Renaissance 2.0

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Renaissance 2.0
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Renaissance 2.0

© 2021 Christian Jesch

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Kapitel 1
"Ich werde mich nicht noch einmal wiederholen", schnaubte Shilané immer noch wütend. Auffordern blickte sie in die Runde. Dabei schaute sie jeden Einzelnen, jeder Frau und jedem Mann, starr in die Augen. Langsam kam Bewegung in die Gruppe und ein leises Gemunkel wurde hörbar. Keiner der Anwesenden ließ das Mädchen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde unbeobachtet.
"Haben dir die anderen Fraktionen nichts über ihn erzählt?", fragte schließlich der Ordensführer.
"Glaubst du, ich würde fragen, wenn sie das getan hätten? Jedes Mal, wenn ich mehr wissen wollte, hieß es, frag den Rat. Was habt ihr mir verschwiegen?" Die Mitglieder des Rates sahen sich betroffen gegenseitig an. Keiner wollte der Erste sein, der etwas über Arazeel verlauten ließ. Immerhin war die Geschichte schon einige Jahre alt und hatte nicht wirklich noch eine Bewandtnis. Nacheinander schauten alle zum Meister des Rates, der sich schließlich nicht mehr aus der Sache heraushalten konnte.
"Also gut", begann er. "Ich denke, Shilané hat ein Recht zu erfahren, was es mit Arazeel auf sich hat. Ansonsten kann sie unmöglich mit den anderen Fraktionen weiter verhandeln. Und wir haben mittlerweile ganz andere Sorgen als dieses unsägliche Ereignis, wie Shilané uns berichtet hat. Wenn wir sicher sein wollen, vor diesem Mutantenmädchen, dann können wir uns nur gemeinsam gegen sie wehren." Er machte eine kurze Pause und deutete der jungen Frau mit einer Handbewegung an, sich zu setzen. Dem Rest des Rates nickte er nur zu, es ihr gleichzutun. "Das wird jetzt einige Zeit dauern", offenbarte der alte Mann ihr. "Der Vorfall selbst ist schnell erklärt, doch das Drumherum ist sehr komplex."
Nach etwas mehr als einer Stunde endete der Meister des Rates mit seinen Ausführungen. Es trat ein langes Schweigen ein. Shilané saß mit halb geöffnetem Mund und einem verstörten bis ungläubigen Gesichtsausdruck unbeweglich am Tisch. Sie starrte ihren Gegenüber an. Sollte das alles die Wahrheit gewesen sein? Konnte das überhaupt wahr sein? Das Mädchen schüttelte den Kopf energisch, um ihn freizubekommen. Dann schluckte sie deutlich, was ihre trockene Kehle jedoch nicht wirklich half. Schließlich raffte sich die junge Frau zusammen.
"Das ist doch wohl nicht euer Ernst", brachte sie endlich hervor.
"Doch. Das ist unser voller Ernst. So hat sich alles zugetragen und entwickelt.
"Dann bin ich ja…"
"Genauso ist es. Das bist du", bestätigte eine Frau aus dem Rat überhastet.
"Das muss ich erst einmal verarbeiten", stöhnte Shilané und stand auf. "Ich gehe jetzt in meinen Raum und möchte nicht gestört werden." Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie auf die Tür zu, öffnete diese und verschwand auf dem Gang.
"Da war wohl ein gehöriger Schock für das arme Mädchen", meinte eine weitere Anwesende.
"Kannst du ihr das verdenken?", fragte ein Mann nüchtern.
"Ich hoffe nur, sie kommt damit klar", fügte eine dritte Person hinzu.
"Das wird sie schon", versuchte der Meister die anderen zu beruhigen. "Natürlich ist es im ersten Moment erschreckend, wenn man solche Dinge erfährt, aber es ist nichts, das man nicht ertragen kann."
