Die Bluthunde von Paris

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3. Kapitel

1782

„Ein Pferd? Wozu ein Pferd für den Krüppel? Schnitze der armen Kleinen ein paar vernünftige Krücken, damit sie einigermaßen gehen und arbeiten kann, wie es Brauch ist.“ Angewidert starrte Karl auf Philippines armseligen Fuß. „Wo kämen wir hin, gäbe ich unser sauer verdientes Geld für die Spielereien deiner verwöhnten Tochter aus?“ Er spuckte aus und stierte nun seine Frau an, die am Herd stand, den Rock geschürzt, das Haar aufgelöst.

„Du bist ein Geizhals, ein Knicker. Das Geld, das du mit dem Schrecken verdienst, steckst du in neue, fürchterliche Instrumente und sparst an Anschaffungen, die uns das Leben erleichtern könnten.“ Lea stemmte die Hände in die Hüften und schleuderte wilde Blicke nach ihm. Der Folterknecht erhob sich. Drohend näherte er sich zunächst dem Mädchen, so dass dieses fürchtete, von ihm geschlagen zu werden. Wenn er wütend war, schlug er blind zu, und es konnte zuweilen auch Philippine treffen. Gewohnt, sich flink auf einem gesunden Fuß und einem kaputten davon zu machen, duckte sich die Kleine, kroch zwischen seinen Beinen hindurch und wieselte hinaus. Die beiden anderen Mädchen hatten sich längst in den Schuppen geflüchtet, wo sie abwarteten, bis der Alte sich beruhigt hatte. Nun stand er mit glasigen Augen seiner Frau gegenüber, die genau wusste, was auf sie zukam. Je schneller es rum ist, umso besser, dachte sie und riss die Bluse auf. Ihre schwellenden Brüste entfesselten seine latente Gier und im Nu hatte er die Hose gelockert. Lüstern stürzte er sich auf sie, drehte sie um, ritt sie gegen die Tischplatte, knetete ihre Brüste und stöhnte dabei: „Du bist eine Hure! Eine saftige, wüste Hure, der ich es jetzt so richtig besorgen werde.“

„Du besorgst es mir ziemlich schlecht, aber nimm dich in Acht, eines Tages werde ich es dir auf eine Weise besorgen, bei der dir Hören und Sehen für immer vergeht!“, zischte Lea vor sich hin, während ihre Schenkel gegen die Kante des Tisches rammten. Als es rum war, knotete Lea die Zipfel ihrer zerrissenen Bluse zusammen und stieß den befriedigten, grunzenden Mann auf einen Stuhl. Hocherhobenen Hauptes, als habe sie die Szene überhaupt nicht gedemütigt, strebte sie auf eine Vertiefung in einem Winkel des Raumes zu, die durch eine Holzplatte verdeckt war. Dort lagerte sie Nahrungsmittel, die sich nur in der Kühle hielten: Butter, Käse, Fleisch und Cidre, den ihr Mann sehr gerne trank. Sie schob die Holzverkleidung beiseite und entnahm dem Lagerraum eine Flasche gekühlten Cidre und ein kleines Fläschchen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie den Alten, der wie betäubt im Stuhl hing. Als sie sich vergewissert hatte, dass er sie nicht beobachtete, öffnete sie die Flasche und tröpfelte etwas Flüssigkeit aus dem kleinen Behälter hinein. Oh, nein, sie wollte ihn nicht vergiften. Sie brauchte sein Geld, denn bei aller Brutalität kümmerte er sich doch um die Familie. Niemand hungerte, alle hatten Kleidung, ein Dach über dem Kopf und es gab sogar einige Hennen im Schuppen. Sie wollte ihn nur benebeln, seinen Verstand zersetzen. Es fehlte das Pferd. Ein Pferd für Philippine.Mit schwingenden Hüften und freundlichem Gesicht ging sie zum Tisch, an dem ihr Mann wie benebelt hockte und goss ihm Cidre in den Becher. Karl griff durstig danach. Er leerte einen Becher, dann einen zweiten und einen dritten. „Du bist ein Knicker und manchmal ein ekliger Kerl, aber du bist ein guter Mann, der seine Familie nicht im Stich lässt. Du hast mich geritten wie ein Teufel und kannst das jederzeit wiederholen, aber gib mir nun das Geld für ein Pferd.“

„Lass mich mit deinem Pferd in Ruhe, Alte.“ Er griff nach der nachlässig geknoteten Bluse, die ihre Brustwarzen sehen ließen. Lea streifte sie ab, goss den Rest des Cidres über ihren Busen und setzte sich rittlings auf Karls Schoß.

