Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen

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1.2 Beziehung zur Prozessorganisation

1.2.1 Primat der Prozessorganisation – wer folgt wem?

Ehe wir uns mit den Zusammenhängen zwischen der Aufbau- und der Prozessorganisation auseinandersetzen, soll eine Definition für einen Prozess vorangestellt werden (nach FISCHERMANNS, 2013).

Ein Prozess ist eine Struktur, deren Elemente Aufgaben, Aufgabenträger, Sachmittel und Informationen durch logische Folgebeziehungen verknüpft sind. Darüber hinaus werden deren zeitliche, räumliche und mengenmäßige Dimensionen konkretisiert. Ein Prozess hat ein definiertes Startereignis (Input) und Ergebnis (Output) und dient dazu, einen Wert für Kunden zu schaffen.

Prozessorganisation bedeutet dann, die Strukturen solcher Prozesse zu bestimmen.

In der klassischen Organisationslehre wie auch in der Wirtschaftspraxis wurde von folgendem Modell ausgegangen: Bei Unternehmen oder Verwaltungen gibt es – eine gewisse Mindestgröße vorausgesetzt – wichtige oder dominierende Personen, die sich hinsichtlich ihrer Ausbildung, ihrer beruflichen Erfahrungen, ihrer Interessen und Neigungen unterscheiden. Oft handelt es sich um klassische Berufsbilder wie z. B. den Kaufmann, den Fertigungsspezialisten, den Entwickler, oder bei einer Bank den Kreditspezialisten, den Wertpapierfachmann, den Experten für Außenhandel usw. Diese obersten Führungskräfte verteilen untereinander die insgesamt im Unternehmen wahrzunehmenden Aufgaben – sie legen ihren Geschäftsverteilungsplan fest. Dabei entstehen in aller Regel spezialisierte Einheiten wie der Einkauf, das Rechnungswesen, die Entwicklungsabteilung, der Vertrieb oder die Kreditabteilung, die Wertpapierabteilung, der Zahlungsverkehr usw.

Die Struktur der Aufbauorganisation beginnt also an der Spitze und setzt sich über mehrere Ebenen von oben nach unten fort. Dieses Vorgehen hat einen theoretischen und einen praktischen Hintergrund:

In der klassischen Organisationstheorie wurde die Auffassung vertreten, dass der organisatorische Aufbau aus einer hierarchischen Analyse der Aufgaben abgeleitet wird. Die Oberaufgaben in einem produzierenden Unternehmen, wie z. B. forschen, entwickeln, einkaufen, fertigen, verkaufen, verwalten, oder in Banken Passivgeschäfte, Aktivgeschäfte, Dienstleistungen, in Versicherungen Lebensversicherungen, Sachversicherungen usw., werden in immer kleinere Teilaufgaben hierarchisch zerlegt, bis sie schließlich Stellen übertragen werden können. Aus diesem Denkansatz folgt, dass nicht übergreifende Prozesse etwa vom Kunden zum Kunden für die Aufbauorganisation maßgeblich waren, sondern spezialisierte Funktionen mit entsprechend spezialisierten Berufsbildern. Nach dieser Abgrenzung waren dann die Vorgesetzten der so gebildeten spezialisierten Einheiten (Dezernate, Hauptabteilungen, Abteilungen, Gruppen etc.) dafür zuständig, dass innerhalb der Einheiten die dort zu erledigenden Prozesse möglichst gut bewältigt werden konnten. Die Optimierung der Prozesse begann und endete an den Grenzen der Organisationseinheiten. Dieser Ansatz förderte die Dominanz der Aufbau- über die Prozessorganisation, die Reihenfolge hieß also Aufbau- vor Prozessorganisation.


