Vergangenheitskampf

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Vergangenheitskampf
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Vergangenheistskampf

Impressum

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

Epilog

Corinna Lindemayr

Vergangenheistskampf

Roman

XOXO Verlag

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-155-9

E-Book-ISBN: 978-3-96752-655-4

Copyright (2020) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung des Bildes: Stockvektor-Nummer: 535429474

von www.shutterstock.com

und Photo by Alisa Anton on www.unsplash.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Starker Regen prasselte an die alte Granitmauer der JVA Fuhlsbüttel und eisiger Nebel umgab das winzige, mit Gittern versehene Fenster seiner Zelle. In wenigen Minuten würde wieder das konstante Läutern der alten Kirchturmuhr von Gegenüber erklingen. Zu jeder vollen Stunde musste er sich tagtäglich diese monotonen Klänge anhören. Woche für Woche. Monat für Monat. Jahr für Jahr.

Die Füße von sich gestreckt und die Arme in den Taschen einer abgewetzten Levi´s Jeans vergraben lag er auf dem alten unbequemen Metallbett seiner etwa zehn Quadratmeter großen Zelle und starrte an die Decke.

Der widerliche Gestank der kleinen schäbigen Toilette vermischte sich mit dem Geruch von Rauch und Schweiß.

Routine, dachte er. Seit nunmehr fast fünfzehn Jahren erlebte er sie. Diese ständige und kontinuierliche Kontrolle seines Lebens.

Ganz leise tropfte der Wasserhahn seines Waschbeckens immer wieder auf das rostige Metall und mit jedem Tropfen Wasser der diese Leitung verließ wurde seine Wut größer. Wut auf den Menschen, der die Schuld daran trug, dass er nun hier war. Hinter Schloss und Riegel wie ein jämmerlicher Verbrecher.

Don Jefferson Barlock.

Das Leben, sinnierte er, hatte ihm eine Chance gegeben. All die Jahre war er lediglich ein Nichts gewesen. Musste zusehen, wie ein Mann wie Barlock ungeschoren durch die Welt marschieren konnte um Millionen zu kassieren, während er für Recht und Ordnung sorgte und es dennoch nichts veränderte. Er blieb ein Niemand.

Bis zu dem Tag, an dem er endlich sein Leben in die Hand genommen hatte. Und er bereute es nicht. Auch wenn er nun hier lag, umgeben von dem stickigen Geruch der Eingesperrtheit, bereute er es nicht.

Und bald war auch diese Zeit wieder vorbei und er konnte dort weitermachen, wo er vor all den Jahren stehen geblieben war. Er würde diese Sache zu Ende bringen, würde sich das holen, was ihm zustand und sein Imperium wachsen lassen.

Don Jefferson Barlock konnte sich nicht vor ihm verstecken.

Es war so verdammt einfach alle zu täuschen. Erst in seiner Position als Polizeibeamter und jetzt hier. Als ob er nicht wüsste wie er sich gegenüber Psychologen zu verhalten hatte. Ein paar verständnisvolle Worte hier, ein paar Andeutungen über eine verkorkste Kindheit dort und natürlich würde er am liebsten alles rückgängig machen wenn er denn nur könnte und schon stand einer Entlassung nichts mehr im Wege. Lächerlich.

So viele Jahre hatte er Zeit gehabt, seinen Plan zu verfeinern und immer wieder zu verändern, bis er letztlich perfekt war. Ja, er würde es zu Ende bringen. Würde das Finden, was er brauchte um es zu Vollenden. Er, PHM Gerald Wiesner, war lange genug unsichtbar gewesen.

Mit seinen Fingern strich er langsam über das raue, abgewetzte Stück Papier, welches er auf einem seiner letzten Razzien in Barlocks Haus gefunden hatte.

Damit würde es keinen Zweifel mehr geben. Egal wohin Barlock auch verschwunden war, mit diesem Stück Papier trug er die Gewissheit bei sich, dass er zurückkam.

In wenigen Tagen wäre er wieder ein freier Mann und konnte sein Vorhaben endlich in die Tat umsetzen und das Geheimnis lüften, welches er seit diesem Tag hütete wie einen wertvollen Schatz.