„Ja, ja, leck es ab, mein Alter. Leck meine Euter, erfreu dich an ihnen, so lange du noch kannst.“

Er gehorchte. Er leckte und labte sich an ihnen, während sie ihr Becken auf seinem Schoß rieb und so tat, als genieße sie seine Begierde. Karl war ganz benommen. Er verschlang ihre Brüste in einem Zustand von Ekstase und Ohnmacht. Das Betäubungsmittel tat allmählich seine Wirkung. Bevor er einschlief, erschlich sie sich von ihm die Summe fürs Pferd. Sein Kopf fiel gegen ihre Brust. Er schnarchte. Erst jetzt richtete sich Lea auf. Wie leblos sackte da sein Körper in sich zusammen und kippte vom Stuhl. Lea gab ihm einen Tritt in den Hintern und spuckte auf ihn.

„Ja, ich bin eine Hure. Du hast Recht! An dem Tag, an dem ich dich geheiratet habe, wurde ich zur Hure, denn sonst hätte ich dich nicht genommen. Wer einen Henker und Folterknecht heiratet, muss am Boden liegen. Und das tat ich. Ganz unten, von einem Trunkenbold in den Dreck getreten, von einer geschundenen Mutter verlassen. Was hätte diese auch tun sollen? Ihre Hände waren entzündet vom täglichen Waschen. Ihr Rücken gekrümmt vom Tragen der Körbe und Wassereimer. Ihr Unterleib klaffend, wund geritten von ihrem Säufer von Mann, der nichts zustande brachte, als sich an ihr zu vergehen und sich zu betrinken. Er wollte, dass ich zusah, wenn er sich über Mutter hermachte. Ich habe mir geschworen, es allen Männern heimzuzahlen, ohne auf Freuden zu verzichten. Denn auch in mir brennt das Verlangen nach einem Mann. Nach einem richtigen Mann, der mir gut tut, der meinem Körper Ehre erweist. Aber das kannst du nicht, du armseliger Wicht!“

*

Am nächsten Tag gingen sie zum Pferdemarkt am südöstlichen Stadtrand. Er hatte seinen Anfang beim Krankenhaus La Salpetrière und zog sich nach Süden an staubigen Wiesen, Feldern und einzeln stehenden Häusern in die Länge. Nahe des Krankenhauses – an dessen Stelle hatte sich einst eine Salpeterfabrik befunden, daher sein Name – warteten stolze Tiere auf reiche Käufer, auf Herzoge, Grafen und Gräfinnen. Dort standen einige Baracken, gab es einen großen Brunnen, Karren mit Hafer, und die Balken, an denen die Pferde angebunden wurden, waren aus blankem Holz. Lea hielt es für überflüssig, soweit vorzudringen, da sie für ihre Tochter keinen Glanzrappen erstehen konnte. Deshalb flanierten Mutter und Tochter im Bereich der erschwinglichen Ware. Hier sahen jedoch die meisten Tiere heruntergekommen aus. Sie waren für den täglichen Gebrauch gedacht. Zum Ziehen der Fuhrwerke, zum Tragen von Lasten und hatten einen dummen, abgestumpften Ausdruck. Enttäuscht musterte Lea die abgemagerten Rücken, die zottigen Schweife und struppigen Mähnen, das glanzlose Fell. Manche hatten verkrüppelte Ohren, verkrustete Augen, manche derbe Fesseln wie Ackergäule, andere wiederum standen auf dünnen Beinen mit kurzen Röhren, dass man fürchtete, sie knickten jeden Augenblick ein. Nein, so stellte sich Lea Philippines künftiges Pferd nicht vor.

„Ich suche ein passables Reitpferd für meine Tochter und nicht einen ausgedienten Klepper!“ Forsch blickte sie den Pferdehändler an. Das sonnenverbrannte Gesicht des Mannes zuckte. Seine lange, dünne Nase kräuselte sich, die hellen, durchscheinenden Augen blitzten und verächtlich antwortete er:

