Buch lesen: «Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen»
ibo Schriftenreihe
Band 5
Götz Schmidt, Christian Konz
Organisation gestalten
Stabile und dynamische
Unternehmensstrukturen
6., völlig neu bearbeitete Auflage von: Organisation – Aufbauorganisatorische Strukturen
Verlag Dr. Götz Schmidt, Gießen
ISBN 978-3-945997-15-4
© 2019
Verlag Dr. Götz Schmidt, Gießen
Vorwort zur 6. Auflage
Die sechste Auflage dieses Werkes wurde erstmals von einem Autorenduo verfasst. Christian Konz, der über umfangreiche Kenntnisse der Thematik verfügt, brachte Ideen und Ansätze ein, die eine wertvolle Bereicherung darstellen.
Jahrzehnte, ja vielleicht sogar Jahrhunderte haben Leitungssysteme die organisatorischen Strukturen dominiert. In vielen Unternehmen ist dies trotz gegenteiliger Behauptungen noch heute der Fall. In der Aufbauorganisation spiegeln sich die Machtstrukturen eines Unternehmens oder eines Systems wider. Das führt dazu, dass die „Mächtigen“ primär ihre eigenen Interessen im Auge haben und sich schwertun, übergeordneten Prozessgesichtspunkten den Vorrang zu geben. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts war immer deutlicher geworden, dass wesentliche Wettbewerbsvorteile nur durch Strukturen erreicht werden können, in denen die Prozesse vom Kunden zum Kunden, sogenannte End-to-end-Prozesse, im Vordergrund stehen.
Eine weitere Entwicklung kommt heute hinzu. Dauerhafte, festgeschriebene Strukturen werden immer häufiger durch Rahmenregelungen ersetzt, innerhalb derer die betroffenen Mitarbeiter relativ große Freiräume haben, um mit neuen Anforderungen umzugehen. In der sogenannten Agilen Organisation wird bewusst darauf verzichtet, die zu bewältigenden Aufgaben im Einzelnen vorzugeben. Vielmehr werden Rollen definiert und auf Personen übertragen, die dann flexibel und situationsgerecht diese Rollen ausfüllen. Diese Konzepte wurden hier ergänzt.
Daraus könnte man die Vermutung ableiten, dass die Aufbauorganisation heute nicht mehr wichtig ist. Allerdings kann es keine Prozessorganisation ohne aufbauorganisatorische Strukturen geben, ebenso wenig wie es Aufbaustrukturen geben kann, die ohne die Gestaltung der Prozesse funktionieren könnten. Auch wird es immer betriebliche Bereiche geben, in denen die Aufgaben bis ins Einzelne vorgeschrieben sind, beispielsweise, weil rechtliche Vorschriften dies erzwingen. Und auch eine Agile Organisation kann auf formale Strukturen nicht verzichten. Deswegen wird eine Agile Organisation in vielen Fällen nur eine Erweiterung formaler Strukturen sein.
Auch wenn in dieser Schrift die aufbauorganisatorischen Fragen im Vordergrund stehen, muss dabei immer die enge Verknüpfung zur Prozessorganisation beachtet werden. Sie wird in Band 9 „Praxishandbuch Prozessmanagement“ dieser Schriftenreihe ausführlich dargestellt.
Dieses Werk folgt einer deutlich modifizierten Grundstruktur, die im zweiten Kapitel vorgestellt wird. Vor der Behandlung der eigentlichen Themen der Aufbauorganisation werden elementare Begriffe dargestellt.
In Kapitel 2 „Grundlagen der organisatorischen Gestaltung“ stehen die zentralen Themen der Unternehmensführung und der situative Ansatz im Vordergrund, die Schilderung all der Faktoren, die darauf Einfluss haben, ob eine Lösung geeignet ist oder nicht. Dieses Kapitel bildet auch den Rahmen für die gesamte Abhandlung. In Kapitel 3 steht die Stellen- und Rollenbildung im Vordergrund. Stellen und Rollen werden durch aufbauorganisatorische Beziehungen miteinander verbunden. In Kapitel 4 geschieht dies durch die klassischen Ansätze, die durch hierarchische Strukturen gekennzeichnet sind. Das Kapitel 5 zeigt die bewährten Modelle der Sekundärorganisation, zu denen u. a. Projekte und Workshops gehören. Das Kapitel 6 ist ganz neu aufgenommen worden. Hier steht die hierarchiearme Organisation im Vordergrund, die auch als Agile Organisation bezeichnet wird und u. a. in ihrer holokratischen Erscheinungsform behandelt wird. Das Kapitel 7 „Rahmenorganisation“ ist weitgehend unverändert geblieben. Unter dem Oberbegriff „Unterstützende Systeme“ werden in Kapitel 8 Informations-, Kommunikations- und Sachmittelsystem stark gekürzt angesprochen. Hier geht es lediglich darum, den Bezug dieser Themen zur Organisation zu verdeutlichen. Als Exkurs wird die Personalbemessung wesentlich vertieft und sehr praxisnah in Kapitel 9 dargestellt.
