Buch lesen: «Bei Anruf Callgirl»
BEI ANRUF CALLGIRL
IMPRESSUM
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Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.
Copyright © 2021 dieser Ausgabe Obo e-Books Verlag,
alle Rechte vorbehalten.
M. Kluger
Fort Chambray
Apartment 20c
Gozo, Mgarr
GSM 2290
Covergestaltung: Art for your book
INHALT
1. Blödes Herz
2. Workaholic
3. Immer nur Probleme
4. Shit Meeting
5. Schicksal
6. Stock 16, bitte
7. Die Aufgabe
8. Christian Bailey
9. Let the Games Begin
10. Runder Arsch und Tequila
11. Einer zu viel
12. Fiese Tricks
13. Kopfschmerzen
14. Goldene Höschen
15. It’s getting hot, Baby
16. Der Countdown läuft
17. Gouvernanten-Spiele
18. Letzter Versuch
19. Blöde Pfirsiche
20. Untröstbar
21. Wer war nochmal schuld?
22. Geld ist nicht alles
23. Drei kleine Worte
Die „Plötzlich Callgirl“ Reihe
Über OBO e-Books
1
BLÖDES HERZ
EMMA
Liebe war definitiv nichts für Feiglinge …
Das Herz sprang einem aus dem Leib, man schwitzte wie ein Schwein und glotzte wie ein Kalb. Die Menschen laberten was von Schmetterlingen im Bauch und glaubten sterben zu müssen, wenn sie sich mal eine Minute nicht sahen. Sie stierten sich ständig in die Augen und dabei kribbelte es zwischen ihren Beinen.
Und genau dieses Kribbeln war der Beweis dafür, dass alles rein körperlich war! Die pure Biologie!
Und trotzdem bastelten die Irren um die naturbedingten Hormonexplosionen herum herzzerreißende Liebesschwüre, schrieben Liebesbriefe in Schönschrift und feierten Mammut-Hochzeiten. Sie glotzten sich bei Kerzenschein in die Augen und schworen sich ewige Treue.
Dann kam das böse Erwachen. Das verstaubte Parkett wurde von stinkenden Socken übersät und die Kerle suchten sich eine Jüngere. Stress, Tränen, Scheidung. Und dann saß man da, allein mit drei schreienden Kindern, und wusste nicht, wie man die satt bekommen sollte.
Das war nicht lustig.
Darum fragte ich mich, warum ich blöde Kuh ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich nach diesem Wochenende in den Flieger Richtung Heimat stieg. Die Turbinen dröhnten schon und die Flughafenmitarbeiter führten die letzten Checks durch. Noch konnte ich umkehren, aber das würde ich schön sein lassen.
„Herzlich Willkommen an Bord, Miss. Nach links, bitte”, begrüßte mich eine Stewardess, die mich mit ihrem langen, dunklen Haar und der rotbraunen Haut an die Indianerin Aponi erinnerte.
Ich rannte zu meinem Platz und schnallte mich sofort an. Ich wollte nicht zum Fenster rausgucken, doch ich konnte nicht anders.
Trat Jacob gerade vor dem Flughafen von einem großen Fuß auf den anderen und guckte alle zwei Sekunden auf die Uhr, um mich mit auf sein Schloss zu nehmen und mich bis in alle Ewigkeit zu lieben?
Fragte er sich, was er falsch gemacht hatte, weil er vergeblich wartete? Fühlte er sich verlassen und verarscht? Fühlte er einen Stich der Trauer in seinem Herzen?
Wohl kaum.
Klar, würde er mich mitnehmen. Mit mir ein paar Tage verbringen. Vielleicht sogar das nächste Wochenende. Wir würden Tag und Nacht vögeln. Solange bis wir das Kamasutra durchgeturnt hatten. Vielleicht würden wir manche Stellungen auch zwei- oder dreimal probieren. An manchen Tagen wären es aber auch zehn Stellungen, weil neuneinhalb davon schon im Ansatz zu Knochenbrüchen führten. Kurz: Letztendlich war kein Kamasutra so dick wie ein Schwanz. Am Ende würde der großartige Jacob Dean Morgan mich abschießen und vergessen - so wie all die anderen Weiber vor mir!
Ich schniefte die verdammten Tränen in die Serviette, die eigentlich dafür da war, den Mund zu reinigen, nachdem man den Kotzbeutel benutzt hatte.
