und genau hier fängt auch diese Geschichte an.

Ronk war mal wieder in Schwierigkeiten. „Ronk!“, donnerte die tiefe, laute Stimme seines Vaters. „Komm sofort hierher. Sofort!“ Ronk ließ den Kopf hängen – so tief, dass seine großen Ohren über die Augen fielen und seine dicke schwarze Nase die knubbeligen Knie berührte, die er an seine grün behaarte Brust gezogen hatte. So saß er da, kläglich und traurig in seinem Baumhaus. „RONK!“ Das war wieder die Stimme seines Vaters und er hörte sich nicht so an, als ob er noch lange auf Ronk warten wollte. Ronk seufzte tief und machte sich dann auf den Weg nach unten. Mit seinen großen Füßen konnte er, wie alle Knorianer, einfach am Stamm des Baumes nach unten laufen. Was hatte er nur wieder angestellt? So war es immer: Ihm fiel eine Dummheit ein und er dachte nicht darüber nach, ob er sich damit in Schwierigkeiten brachte. „Hier bin ich, Papa“, piepste er kleinlaut, während er mit hängendem Kopf vor seinem Vater stand und nervös den Daumen seiner rechten haarigen Hand knetete. „Ach, Ronk“, sagte sein Vater und kratzte sich ratlos hinterm Ohr. „Was hast du dir dabei bloß wieder gedacht?“ Sein Ärger war bei Ronks trostlosem Anblick gleich wieder verflogen: Er konnte ihm einfach nie lange böse sein. „Ich hab nicht so sehr viel nachgedacht, Papa. Erst hinterher – und da war es ein bisschen zu spät.“ Eine Träne tropfte aus Ronks großem braunen Auge. „Es tut mir sehr leid.“ Und das stimmte. Es tat ihm furchtbar leid.

„Ja, ja“, seufzte Ronks Vater. „Dann lass uns jetzt schauen, wie wir es wieder in Ordnung bringen können.“

Was war passiert? Ronk war mit seinem Weltraumfahrrad unterwegs gewesen. Als unter ihm das neue, glänzende Space-Cabrio von Herrn Noruk entlangbrauste, konnte Ronk es sich nicht verkneifen, hinunterzuspucken. Herr Noruk wurde am Kopf getroffen und erschrak so sehr, dass er einen entgegenfliegenden Weltraumstein übersah. Der Stein zerkratzte den linken Außenflügel seines Cabrios und Herr Noruk ärgerte sich sehr. Zum Glück war ihm nichts passiert. „Keiner hat sich verletzt und das ist schließlich die Hauptsache“, versuchte Ronks Vater seinen Sohn zu trösten. „Und Ori kann den Flügel bestimmt reparieren.“ Er zog eins von Ronks Ohren nach oben. „Ohren und Nase hoch. Beim nächsten Mal denkst du vorher nach.“ Und so trotteten sie gemeinsam nach Hause, ein kleiner und ein großer Knorianer. Wenn sein Vater einen großen Schritt tat, machte Ronk zwei kleine Schritte. Ori kann den Flügel bestimmt reparieren…, dachte Ronk. Ori war sein Bruder und konnte alles reparieren. Wahrscheinlich würde Herr Noruks Cabrio danach noch lautloser und schneller fliegen als vorher. Außer Ori hatte Ronk noch zwei Schwestern, die Tora und Elg hießen. Er war der Jüngste. Und der Kleinste. Und der Einzige, der immer in Schwierigkeiten war.

Alle meine Geschwister können irgendwas Tolles, dachte Ronk, während er traurig neben seinem Vater hertapste. Mein Vater ist sogar Bürgermeister vom ganzen Planeten. Und Mama weiß alles, weil sie Lehrerin ist. Er seufzte. Nur ich kann nichts Besonderes. Schon wieder lief eine Träne aus dem Winkel seines rechten Auges. Ich bin immer nur in Schwierigkeiten und richte Schaden an.


Für den Rest des Abends war Ronk sehr schweigsam. Beim Abend-essen sagte er fast nichts und Appetit hatte er auch nicht. Lustlos schlürfte er ein paar Löffel von der Algencremesuppe, die er sonst so gern aß. Dann hielt er unauffällig seinen Teller unter den Tisch, wo er von den zwei Fledermäusen, die dort wohnten, gierig sauber geleckt wurde. Es muss sich etwas ändern, dachte Ronk. Nur was? Er wollte allein sein. Er musste nachdenken. Leise schlich er sich aus dem Haus und lief durch die langsam dunkler werdenden Straßen, auf denen jetzt kaum noch Verkehr war. Auch über ihm flog um diese Zeit keiner mehr, alles war ruhig.