„Womit willst du ein Reitpferd bezahlen, Frau? Mit deinem Hintern, vielleicht? An Geld scheint’s dir zu mangeln, aber sonst hast du was zu bieten.“ Er schnalzte und taxierte sie vom Scheitel bis zu den Hüften, wobei er besonders gierig auf ihre eng geschnürte Bluse starrte. Geringschätzig ließ sie den Händler stehen. Sie kannte diese Blicke, ja sie forderte sie geradezu heraus, denn Lea hatte im großen Spiel des Lebens keinen anderen Einsatz als ihren Körper. Solange ihre Formen fest und lockend waren, das rotbraune Haar üppig, handelte sie damit wie eine Marktfrau mit Gemüse. Spürte sie auf ihrem Hintern die Hand eines Kerls, der ihr nützlich sein konnte, war sie bereit, ihm ihre Schenkel zu öffnen. Lea liebte ihr Hurendasein, besonders wenn sie an aufregende Männer geriet. Da sie aber in ihrem Umkreis sehr selten einen aufregenden Mann traf, der sich für sie interessierte und ihr gleichzeitig nützlich sein konnte, begnügte sie sich hin und wieder mit der Jugend allein. In Anbetracht des derben und ungeschlachten Kerls, der ihr Ehebett entweihte, lief ihr beim Anblick blutjunger Männer das Wasser im Munde zusammen.

So erging es ihr mit dem Pferdeknecht, der gerade ein Tier bürstete, das in Leas Augen recht jämmerlich aussah. Aus seiner Kruppe ragten rechts und links die Knochen, sein weißes Fell war von hellbraunen Flecken übersät, die lange Mähne zerzaust und schmutzig. Der junge Mann hingegen hatte kräftige Arme, einen muskulösen Oberkörper, der durch die Öffnung des Hemdes zu sehen war, einen schönen Hals und ein freundliches Gesicht, in dem braune, lustige Augen leuchteten. Lea spürte ein Ziehen im Bauch.

„Ja, treten Sie nur näher! Sehen Sie sich Vraem genauer an. Sie ist eine gute Stute und ihren Preis wert!“, rief er kühn, als sich Lea näherte. Doch kaum hatte er den Preis genannt, brach ein höhnisches Lachen aus Leas Kehle. Dabei streckte sie ihre Brüste vor und stemmte die Hände in die Hüften.

„Wer sollte das bezahlen? Ein Blinder?“

„Mama! Du tust dem Tier unrecht! Schau seine großen schwarzen Augen. Wie schön und freundlich sie glänzen. Mir gefällt auch sein schmaler, liebenswürdiger Kopf.“

„Ach, Philippine! Man kauft doch ein Pferd nicht seiner schönen Augen und seines lieben Kopfes wegen. Liebes Kind, da sieht man, wie wenig du von Pferden verstehst.“

„Verzeihen Sie meinen Einwand, Madame! Sie täuschen sich. Ihre Tochter hat Recht. In den Augen des Pferdes sehen Sie seinen Charakter. Vraem ist ein liebes und treues Pferd. Es wird Ihnen bis ans Ende der Welt folgen.“

„Aber nicht in diesem Zustand. Der Gaul bricht doch jeden Augenblick zusammen.“

Der Pferdejunge lachte amüsiert. Dann legte er vertraulich seine Hand auf Leas Schulter und sagte:

 

„Hören Sie mir zu und lassen Sie dabei das Pferd nicht aus den Augen.“

Seine Berührung fühlte sie nicht nur auf der Schulter, sondern auch auf ihren Brüsten und bereitwillig hörte sie zu. Sie stand nun ganz dicht bei ihm und erhaschte durch den offenen Schlitz seines Hemdes die makellose Oberfläche seines Bauches. Nachlässig steckten die Hemdzipfel im Hosenbund, während die Hose eng seine Lenden umspannte. Lea hörte kaum auf seine Worte, sie hatte nur noch einen Gedanken im Kopf. Und der erregte sie so sehr, dass sie heftig atmete.

„Hier!“, er strich dem Tier über seinen Nasenrücken, über Backen, Hals und Maul. „Dies alles ist perfekt, edel gebaut. Markanter Widerrist, harmonische Oberlinie. Ist die Mähne einmal gewaschen und gekämmt, hat die Stute einen prachtvollen Kopf. Und hier!“, er beugte sich, fuhr über Vorarm, Unterschenkel und Fesseln, dann hob er die Hufe an, was das Pferd widerspruchslos geschehen ließ und zeigte Lea deren Innenseiten. „Vraem hat steile Hufe und der Strahl ist durch die Trachten nicht beengt.“ Die Frau hätte ihn auch nicht verstanden, hätte sie zugehört. Ihr Interesse galt seiner Hose und ihrem Inhalt. Sie stellte sich vor, wie sie rittlings auf ihm saß und ihn in sich spürte. Ein tiefer Seufzer und der Ausruf ihrer Tochter holten sie in die Realität zurück.