Dachte ich echt, Jacob würde es ernst mit mir meinen? Wir kannten uns seit drei Tagen, wobei von wirklichem Kennen ja wohl kaum die Rede sein konnte. Ich kannte ihn jedoch genug durchschaut, um zu wissen, dass der Mann einfach nicht der Typ für eine feste Beziehung war. Hey, der mietete sich Callgirls, um seine Freunde zu beeindrucken. Wie krank war das denn?
Dumme Emma! Der Typ hat dir wohl das Hirn rausgevögelt.
Genau diese Worte würden meine echten Freunde für mich finden und darum blieb mein Arsch hübsch auf dem Fensterplatz sitzen.
Mein Leben war ein einziges Trümmerfeld. Wenn ich gewusst hätte, dass das hier erst der Anfang war, hätte ich mir die Bedienungsanleitung für den Notausgang durchgelesen - und wäre auf 10.000 Metern über den Wolken ausgestiegen.
„Wenn du gleich Feierabend machst, Emma, nimm den Müll mit raus“, sagte Mrs. Petersen.
Obwohl Mrs. Petersen als Büchereidrache bekannt war, machte es mich beinahe glücklich, sie zu sehen und ihr liebliches Keifstimmchen zu hören. Ich freute mich sogar, ihren Müll mit raus nehmen zu dürfen, denn es tat einfach gut, wieder im Alltag angekommen zu sein.
Im Nachhinein besehen war das hinter mir liegende Wochenende das Schlimmste meines gesamten bisherigen Lebens. Schlimmer noch als mein erstes Mal. Es hatte mich vollkommen durchgerüttelt, und zwar in jeder Hinsicht.
Aber ich wollte nicht klagen. Tina hatte jetzt das Geld für die Abtreibung zusammen und unsere Miete war gesichert. Insofern hatte ich absolut richtig gehandelt. Im Grunde genommen hatte ich ja auch keine andere Wahl gehabt. Es sei denn, ich hätte meine Freundin hängen lassen wollen, aber so war ich nun mal nicht gestrickt.
Jetzt musste ich nur noch Jacob vergessen. Aber dabei half mir ja der Alltag.
Ich ging ins Kabuff, wo die Kaffeemaschine stand, die die studentischen Hilfskräfte nicht benutzen durften, und schnappte mir den Müllbeutel.
Seit Anfang dieser Woche war es mir nicht mehr peinlich, damit durchs Foyer zu spazieren, an Hunderten von Studenten und Professoren vorbei. Ich hätte den Müll auch in den Container im Hinterhof bringen können, aber der war ab Mitte der Woche immer schon voll. Darum stopfte ich ihn in den Papierkorb, der vor der Bibliothek stand, und hielt nach meinem besten Freund Ausschau. Er sollte eigentlich schon hier auf mich warten.
Verdammt, Ron! Wo bleibst du denn?
Das Master-Kolloquium begann in fünf Minuten und wir brauchten von hier aus genau fünf Minuten zum Seminarraum. Es war also sowieso alles schon total knapp.
Ich schaute auf dem Handy nach, ob ich eine Nachricht verpasst hatte. Wuäääh … Ich hatte Tausende verpasst, doch die stammten alle von Jacob, weshalb ich sie auf einen Schlag entsorgte. Weg damit. Oh ja, ich wollte sie wirklich alle unwiederbringlich löschen, auch wenn sich dieser Vorgang nicht rückgängig machen ließ. Danke der Nachfrage, liebes Handy.
Jetzt waren meine verpassten Nachrichten weg, doch Ron war immer noch nicht da. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die dummen Tränen runter zu schlucken und allein loszugehen.
Mein Alltag, der mich eigentlich beruhigen sollte, fing echt wunderbar an. Gestern schon war Ron eine halbe Stunde zu spät in die Uni gekommen. Vorgestern hatte er mich ganz versetzt. Irgendetwas stimmte da nicht, aber bisher wollte Ron nichts davon wissen.
Als ich das Seminargebäude betrat, war mein Freund immer noch nicht da. Dafür grinste mir Michael, der Blödmann Nr. 1, entgegen.
„Hey-Ho, Emma. Hast du deinen Kopf in Farbe getunkt?“
„Du bleibst einfach immer auf dem Stand eines Elfjährigen, Michael“, entgegnete ich auf das missglückte Kompliment zu meiner aufgehellten Haarfarbe, und setzte mich auf einen der sechs Plätze, die es in diesem Seminarraum leider nur gab.
Mein feinfühliger Studienkollege pflanzte sich natürlich direkt neben mich.
Es war mir schleierhaft, wie der Penner es bis zum Ende des Studiums geschafft hatte. Und ich fürchtete fast, dass er für seine Masterarbeit die Bestnote kassieren würde, während ich wieder mal nur die Zweite war.