Abb. 1.03: Aufbauorganisation durch Zerlegung

Praktische, ja sogar sehr menschliche Gründe führten zu dem gleichen Resultat. Aus der Sicht der Beteiligten auf der obersten Ebene kann die Aufbauorganisation auch als ein Nullsummenspiel der Macht angesehen werden. Eine Zuständigkeit kann prinzipiell nur einmal vergeben werden. Je mehr Zuständigkeiten ein Mitglied erhält, desto weniger bleibt für alle anderen übrig. Aus der Menge und Qualität der Zuständigkeiten eines Mitglieds leitet sich sein Einfluss bei allen folgenden Entscheidungen ab. Also versucht jeder in einem ersten Schritt, einen möglichst großen Teil des Kuchens zu erhalten. Die so gewonnenen Einflussbereiche werden in weiteren Schritten sorgfältig abgesichert und verteidigt. Auf der darunterliegenden Ebene wiederholt sich das Ganze. Auch hier wird wieder verteilt, abgegrenzt und verteidigt, bis hin zu der untersten Ebene. Innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs versucht jeder, eine möglichst gute Organisation – auch mit möglichst guten Prozessen – aufzubauen. Die Interessen der zusammenarbeitenden Einheiten unterscheiden sich jedoch oft deutlich voneinander. So verspricht der Vertrieb jedem Kunden eine individuelle Lösung, während die Fertigung ein „Einheitsmodell“ herstellen möchte. Ohne Rücksicht auf andere Einheiten wird der eigene Bereich optimiert und das Unternehmensoptimum zugunsten des Bereichsoptimums geopfert. Auch diese „menschliche“ Erklärung führt zu einer eindeutigen Reihenfolge: Aufbauorganisation vor Prozessorganisation.

Die Dominanz der Aufbau- über die Prozessorganisation war lange Zeit relativ unproblematisch, weil die Märkte die damit verbundenen Nachteile toleriert haben. Diese Zeiten sind vorbei. Die Nachteile des „klassischen Ansatzes“, wie z. B. lange Durchlaufzeiten aufgrund der vielen Schnittstellen, zeigen sich in hart umkämpften, dynamischen Märkten immer deutlicher. Deswegen kann die These gewagt werden, dass nur solche Unternehmen auf Dauer überleben werden, die bei der Gestaltung der Aufbauorganisation von den zentralen Prozessen ausgehen, die also die Dominanz der Prozesse über die Aufbauorganisation akzeptieren und umsetzen. Insofern kann wohl zu Recht von einem grundlegenden Wechsel im gedanklichen Ansatz der Aufbauorganisation – in der Sprache der Theorie von einem Paradigmenwechsel – gesprochen werden.

1.2.2 Trennung als Kunstgriff

Es wird gelegentlich gefordert, auf die Trennung in Aufbau- und Prozessorganisation ganz zu verzichten, da diese Aufspaltung zu den gerade angedeuteten Problemen wie Bereichsdenken, Suboptimierung, viele Schnittstellen usw. geführt habe. Diese Argumentation übersieht im Wesentlichen zwei Sachverhalte:

Die Trennung ist ein methodisch notwendiger Kunstgriff bei der Gestaltung komplexer Lösungen, und die Neugestaltung einer Organisation ist in aller Regel ein sehr komplexes Vorhaben.

Der mangelhafte Umgang mit diesem gedanklichen Modell sollte nicht zur Ursache für nachteilige Folgen gemacht werden. (Es wird kaum jemand auf den Gedanken kommen, die Gesetze der Fliehkraft dafür verantwortlich zu machen, dass ein Auto aus der Kurve fliegt. Die Verantwortung liegt doch wohl eher beim Fahrer, der die Auswirkungen dieser Gesetze kennen muss.)

Die Trennung zwischen Aufbauorganisation und Prozessorganisation soll die gedankliche Auseinandersetzung mit organisatorischen Fragen erleichtern. Kehren wir noch einmal zu dem Beispiel von Herrn Buch zurück.