Don Barlock hatte eine Tochter.

1. Kapitel

Das Eis vibrierte unter seinen Füßen als Max Christensen über das Spielfeld rauschte und den Puck mit einem harten Schlagschuss in das leere Tornetz katapultierte. Dann reduzierte er sein Tempo und blieb etwa einen Meter vor dem Tor stehen.

Sein Blick fiel auf die Displayanzeige in der Mitte der Hallendecke, während er sich selbst mit seinem Schläger auf der Eisfläche abstützte.

Eine knappe Minute würde ihnen noch bleiben bis das Signal zum Ende der Aufwärmphase erklang. 60 Sekunden voller purer Anspannung, Vorfreude und gleichzeitiger panischer Angst es zu vermasseln.

Er atmete aus und schloss für einen Sekundenbruchteil die Augen. Wenn sie dieses Spiel verlieren würden, konnten sie die Teilnahme an den Pree-Play-Offs vergessen. Sollten sie die Eisbären Berlin heute nicht schlagen, würden knapp 8.000 enttäuschte Menschen dieses Stadion wieder verlassen und die sonst so euphorische Stimmung wäre im Eimer. Er wollte diese Saison noch nicht beenden, schon gar nicht, bevor sie nicht jede Chance genutzt hatten, sich in die richtigen Play-Offs zu kämpfen.

Und weil er absolut keine Ahnung hatte, was er dann mit sich anfangen sollte. Es war schon deprimierend, wie wenig Lust er verspürte, sich einem Leben außerhalb des Eishockeys zu widmen. Die meisten seiner Kameraden würden mit ihren Familien Urlaub machen oder in die Heimat reisen. Über die Hauptsaison im Winter waren sie nahezu täglich im Training und ständig unterwegs. Teilweise reihten sich die Spiele in Abständen von weniger als drei Tagen.

Viele von ihnen freuten sich daher genauso sehr darauf, wenn eine Saison zu Ende ging, wie auf den Moment, wenn sie wieder begann. Und in der Play-Off-Zeit war es sogar noch schlimmer. Die Trainingszeiten wurden verlängert und die Spieltage rückten noch enger zusammen als ohnehin schon.

Natürlich war daher auch er froh, wenn er ein paar Tage Pause hatte. Das Problem dabei war nur, dass ihm schon nach kurzer Zeit meist die Decke auf den Kopf fiel.

»He Christensen, wach auf zum Teufel noch mal!« donnerte da die Stimme von Jack McGillen, seinem Trainer. »Wir haben hier gleich ein Spiel zu spielen also stell dich gefälligst auf deine Position!« Max blickte auf und sah wie neben ihm sein bester Freund und Teamkollege, Jonas Meiers, den Puck vor seine Füße platzierte und darauf wartete, dass er ihn zurück schoss. Er fuhr los, schob die Scheibe ein paar Mal zwischen seinem Schläger hin und her und ließ ihn dann genau so liegen, dass Jonas direkt auf das Tor zielen konnte.

Sein Mund verzog sich zu einem kaum sichtbaren Lächeln, als sein Freund ihn an Jeff Brighten, dem Torwart, mühelos vorbeischoss. Jonas und er waren eben von Anfang an ein unschlagbares Team gewesen. Sie hatten zusammen in der Juniorenliga der Augsburger Panther gespielt, verloren sich dann für etwa drei Jahre aus den Augen weil er einen Vertrag bei den Mannheimer Adlern unterschrieben hatte und Jonas für Düsseldorf spielte. Gelegentlich trafen sie sich in dieser Zeit als Gegner auf dem Eis, doch das trübte ihre Freundschaft nicht im Geringsten. Vor zwei Jahren hatten sie dann beide wieder in ihren Heimatverein gewechselt und standen sogar kurz davor für den WM-Kader nominiert zu werden. Das Einzige, was seine Laufbahn im Augenblick also noch toppen könnte, wäre ein Angebot der NHL. Aber eigentlich war er ganz zufrieden so wie es gerade lief.