Wie konnte er es schaffen, nicht mehr so oft in Schwierigkeiten zu geraten? Wie konnte er bessere Noten bekommen und seine Hefte sauberer führen? Wie konnte er es schaffen, beim Fußball nicht immer seine Hose zu zerreißen und nicht so wütend zu werden, wenn seine Mannschaft mal verlor? Ronk war ein guter Fußballspieler – aber auch gute Fußballspieler verloren manchmal. Ronk war so tief in seine traurigen Gedanken versunken, dass er gar nicht merkte, wie die Zeit verging. Er merkte nicht, dass er genau auf den Flachen Felsen zuging, auf dem man sich nicht aufhalten durfte, wenn Vollmond war. Und er merkte auch nicht, dass der Mond so rund und voll war wie ein dicker, fest aufgepumpter Fußball.

2. Zur falschen Zeit am falschen Ort

Ronk setzte sich auf den Flachen Felsen. Der Stein fühlte sich glatt an und war noch warm von der Sonne, die den ganzen Tag auf ihn hinunter gestrahlt hatte. Ich wünschte, ich wäre wie Ori, dachte er. Oder wie Tora und Elg. Neben ihm schossen Mondstrahlen vorbei, aber Ronk bemerkte sie gar nicht. Und da passierte es: Er wurde von einem leuchtenden, gelben Mondstrahl getroffen und mitgerissen. „Aaaaarrghgh …“, schrie Ronk entsetzt, als er über die Kante des Flachen Felsens gezogen wurde. Er klammerte sich an dem glatten Mondstrahl fest so gut es ging, presste die Augen zusammen und klappte zur Sicherheit auch noch seine Ohren als Extra-Sichtschutz davor. Es rumpelte und holperte und die Algencremesuppe schwappte in seinem Bauch auf und ab. Er wurde mal nach rechts geschleudert, mal nach links. Ihm wurde furchtbar übel. Plötzlich wurde der Flug ruhiger. Ronk traute sich, eine Hand von dem Mondstrahl zu lösen und vorsichtig ein Ohr hochzuklappen. Dann öffnete er ein Auge – aber nur eins. Er schoss in rasantem Flug durchs Weltall! An vielen kleinen Sternchen flog er vorbei. Vom Planeten Knor war weit und breit nichts mehr zu sehen, noch nicht mal ein Funkeln in der Ferne. Plötzlich legte der Mondstrahl noch mal an Tempo zu und Ronk klammerte sich fest. Durch den Flugwind stand jedes einzelne Haar seines Fells zu Berge und er musste seine Ohren ganz dicht anlegen, damit sie nicht wild herumflatterten. Die große Nase hielt er fest an den Mondstrahl gepresst, um sie vor dem Wind zu schützen.

Da wollte er bloß darüber nachdenken, wie er sich weiteren Ärger ersparen konnte – und schon war er wieder mittendrin in riesengroßen Schwierigkeiten! Wo war er bloß? Mutig öffnete er noch mal ein Auge, aber immer noch nur eins. Gerade rechtzeitig konnte er im Vorbeiflug ein Wegweiserschild lesen, das zwischen zwei kleinen Sternen aufgehängt war. ERDE, IMMER GERADEAUS, NICHT MEHR SEHR WEIT war auf dem Schild zu lesen. „Oh je“, flüsterte Ronk entsetzt. „Ich befinde mich in einer übergroßen Riesenschwierigkeit.“ Immer geradeaus – das war doch genau die Richtung, in die der Mondstrahl mit Ronk sauste! „Ich will nicht auf die Erde“, wimmerte Ronk vor

sich hin und dachte an all die furchtbaren Dinge, die man sich auf Knor über die Erde erzählte.


Gefährliche Tiere sollte es dort geben, die Hunde und Katzen hießen, und riesige Pflanzen. Die Bewohner der Erde hießen Menschen. Das hatte Ronk in der Schule gelernt. Sie fuhren in blitzschnellen Kisten aus Metall herum, an denen vier Räder festgemacht waren. Jüngere Menschen wurden Kinder genannt und sie waren besonders gefährlich: Sie stritten und prügelten sich oft. „Komm, lass uns lieber nach Hause fliegen“, bat Ronk den Mondstrahl, aber der hörte ihm nicht zu und hielt weiterhin Kurs immer geradeaus, genau in Richtung Erde. Ronk konnte die blaue Kugel sogar schon in einiger Entfernung erkennen. „Ohren anlegen, Bauch einziehen, Füße ausfahren, fertig machen zur Landung“, leierte der Mondstrahl gelangweilt, so als ob er täglich Passagiere durchs Weltall fliegen würde. Der Flug wurde langsamer, dann spürte Ronk ein Rütteln und Schütteln, dann einen kleinen Plumps – und schon lag er auf etwas, das sich so ähnlich anfühlte wie der Flache Felsen. Er war auf einer Straße gelandet. Der Mondstrahl verschwand und Ronk war allein. Allein auf der Erde.