Wenn Herr Buch gemeinsam mit dem Berater über eine neue Aufbauorganisation spricht, so denken beide in vereinfachten Zusammenhängen. Sie beschäftigen sich mit der Stellenbildung (etwa ob die Stellen eher spezialisiert oder eher generalisiert werden). Wenn Herr Buch sich dafür entscheidet, einen Mitarbeiter ganzheitlich für den Kunden zuständig zu machen, dann denkt er in diesem Augenblick an ein Teilgebiet der Aufbauorganisation. Dazu hat er sich vorher vermutlich den Kopf darüber zerbrochen, bei welchen zentralen Prozessen Schnittstellen zu minimieren sind. Dabei dachte er in den Kategorien der Prozessorganisation. Wenn er dann mit dem Berater darüber diskutiert, welche Informationen der Mitarbeiter benötigt, denken sie an ein weiteres Teilgebiet der Aufbauorganisation. Schon dieses einfache Beispiel macht deutlich, dass es gar nicht möglich ist, alle diese Sachverhalte gleichzeitig im Auge zu behalten.

Die Trennung in Aufbau- und Prozessorganisation ist ein Kunstgriff, der dem Systemdenken entspringt. Bei der Neugestaltung komplexer Systeme werden diese nach außen abgegrenzt und im Inneren in kleinere, gedanklich beherrschbare Fragestellungen oder Teilprojekte (Unter- bzw. Teilsysteme) zerlegt. Sie werden zwar nacheinander durchdacht und bearbeitet, dann aber integriert, d. h. auf Verträglichkeit überprüft und aufeinander abgestimmt.

Zur Vertiefung des Themas Prozessorganisation siehe Band 9 „Praxishandbuch Prozessmanagement“ dieser Schriftenreihe.

1.3 Das Baumaterial der Aufbauorganisation

Im Folgenden soll die Aufbauorganisation in ihre

Elemente (Bestandteile)

Beziehungen (Verknüpfungsformen) und

Dimensionen (Eigenschaften)

zerlegt werden, um den Einstieg in das Thema zu systematisieren. Zur Orientierung soll ein Würfel beitragen, dessen Seiten kurz erläutert werden. Wie oben schon erwähnt, gelten diese Elemente und Dimensionen selbstverständlich auch für die Prozessorganisation.


Abb. 1.04: Organisationswürfel

1.3.1 Elemente der Aufbauorganisation

Organisatorische Lösungen werden immer aus den gleichen Baumaterialien hergestellt. Diese Materialien sollen hier als Elemente bezeichnet werden. Es gibt vier grundlegende Elemente – dabei ist zu beachten, dass der Sachmittelbegriff sehr weit gefasst ist:

Aufgaben

Aufgabenträger

Sachmittel

Information.


Abb. 1.05: Elemente der Organisation

1.3.1.1 Aufgaben

 

Ganz gleich, ob eine Unternehmung neu aufgebaut, eine bestehende Unternehmung reorganisiert oder nur eine kleine Einheit organisatorisch bearbeitet werden soll, jede Organisationseinheit lässt sich durch ihre Aufgaben beschreiben. Die Aufgaben des Bereiches, der organisatorisch neu gestaltet werden soll, sind das Fundament aller aufbau- und ablauforganisatorischen Lösungen.

Aufgaben stehen damit im Mittelpunkt der Organisationsarbeit. Organisieren bedeutet letztlich, Regelungen zu finden, die sicherstellen, dass alle notwendigen Aufgaben bestmöglich erfüllt werden. Nur wenn ein System Aufgaben erfüllt, hat es eine Daseinsberechtigung. Das gilt für öffentlich-rechtliche Systeme ebenso wie für privatwirtschaftliche. Erst wenn ein System Aufgaben erfüllt, kann es erwarten, dass der Markt im Gegenzug bereit ist, dafür auch einen Preis zu zahlen.

Die Aufgaben eines Verlags bestehen primär darin, Bücher und Zeitschriften bereitzustellen und für deren Vertrieb an interessierte Kunden zu sorgen. Das sind die eigentlichen Leistungsaufgaben. Neben den Leistungsaufgaben gibt es weitere, interne Aufgaben, die sogenannten Unterstützungsaufgaben.

Beispiele für (primäre oder) Leistungsaufgaben:

Forschung und Entwicklung

Einkauf

Produktion

Vertrieb

Kundendienst.