 

Die Sirene ertönte und die Spieler verließen das Eis, während die Maschinen noch einmal die Flächen neu beschichten. Max fuhr noch eine letzte Runde an der Bande entlang, dann folgte auch er den anderen in die Kabine. Im Hintergrund ertönte »Good old Hockeygame« und er hörte wie die Zuschauer bereits jetzt lautstark begannen sein Team anzufeuern.

Als die Tür hinter ihm zuflog, zog er seinen Helm herunter und legte ihn neben sich auf die Bank. Dann streckte er die Füße aus und lehnte sich zurück um der Ansprache des Trainers zu folgen, auch wenn er wie üblich die Worte von Jack nicht wirklich wahrnahm.

Stattdessen dachte er an seine Schwester Hannah und ihren Mann Tom und an die Zeit als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Das alles war jetzt schon mehr als fünfzehn Jahre her, doch er konnte es einfach nicht vergessen.

Bis zu seinem elften Lebensjahr hatte er mit seinen Eltern und Hannah in einem Zeugenschutzprogramm gelebt. Den Großteil seiner Kindheit verbrachte er also damit von einem Land ins Nächste zu ziehen, Schulen zu wechseln wie andere ihre Bettwäsche, während sein bester Freund der Schäferhundrüde eines der Polizeibeamten war, die sich rund um die Uhr in ihrer Nähe aufhielten. Jetzt, mit 29 Jahren, war es ihm bis heute ein Rätsel, warum sie damals trotz des Zeugenschutzprogrammes so konsequent überwacht wurden.

Es war nicht so, dass er grundsätzlich Vergleichsmöglichkeiten gehabt hätte, aber eigentlich ging er davon aus, dass der Zeugenschutz lediglich ein neues, sicheres Umfeld bieten sollte. Eine neue Identität. Ein neues Leben.

In ihrem Fall jedoch schien das irgendwie komplett anders verlaufen zu sein. Solange, bis seine Eltern für ein paar Jahre verschwunden waren. Ab diesem Moment hatte es nur ihn und seine Schwester gegeben.

Während Jack die Mannschaftsaufstellung diskutierte, erinnerte sich Max an jenen Tag, als er auf dem Schulgelände auf Hannah gewartet hatte. Als wäre es auf einmal wieder real, sah er sich, wie er unter einem Treppenaufgang Schutz suchen wollte und dann plötzlich alles dunkel wurde. Wie vor fünfzehn Jahren sah er immer wieder nur Bruchstücke, wie Teile des Daches die auf ihn eingestürzt waren oder hörte den entsetzlichen Krach des Aufschlagens von Ziegel auf Beton. Das Nächste was sich in seine Gedanken eingeprägt hatte, war der Moment im Krankenhaus als er die Augen öffnete. Es kam ihm vor als hätte er das Schlimmste einfach verschlafen. Hannahs Kampf gegen eine erneute Kontrolle ihres Lebens, der schlussendlich dazu geführt hatte, dass seine Eltern zurückkehren konnten und das ganze Versteckspiel endlich ein Ende fand.

Schon damals war es sein größter Wunsch gewesen, Eishockeyprofi zu werden und nun war er es. Er verdiente ein stattliches Einkommen und lebte in einem durchaus passablen Anwesen etwas abseits der überfüllten Innenstadt. Hannah war glücklich verheiratet und hatte eine Tochter.

Seine Nichte war sein Ein und Alles. Nie würde er zulassen, dass Elisa-Marie etwas zustoßen würde, ganz zu schweigen davon, dass er je zulassen würde, dass irgendein Typ ihr zu nahe kam. Sie war mittlerweile bereits 16 Jahre und wer wusste schon wie die Hormone von weiblichen Teenagern in diesem Alter tickten? Seine Eigenen hatten zu dieser Zeit jedenfalls vollkommen verrückt gespielt. Himmel, daran sollte er jetzt lieber nicht denken.