„Oh, ich will die Stute, Mama! Sie und sonst keinen! Ich werde sie waschen und striegeln, bis sie glänzt wie der Schnee im Wald von Saint-Ouen.“

Genau das habe ich mit dem da vor, dachte Lea und sah den Knecht auffordernd an. Dieser war höchstens achtzehn und schien nicht sehr erfahren in gewissen Dingen, aber er glühte vor Neugier. Das bemerkte Lea sehr wohl.

„Wo können wir den Preis verhandeln?“ Sie konnte ihr Verlangen kaum bezähmen. Der Knecht schien zu verstehen und wies auf einen Schuppen hinter den Ständen, wo sie Futter für die Tiere lagerten. Nicht weit von diesem Schuppen befand sich allerdings ein niedriger Pavillon aus hellem Sandstein, in dem einige Männer gestikulierten und stritten. Es war das Gebäude der Marktüberwachung und Lea fürchtete, im Schuppen beobachtet zu werden. Der junge Knecht zwinkerte, als ob er ihre Ängste erraten habe. Und da er Feuer gefangen hatte und sich die zu erwartenden Wonnen keinesfalls entgehen lassen wollte, sagte er hastig:

„Beunruhigen Sie sich nicht. Die Ordnungshüter haben nur den Markt im Auge, nichts anderes interessiert sie, denn nirgends wird mehr betrogen und mit Köpfen geschachert als auf einem Pferdemarkt. Hier treibt sich viel Gesindel herum, das feilscht und so laut schreit, dass man sein eigenes Wort nicht versteht.“

Beruhigt sah sich Lea um und beobachtete erleichtert ihre Tochter. Die hatte schon nach der kräftigen Bürste fürs Fell und dem grobzinkigen Kamm für die Mähne gegriffen und setzte mit zärtlichen Strichen die Reinigung des Pferdes fort.

Auf dem Weg kamen ihnen zwei Männer mit Heuballen entgegen und drei Frauen, die jammernd Wassereimer zu den Pferden schleppten. Es stank nach Urin und Abfall, doch im Schuppen überwog der Geruch von Heu und Hafer. Kein Mensch war zu sehen, deshalb fackelte Lea nicht lange. Leidenschaftlich drehte sie sich dem jungen Mann zu und fasste mit beiden Händen in die Öffnung seines Hemdes.

Sie zog die Zipfel aus dem Hosenbund, streifte ihm das Hemd über die Schulter und ließ ihre Zunge über die Kuhle seines Brustkastens gleiten hinunter zum Bauchnabel, in den sie ihre Zungenspitze bohrte, während sie ihm den Hosenschlitz aufknöpfte. Begierig lauschte sie auf sein lustvolles Stöhnen, als sie sein Glied in ihren Händen rieb.

„Du wirst die Mähre nicht los, denn sie ist zu zart für einen gestandenen Mann, nicht wahr?“, flüsterte sie heiß und schob ihn in den hintersten Winkel des Schuppens.

„Du hast Recht!“, stotterte er. Ungeschickt nestelte er an ihrer Bluse. Lea ergötzte sich an seiner Unschuld und kam ihm zu Hilfe. Ihre nackten Brüste brachten ihn fast um den Verstand.

„Nimm sie in die Hand, knete sie, küsse sie! Los, los. Wir haben nicht viel Zeit. Du hast doch deine Zunge nicht nur zum Sprechen.“

Er tat sein Bestes. Indessen sie im Winkel angekommen waren und auf die Heuballen niedersanken, schwang Lea ihren Rock und öffnete ihre Schenkel. Tatsächlich hatte der Junge wenig Erfahrung. Ehe er sich versah, drang er dank ihrer geübten Gesten in sie ein und verfolgte mit steigerndem Verlangen ihre Bewegungen auf seinen Lenden. Ihre Brüste wippten, das Haar schimmerte im einfallenden Tageslicht, während sie in höchster Lust auf ihm ritt. Er sah aus als erlebte er dieses Entzücken zum ersten Mal.

„Mach mir einen akzeptablen Preis für die Mähre! Meiner Tochter scheint sie zu gefallen!“, keuchte sie.

Tatsächlich wirkte Albano – er war wie sein Pferd portugiesischer Herkunft – so verzückt, als habe er noch bei keiner Frau solch heißes Begehren erlebt. Er sah aus als durchströmten ihn die köstlichsten Gefühle.

