Der Schreibzeitplan: Zeitmanagement für Schreibende

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Selbstverpflichtung

Falls Sie motiviert sind, Ihren persönlichen Schreibzeitplan zu finden, schlage ich vor, dass Sie sich dazu verpflichten. Sie übernehmen die Verantwortung für den Aufbau und die Aufrechterhaltung Ihres Schreibzeitplans. Sie verpflichten sich selbst, eine neue und zu Beginn fordernde Gewohnheit aufzubauen: nach Plan regelmäßig zu schreiben.

Diese Selbstverpflichtung können Sie auf verschiedene Arten zu einem gewissen Grad verbindlich machen. Grundlegende Voraussetzung ist, dass Sie sich selbst gegenüber verpflichten. Sie können diese Selbstverpflichtung beispielsweise in Ihrem eigens dafür reservierten Notizheft oder in Ihrer Computerdatei schriftlich festhalten. Es kann aber auch hilfreich sein, anderen Personen davon zu erzählen. Während die Motivation noch immer von Ihnen kommt, schadet es nicht, wenn Sie von Ihren Freundinnen und Kommilitonlnnen hin und wieder auf Ihren Schreibzeitplan angesprochen werden. Es geht zwar nicht darum, es anderen Recht machen zu wollen. Wenn Sie jedoch merken, dass sich andere für Ihre Arbeitsweise interessieren, kann Sie das zusätzlich motivieren. Zudem geben Ihnen Nachfragen wiederholt Anlass, Ihr Vorhaben zu reflektieren.

Sie können noch einen Schritt weitergehen, indem Sie mit anderen Schreibenden eine Gruppe bilden, in der der Schreibzeitplan das einzige Thema bildet (dazu mehr in Schritt 6). Zu beobachten, wie andere ihren Schreibzeitplan verwirklichen und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, kann alle in der Gruppe in ihren Bestrebungen unterstützen.

[19] Zum Weiterlesen über …

Automatisches Schreiben

■ Elbow, Peter (1998): Writing with Power. Techniques for Mastering the Writing Process. New York/Oxford: Oxford University Press. (Kap. 1.2)

■ Scheuermann, Ulrike (2016): Schreibdenken. Schreiben als Denk- und Lemwerkzeug nutzen und vermitteln. (UTB 3687). Opladen/Toronto: Verlag Barbara Budrich.

■ Wolfsberger, Judith (2010): Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. (UTB 3218). Wien: Böhlau Verlag. (S. 141–142)

Schreiben als Schlüsselkompetenz

■ Frank, Andrea; Haacke, Stefanie; Lahm, Swantje (2007): Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf. Stuttgart/Weimar: Verlag J. B. Metzler.

■ Kruse, Otto (2010): Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium. (UTB 3355). Konstanz: UVK.

■ Nünning, Vera (Hrsg.) (2008): Schlüsselkompetenzen: Qualifikationen für Studium und Beruf. Stuttgart/Weimar: Verlag J.B. Metzler.

[21] Schritt 2:
Definieren, wie viel Zeit Sie brauchen


[22] In Schritt 2 erstellen Sie einen Wochenplan (oder optimieren einen bestehenden), damit Sie wissen, an welchen Tagen Sie um welche Uhrzeit für wie lange schreiben. Ich stelle Ihnen zwei Hauptvorgehensweisen vor und zeige Ihnen, wie andere ihre Schreibsitzungen festgelegt haben. Mit Schreibsitzung meine ich das geplante und klar definierte Zeitfenster, in dem Sie schreiben.

Warum nicht auch das Schreiben planen?

Ein Wochenplan gibt Ihnen ein klares Arbeitsmuster vor, anhand dessen Sie sehen, wann Sie was tun. Studieren Sie, haben Sie einen Stundenplan, der Ihnen sagt, wann welche Vorlesungen und Seminare stattfinden. Unterrichten Sie an einer Schule oder Universität, dann werden Sie sich einen Plan Ihrer Veranstaltungen, Sitzungen und sonstigen Termine erstellen. Für verbindliche Aktivitäten mag es Ihnen einleuchten, weshalb Sie planen müssen. Weshalb nicht auch beim Schreiben?