In allen Abschnitten ist versucht worden, denjenigen Hilfen zu geben, die aufbauorganisatorische Lösungen planen und umsetzen. So werden Lösungsbestandteile und Modelle vorgestellt und auf ihre Stärken und Schwächen untersucht. Hilfen für die praktische Gestaltung stehen damit im Vordergrund.
Allen, die direkt oder indirekt an dieser Schrift mitgewirkt haben, sei herzlich gedankt. Unser besonderer Dank gilt unseren Kolleginnen und Kollegen, die uns mit großem Engagement bei einzelnen Abschnitten unterstützt haben. Annette Schäfer danken wir insbesondere für ihre intensive Mitarbeit beim Kapitel Personalbemessung. Danken möchten wir auch Dagmar Hofmann-Kahlke und Andreas Schmidt, die das Manuskript bearbeitet und in die hier vorliegende Form gebracht haben.
Wettenberg, im Januar 2019
Götz Schmidt und Christian Konz
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
1 Organisatorische Grundbegriffe
1.1 Gegenstand der Aufbauorganisation
1.2 Beziehung zur Prozessorganisation
1.2.1 Primat der Prozessorganisation – wer folgt wem?
1.2.2 Trennung als Kunstgriff
1.3 Das Baumaterial der Aufbauorganisation
1.3.1 Elemente der Aufbauorganisation
1.3.1.1 Aufgaben
1.3.1.2 Aufgabenträger
1.3.1.3 Sachmittel
1.3.1.4 Information
1.3.2 Beziehungen der Aufbauorganisation
1.3.2.1 Stellenbildung und Bildung von Rollen
1.3.2.2 Hierarchische Modelle der Primärorganisation
1.3.2.3 Modelle der Sekundärorganisation
1.3.2.4 Hierarchiearme Organisation
1.3.2.5 Unterstützende Systeme
1.3.3 Dimensionen der Aufbauorganisation
1.4 Aufbauorganisation als Projektarbeit
Literatur zu Kapitel 1
2 Grundlagen der organisatorischen Gestaltung
2.1 Situativer Ansatz der Organisation
2.2 Gesamtmodell der Organisation
2.2.1 Inhalte der Aufbauorganisation
2.2.2 Vision, Mission, Purpose, Strategie, Ziele
2.2.2.1 Ziele aus Sicht des Unternehmens
2.2.2.2 Ziele der Mitarbeiter
2.2.2.3 Ziele der Kunden
2.2.3 Externe Rahmenbedingungen
2.2.4 Restriktionen
2.2.4.1 Intern gesetzte Restriktionen
2.2.4.2 Extern gesetzte Restriktionen
2.2.5 Interne Rahmenbedingungen
2.2.6 Kultur, Werte und Normen
2.2.6.1 Betriebliche Werte und Normen
2.2.6.2 Gesellschaftliche Werte und Normen
2.2.7 Kunden und Markt
2.3 Gestaltungsprinzipien der Aufbauorganisation
Literatur zu Kapitel 2
3 Stellen- und Rollenbildung
3.1 Begriffe
3.2 Prinzipien der Stellen- und Rollenbildung
3.2.1 Einheit von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung
3.2.2 Freie oder gebundene Stellen- und Rollenbildung
3.2.3 Zentralisation und Dezentralisation
3.3 Stellenarten
3.3.1 Rangaspekt der Stellen- und Rollenbildung
3.3.1.1 Leitungsstellen und -rollen
3.3.1.2 Ausführungsstellen und -rollen mit Realisationsaufgaben
3.3.1.3 Stabsstellen und -rollen
3.3.2 Prozessorientierte Stellen- und Rollenbildung
3.3.3 Aufgabenorientierte Stellen- und Rollenbildung
3.3.3.1 Stellen- und Rollenbildung nach Verrichtungen
3.3.3.1.1 Stellen und Rollen mit Entscheidungsvorbereitungsaufgaben
3.3.3.1.2 Stellen und Rollen mit Entscheidungsaufgaben
3.3.3.1.3 Stellen und Rollen mit Realisationsaufgaben