„Ich mach dir den halben Preis, wenn du mich noch öfters an deinen herrlichen Körper lässt!“, stöhnte er und schnappte nach ihren Brustwarzen. Lea war ganz in ihrem Element. Das vor Lust erhitzte Gesicht des jungen Mannes unter ihr entzückte sie, der geschmeidige Ritt erregte sie in höchstem Maße und keuchend galoppierte sie weiter. Dann schrie sie leise auf, sank mit einem stöhnenden, ausgedehnten Seufzer auf seine Brust nieder und grunzte gesättigt, während sich der arme Junge ungeschickt in ihr weiterbewegte. Als auch er ermattet zurückfiel, richtete sich Lea abrupt auf. Sie streifte ihre Kleidung zurecht, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Albano war ebenfalls aufgestanden und zog die Hose hoch.

„Einverstanden! Der halbe Preis! Und ich führe dich in ein Spiel ein, das du noch dürftig beherrschst. Mit dem hier!“, sie griff in den Hosenschlitz und nahm sein Glied erneut in die Hand „kannst du jeder Frau das Leben versüßen, wenn du deine Sache verstehst und nicht nur an dein eigenes Wohl denkst. Dieses Spiel ist die Freude der Armen. Spielen wir es gekonnt!“

Albano erbebte und nickte heftig.

„Ich wohne in Saint-Ouen im Haus des Verhörvollstreckers.“

Beim Erwähnen des Wortes Verhörvollstrecker zuckte Albano zusammen und wurde blass. Lea bemerkte es nicht und redete weiter:

„Komm alle Tage und gib meiner Tochter fleißig Reitstunden. Ich werde dich mit meinem Hintern so gut bezahlen, dass du noch im Alter von mir träumen wirst, du Grünschnabel.“

4. Kapitel

Vier Jahre später. 1786

An einem Abend im März brach Karl Sanson, der Verhörvollstrecker, beim Abendessen am Tisch zusammen. Sein Kopf schlug auf den Tonteller, aus dem die Suppe spritzte, schwer fielen die Arme rechts und links am Körper herab und ein fürchterliches Ächzen erschütterte seine Brust. Bestürzt schnellte Lea von ihrem Stuhl hoch und beugte sich über ihn. „Was ist mit dir, Karl?“, schrie sie gellend. Karl rührte sich nicht und Panik ergriff Lea. Scharf befahl sie Frieda, ihr zu helfen, den Ohnmächtigen zum Bett zu schleppen und bat Philippine in milderem Ton, einen Arzt zu holen.

Das Mädchen rannte in den Schuppen und verlangte von ihrem Pferd das, was ihm Albano beigebracht hatte und was das Mädchen mittlerweile beherrschte: Es schlug sanft gegen seine Vorderhufe, damit es in die Knie ging und Philippine aufsteigen konnte. In Windeseile jagte sie in den Ortskern von Saint-Ouen, wo der Arzt wohnte. Er war ein guter Freund des Verhörvollstreckers, weil dieser ihm zahlreiche Kunden zukommen ließ, deshalb trödelte er auch nicht, sondern sattelte seinen alten Klepper und ritt sogleich mit dem Mädchen zurück. Während Philippine in den Stall ging und sich um Vraem kümmerte, trat der Arzt ins Haus. Karl hatte sich mittlerweile etwas erholt. Ruhig ließ er des Doktors Untersuchungen über sich ergehen.

„Es muss wohl eine Herzattacke gewesen sein!“, diagnostizierte der Mediziner. „Es klopft unregelmäßig und die Atmung ist hektisch.“

„Wie bekommt man so eine Attacke?“

„Er arbeitet zu viel. Ist angestrengt, leidet unter seiner Tätigkeit. Vielleicht gehen ihm die wimmernden Opfer zu sehr zu Herzen.“

Bleich und mit zitternden Händen streichelte Lea den Kopf ihres Mannes. „Kann es auch von etwas anderem kommen?“, bei diesen Worten bugsierte sie den Arzt aus der Schlafkammer.

„Man kann ein Herz auch durch üble Nahrung lahm legen. Hast du ihm etwa ein wenig Säure in die Suppe gekippt, damit du mehr Freiheiten genießen kannst?“ Kaum waren sie allein, klopfte er der jungen Frau dreist auf den Hintern. Wütend stieß sie seine Hand weg. Ungern erinnerte sie sich daran, dass sie es auch mit ihm schon mehrmals getrieben hatte. Einmal im Schuppen wo nun Vraem stand. Ein andermal an den Ufern der Seine und ein drittes Mal bei ihm zu Hause, während seine Frau in der Apotheke Rezepte mischte. Das Feuer in ihrem Hintern war nicht zu löschen und je öfter sie es trieb, um so mehr gelüstete sie danach. Seitdem sie nach einer verpfuschten Abtreibung durch eine Engelmacherin unfruchtbar geworden war, betrachtete sie ihren Schoß nur noch als Lustquelle.