Schreiben bildet einen wichtigen Teil Ihrer Ausbildung oder Ihres Berufs. Mit Schreiben meine ich nicht nur das eigentliche Verfassen eines Textes, sondern auch alle Arbeiten, die zur Vor- und Nachbereitung nötig sind (siehe Schritt 4). Deshalb ist es nicht abwegig, dieser bedeutenden Tätigkeit genauso Zeit einzuräumen wie für andere Aktivitäten. Unabhängig davon, ob Sie den Schreibzeitplan nur für eine begrenzte Zeit benötigen, weil Sie Ihre Abschlussarbeit schreiben, oder ihn langfristig verwenden wollen: In beiden Fällen lohnt es sich, mithilfe eines Wochenmusters regelmäßig zu schreiben. Es spielt dabei keine Rolle, wie viele Stunden Sie mit Schreiben verbringen. Viel wichtiger ist, dass Sie es regelmäßig tun. Wenn Sie in einem selbst definierten Rhythmus schreiben, wird das Schreiben zu einer Gewohnheit. Sie wissen immer, wann Sie schreiben, ohne sich Sorgen über verlorene oder fehlende Zeit machen zu müssen. Schreiben wird zu einer Routine, die sich allmählich in Ihren Arbeitsalltag eingliedert. Der Weg dahin mag phasenweise holprig sein. Das ist jedoch lediglich Ausdruck davon, dass Sie sich mit einer neuen Gewohnheit auseinandersetzen.

Während der Aufbau eines Schreibzeitplans ein schwieriges Unterfangen darstellen kann, hat er ebenso positive Wirkungen. Vielleicht gehören Sie zu denjenigen Menschen, die Schreibaufgaben hinauszögem, weil sie über keine Zeitplanung verfügen, und diese schließlich in intensiven, über Stunden dauernden Schreibphasen [23] kurz vor Abgabefrist abarbeiten. Ich spreche von Schreibexzessen, die Sie auslaugen und kaum für die nächste Schreibaufgabe motivieren. Mit einem Schreibzeitplan können Sie solche Exzesse, die meistens am Abend, in der Nacht oder am Wochenende stattfinden, vermeiden. Ihr Zeitplan, vorausgesetzt er wird eingehalten, lässt es nicht zu Exzessen kommen, weil Sie die Schreibaufgabe stufenweise während den geplanten Schreibsitzungen und innerhalb der Frist erledigen. Es hängt nun davon ab, wie Sie Ihren Schreibzeitplan gestalten, damit Sie Ihre Freizeit, Wochenenden und Ferien nicht mit der Arbeit an Texten verbringen müssen – außer Sie wollen es so.

Ich schlage vor, dass Sie für die Planung Ihrer Schreibsitzungen die übliche Arbeitswoche und einen normalen Arbeitstag als Ausgangspunkt nehmen: Montag bis Freitag, 08:00 bis 18:00 Uhr. Entscheiden Sie selbst, ob Sie darüber hinaus Zeitfenster benötigen. Das hängt zum Teil von Ihren übrigen Verpflichtungen, aber auch Ihren Vorlieben für Arbeitszeiten und Ihrem Biorhythmus ab. Sind Sie jedoch unter anderem fürs Schreiben angestellt und bezahlt, dürfen Sie guten Gewissens Schreibsitzungen während Ihrer Arbeitszeit einbauen.

Negative Bestimmung Ihres Wochenplans

Die negative Bestimmung stellt eine von zwei Vorgehensweisen dar. Negativ ist hier aber nicht mit schlecht gleichzusetzen. Es handelt sich vielmehr um ein Ausschlussverfahren, mit dem Sie feststellen, wann Sie in Ruhe schreiben können. Es lohnt sich, wenn Sie schrittweise Vorgehen. Alles auf einmal erledigen zu wollen, erweist sich nicht nur beim Schreiben als frustrierend oder gar unmöglich, sondern auch bereits beim Planen.

Nehmen Sie Ihre Agenda, Stundenpläne und anderen Zusammenstellungen mit Terminen zur Hand. Im Moment interessieren Sie sich nur für wiederkehrende Termine, die zum Beispiel wöchentlich oder zweiwöchentlich anstehen. Beginnen Sie zuerst mit den Terminen und Verpflichtungen, denen Sie unbedingt nachkommen müssen und wollen: Ihre Arbeit, mit der Sie Geld verdienen; Lehrveranstaltungen und andere Kurse; Freizeitaktivitäten wie Klavierstunden oder Sport und auch wiederkehrende Familienaktivitäten.