3. Eine Nacht im Baumhaus

Es war dunkel. Nur die Straßenlaternen warfen kleine Lichtkegel auf den Asphalt. Ronk schaute sich vorsichtig um. Ein paar Bäume konnte er erkennen. Und das große Etwas da hinten mit den Fenstern und der Tür musste ein Haus sein. In der Ferne sah er plötzlich zwei helle runde Lichter – und sie kamen direkt auf ihn zu. Nichts wie weg, dachte er ängstlich und schlüpfte hinter einen dicken Baum am Straßenrand. Kaum war er auf diesem feindlichen Planeten gelandet, schon wurde er gejagt und bedroht! Die zwei Lichter gehörten zu einem Mobil, das so ähnlich aussah wie Herr Norkus Weltraumfahrzeug. Dieses Erdenfahrzeug hatte allerdings Reifen. Das musste so eine blitzschnelle Kiste aus Metall sein! Ronk war erleichtert: Ein Auto war ungefährlich, wenn man nicht zu eng mit ihm in Kontakt geriet. Trotzdem fürchtete er sich sehr und drückte sich noch ein bisschen dichter an den Baum. Was tue ich bloß? Was tue ich jetzt bloß? Sein Magen grummelte und er bereute, dass er nicht mehr zu Abend gegessen hatte. Schöne, warme Algencremesuppe, dachte er wehmütig. Von Mama gemacht … Auf einmal fühlte sich Ronk sehr, sehr einsam. Er hatte Heimweh. Er blickte in den Himmel, schaute ganz genau, ob er den Planeten Knor in der Ferne leuchten sehen konnte. Aber dicke Wolken hatten sich vor Mond und Sterne geschoben und er konnte nichts erkennen. Kein Leuchten und kein Blinken. Ich bin allein. Ganz allein.

 

Was sollte er tun? Er begann zu frieren und das Grummeln in seinem Magen wurde lauter und fordernder. „Essen!“, sagte sein Magen. „Sofort! Und bitte viel.“ Ronk schaute vorsichtig nach links und rechts. Als er keine weiteren Gefahren erkennen konnte, machte er sich langsam auf den Weg ins Ungewisse. Er würde etwas Essbares suchen und dann hoffentlich einen Platz finden, wo er schlafen konnte. Immer wieder schaute Ronk über seine Schulter, während er zögernd die Straße entlangging. Und als er wieder einen ängstlichen Blick zurückwarf … da sah er sie. Sie kam genau auf ihn zu. Ihre grünen Augen funkelten bedrohlich. An ihren Tatzen erkannte er spitze Krallen. Die Nackenhaare des grauen Fells standen kampfbereit zu Berge. Ronk schrie entsetzt auf und ergriff die Flucht. Er lief so schnell ihn seine großen Füße trugen, so schnell, wie er in seinem ganzen Leben noch nie gelaufen war. Hinter ihm kam die Katze näher. Sie fauchte bedrohlich. Ihre Krallen kratzten über den Asphalt. Der Abstand zwischen Ronk und ihr wurde immer kleiner. Jetzt war sie genau hinter ihm! Oh je, ohjeohje. Es ist vorbei mit mir! Sie frisst mich zum Abendessen!, dachte Ronk und klappte voller Todesangst beide Ohren fest über seine Augen. Er machte sich so klein wie möglich, schlang die Arme ganz fest um seine Brust und wartete auf den Angriff. Er wartete. Und wartete. Und wartete.

Als er sich endlich traute, ein Ohr zu heben und vorsichtig mit einem Auge zu blinzeln, sah er die Katze weit vor sich die Straße entlanglaufen. „Phhhhhhh …“, machte Ronk erleichtert. Er musste sich erst mal setzen. Er kletterte auf eine kleine Mauer und ließ sich dort mit einem Plums nieder. Von dem Schrecken musste er sich aber erst mal erholen! Sie hat mich gar nicht beachtet, wunderte er sich. Sie ist an mir vorbeigelaufen, ohne mich zu sehen. Jetzt, wo die Gefahr vorüber war, meldete sich sein Magen wieder. „Grummel“, drängte er. Ronk sprang von der Mauer auf der anderen Seite herunter. Dahinter befand sich ein Garten. Mal sehen, ob ich hier etwas zum Essen finden kann. Er schaute angestrengt auf den Boden. Das Erste, was er entdeckte, war ein ziemlich zernagter Knochen. „Urgh …“ erschrak Ronk und zuckte zusammen. „Ob das mal ein Knorianer gewesen ist? So einer wie ich?“ Er schlich weiter und entdeckte einen Apfelbaum. Und als er den Stamm hochwanderte, um an die Äpfel zu kommen, da sah er noch etwas anderes: ein Baumhaus! Nicht so schön wie sein eigenes auf Knor, nicht so groß und auch schon ziemlich verfallen, aber immerhin ein Baumhaus. Hier würde er die Nacht verbringen können! Er pflückte ein paar Äpfel und machte es sich dann in dem morschen Baumhaus bequem.

Die Nacht war kalt. Ronk fror ein bisschen. Zum Glück hatte er ein warmes Fell, das die schlimmste Kälte abhielt. Manchmal weckten ihn unheimliche Geräusche. Dann fürchtete er sich. Er lag eine Weile wach, bevor er wieder einschlafen konnte. Und als er das nächste Mal aufwachte, war es heller Tag.

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