Wenigstens kam Ron endlich zur Tür rein gerast.
Aber was war denn mit dem los?
Die sonst stets supergepflegten, roten Haare bildeten ein einziges zerrupftes Entennest. Und erst Rons Haut. Die glich sowieso schon einem Kalkeimer, wenn Ron nicht gerade erregt und deswegen schweinchenrosa war, aber heute sah er aus wie Hui-Buh, das leibhaftige Schlossgespenst.
„Ron! Was ist los?“
Mein Freund ließ sich schwer auf den Holzstuhl zu meiner Rechten fallen. Er seufzte und nickte in Richtung der Tür, durch die soeben Professor Kentwell trat.
„Nachher“, wisperte er und schniefte demonstrativ hinter vorgehaltener Hand.
Oje. Das klang ja furchtbar. Ich schämte mich ein bisschen, als ich dachte, dass der ganze Ärger und Kummer in meinem Alltag auch ein Gutes hatte. Er lenkte mich auf jeden Fall von Jacob ab.
Die Frage war nur, wann die abschreckende Wirkung endlich einsetzen würde.
Während Professor Kentwell einen Vortrag darüber hielt, wie wichtig die Rechtschreibung in Abschlussarbeiten war, und welchen enormen Einfluss eine gute Ausdrucksweise in derselben Abschlussarbeit auf die Note hatte, vibrierte mein Handy alle paar Minuten.
„Du solltest es dir zwischen die Beine klemmen“, zischte Ron mir zu.
„Zu den juckenden Stoppeln, die ich dir und deinem Waxing zu verdanken habe?“, zischte ich zurück und drückte den eingehenden Anruf weg.
„Du könntest längst gekommen sein.”
„Blödmann.”
„Also ich finde, dass dein Indianer sich ziemlich viel Mühe mit deinem Sexleben gibt.“
Ich drückte den nächsten Anruf weg und wisperte: „Dir scheint es ja wieder besser zu gehen.”
„Von wegen. Aber wenn Pfirsich-Jacob mit Orgasmus-Garantie dir wirklich egal ist, dann verstehe ich nicht, warum du dein Handy nicht ausschaltest. Und wieso hat der überhaupt deine Nummer? Tina?“
Ich nickte mit bösem Blick.
„Könnten Sie beide ihre Privatgespräche eventuell auf die Zeit nach Studienabschluss verschieben? Bis dahin brauchen Sie nämlich alle Gehirnzellen für das Studium. Besonders Sie beide.“
„Verzeihung, Professor Kentwell“, sagte ich beschämt. Im selben Moment traf ich eine Entscheidung.
„Ich besorge mir noch heute eine neue Handy-Nummer. Ich schwöre, bei unserer Freundschaft”, flüsterte ich Ron zu.
„Gute Idee. Und wenn du schon bei den Neu-Anschaffungen bist, besorg dir auch gleich noch ein neues Herz.”
Ich nickte. Ein neues Herz war wirklich dringend erforderlich, denn in dem, das momentan in meiner Brust herumjaulte, war Jacob drin.
2
WORKAHOLIC
JACOB
Das Gute an Melanie war ihre absolute Loyalität. Obendrein war sie helle im Köpfchen und sie sah fantastisch aus. Ganz gleich, wo sie auftauchte, die bewundernden Blicke der Männer waren ihr gewiss. Ihre offensichtlichen positiven Eigenschaften öffneten ihr Tür und Tor. Besonders die Kerle waren gern bereit, sich von ihr ansprechen und ausfragen zu lassen.
Außerdem hatte sie eine unglaubliche Beobachtungsgabe. Ich legte großen Wert auf Melanies Urteil, denn in 99 Prozent aller Fälle traf sie damit voll ins Schwarze. Darum hatte ich sie auf diesem Trip mitgenommen, anstatt mich von einer heißen Lady vom Escort begleiten zu lassen.
Außerdem vertraute ich ihr zu 100 Prozent.
„Deine Augen sind so blutrot, als hättest du mal wieder die ganze Nacht gearbeitet - oder gesoffen. Vermutlich beides. Du solltest eine Sonnenbrille aufsetzen, um keine Kinder oder alte Damen zu erschrecken“, empfing sie mich in der Hotel-Lobby, noch bevor sie mir einen guten Morgen wünschte.
Tja, Melanies großartige Beobachtungsgabe hatte auch Nachteile.
Zumal in ihrer Bemerkung das Wort Brille vorkam, das seit einiger Zeit für mein Gehirn mit einer gewissen Frau verbunden und für mich zum Unwort des Jahres aufgestiegen war.