[24] Erstellen Sie nun eine einfache Wochenübersicht (siehe Abb. 1 unten), auf der Sie pro Tag und für jede Stunde diese Termine und Aktivitäten eintragen können.

Anschließend notieren Sie alle Aktivitäten, die in festem Turnus wiederkehren, aber weniger wichtig und verbindlich als die vorherigen Termine sind. Vielleicht treffen Sie sich regelmäßig mit Kommilitonlnnen zum Kaffee oder Sie lesen immer zur gleichen Zeit die Zeitung in der Bibliothek. Was es auch ist, tragen Sie es in den Wochenplan ein. Falls es weitere Dinge gibt, die bisher nicht in Frage gekommen sind, erfassen Sie auch diese. Je genauer Sie den Wochenplan füllen, desto realistischer werden Sie Ihre Schreibsitzungen planen können. Sie wollen auf jeden Fall vermeiden, dass Sie etwas Wichtiges vergessen haben, das in zwei Wochen Ihren gesamten Schreibzeitplan durcheinander bringt.

Vor Ihnen liegt nun eine Wochenübersicht, die mit Aktivitäten und Terminen gefüllt ist. Überdenken Sie nun die Zusammenstellung und fragen Sie sich, welche Aktivitäten Sie verschieben, verkürzen oder ganz weglassen könnten. Berücksichtigen Sie dies im Hinblick darauf, wann Sie Ihre Schreibzeiten einplanen können. Denn nun müssen Sie herausfinden, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten Sie wie lange für eine Schreibsitzung reservieren wollen. Das hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab, die Sie beachten sollten:

Wann fühlen Sie sich wach und energiegeladen? Wann ist Ihre Tagesform am besten?

Wann können Sie ungestört arbeiten? Das heißt auch, wann können Sie es sich leisten, Ihre E-Mails nicht abzurufen, SMS nicht zu beantworten und Telefonate nicht entgegenzunehmen?

Wann können Sie sich im Hinblick auf das, was Sie vor- und nachher erledigen, auf eine Schreibaufgabe konzentrieren?

Wann lenken Sie vorangegangene oder kommende Termine ab?

Kommen für Sie noch weitere Faktoren in Frage, ziehen Sie sie unbedingt in Betracht. Ihr Ziel sollte sein, Tage und Zeiten zu finden, an denen Sie sich Ihren Schreibaufgaben zu den für Sie besten Bedingungen widmen können. Es ist Ihre Schreibzeit, die Sie reservieren. Planen Sie nichts, von dem Sie bereits in der Planungsphase wissen, dass es nicht klappen wird. Seien Sie so realistisch und ehrlich wie möglich. Sie alleine müssen Ihren Schreibzeitplan einhalten können.

 

[25] Abb. 1: Beispiel einer Wochenübersicht

Positive Bestimmung Ihres Wochenplans

Bei der positiven Bestimmung Ihres Zeitplans starten Sie genau mit dem Punkt, mit dem die negative aufhört. Sie fragen sich, wann Sie gerne schreiben würden. Auch wenn die oben genannten Faktoren, die Sie beachten sollten, gleichermaßen gelten, geht es primär um Ihre Zeitwünsche. Schreiben Sie gerne früh am Morgen oder nach dem Mittagessen? Schreiben Sie am liebsten am Montag und Mittwoch oder lieber nur Ende der Woche? Bei dieser Herangehensweise dürfen Sie vorerst ohne Rücksicht auf andere Verpflichtungen entscheiden, wann Sie sich hinsetzen und schreiben wollen. Tragen Sie die gewünschten Schreibzeiten in eine leere Wochenübersicht ein.

Zweifellos müssen Sie Ihre Verpflichtungen einbeziehen. Aber der Zweck der positiven Bestimmung liegt darin, dass das Schreiben eine hohe Priorität in Ihrer Arbeitswoche erhält und Sie wann immer möglich Ihre übrigen Termine daran anpassen. Dieser Ansatz lohnt sich besonders, wenn Sie eine größere Schreibaufgabe wie eine Bachelor-, Master- oder Doktorarbeit planen. Eine solche Arbeit beansprucht einen Großteil Ihrer Zeit. Für Monate [26] oder Jahre werden Sie ihr eine hohe Priorität zuschreiben müssen. Sie tun deshalb gut daran, Ihre Schreibzeit Ihren Wünschen entsprechend zu realisieren und zu verteidigen.