Für diese Leistungen ist der Kunde bereit, einen Preis zu zahlen.

Unterstützungs- bzw. Verwaltungs- und Steuerungsaufgaben sind eher nach innen gerichtete, interne Aufgaben, die die Funktionsfähigkeit eines Systems aufrechterhalten.

Beispiele dafür sind:

Finanzierung

Rechnungswesen

Controlling

Revision

Personalwesen

Sozialverwaltung

Sachanlagenverwaltung

Organisation

allgemeine Hilfsdienste (z. B. Botendienst, Hausdruckerei, Archiv).


Abb. 1.06: Aufgabenerfüllung schafft Leistungen für Märkte

Während die Leistungsaufgaben teilweise branchenspezifisch sind, gibt es die Verwaltungs- und Steuerungsaufgaben in nahezu allen Systemen gleichermaßen.

Die herausgehobene Rolle der Aufgaben wird auch noch durch eine andere Überlegung deutlich. Die Eignung eines Aufgabenträgers oder eines Sachmittels kann nur vor dem Hintergrund der zu erfüllenden Aufgaben beurteilt werden. Ein Aufgabenträger oder ein Sachmittel ist nicht „an sich“ ungeeignet, sondern nur im Hinblick auf die zu erfüllende Aufgabe. Auch kann der Bedarf an Informationen nur ermittelt werden, wenn bekannt ist, welche Aufgaben zu erledigen sind.

1.3.1.2 Aufgabenträger

Aufgabenträger sind Menschen. Sie stellen ihre Arbeitskraft zur Verfügung und werden dafür entlohnt. Ihre Gegenleistung besteht darin, Aufgaben zu erfüllen. Umgangssprachlich werden Aufgaben auch als Funktionen bezeichnet. Daraus hat sich der Begriff Funktionär entwickelt. Ein Funktionär ist eine Person, die bestimmte Aufgaben übernommen hat. So gesehen ist jeder Mitarbeiter ein Funktionär.

Aufgabenträger sind für organisatorische Lösungen insofern besonders wichtig, als die „beste“ Lösung scheitert, wenn sie von den Betroffenen nicht akzeptiert wird oder wenn es keine Möglichkeit gibt, geschaffene Stellen zu besetzen. Damit interessieren in Organisationsprojekten bezüglich des Aufgabenträgers zwei Themenbereiche:

die fachliche und persönliche Qualifikation von Aufgabenträgern

die Annahmen über die Leistungsmotivation, d. h. was einen Menschen dazu bewegt, Leistung zu erbringen, und unter welchen Bedingungen ein Mensch mit seiner Arbeit zufrieden ist (Arbeitszufriedenheit). Annahmen darüber, was für einen Menschen motivierend ist oder nicht, hängen von dem Bild ab, das man sich über „die Menschen“ macht. Unterschiedliche Menschenbilder können deswegen zu unterschiedlichen organisatorischen Lösungen führen (siehe dazu auch Kapitel 2.2.6).

Die fachlichen und persönlichen Anforderungen an Aufgabenträger hängen von organisatorischen Lösungen ab. Üblicherweise wird beim Entwurf organisatorischer Lösungen von bestimmten Berufsbildern (der Einkäufer, der Personalkaufmann, der Verkäufer, der Finanzbuchhalter etc.) ausgegangen oder es wird unterstellt, dass die benötigten Qualifikationen „entwickelt“ werden können.

Die fachliche und persönliche Qualifikation von Bewerbern für eine Stelle ermittelt normalerweise der Fachvorgesetzte, u. U. unterstützt durch die Personalabteilung. Die Spezialisten des Personalbereichs müssen geeignete Bewertungs- und Auswahlverfahren beherrschen. Deswegen gehört die Stellenbesetzung (der Einsatz von Mitarbeitern) nicht zu den organisatorischen Aufgaben.