3.3.3.1.4 Stellen und Rollen mit Kontrollaufgaben
3.3.3.2 Stellen- und Rollenbildung nach Objekten
3.3.4 Bewertung der Verrichtungs- und Objektzentralisation
3.3.4.1 Bewertung der Verrichtungszentralisation
3.3.4.2 Bewertung der Objektzentralisation
3.4 Regelung der Arbeitsteilung
3.4.1 Aufgabenwechsel (Job Rotation)
3.4.2 Aufgabenerweiterung (Job Enlargement)
3.4.3 Aufgabenbereicherung (Job Enrichment)
3.4.4 Autonome Arbeitsgruppen
3.5 Stellvertretung
3.5.1 Wirkungen der Stellvertretung
3.5.2 Formen der Stellvertretung
3.5.3 Stellvertretung und Nachfolge
3.6 Techniken der Aufbauorganisation
3.6.1 Aufgabenanalyse und Aufgabengliederung
3.6.2 Stellenbeschreibungen
3.6.3 Rollen- oder Funktionsbeschreibungen
3.6.4 Aufgabenkritik
Literatur zu Kapitel 3
4 Leitungssysteme – Hierarchische Modelle der Primärorganisation
4.1 Grundlagen
4.2 Hierarchische Modelle der Primärorganisation
4.2.1 Notwendigkeit der Hierarchie
4.2.2 Merkmale von Leitungssystemen
4.2.2.1 Aufgabenverteilung
4.2.2.2 Äußere Form der Hierarchie
4.2.2.3 Inhalte der Leitungsbeziehungen
4.2.3 Grundmodelle von Leitungssystemen
4.2.3.1 Einliniensystem
4.2.3.2 Mehrliniensystem
4.2.3.2.1 Grundmodell
4.2.3.2.2 Matrix-Organisation
4.2.3.2.3 Tensor-Organisation
4.2.4 Spezialmodelle von Leitungssystemen
4.2.4.1 Verrichtungsorientierte Modelle (Funktionale Gliederung)
4.2.4.2 Objektorientierte Modelle
4.2.4.2.1 Produktorientierte Gliederung
4.2.4.2.2 Regionale Gliederung
4.2.4.2.3 Kundenorientierte Gliederung
4.2.4.3 Mischformen der Verrichtungs- und Objektgliederung
4.2.4.4 Strategieorientierte Gliederung
4.2.4.4.1 Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder
4.2.4.4.2 Bildung strategischer Geschäftseinheiten
4.2.4.5 Prozessorientierte Gliederung
4.2.4.5.1 Begriff
4.2.4.5.2 Prozessoptimierte Struktur von Organisationseinheiten
4.2.4.5.3 Prozessoptimierende Koordinationsstellen
4.3 Organisation der Unternehmensleitung
4.3.1 Grundlagen
4.3.2 Organisation der Unternehmensleitung: Internationaler Vergleich
4.3.2.1 Aktiengesellschaft nach deutschem Recht
4.3.2.2 Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht
4.3.2.3 Aktiengesellschaft nach US-amerikanischem Recht
4.3.3 Willensbildung in der Unternehmensleitung
4.3.3.1 Direktoriale Willensbildung
4.3.3.2 Kollegiale Willensbildung
4.3.4 Gesamtleitung und Teilbereichsleitung
4.3.4.1 Ressortfreie Geschäftsleitung
4.3.4.2 Ressortgebundene Geschäftsleitung
4.3.4.3 Mischformen
4.4 Darstellung von Leitungssystemen
Literatur zu Kapitel 4
5 Sekundärorganisation
5.1 Bedeutung der Sekundärorganisation
5.2 Projektorganisation
5.2.1 Beteiligte an Projekten
5.2.2 Formen der Projektorganisation
5.3 Strategische Geschäftseinheiten
5.4 Ausschüsse und Kollegien
5.5 Workshop
Literatur zu Kapitel 5
6 Hierarchiearme Agile Organisationsformen
6.1 Grundprinzip Agiler Organisationsformen
6.2 Prinzipien und Elemente agiler Strukturen
6.2.1 Organisation nach Themen und Rollen
6.2.2 Organisatorisches Subsidiaritäts- und Gegenstromprinzip
6.3 Die holokratische Organisation – ein radikal anderes „Betriebssystem“