Kennen Sie Ihre Wunschzeiten fürs Schreiben, richten Sie andere Verpflichtungen wie Arbeit, Ausbildung und Freizeit falls realisierbar danach aus. In einigen Fällen wird Ihnen das besser gelingen als in anderen. Es geht darum, dass Sie Ihren Wünschen entgegenkommen. Können Sie sie nicht vollständig, sondern nur teilweise umsetzen, betrachten Sie dies trotzdem als Gewinn. Zeitpläne verändern sich immer wieder, also kommen Sie Ihrem idealen Schreibzeitplan vielleicht später einmal näher.

Sie können nun Ihre wiederkehrenden Termine und Verpflichtungen rund um Ihre Schreibsitzungen planen. Am Ende haben Sie einen Wochenplan, der Ihnen einerseits zeigt, wann Sie schreiben können, weil Sie dann schreiben wollen. Andererseits zeigt er Ihnen, wann Sie aufgrund anderer Verpflichtungen einen Kompromiss eingehen müssen.

Falls es Ihnen geht, wie einigen meiner Klientinnen, allen voran Promovierenden, könnten sich Ihre Verpflichtungen wöchentlich ändern. Sie haben keine Kontrolle darüber, ob und wann eine Sitzung stattfindet, wann das Labor für Ihr Experiment frei ist oder wann jemand Zeit für ein Interview hat. In solchen, unvorhersehbaren, fremdbestimmten Fällen, dürfen Sie sich optionale Zeitfenster geben: Wenn die Sitzung stattfindet, schreiben Sie nicht; wenn sie nicht stattfindet, schreiben Sie für die geplante Zeit. Damit Ihr Zeitplan nicht mit optionalen Schreibsitzungen gefüllt ist, sollten Sie zum Ausgleich ein paar vorsehen, die tatsächlich im Wochenrhythmus stattfinden, ohne dass diese von unerwarteten oder spontanen Termine vereinnahmt werden.

Wie lange wollen Sie schreiben?

Die beiden Vorgehensweisen können Ihnen helfen, systematisch Ihre Schreibzeiten zu bestimmen. Sie werden selbst merken, ob Ihnen die eine oder andere Art besser liegt. Wenn Sie so Vorgehen, machen Sie sich Ihre zeitlichen Ressourcen bewusst und erhalten einen klaren Überblick. Mit der Zeit werden Sie intuitiver planen und dabei beide Verfahren gemischt anwenden. Aber wie Sie auch Vorgehen, eine realistische und umsetzbare Zeitplanung braucht Übung.

[27] Erlauben Sie sich in den ersten Wochen mit Ihrer Planung zu experimentieren und beobachten Sie sich. Richten Sie einen klaren Blick auf Ihre Schreibgewohnheiten. Ihre Beobachtungen können Sie in einer Art Schreibtagebuch in Ihrem Notizheft oder Ihrer Datei festhalten.

Reflexion über längere Zeit

Halten Sie im Schreibtagebuch fest, wie Sie Ihren Schreibzeitplan umsetzen und was dabei funktioniert und was nicht. Notieren Sie, unter welchen Bedingungen Sie eine Schreibsitzung zufriedenstellend durchführen konnten und unter welchen nicht. Vielleicht finden Sie heraus, dass es wiederkehrende Umstände oder Gewohnheitsmuster gibt, die Sie beim Schreiben unterstützen oder bremsen (siehe auch die Reflexionsübung in Schritt 8). Ihre Beobachtungen bieten Ihnen also eine Basis zur Reflexion Ihrer Gewohnheiten und deren Veränderung. Sobald Sie Ihre Schreibsitzungen wie geplant einhalten können, werden sich auch die kleinen Erfolgserlebnisse und die Motivation einstellen.