Demgegenüber muss sich der Organisierende (der für die Organisationsplanung Zuständige) mit dem bestehenden Menschenbild (Annahmen über den Menschen) auseinandersetzen. Wird beispielsweise versucht, über ein Expertensystem die Arbeit von Versicherungskaufleuten zu verbessern, kann dieses Vorhaben aufgrund falscher Annahmen über Leistungsmotivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter scheitern. Fühlen sich die Mitarbeiter fachlich und sozial durch das neue System herabgestuft, protestieren sie mit hohem Krankenstand, hoher Fluktuation und innerer Kündigung.

Wenn organisatorische Lösungen erfolgreich sein sollen, benötigen die Organisierenden solide Kenntnisse über „den Menschen“. Der Analyse des Menschen haben sich die sozialwissenschaftlichen Disziplinen angenommen (Psychologie, Betriebspsychologie, Sozialpsychologie, Soziologie, Betriebssoziologie). Hier soll der allgemeine Hinweis darauf genügen. Vertieft wird die Thematik in Band 4 dieser Schriftenreihe „Change Management – (Über-) Leben in Organisationen“.

In den folgenden Abschnitten werden immer wieder bestimmte Annahmen über „den Menschen“ zugrunde gelegt, so z. B. die Annahmen, dass Autonomie (Gelegenheit zum selbstständigen Handeln) ebenso leistungsfördernd ist wie die Beteiligung an der Entscheidungsfindung (Partizipation) oder eine umfangreiche Information. Diese Annahmen sind normalerweise richtig. Im Einzelfall kann jedoch durchaus eine gegenteilige Wirkung auftreten, etwa, wenn sich ein Mitarbeiter durch zu große Autonomie überfordert fühlt oder wenn er Gruppenarbeit verabscheut.

1.3.1.3 Sachmittel

Organisatorische Lösungen erfordern auch den Einsatz von Sachmitteln. Dabei ist nicht nur an die Informationstechnik zu denken, sondern auch an „einfachere“ Sachmittel wie Telefon, Drucker, Kopiergeräte sowie Büroräume und das Mobiliar der einzelnen Arbeitsplätze. Zu den organisatorischen Aufgaben gehört damit auch die Auseinandersetzung mit Sachmitteln, d. h. die Auswahl, der Einsatz und die Unterstützung beim Einsatz von Sachmitteln.

Nach welchen Kriterien werden Sachmittel analysiert? Beispiele für solche Kriterien sind

Leistung

- quantitativ

- qualitativ

Verfügbarkeit/Service

Störanfälligkeit

Kosten

- Anschaffungskosten

- laufende Betriebskosten.

Wegen der Fülle unterschiedlicher Sachmittel, zu denen beispielsweise neben der Hardware auch Standardsoftware, Netzwerke usw. gehören, soll diese Thematik hier nur eingeordnet, nicht aber ausführlich behandelt werden. Dazu steht umfangreiche Spezialliteratur zur Verfügung.

1.3.1.4 Information

Als letztes organisatorisch bedeutsames Element soll die Information behandelt werden. Wie schon erwähnt wurde, dienen Informationen hauptsächlich der Erfüllung von Aufgaben. So benötigt ein Verkäufer von Büchern beispielsweise Informationen über

Bestände an lieferbaren Titeln

geplante Neuauflagen

Preise und Konditionen

Bonität von Kunden

Umfang von Geschäftsbeziehungen zu Kunden usw.

Nur wenn er diese Informationen besitzt, kann er die ihm übertragenen Aufgaben auch erledigen.

Für die Aufbauorganisation müssen Informationen analysiert werden. Unter einer Informationsanalyse wird hier das Ordnen oder Aufbereiten von Informationen oder Daten verstanden. Sie hat das Ziel, den Informationsbedarf und die dazu notwendigen Eingangs- und Ausgangsinformationen zu erkennen.

1.3.2 Beziehungen der Aufbauorganisation

Wie schon erwähnt, werden in der Aufbauorganisation statische Beziehungen zwischen den eben genannten Elementen hergestellt (siehe Kapitel 1.1).