6.4 Beurteilung hierarchiearmer Organisationsformen und Beispiele agiler Strukturvarianten
Literatur zu Kapitel 6
7 Rahmenorganisation
7.1 Konzern- und Holding-Strukturen
7.1.1 Begriff und Grundlagen
7.1.2 Führungsanspruch der Holding
7.1.3 Auswahl der geeigneten Form einer Holding
7.1.4 Zentrale oder dezentrale Funktionen
7.1.5 Führungsinstrumente
7.1.6 Vorteile und Grenzen der Holding
7.2 Outsourcing und Insourcing
7.2.1 Begriff und Grundlagen
7.2.2 Auslöser und Ziele
7.2.3 Favoriten für das Outsourcing
7.2.4 Anbieter von Leistungen
7.2.5 Erfolgsfaktoren für das Outsourcing
7.2.6 Bedeutung für die Organisation
7.3 Unternehmenskooperationen
7.3.1 Grundlagen
7.3.2 Strategisches Unternehmensnetzwerk
7.3.3 Virtuelle Organisationen
7.3.3.1 Grundlagen
7.3.3.2 Merkmale virtueller Organisationen
7.3.3.3 Voraussetzungen für virtuelle Organisationen
7.3.3.4 Probleme virtueller Organisationen
7.3.4 Joint Venture
7.3.5 Strategische Allianz
7.3.6 Supply Chain Management
7.3.6.1 Grundlagen
7.3.6.2 Zielsetzung
7.3.6.3 Regelungen im SCM
7.4 Shared Service Center
7.4.1 Grundlagen
7.4.2 Lösungsbestandteile
7.4.3 Zentralisierbare Funktionen
7.4.4 Bewertung
Literatur zu Kapitel 7
8 Unterstützende Systeme
8.1 Einordnung der unterstützenden Systeme
8.2 Informationssystem
8.2.1 Grundbegriffe
8.2.2 Elemente und Beziehungen eines Informationssystems
8.2.3 Informations- und Kommunikationssystem
8.2.4 Gestaltung des Informationssystems
8.2.4.1 Informationsbedarf
8.2.4.1.1 Art des Informationsbedarfs
8.2.4.1.2 Stellen-/Rollenbezogene Ermittlung des Informationsbedarfs
8.2.4.2 Informationsangebot
8.2.4.3 Informationsnachfrage
8.3 Kommunikationssystem
8.3.1 Begriff
8.3.2 Bedeutung der Kommunikation
8.3.3 Modell der Kommunikation
8.3.4 Störungen der Kommunikation
8.3.5 Beteiligte der Kommunikation
8.3.6 Weisungsgebundene und weisungsungebundene Kommunikation
8.3.6.1 Direkte und indirekte Kommunikationswege
8.3.6.2 Hierarchieüberlagernde Kommunikationsbeziehungen (Sekundärorganisation)
8.4 Sachmittelsystem
8.4.1 Begriff und Definition
8.4.2 Einflussfaktoren
8.4.3 Organisatorische Aufgaben beim Sachmitteleinsatz
8.4.4 Sachmittel und organisatorische Trends
Literatur zu Kapitel 8
9 Personalbemessung und Maßnahmen zum Kapazitätsausgleich
9.1 Personalbemessung
9.1.1 Definition
9.1.2 Methoden und Techniken der Personalbedarfsermittlung
9.1.2.1 Initiative und Auftragsklärung
9.1.2.2 Phasen im Personalbemessungszyklus
9.1.2.3 Aufgabenkatalog erstellen
9.1.2.4 Erhebung durchführen
9.1.2.5 Ist-Zustand feststellen
9.1.2.6 Soll-Szenarien einspielen
9.1.2.7 Kennzahlen ermitteln
9.1.2.8 Erhebungstechniken in der Personalbemessung
9.2 Maßnahmen zum Kapazitätsausgleich
Literatur zu Kapitel 9
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
1 Organisatorische Grundbegriffe
Ein einfaches Beispiel, das in den folgenden Abschnitten immer wieder aufgegriffen wird, soll den Einstieg in das Thema erleichtern. Nach diesem Einstieg wird dann der Gegenstand der Aufbauorganisation präzisiert und systematisiert.