Wenn man so viele Jahre lang immer unter Beobachtung stand, ganz gleich ob von Eltern oder Polizisten, dann gab es nicht viel, was einen davon abhalten konnte, alles auszutesten was einem zwischen die Finger kam. Und das hatte er getan. Mehr als nur einmal geriet er dadurch in Schwierigkeiten, aber bereute er es? Nein. Damals nicht und heute wen er so darüber nachdachte eigentlich genauso wenig. Es war ein Teil von seinem Leben, der ihm geholfen hatte, dorthin zu kommen wo er jetzt stand.

Vielleicht würde er ein paar Dinge anders machen aber im Grunde waren Fehler eben auch dazu da, getan zu werden, daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

Es gab zu viel Alkohol, Frauen und ja - er hatte auch Drogen ausprobiert. Allerdings war das eines der Dinge, die er definitiv nicht wieder tun würde und schon gar nicht, würde er zulassen dass Elisa-Marie irgendetwas davon zu nahe kam. In ihrem Fall natürlich eher Männer wie Frauen. Hoffte er zumindest. Nicht, dass er irgendwelche Vorurteile hegte, aber er konnte nicht umhin zuzugeben, dass ihn die traditionellere Weise des Zusammenseins mehr behagte.

»Also, ich möchte diesmal richtiges Eishockey sehen, verstanden?« riss ihn die Stimme von Jack aus seinen Gedanken.

»Jawohl!« donnerte es von seinen Kameraden durch den kleinen Kabinenraum und Jack gab, wie jedes Mal vor einem Match, jedem Spieler der aufgerufen und durch den aufgeblasenen Pantherkopf auf das Eis fuhr, einen Klaps auf den Hinten. Dieses Ritual vollführte er nun schon seit zwei Jahren und er beteuerte auch nach etlichen Niederlagen und der schlechten vorherigen Saison, dass es ihnen Glück bringen würde. Nun, daran zweifelte er, aber was soll´s. Ein bisschen Aberglaube gehört eben einfach dazu.

Als sein Name aufgerufen wurde, zog er seinen Helm wieder auf, holte sich seinen Klaps auf den Allerwertesten ab und fuhr durch den Nebelschleier hindurch aufs Eis, gefolgt von seinen Namensrufen durch die Zuschauer und dem heftigen Kribbeln in seinem Bauch, dass ihm jedes Mal aufs Neue vor Augen führte, wie wichtig ein jedes Spiel war. Und Heute ging es um Alles oder Nichts.

Emma-Sophie starrte ungläubig auf das rote Kärtchen mit der weißen Schrift, dass sie in den Händen hielt. Wieso musste ausgerechnet sie, als absoluter Nicht-Eishockeyfan, ein VIP-Ticket mit anschließendem Treffen des gefragtesten Spielers, Max Christensen, gewinnen? Aber die Grundfrage war ja sowieso, wie man etwas gewinnen konnte, woran man gar nicht teilgenommen hatte?! Stirnrunzelnd legte sie das Ticket auf ihre alte Wandkommode. Vielleicht konnte sie es verkaufen. Es gab sicher Duzende, vorzugsweise sicherlich Frauen, die nur zu gern mit ihr tauschen würden und das Geld konnte sie dann in den Rettungsfonds für ihr Kinderheim stecken.

Jenes Kinderheim in dem sie arbeite und in dem sie gelebt hatte, seit ihre Mutter gestorben war. Damals war sie gerade einmal vier Jahre alt gewesen. Da man keine Anhaltspunkte für ihren Vater fand und auch sonst niemanden, bei dem sie hätte bleiben können, wurde das Heim ihr zu Hause. Und entgegen aller Meinungen über solche Einrichtungen war es gar nicht so schlimm gewesen.

Sie besuchte die Schule wie andere Kinder auch, bekam Essen und einen Schlafplatz. Die Erzieherinnen waren sehr nett zu ihr und es gab nie Zeiten, in denen man alleine war. Sie verbrachte ihre Kindheit mit ihren Freunden die ebenfalls ohne Eltern aufwachsen mussten, zumindest solange, bis jemand adoptiert wurde. Es war ein Kommen und Gehen. Nur ihre beste Freundin Bea und sie waren bis zuletzt dort geblieben. Obwohl Bea grundsätzlich einen Vater und ein zu Hause gehabt hätte. Nur war dieses zu Hause eben nicht immer perfekt.