Nehmen Sie diese Experimentier- und Beobachtungsphase nicht als Ausrede, Ihren Zeitplan jede Woche oder noch öfter zu verändern. Das könnte dazu führen, dass Sie diese Phase ausdehnen und zu keinem (vorläufig) verbindlichen Schreibzeitplan finden. Um das regelmäßige Schreiben als neue Gewohnheit kultivieren zu können, müssen Sie sich über längere Zeit an einen Plan halten. Nur so finden Sie heraus, wo es noch Probleme gibt, die Ihrem Vorhaben im Weg stehen und die Sie lösen müssen. Geben Sie also nicht gleich beim ersten Anzeichen von Widerstand auf. Finden Sie stattdessen heraus, wann und wieso Schwierigkeiten auftauchen. Vielleicht sind es lediglich die natürlichen Reflexe Ihrer alten Gewohnheiten, die Sie zu verändern versuchen.

Je nach Planungsvorgehen, wird sich die Dauer Ihrer Schreibsitzungen entweder von selbst ergeben oder Sie bestimmen sie. Oft denken Schreibende, dass sie Zeitblöcke von mehreren Stunden benötigen, um richtig ins Schreiben zu kommen und Konzentration aufzubauen. Häufig zeigt sich aber, dass ihnen nie so viel Zeit zur Verfügung steht. Aus diesem Grund meinen sie, keine Zeit fürs Schreiben zu haben. In der Regel stellt sich heraus, dass dies nur eine, wenn auch hartnäckige Ausrede ist (siehe Schritt 10). Würden [28] sie ihre Gewohnheiten verändern, könnten sie in vielen Fällen auch für kürzere Zeit schreiben.

Wenn Sie also der Meinung sind, dass Sie ganze vier Stunden zum Schreiben benötigen, Sie aber unter der Woche über kein so großes Zeitfenster verfügen, so überdenken Sie Ihre Zeitbedürfnisse. Vielleicht reicht Ihnen mit etwas Übung eine Stunde aus. Oder es geht Ihnen wie einigen der Klientinnen von Robert Boice (1990: 14), die mit nur kurzem, regelmäßigem Schreiben mehr produziert haben als erwartet (der Psychologe B.F. Skinner spricht sogar von nur 15 Minuten für den Anfang; Skinner 1997: 80). Deshalb nochmals: Es spielt keine große Rolle, wie lange Sie schreiben, sondern dass Sie es regelmäßig tun. Im Extremfall folgen Sie sogar dem Motto „Nulla dies sine linea“ – kein Tag ohne Linie –, das nicht nur für Künstlerinnen, sondern auch für Schreibende seine Gültigkeit haben kann (siehe Trollope 1999: 227; Skinner 1997: 80; Murray 2004: 26).

Bevor Sie die Dauer Ihrer Schreibsitzungen bestimmen, sollten Sie folgende Fragen beachten:

Wie lange können Sie fokussiert schreiben, ohne zu ermüden?

Wann ist Ihre Energie aufgebraucht und wird die Arbeit zur Belastung?

Wie lange sind Sie motiviert zu schreiben?

Schreibende neigen dazu, bei Ihrem ersten Zeitplan zu lange Schreibsitzungen zu planen. Sie nehmen sich vier Stunden vor, weil sie gerne so lange schreiben möchten oder weil sie denken, dass sie so viel Zeit für die Bewältigung der Schreibaufgabe benötigen. Nach einer oder eineinhalb Stunden schreiben stellen sie jedoch fest, dass sie bereits ausgelaugt sind und keinesfalls weitere drei Stunden, wie geplant, arbeiten können. Entweder sie brechen die Schreibsitzung frühzeitig ab oder sie beginnen andere, nicht geplante Aufgaben zu verfolgen. Damit riskieren sie, sich zu verzetteln. In beiden Fällen werden sie frustriert sein, weil sie ihr Ziel nicht erreicht haben. Womöglich graut es ihnen bereits vor der nächsten langen Schreibsitzung.

Michelle beispielsweise orientierte sich an ihren Kolleginnen, die scheinbar den ganzen Tag an ihrer Arbeit schreiben konnten. Sie versuchte ebenso lange zu schreiben, merkte jedoch bald, dass sie bereits nach wenigen Stunden müde war und sich nicht mehr konzentrieren konnte. Sie zweifelte an ihren Fähigkeiten, weil sie die Einzige zu sein schien, die nicht den ganzen Tag fokussiert [29] arbeitete. Sie meinte, dass die Arbeitsweise der anderen Schreibenden normal sei und nahm sich diese als Vorbild. Inzwischen hat Michelle ihre Ansichten und eigene Arbeitsweise reflektiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass es sie demotiviert, einem (vermeintlichen) Ideal nachzujagen. Sie legt nun selbst fest, wie lange sie schreiben will und kann, unabhängig davon, wie andere arbeiten.