Herr Buch hat vor vier Jahren einen Verlag gegründet. Die Geschäfte liefen sehr gut. Schon nach kurzer Zeit musste er weitere Mitarbeiter einstellen, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen. Heute sind insgesamt acht Mitarbeiter beschäftigt, die jeweils nach Aufgabenanfall eingesetzt werden.
Im letzten Jahr hatten sich einige Probleme gehäuft. Obwohl Herr Buch davon ausgehen kann, dass alle Mitarbeiter voll motiviert sind und „an einem Strang ziehen“, kam es zu Kundenreklamationen wie
„bei Ihnen weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut“
„ständig wird man weiter verbunden, bis man den richtigen Ansprechpartner gefunden hat“
„Auslieferungen dauern bis zu einer Woche“
„Zusagen werden nicht eingehalten“.
Auch intern kam es des Öfteren zu Reibereien. Immer wieder passierte es, dass zwei Mitarbeiter das gleiche machten, ohne sich vorher abzustimmen; oder dass Vorgänge liegen blieben, weil sich jeder auf den anderen verlassen hatte.
Mehrfache Appelle von Herrn Buch hatten nicht gefruchtet. Herr Buch beschließt aus diesen Gründen, einen Berater hinzuzuziehen und ihm seine Probleme zu erläutern. In dem ersten Gespräch wird schnell deutlich, dass es sich hier hauptsächlich um Probleme der Aufbauorganisation handelt.
1.1 Gegenstand der Aufbauorganisation
Herr Buch hat es bisher versäumt zu regeln, wer für was zuständig ist. Diese Situation ist in kleinen Unternehmen häufig anzutreffen, „weil ja sowieso jeder Bescheid weiß“, was der Kollege oder die Kollegin getan oder unterlassen hat. Wächst ein Unternehmen1), wird mit jedem weiteren Mitarbeiter jedoch die Situation zunehmend undurchsichtiger. Urlaubsabwesenheiten oder Krankheiten einzelner Mitarbeiter verschärfen die Probleme.
Der Berater empfiehlt Herrn Buch, die heute anfallenden Aufgaben und die wichtigsten Prozesse der Aufgabenerfüllung gemeinsam zu erheben und dann einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen (Stellenbildung). Die damit geschaffenen klaren Zuständigkeiten erleichtern die Zusammenarbeit und steigern die Effizienz.
Ein zentraler Prozess in einem Verlag ist beispielsweise die Auslieferung von Buchsendungen an den Handel. Dieser Prozess beginnt beim Kunden mit einer Bestellung und endet beim Kunden mit einer Auslieferung. Bei der Stellenbildung sollte versucht werden, zentrale Prozesse so zu gestalten, dass sie möglichst glatt – ohne viele Schnittstellen – und mit möglichst eindeutigen Ansprechpartnern abgewickelt werden können.
Ein Mitarbeiter ist zuständig für die Auftragsannahme, die Bonitätsprüfung, die Erstellung der internen Lieferunterlagen und die Fakturierung. Ein anderer Mitarbeiter stellt die Sendungen im Lager zusammen, macht sie versandfertig und sorgt für die Auslieferung.
Abb. 1.01: Bündeln von Aufgaben auf Stellen
Voraussetzung dieser aufbauorganisatorischen Regelung ist nun allerdings, dass
die Aufgaben
die Mengen (Häufigkeiten) sowie
die Zeit, die zur Aufgabenerfüllung benötigt wird,
bekannt sind. Nur dann kann festgestellt werden, ob der Mitarbeiter die Aufgaben auch quantitativ bewältigen kann.
Wenn Herr Buch sich für eine neue Aufbauorganisation entscheidet, muss er den Mitarbeitern verbindlich bestimmte Aufgabenfelder zuordnen und diese abgrenzen. So könnte er vorsehen, einen Gruppenleiter für den Vertrieb zu benennen. Diesem Gruppenleiter würden dann einige Mitarbeiter unterstellt.