In der Praxis standen lange die klassischen Leitungssysteme im Vordergrund, die hier als hierarchische Modelle bezeichnet werden. Neben diesen klassischen Leitungssystemen haben sich darüber hinaus vielfältige Formen der Sekundärorganisation herausgebildet. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Primärorganisation überlagern. Die in den letzten Jahren wichtiger gewordenen hierarchiearmen Modelle der Organisation stehen formal neben den genannten klassischen Modellen der Primär- und der Sekundärorganisation, sie finden sich aber auch häufig innerhalb klassischer Strukturen als Sonderformen für bestimmte Organisationseinheiten. In kleineren und mittleren Unternehmen kann eine hierarchiearme Organisation auch für das gesamte Unternehmen anzutreffen sein.

Hierarchische Organisation, Sekundärorganisation und hierarchiearme Organisation bilden zusammen die Binnenorganisation. Neben der Binnenorganisation gibt es auch noch organisatorische Regelungen, in denen die Zusammenarbeit mit anderen geregelt wird, etwa mit verbundenen Unternehmen (Konzernorganisation) oder mit Unternehmen, die z. B. als Zulieferer auftreten (Outsourcing, Netzwerke, Strategische Allianzen etc.). Wenn es um derartige, nach außen wirkende Regelungen geht, sprechen wir von der Rahmenorganisation.

In der folgenden Abbildung 1.07 werden um den Würfel die Teilsysteme der Binnenorganisation gruppiert. Jedes Feld um den Würfel herum repräsentiert auch ein Kapitel dieses Buches. Der breitere Balken der Prozessorganisation soll symbolisieren, dass die Prozesse nicht nur für die Binnenorganisation, sondern auch für die Rahmenorganisation gestaltet werden müssen.


Abb. 1.07: Inhalte der Aufbauorganisation

1.3.2.1 Stellenbildung und Bildung von Rollen

In der klassischen Organisationslehre ist lediglich von Stellen die Rede.

Stellen sind Zusammenfassungen von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, die quantitativ und qualitativ von einer Person bewältigt werden können.

Dabei wird unterstellt, dass ein Mitarbeiter wiederkehrend immer wieder die gleichen Aufgaben zu erfüllen hat. Das trifft jedoch nur dann zu, wenn ein größeres Volumen an Aufgaben über einen längeren Zeitraum kontinuierlich zu bewältigen ist. Heute gibt es jedoch häufiger Situationen, in denen Mitarbeitern sehr unterschiedliche Aufgabenbündel übertragen werden, bei denen im Voraus weder im Einzelnen bestimmt werden kann, was zu tun ist – die Mitarbeiter sind dann gezwungen, flexibel die jeweiligen Anforderungen zu interpretieren und darauf angemessen zu reagieren – noch vorgegeben werden kann, wann solche Aufgabenbündel zu bewältigen sind. Hier greift das Konzept organisatorischer Rollen. Ein Mitarbeiter übernimmt selbstorganisiert Rollen, die er entsprechend den jeweiligen Anforderungen oder Herausforderungen – oft in Abstimmung mit anderen Rollenträgern – eigenverantwortlich ausübt. Weitere Details zum Rollenkonzept finden sich in Kapitel 3.

Rollen sind nach bestimmten Kriterien gebildete Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen, die oftmals nur pauschal vorgegeben werden können. Von den Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die jeweiligen Anforderungen erkennen, präzisieren und abgestimmt mit Dritten situativ und zielführend bewältigen (Selbstorganisation). Häufig übernimmt ein Mitarbeiter mehrere Rollen, die in einer Stelle gebündelt werden können.

Gedanklich kann man sich die Gestaltung der Aufbauorganisation als ein mehrstufiges Vorgehen vorstellen. In einem ersten Schritt werden Kernprozesse gebildet. Dann wird geprüft, inwieweit einzelne Aufgabenträger oder Aufgabenträgergruppen fachlich und quantitativ in der Lage sind, den gesamten Prozess oder Abschnitte des Prozesses zu bearbeiten. Entsprechend werden Aufgabenpakete oder Rollen gebildet, die von einer Person bewältigt werden können. Die Gesamtheit der einem einzelnen Menschen übertragenen Aufgaben wird gemeinhin als Stelle bezeichnet.