Wählen Sie die Dauer Ihrer Schreibsitzungen so, dass Sie aufhören, bevor Sie ermüden. Schreiben Sie weiter, obwohl Sie schon lange müde sind und kaum mehr vorwärts kommen, riskieren Sie, dass Sie Schreiben mit Ermüdung gleichsetzen. In diesem Fall werden Sie kaum motiviert sein zu schreiben. Wird das Schreiben zu einer deprimierenden Aktivität, hilft Ihnen der beste Zeitplan nicht weiter. Damit ist nicht gemeint, dass Schreiben keine herausfordernde, wenn nicht gar schwierige Angelegenheit ist (siehe Keyes 2003; Zinsser 2006; Kruse 2007). Das liegt in der Sache selbst. Aber herausfordernd und schwierig heißt nicht automatisch auch frustrierend.

Richten Sie die Dauer Ihrer Schreibsitzungen also sowohl nach Ihren Bedürfnissen als auch Ihrer Ausdauer aus. Sie tun sich einen Gefallen, sofem Sie bei der Planung realistisch bleiben. Lassen Sie sich von anderen Schreibenden diesbezüglich inspirieren, aber versuchen Sie nicht, deren Pläne zu kopieren. Ihr Schreibzeitplan und speziell die Planung Ihrer Schreibsitzungen funktioniert nur, wenn sie auf Sie abgestimmt sind.

Falls Sie nicht jede Schreibsitzung alleine verbringen möchten, können Sie mit anderen Schreibzeitplanerinnen gemeinsame Sitzungen vereinbaren. Amelia trifft sich beispielsweise einmal die Woche mit einer Kollegin zu einer Schreibsitzung. Sie kann sich dadurch besser zum Schreiben motivieren, gerade auch in den kommenden Schreibsitzungen, in denen sie alleine ist. Während der Sitzung arbeiten beide für die geplante Zeit an ihren Aufgaben. Sie tauschen sich nur vor- und nachher aus, nicht aber während der Sitzung (siehe Fröhlich/Henkel/Surmann 2017).

Puffer und Pausen

Bei all der Planung vergessen Sie bitte zwei Dinge nicht: Pausen und Pufferzeiten. Ist Ihr Wochenplan mit unzähligen Terminen und Verpflichtungen dicht gefüllt, sollten Sie darauf achten, die Schreibzeiten nicht nahtlos an andere Termine zu legen. Es könnte [30] zum Beispiel sein, dass Termine länger dauern als geplant und dadurch Ihre Schreibsitzungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Genau das versuchen Sie mit dem Schreibzeitplan zu verhindern. Bauen Sie wann immer möglich Pufferzeiten zwischen Terminen und Ihren Schreibsitzungen ein. Falls Sie deshalb eine Schreibsitzung um 15 Minuten kürzer vorsehen müssen, ist das besser, als wenn Sie sie regelmäßig wegen einem vorhergehenden Termin zu spät beginnen. Gönnen Sie sich mit dem Puffer lieber eine Verschnaufpause, in der Sie entspannen und sich auf die anstehende Aufgabe ausrichten können.

Angenommen Sie planen mehrstündige Schreibsitzungen, vergessen Sie nicht Pausen zu reservieren. Kaum jemand arbeitet drei oder vier Stunden durch. Darunter leidet die Konzentrationsfähigkeit. Setzen Sie deshalb wiederholt kürzere und längere Pausen fest. Bauen Sie zum Beispiel pro Stunde fünf bis zehn und alle zwei Stunden 15 oder 20 Minuten Pause ein, in denen Sie sich bewegen und Ihre Augen entspannen können. Sie wissen selbst Bescheid, wann Sie Pausen benötigen. Achten Sie auf die Signale Ihres Körpers, der Ihnen sagt, wann er Erholung braucht (brennende Augen, Müdigkeit, steife Glieder etc.).

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