Und jetzt, nach dem sie beide nach München gegangen waren um Erziehungswissenschaften zu studieren, leiteten sie ihr ehemaliges Zuhause. Zusammen mit ihrem neuesten Praktikanten Nick und der Nonne Schwester Margarethe, die von allen nur liebevoll »Gretchen« genannt wurde.

Sie liebte ihren Beruf und ihr jetziges Leben. Wäre da nur nicht die finanzielle Situation ihres Kinderheims. Niemand wollte mehr Geld für das schon ziemlich marode Haus investieren, sodass der Stadtrat nun vor wenigen Tagen in einer dieser totlangweiligen Sitzungen beschlossen hatte, das Heim zu schließen und die Kinder auf andere Unterkünfte zu verteilen.

Gäbe es nicht in weniger als einem Monat jemand, der für die Renovierung aufkam, würde »St. Jose« nicht länger existieren.

Emma-Sophie stieß einen kurzen Seufzer aus und nahm die Karte wieder in die Hand. Sie musste wenigstens versuchen, sie zu verkaufen. Kampflos würde sie nicht aufgeben. Sie hatten immerhin noch einen Monat das Geld aufzutreiben. Es wäre zwar nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein, aber Kleinvieh machte eben auch Mist.

Allerdings war das Spiel schon heute Abend, was die Möglichkeiten erheblich eingrenzte.

Gerade als Emma-Sophie sich an ihren kleinen Schreibtisch setzen wollte klingelte ihr Telefon.

Sie beugte sich über ihren Laptop und griff nach dem Hörer. »Manning.«

»Hey Süße, ich bin´s.« Erklang die Stimme ihrer Freundin Bea aus der Leitung.

»Hey. Was gibt´s?« fragte Emma-Sophie zurück.

»Nichts besonderes. Ich wollte nur mal fragen, was du heute noch so vorhast.«

Emma-Sophie dachte an das Eishockeyspiel und die gewonnene Karte. Dann runzelte sie die Stirn. »Du hast nicht zufällig an einem Gewinnspiel teilgenommen? Noch dazu in meinem Namen?« fragte sie dann zuckersüß und erntete ein überraschtes Schnaufen durch den Hörer, gefolgt von einem kurzen Räuspern. »Willst du damit sagen, dass du gewonnen hast?«

»Also ja.«

»Ich habe auch eine Karte für mich ausgefüllt. Aber offenbar hattest du mehr Glück.«

»Ich würde das jetzt nicht unbedingt als Glück bezeichnen.« murmelte Emma-Sophie.

»Hallo? Hast du dir diesen Max einmal angesehen? Außerdem kann man sich das Spiel aus einer der VIP-Loungen ansehen, wo es sicherlich einige sehr lukrative Möglichkeiten gibt, Leute in den richtigen Positionen kennen zu lernen, die in unser Kinderheim investieren könnten.« erwiderte Bea.

»Fein. Dann geh du doch hin.« Ihre Freundin wäre da sicherlich sowieso viel besser aufgehoben. Bea war impulsiv, schlagfertig und so gar nicht auf den Mund gefallen. Sie hingegen, war eher ruhig und vernünftig. Sie mochte es, wenn die Dinge nach Plan liefen. Und ein Besuch in einem Eishockeystadion mit einem Treffen eines dieser selbstverliebten Spielers gehörte definitiv nicht dazu.

»Ich kann nicht. Ich treffe mich mit Leonhard.«

»Aha.«

»Komm schon Emma. Du weißt, wie selten wir uns sehen können.« klagte Bea.

»Was ja wohl hauptsächlich daran liegt, dass du die meiste Zeit immer eine perfekt zurecht gelegte Ausrede hast um ihn abblitzen zu lassen.«

»Nur weil ich nicht immer nur dann springen will, wenn der gnädige Herr Doktor einmal Zeit hat.« echauffierte sich ihre Freundin.