„Nimm’s mir nicht übel, Lea! Ich würde dich niemals verdächtigen, deinen Alten abmurksen zu wollen. Er taugt zwar im Bett nicht, aber er bringt Geld. Denn Geld lässt sich nicht so leicht beschaffen, auch nicht mit solch einem saftigen Hintern wie dem deinen!“

Blitzschnell fasste er unter ihren Rock. Angewidert stieß ihm Lea ihr Knie in die Hoden. Er schrie gepeinigt auf.

„Du Luder!“ Er ohrfeigte sie. „Sei froh, dass ich deinen Alten nicht von deinem Lotterleben erzähle. Er würde geradewegs ins Grab sinken, vor Scham, mit solch einer Hure verheiratet zu sein.“

„Ich bin keine Hure!“ Sie spuckte ihm ins Gesicht. „Merk dir ein für allemal, dass dir mein Körper nicht mehr zur Verfügung steht. Ich bin sehr wählerisch geworden.“

Bedächtig wischte sich der Arzt den Speichel von der Wange, dann verzog er seinen Mund zu einem breiten Grinsen, aus dem im nächsten Moment ein höhnisches Wiehern dröhnte.

„Wählerisch! So weit ich informiert bin, hat sich halb Saint-Ouen an deinem Hintern gütlich getan. Das ist nicht sehr wählerisch.“

„Meistens waren es junge, ansehnliche Männer und nicht solch grobschlächtige Kerle wie du.“

„Ach, geh zum Teufel, dummes Weibsstück!“ Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um. „Gib deinem Mann, dem armen Kerl, keinen Alkohol, lass ihn Milch und Suppe trinken, aber misch kein Hexenkraut darunter und koche das Trinkwasser gut ab. Schick mir morgen Philippine. Ich werde eine Medizin brauen lassen, die ihn wieder auf die Beine bringt.“

Schnell duckte sich Philippine hinter das hohe Fass, das neben dem Eingang stand, damit der Arzt sie nicht sehen sollte. Sie war vom Geschrei der beiden angelockt worden und hatte, in der Annahme, es ginge um den Zustand ihres Vaters, ins Haus gehen wollen. Im letzten Moment hielt sie inne und wurde dabei unfreiwillig Zeugin der derben Unterhaltung. Nicht zum ersten Mal erlebte und hörte sie Dinge, die die dunklen Seiten ihrer Mutter ans Licht zerrten. Bis heute hatte sie nichts davon geglaubt. Lästermäuler sind es, die meine Mutter schlecht machen wollen. Böse Zungen, die ihr die Schönheit neideten. Weit und breit gibt es keine Frau, die mit dreiunddreißig Jahren und nach sechs Geburten noch so blüht. So dachte Philippine bisher. Heute jedoch fiel der Zweifel auf fruchtbaren Boden. Er fing an zu keimen.

Philippine wartete eine Weile, bevor sie ins Haus trat. Der Raum war leer. Jedenfalls sah es zunächst so aus. Doch da entdeckte sie Frieda. Verborgen kauerte sie in einem Winkel des Zimmers und zitterte.

„Was ist mit dir, Schwester? Warum zitterst du am ganzen Leib?“

„Ich habe Angst!“, stotterte die Ältere. Ihre Zähne schlugen gegeneinander, ihre Lippen zuckten und aus aufgerissenen Augen starrte sie die jüngere Schwester an.

„Ist es wegen Vater? Hast du Angst um sein Leben?“

Mit versteinertem Gesicht nickte Frieda. Beruhigend streichelte Philippine über Friedas Haar und sagte:

„Die Medizin wird ihm helfen. Bald ist er wieder gesund.“

Da schüttelte Frieda den Kopf. Unaufhörlich schüttelte sie ihn, immer heftiger und wilder als machte er sich selbstständig, als wollte er sich von ihrem Körper lösen. Dabei stieß sie zerrissene Sätze aus.

„Wir müssen uns ... in Acht nehmen! Vater ... Alberta ...!“

„Alberta? Was ist mit Alberta?“

„Spazieren! Spazieren!“ Frieda wiegte den Kopf hin und her wie eine Schwachsinnige. Besorgt kniete sich Philippine neben sie, rüttelte sie und fragte, wo sie Alberta gesehen habe.

 

„Im Wald, im Wald. Das Moor ...!“

Philippine standen die Haare zu Berge.