„Lass uns sofort durchstarten“, entgegnete ich und schob sie durch die Drehtür. Ich würde mich nicht vor ihr rechtfertigen. Ich arbeitete und trank so viel wie ich wollte, und nicht so wenig wie gut für mich war. Da ließ ich mir von niemandem reinreden. Nicht mal von meiner großartigen Assistentin, die im Übrigen das Gehalt eines Vorstandsvorsitzenden kassierte. Sie hatte jeden einzelnen Cent verdient, aber ich konnte auch verlangen, dass sie ihren Röntgenblick auf andere Objekte richtete als auf ihren Boss.
Kindern und alten Damen begegneten wir an diesem Tag sowieso nicht.
„Taxi, Sir?“, fragte einer der beiden Hotelpagen, die links und rechts vom Eingang des Luxushotels standen.
Ich nickte und der Angestellte im Livree schoss auf das nächste Yellow Cab zu, das am Straßenrand vor dem Hotel auf Gäste wartete, und hielt Melanie und mir die Tür auf.
„Zum Javits Convention Center, bitte“, sagte ich zu dem schwarzen Fahrer.
Das Taxi quälte sich durch Midtown Manhattan und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, seit wir gestern in New York angekommen waren, in welchem Stadtteil wohl Emma wohnte. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass es entweder Brooklyn oder die Bronx sein musste, denn welche Orte konnte eine Studentin sich sonst leisten?
Dass Emma reiche Eltern hatte, die sie mit einem hübschen Apartment in Manhattan pamperten, konnte ich ausschließen. In dem Fall hätte sie sicher keinen Job für eine vom Magen-Darm-Virus gebeutelte Freundin übernehmen müssen. Dann hätte sie Daddy angerufen und ihm die Kohle aus der Tasche geleiert, die sie und ihre ans Klo gefesselte Freundin so dringend brauchten. Wenn ausgerechnet ein Mädel wie Emma das Callgirl gab, konnte es nur am Geldmangel liegen.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte ich bloß ihre Freundin, von der ich die Telefonnummer hatte, und die mir bereitwillig Emmas Nummer gegeben hatte, nach der Adresse zu fragen brauchen. Noch drei Monate nach dem letzten meiner zahlreichen peinlichen Hinterlassenschaften auf Emmas AB, konnte ich die Nummer im Schlaf aufsagen. Leider galt die Ziffernfolge seitdem nicht mehr.
Ich hätte die Universitäten abklappern können, um Emma zu finden, oder einen Privatdetektiv einschalten. Meine alten Freunde hatten mir das empfohlen. Als wäre ich nicht selbst auf diese Ideen gekommen. Aber wenn jemand sogar seine Nummer wechselt, um einen loszuwerden, war das ein Zeichen. Eins, das leider ziemlich an mir nagte.
Na, super. Mein Ablenkungsmanöver funktionierte ja ganz toll. Ich war in dieser Stadt, um zu arbeiten und somit nie wieder an den kleinen Tollpatsch zu denken, der mich eiskalt hatte abblitzen lassen.
Dabei hatte ich in diesem Jahr eigentlich schon im Indian Summer mit der Arbeit abgeschlossen gehabt. Der letzte Deal mit Larry Henderson allein hatte Millionen eingebracht. Doch ich kannte keine bessere Möglichkeit, um meine Gedanken in produktive Bahnen zu lenken. Wenn ich im Geld zu ersaufen drohte, konnte ich es immer noch für einen guten Zweck spenden.
Je länger ich in New York war, desto klarer wurde mir, dass es besser gewesen wäre, mir Christian Bailey an einem anderen Ort anzusehen. Zwölf Wochen war die Season of Peaches nun her. Doch wohin ich auch guckte, ich sah eine Blondine mit Eieruhrfigur, pinken Glitzerklamotten und einer enormen Brille auf der Nase. Wenn das so weiterging, war ich bald reif für die Klapse.
Aber jetzt war ich hier. Und um Bailey anderswo zu treffen, hätte ich einen Termin mit ihm ausmachen müssen, und das wollte ich nicht. Noch nicht. Noch wollte ich ihn beobachten, wenn er sich unbeobachtet und somit sicher fühlte.
Wir hatten unser Ziel erreicht.
Der Fahrer reihte sein Yellow Cab in die lange Taxi-Schlange vor dem vollständig verglasten Messe-Zentrum ein, das mich auch schon wieder an eine Brille erinnerte. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst, zahlte, gab dem Mann ein großzügiges Trinkgeld und machte mich mit Melanie auf den Weg, um die Konkurrenz auszukundschaften.