»Und ausgerechnet heute hast du deine Sprungfertigkeit entdeckt?«

Aus der Leitung erklang ein genervtes Stöhnen. »Musst du so zickig sein?«

Musste sie nicht. Eigentlich war das auch gar nicht ihre Art. Aber diese verdammte Karte machte sie wahnsinnig. »Nein.«

»Schön. Dann geh zu diesem Spiel, triff dich mit einem knackigen Kerl und hab einen tollen Abend. Und ganz nebenbei kannst du ja versuchen unser zu Hause zu retten.«

Da es jetzt ohnehin zu spät war, irgendwelche Versuche zu unternehmen noch einen Gewinn aus dem Verkauf dieses Treffens zu erzielen, gab Emma-Sophie sich geschlagen. »Also gut.«

Sie konnte es zwar nicht sehen, aber sie wusste dennoch, dass Bea gerade breit grinsend vor ihrem Telefon saß. »Er ist wirklich heiß.«

»Ich dachte du stehst auf deinen Arzt.« fragte Emma-Sophie scheinheilig, während sie aufstand, sich schwerfällig ins Bad begab und den Wasserhahn der Badewanne aufdrehte.

»Er ist ganz okay. Aber Max Christensen? Der spielt in einer ganz anderen Liga.«

Und das, dachte Emma-Sophie, während sie in das heiße Wasser stieg, war genau das Problem.

Seine Laune war auf dem Tiefpunkt. Und das war noch milde ausgedrückt. Sie hatten ein grottenschlechtes Spiel abgeliefert und erst in der Verlängerung den entscheidenden zweiten Punkt für sich gewinnen können. Zu allem Überfluss musste er sich jetzt auch noch zu einem Treffen mit einem dieser verrückten Groupies begeben.

Max drehte den Duschhahn zu und fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar. Vielleicht sollte er einfach nicht hingehen.

 

Vermutlich müsste er sich dann wieder eine ellenlange Standpauke von seinem Trainer anhören, bei welchem sich wiederum die beteiligten Sponsoren beschwerten und so weiter.

Aber irgendeine fadenscheinige Ausrede würde ihm schon einfallen.

Er verstand sowieso nicht, warum ausgerechnet er immer für solche Aktionen herhalten musste. Okay, er war der Kapitän, aber mal ernsthaft, wen interessierte schon mit welchem von ihnen man ein paar Selfies schoss und versuchte einen Wortwechsel aufrecht zu erhalten, von dem man noch nicht einmal wusste, wie man ihn beginnen sollte?

Er schlüpfte in seine Levi´s und das schwarze Polo-Shirt, dann stopfte er die restlichen Sachen in seine Sporttasche. Natürlich war er mal wieder der Letzte. Aber das störte ihn nicht. Um ehrlich zu sein ließ er sich sogar mit Absicht Zeit. Er genoss die Ruhe in der Kabine, die dann eintraf.

Gerade als er sich seinen Sherwood-Beutel um die Schulter warf öffnete sich die Tür.

Genervt drehte er sich um. Wenn das jetzt einer dieser Reporter war, konnte er für nichts mehr garantieren. Doch zu seiner Erleichterung war es nur Jonas, der seinen Kopf durch die Tür streckte.

»Noch Lust auf ein kaltes Bier?«

Für einen kurzen Augenblick dachte er an dieses blöde Treffen, verdrängte diese Gedanken jedoch sofort wieder aus seinem Gehirn. Sicherlich würde es der Mannschaft noch weniger Pluspunkte einbringen, wenn er dort mit seiner momentanen Stimmung eintraf, die gelinde gesagt, mehr als nur im Keller war.

»Klar.« Er zog sein Handy aus der Hosentasche und tippte eine kurze Nachricht an seinen Trainer, dass er starke Kopfschmerzen habe und daher bedauerlicherweise nicht mehr in der Lage war, sich noch mit jemandem zu treffen. Dann verließ er mit Jonas den Raum. Ein paar nette Bierchen wären jetzt genau das Richtige.

Weitere Bücher von diesem Autor