 

Bei der Stellenbildung werden Annahmen über die gedachte Kapazität einer Person gemacht, häufig auf der Grundlage von Berufsbildern oder Anforderungsprofilen.

Eine Stelle ist jedoch erst dann vollständig definiert, wenn die weiteren Elemente (Sachmittel, Informationen) zugeordnet sind und die Einordnung der Stelle in das Gesamtsystem (Aufbauorganisation) erfolgt ist. Diese zusätzlichen Regelungen kann man sich als die schrittweise Gestaltung bestimmter Regelungsinhalte vorstellen, die hier zwar getrennt behandelt werden, bei deren Ausgestaltung jedoch vielfältige gegenseitige Abhängigkeiten beachtet werden müssen. Um eine Lösung zu optimieren, müssen alle diese Sachverhalte geplant, wechselseitig berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden (iteratives Vorgehen). Die Bildung von Stellen und Rollen wird in Kapitel 3 ausführlich behandelt.

1.3.2.2 Hierarchische Modelle der Primärorganisation

Bei den hierarchischen Modellen der Primärorganisation wird oft von Leitungssystemen gesprochen. Im Leitungssystem werden die Über- und Unterstellungsverhältnisse und der Umfang der gegenseitigen Rechte und Pflichten festgelegt. Die Gesamtheit der Leitungsbeziehungen wird normalerweise als Hierarchie dargestellt. Heute gibt es zunehmend Ansätze, die Hierarchie auf das absolut notwendige Maß zu beschränken – flache Hierarchien – und die Mitarbeiter zu veranlassen, selbstbestimmt Wege zu finden, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Eine extreme Ausprägung der Selbststeuerung ersetzt die Hierarchie und deren steuernde Rolle nahezu vollständig. Sie wird auch als Liquide Organisation bezeichnet. Zwischen den beiden Extremen einer rigiden Hierarchie und einer nahezu hierarchiefreien Organisation muss ein Unternehmen oder ein Bereich eines Unternehmens seine bestgeeignete Struktur finden. Diese verschiedenen Ansätze werden in Kapitel 4 erörtert.

1.3.2.3 Modelle der Sekundärorganisation

Es wurde schon erwähnt, dass die Sekundärorganisation die klassische Organisation mit ihren strengen hierarchischen Regeln überlagert, also neben dieser Organisation besteht. In den verschiedenen Erscheinungsformen der Sekundärorganisation greifen fast immer die geschaffenen organisatorischen Lösungen (z. B. Projekte, Workshops, interdisziplinäre Teams, Kollegien und Ausschüsse) auf die gleichen – zumeist personellen – Ressourcen zurück, die gleichzeitig Elemente der Primärorganisation sind. Diese Modelle dienen fast immer dazu, die möglichen Nachteile starrer, inflexibler Hierarchien abzuschwächen oder zu vermeiden. Die Sekundärorganisation ist Gegenstand von Kapitel 5.

1.3.2.4 Hierarchiearme Organisation

Modelle der hierarchiearmen Organisation entstanden zum einen aus der Notwendigkeit, immer schneller auf veränderte Marktanforderungen reagieren zu müssen. Die klassischen Hierarchien haben sich dafür als relativ inflexibel erwiesen. Zum anderen erschweren rein hierarchische Modelle mit ihren festen Regeln die Entwicklung von eigenverantwortlich handelnden Mitarbeitern. Es besteht die Neigung, auf Weisungen von oben zu warten und sich aus der Verantwortung zu ziehen, wenn etwas nicht klappt. Die hierarchiearme Organisation versucht gerade diese Eigenverantwortlichkeit zu fördern und damit auch die Motivation der beteiligten Menschen. Sie setzt allerdings auch Menschen voraus, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Sie müssen im Rahmen von Vereinbarungen selbstständig u. U. schnell wechselnde Aufgaben erkennen, übernehmen und erfolgreich abschließen. Das bietet Chancen und Risiken, die nicht jeder Mensch einzugehen bereit ist. Diese Thematik wird in dem neu aufgenommenen Kapitel 6 näher vorgestellt.