Es war genau so, wie ich es mir gedacht hatte: Der Australier war mit der gesamten Konkurrenz im Gespräch. Er wollte unbedingt eine Fusion mit einem amerikanischen Unternehmen, und ich wollte unbedingt derjenige sein, der mit ihm zusammen ging, um die weltweite Marktführerschaft im Bereich der Landmaschinen zu übernehmen.
Allein bei dem Gedanken an einen Gott neben mir hätte ich kotzen können. Aber es war nun einmal unbestritten, dass es eindeutig besser war für die Geschäfte, wenn man sich den anderen Gott ins Boot holte, denn nur so hatte man ihn unter Kontrolle. Andernfalls konnte es leicht passieren, dass irgendein Halbgott durch diese Fusion zum Gott aufstieg und ich demnächst im Suppentopf schmorte, während die bösen Geister um mich herumtanzten.
„Das müssen wir aber ganz geschickt vorbereiten“, meinte Melanie, nachdem wir Baileys Treiben auf der Messe hinreichend beobachtet hatten.
Meine großartige Assistentin sprach mir aus der Seele und ich nickte ihr über meinen doppelten Espresso hinweg zu.
Sie hatte sich einen Latte Macchiato bestellt und gönnte sich einen Brownie, von dem sie sich genüsslich ein großes Stück zwischen die Lippen schob. Melanies üppiger Mund bewegte sich mampfend und ich fragte mich, warum mich diese Lippen eigentlich nicht reizten.
„Stell dir vor. Ihr beide auf dem Cover des Forbes Magazine.”
Das hatte ich mir bereits vorgestellt. So ganz konnte ich mich mit dem Gedanken allerdings noch nicht anfreunden. Wie gesagt: Gott neben Gott. Aber auch wie gesagt: Ich hatte leider keine Wahl. Entweder fressen oder gefressen werden. Das waren die Regeln im Business. Ich wollte keinesfalls gefressen werden. Und um in Rente zu gehen, war ich ein wenig zu jung. Außerdem hatte ich Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber.
„Oh, wow!”, riss Melanie mich schwärmerisch aus meinen Gedanken. „Du mit deinem wilden Charme und Christian Bailey, der sexy australische Surferboy, an deiner Seite. Da bekommt nicht nur die gesamte Geschäftswelt ein feuchtes Höschen. Sogar ich würde mit euch beiden in den Heuschober abschieben. Eine Ménage à trois. Das ist bestimmt sogar noch besser als dieser wirklich supersupersupertolle Brownie.“
Wie bitte? Was waren das für Worte von meiner seriösen Assistentin?
Ich tat, als hätte ich sie nicht gehört. Und so toll sah Bailey nun auch wieder nicht aus. Er war ein Modeltyp, aber von der Sorte Lackaffe. Deswegen hatte ich so wenig Bock auf diese Fusion. Ich würde nochmal eingehend mit mir ins Gericht ziehen. Vielleicht fiel mir ja eine andere Lösung ein, um Bailey auszuknocken.
Allerdings gingen mir Melanies Worte nicht aus dem Kopf. All die Jahre hatte ich den besten Sex gehabt, den man sich denken konnte. Und dann kam Emma und setzte dem Ganzen noch das Krönchen auf. Um nicht zu sagen die Krone. Und was war seither los? Nichts als heiße Luft. So ging das nicht weiter! Das Teil in meiner Hose starb mir noch ab. Soweit sollte es nicht kommen. Es musste endlich Schluss sein mit der Lustlosigkeit. Mann, es gab doch noch andere schöne Frauen auf der Welt.
„Hey, was soll das, Jacob?“
Melanies Augen wurden immer größer, als ich sie durch das Gate am JFK Airport schob.
„Ich komme in ein paar Tagen nach Hause. Sag in der Firma Bescheid und sag den anderen, dass wir vorerst alles tun werden, um mit Bailey zu fusionieren - es sei denn, wir finden einen anderen Ausweg aus dem Schlamassel“, rief ich ihr zu. Ich befand mich bereits auf dem Rückzug.
„Aber was willst du denn noch in New York?“, schrie Melanie aufgebracht. „Hat es etwas mit diesem Mädchen zu tun, mit dem du die Season of Peaches gewonnen hast?“
Oh, ja, das hatte es. Aber das würde ich wohl kaum meiner Assistentin auf die Nase binden. Außerdem hatte ich sowieso ganz etwas anderes vor, als Melanie es sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hätte. Mir war da nämlich eine Idee gekommen und ich sagte nur eins: Konfrontationstherapie!