„Sie ist bis zum Moor gegangen?“

„Nein, nein ... nur bis zum Weiher!“

„Oh, der ist an manchen Stellen tückisch. War sie allein?“

Frieda schüttelte den Kopf. Dann wurde sie mit einem Mal kreidebleich. Schritte waren zu hören. Zitternd duckte sie sich tiefer in den Winkel, während die Jüngere rasch zur Tür humpelte und so tat, als sei sie eben eingetreten.

„Wie geht es Vater?“, rief sie der entgegenkommenden Mutter zu.

„Er ist bei Besinnung!“, antwortete Lea nervös. „Kümmere dich um ihn. Ich laufe kurz auf den Markt und hole Fleisch, damit er wieder zu Kräften kommt.“

„Fleisch!“, wiederholte Philippine leise für sich. „Woher nimmt sie nur immer das Geld dafür?“ Fragend sah sie ihr nach. Indessen war Frieda aus ihrem Winkel gekrochen.

„Ich weiß es, aber ich darf es dir nicht sagen.“

Heftig drehte sich Philippine zu Frieda um. Aus panisch geweiteten Augen sah die Ältere auf die Jüngere. Um die verängstigte Schwester nicht noch mehr zu verschrecken, sagte sie ruhig:

„Wenn es dir solche Angst macht, es mir zu verraten, dann behalte es eben für dich. Aber sage mir dann, mit wem Alberta zum Weiher gegangen?“

„Niemals!“, schrie Frieda. „Niemals!“, wiederholte sie angstgelähmt. „Frage mich nie mehr danach, wenn dir mein Leben lieb ist!“, stieß sie heftig hervor und stürzte davon.

*

Auf dem Weg zum Markt kam Lea am Pfarrhaus vorbei. Sie hatte es vor gut einem Jahr zum ersten Mal betreten. Unwillkürlich blieb sie stehen und starrte auf die schiefe Haustür. Damals wollte sie wissen, ob Pfarrer Roumanet etwas für sie tun könne. Es sei lebenswichtig.

„Alles was dem Leben dient, soll auch mein Dienst sein!“, hatte der schmalbrüstige Gottesmann geantwortet.

„Dann lehrt meiner Tochter Lesen und Schreiben und sorgt dafür, dass ihr verkrüppelter Fuß seine natürliche Form zurückbekommt. Dein Gott hat meinem Kind ein schönes Gesicht, aber einen hässlichen Fuß in die Wiege gelegt. Das nehme ich nicht hin. Ich will Mittel und Wege kennen, diese grässliche Entstellung aus der Welt zu schaffen und wenn ich dabei den Teufel herausfordern muss.“ Wie es ihre Gewohnheit war, hatte Lea die Hände in die Hüften gestemmt und dabei ihre Brüste zur Geltung gebracht. Pfarrer Roumanet hatte zunächst verwirrt reagiert und war zurückgewichen. Bald jedoch hatte er sich gefangen und gesagt:

„Schick mir deine Tochter zum Unterricht. Was ihre Entstellung angeht werde ich mich kundig machen.“

Eilig hatte er sich daraufhin entfernt und Lea war unzufrieden gegangen. Seit dieser Zeit lernte Philippine bei ihm Lesen und Schreiben. Für ihren Fuß jedoch hatte er bis heute nichts getan.

„Ich sollte ihm in seinen knochigen Hintern treten, damit er merkt mit wem er es zu tun hat.“ Sie spuckte aus und ging weiter in Richtung Markt.

„Nicht jetzt, du verschwitzter stinkender Gottesmann. Aber bald! Sehr bald werde ich kommen und dich gesalzen an dein Versprechen erinnern. So leicht wird man Lea nicht los!“

Lea kaufte einen Kalbskopf, Lebertran, Mehl und Eier. Den Einkauf verstaute sie in ihrem Korb, den sie sich auf den Rücken schnallte. Dann strebte sie durch das Gewirr der Händler und Marktschreier auf eine enge Gasse zu. Vor einem schiefen unwirtlichen Gebäude mit schmutziger Fassade hielt sie an. Sie stieß die Haustür zurück und stieg eine abgewetzte Treppe hinauf. Das Geräusch ihrer Schritte verscheuchte eine fette Ratte, die zwischen Leas Füßen ins Freie witschte.