1.3.2.5 Unterstützende Systeme

Zu den unterstützenden Systemen gehören das Informations-, das Kommunikations- und das Sachmittelsystem. Das Informationssystem dient dazu, den Aufgabenträgern alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie für die Erledigung ihrer Aufgaben benötigen. Das bedeutet heute normalerweise die Regelung von Zugriffsrechten auf bestehende Informationssysteme, die von der Informationstechnik (IT) – häufig gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern – erarbeitet und weiterentwickelt werden. Weiterhin gehört dazu die Regelung, wer welche Information in das System eingeben muss und wer das Recht hat, Veränderungen vorzunehmen. Diese Rechte sind normalerweise an bestimmte Rollen gekoppelt. Das Kommunikationssystem dient dazu, Informationen von einem Ort zu einem anderen zu transportieren. Solche Transporte sind immer dann notwendig, wenn Informationen nicht an dem Ort verfügbar sind, an dem sie benötigt werden.

Das Sachmittelsystem ist ein weiteres aufbauorganisatorisches Teilsystem. Hier wird ein weit gefasster Sachmittelbegriff zugrunde gelegt. Zu den Sachmitteln gehören beispielsweise die gesamte Informationstechnik (Hard- und Software), klassische Sachmittel wie Büroeinrichtung und auch die Gebäude und Räume selbst. Wie schon erwähnt wird diese Thematik nur ganz kurz in Kapitel 8 angesprochen.

1.3.3 Dimensionen der Aufbauorganisation


Abb. 1.08: Dimensionen

Im Würfel „schneiden“ die Dimensionen die Elemente und die Beziehungen. Das geschieht mit gutem Grund. Sowohl die Elemente als auch die Aufbaubeziehungen beinhalten die Dimensionen. Was muss man sich darunter vorstellen?

Die Dimensionen der Elemente können auch als Eigenschaften der Elemente umschrieben werden. Das kann am Beispiel des Elements „Aufgabe“ gezeigt werden. Eine Aufgabe entsteht zu einem bestimmten Zeitpunkt, ganz gleich ob dieser Zeitpunkt vorausgesehen werden kann oder nicht. Die Erfüllung der Aufgabe beansprucht Zeit, erfordert also einen Zeitraum. Die Aufgabe entsteht an einem Ort bzw. in einem Raum. Dieser Ort kann gleichbleiben (z.B. Geschäftsstelle) oder wechseln (z. B. Außendienst). Die Aufgabe kann entweder nur an einem Ort erfüllt werden (z. B. an einer Baustelle) oder an einem beliebigen anderen Ort (z. B. beim Kunden). Schließlich fällt eine bestimmte Menge von Aufgaben in einem Zeitraum an. Ähnliches kann für Aufgabenträger gelten. Sie sind nur für acht Stunden am Tag, maximal in der Zeit von 7.00 bis 18.00 Uhr, an sechs Tagen in der Woche verfügbar, sie bieten nur an bestimmten Orten ihre Arbeitsleistung an und sie stehen u. U. auch nur in einer begrenzten Anzahl zur Verfügung. Für die Sachmittel und die Informationen gibt es analoge Beispiele.

Diese Dimensionen gelten gleichermaßen für die klassische Hierarchie wie für die Sekundärorganisation und die hierarchiearme Organisation. Das wird besonders sichtbar, wenn etwa über die quantitative Personalausstattung nachgedacht wird. Zu diesem Thema wird in Kapitel 9 „Personalbemessung“ ausführlich Stellung genommen. Dabei geht es um Mengen und Zeiten von Aufgaben einerseits und verfügbare Ressourcen andererseits. Dieses Thema rückt immer dann in den Vordergrund, wenn es um eine effiziente (kostengünstige) Aufgabenerfüllung und um eine angemessene Auslastung geht.