Wenn dieser Gruppenleiter zum Vorgesetzten wird, werden ihm Weisungsrechte übertragen. Die Weisungsrechte werden im sogenannten Leitungssystem geregelt. Ein Leitungssystem ist ein hierarchisches Beziehungsnetz, in das die einzelnen Stellen eingegliedert werden. Die Regelung derartiger Weisungsbeziehungen gehört ebenfalls zur Aufbauorganisation.
Abb. 1.02: Einfaches Leitungssystem
Um ihre Aufgaben erledigen zu können, benötigen die Mitarbeiter Informationen. Der für die Auftragsbearbeitung zuständige Sachbearbeiter braucht Informationen über Bestände („Kann überhaupt geliefert werden?“), Preise, Rabattstaffeln, Zahlungsverhalten und Bonität des Kunden etc. Wenn also jemandem eine Aufgabe übertragen wird, müssen ihm auch die relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden. Damit zählt auch die Bereitstellung von Informationen bzw. die Regelung, auf welche Informationen jemand zugreifen darf, inwieweit externe Informationsquellen etwa über das Internet genutzt werden sollen oder dürfen, zur Aufbauorganisation. Diese Sachverhalte werden in einem sogenannten Informationssystem geregelt. Darauf wird hier nicht näher eingegangen, da die heutigen Informationssysteme in Projekten der IT gestaltet werden. Aufbauorganisatorisch werden dann nur noch die Rechte und Pflichten vergeben, d. h. wer Zugriffsberechtigung zu bestimmten Informationen hat, wer sie verändern darf und wer Informationen erfassen und pflegen muss.
Neben dem Abruf bzw. der Eingabe von Informationen in ein IT-System sind auch die Wege zum Transport von Informationen zu regeln, die auch als Kommunikationswege bezeichnet werden. Die Regelung der Transportwege kann gedanklich von den Regelungen des Informationssystems getrennt werden und wird in der Praxis meistens auch von unterschiedlichen Spezialisten (z. B. Netzwerkadministrator) bearbeitet.
Neben den Kommunikationswegen für Daten gibt es auch noch Wege für Sprache, Texte und Bilder. Dabei ist nicht nur an technische Einrichtungen wie z. B. Leitungen, Netzwerke, Telefonkonferenzen oder die netzbasierte Kommunikation zu denken, sondern auch an den physischen Transport von Briefen, Listen, Berichten etc. wie auch an persönliche Treffen zum Informationsaustausch wie Sitzungen, Meetings, Workshops, Konferenzen usw. Auch das sind Einrichtungen zur Kommunikation. Die Einrichtung dieser Wege zum Transport von Informationen ist ebenfalls Bestandteil der Aufbauorganisation. Die Regelungen und die zugehörige Infrastruktur werden als Kommunikationssystem bezeichnet. Auch diese Thematik soll hier nicht vertieft werden.
Jeder Mitarbeiter benötigt einen Arbeitsplatz, der mit Sachmitteln auszustatten ist. Andere Sachmittel werden zentral bereitgestellt, wie z. B. Kopierer, Transportmittel usw. Welche Sachmittel benötigt werden, hängt unmittelbar ab von den zu erfüllenden Aufgaben. Dieser Sachmitteleinsatz wird ebenfalls zur Aufbauorganisation gerechnet. Da es sich dabei um ein Spezialgebiet handelt, soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass zu einer vollständigen Aufbauorganisation auch diese Sachverhalte geregelt werden müssen.
Informations-, Kommunikations- und Sachmittelsystem sollen hier unter dem Begriff „Unterstützende Systeme“ zusammengefasst werden.
Zur Aufbauorganisation gehören somit Regelungen über:
die Zuordnung von Aufgaben (Stellen-/Rollenbildung)
hierarchische und hierarchiearme Organisationsmodelle
unterstützende Systeme
- Informationssystem
- Kommunikationssystem
- Sachmittelsystem.
Hier wird von folgender Definition der Aufbauorganisation ausgegangen:
Die Aufbauorganisation beinhaltet Regelungen zur Zuordnung von Aufgaben auf Stellen, zur Bildung von Rollen, zur Verknüpfung von Stellen durch hierarchische Beziehungen oder durch andere Koordinationsregeln, zur Bereitstellung von Informationen und Kommunikationswegen sowie zur Auswahl und zum Einsatz von Sachmitteln. Dabei wird die Unternehmung im Ruhezustand betrachtet – logische, zeitliche, mengenmäßige und räumliche Folgebeziehungen werden der Prozessorganisation zugeordnet.