Merlen – seit zwei Wochen ihr Liebhaber und Komplize – wohnte direkt unterm Dach in einer miserablen Mansarde. Wie Lea träumte er von einer rosigen Zukunft. Da er faul war, weder lesen und schreiben konnte, noch sonst eine Arbeit zufriedenstellend verrichtete, hatte er sich auf das älteste Gewerbe der Welt spezialisiert. Anfangs hatte er sich Provinzmädchen gehalten, die anschafften. Das eingenomme Geld frischte seinen Verdienst als Knecht eines Hufschmieds ein wenig auf, reichte allerdings nicht aus, die Arbeit beim Hufschmied aufzugeben. Erst mit Lea fing das Geschäft an zu blühen. Lea wusste worauf es ankam. Lea hatte das Gespür für Feinheiten und sie lehrte ihn den Unterschied von Quantität und Qualität zu bedenken. „Zwei gute, wollüstige Weiber bringen dir mehr ein, als vier, die nur die Beine spreizen!“, hatte sie erklärt und Merlen glaubte ihr. Wieso hätte er an ihren Worten zweifeln sollen, war sie doch selbst der beste Beweis dieser Aussage?

„Bevor wir vom Geschäft reden, wollen wir es miteinander treiben. Hätte ich dich, nachdem Albano uns verlassen hatte, nicht ausfindig gemacht, würde ich eingehen. Ich brauche den täglichen Ritt wie die Blume das Wasser, mein Hengst. Denke schon seit Stunden an nichst anderes.“ Während sie redete, knöpfte sie ihre Bluse auf und streifte sie ab. Sie gab Merlen, der bei ihrem Eintreten von seinem Bett aufgesprungen war, einen kräftigen Schubs, so dass er zurück in die Laken fiel. Im Handrumdrehen hatte sie seine Hose geöffnet und ihren Rock geschürzt.

Eine halbe Stunde später lagen sie ermattet und schweißgebadet auf dem Rücken.

„Ich sage es dir noch einmal: Meine dumme, feiste Tochter wird unsere Kassen füllen. Ich schwöre es! Aber dazu brauch ich dich, mein Junge. Du musst ihren Hintern arbeitsfähig machen. Noch ist er nichts weiter als ein breiter Hintern, den sie nutzlos durch die Gegend schiebt.“ Lea lachte hämisch.

„Einfach wird das nicht sein. Ich habe deine Frieda einmal gesehen und nichts Aufreizendes an ihr gefunden. Sie ist eher abstoßend!“

„Du wagst es?“ Lea richtete sich ein wenig auf und drohte ihm mit der Faust. Merlen packte das Handgelenk der Frau, sah sie entschuldigend an und flüsterte:

„Wer ein Weib wie dich gekannt hat, wird wählerisch!“ Er zwinkerte. Leas Arm sank aufs Bett zurück. „Dennoch muss ich dich warnen. Das Mädchen hat ein dämliches Gesicht und dieses grässliche Muttermal auf der Wange. Wie willst du mit dieser Kreatur deine Kassen füllen? An ihr werden nur Hungerleider Geschmack finden. Arme Schweine, die nichts Besseres bekommen können. Das ist nicht unser Ziel.“ Verwegen blickte er sie an. Durch Lea ging ein Ruck. Sie stand auf, stellte sich in ihrer ganzen Nacktheit vor ihm auf und stemmte die Hände in die Hüften.

„Ich habe dich für klüger gehalten. Aber du scheinst ein Schwachkopf zu sein, nicht halb so klug wie das Eisen, das du schmiedest.“ Verächtlich spuckte sie vor ihm aus. „Was geht dich ihr dämliches Gesicht an? Was geht euch Mannsbilder überhaupt das Gesicht an, wenn ihr nichts weiter wollt als einen guten Ritt. Glotzt du einem Pferd ins Gesicht? Einer Kuh in die Augen oder einer Ziege auf ihre geschwungenen Lippen? Frieda hat prächtige Schenkel, feste Brüste und einen jungfräulichen, hungrigen Schoß, der darauf wartet, gemästet zu werden. Und zwar von dir, du Gimpel, weil du – so dumm du auch sonst sein magst – auf dem Gebiet deine Sache gut machst. Jeder andere würde sich auf mein Angebot stürzen, aber ich will dich. Statt ihren Schoß zu Schanden zu reiten wirst du ihn gierig machen! Genau das brauchen wir. Stimme du ihren Körper ein, während ich ihr Hirn einstimme und höre auf zu Jammern. Ich habe Frieda erklärt, dies sei ein Gewerbe wie jedes andere. Leider stellt sie sich verdammt moralisch an. Glaubt an Liebe, glaubt an einen sanften Mann, der sie befruchtet und sie dann mit auf sein Schloss nimmt. Ha, dass ich nicht lache. Alles Firlefanz! Die Menschen sind verdorben. Sie kennen nur ihren eigenen Nutzen und trampeln über dich hinweg, wenn du ihnen im Weg bist. Du musst es ihnen gleich tun, sonst überlebst du nicht. Ich weiß, wovon ich rede.“