Shilané benötigte in ihrem Zimmer nicht die Zeit dazu, die persönlichen Informationen, die sie erhalten hatte zu verarbeiten, sondern, um ihre Strategie mit den anderen Fraktionen unter diesen Umständen ein weiteres Mal zu überdenken. Natürlich hatten einige der neuen Fakten sie wie ein spitzes Messer getroffen. Unerwartet und unvorstellbar. Und sehr privat. Aber auf der anderen Seite auch wiederum sehr schön. Sie lächelte kurz. Als das Mädchen jedoch bemerkte, dass sie vom eigentlichen Thema abschweifte, verschwand der Glücksausdruck aus ihrem Gesicht. Nachdem sie lange und ausgiebig nachgedacht hatte, es war schon fast Abend geworden, stand Shilané entschlossen auf und erstellte ein Portal, durch das sie die geheime Bastei der Magus verließ, um nur einen Atemzug später bei den versammelten Fraktionen einzutreffen.
"Ah, da ist sie ja wieder", wurde die junge Frau von einem Mann mittleren Alters empfangen. "Wir waren uns nicht sicher, wann oder gar, ob du wiederkommen würdest."
"Dass ich zurückkomme, damit hättet ihr allerdings rechnen müssen. Schließlich geht es hier um mehr, als diesen jahrelang andauernden Streit. Das habe ich euch schon erklärt. Und was diesen Arazeel angeht, er hat zwar etwas damit zu tun, dass ihr euch von den Magus getrennt habt, er hat jedoch nichts mit dieser Hexe Ysana zu tun, die unser aller Leben bedroht."
"Da kommst du schon gleich auf den Punkt", unterbrach der Mann sie. "Unser aller Leben, sagst du. Um uns zu bedrohen, müsste dieses Mädchen erst einmal wissen, dass es uns gibt und wo wir zu finden sind. Und das dürfte schon ihr Problem sein."
"Glaubst du wirklich, dass niemand etwas von eurer Existenz weiß?", forderte Shilané den Mann heraus. "Ihr wart noch nie außerhalb eurer Mauern tätig? Für niemanden?"
"Worauf willst du hinaus?", fragte eine Frau neugierig, der Shilanés Andeutungen gar nicht gefielen.
"Soweit ich informiert bin, gab es eine Zeit, in der die Magus der Bevölkerung geholfen haben, oder habe ich da etwas falsch in Erinnerung."
"Sie hat recht", stimmte ein weiterer Mann ihr zu. "Damals, nach dem großen biochemischen Krieg, als das Boden verseucht war, es kein Wasser gab, da haben wir uns für die Menschen in vielen Teilen des Landes eingesetzt und mit unseren Fähigkeiten dafür gesorgt, dass auf ihren Feldern Nahrung wuchs und ihre Tiere getränkt werden konnten."
"Das ist lange her. Daran wird sich niemand mehr erinnern. Und selbst wenn, wie sollte diese kleine Hexe ausgerechnet auf jemanden treffen, der ihr davon erzählt?"
"Und warum sollte dieses Mädchen nicht jemanden begegnen, der davon berichtet? Du kannst nicht einfach sagen, das passiert nicht. Wenn wir behaupten, es würde nicht so sein und dann geschieht es doch, was willst du dann machen?", gab eine weitere Person im Raum zu bedenken.
"Dann müsste diese Mutantin uns erst noch finden", argumentierte der scheinbar selbsternannte Redner der Gruppe dagegen.
"Und ob sie euch finden wird", schaltete sich jetzt wieder Shilané ein. "Ihre Mutanten haben ganz andere Fähigkeiten, als wir Magus. Wir können nur die vier Elemente beherrschen, sie besitzt aber Menschen, wie zum Beispiel Telepathen, die über endlose Weiten Gedanken lesen können. Fernorter, die über das Magnetfeld der Erde Veränderungen wahrnehmen. Mutanten, die wie wir, Geräusche aus großer Entfernung hören und sortieren, die Frequenzen und ihre Modifikation erkennen. Soll ich noch mehr aufzählen? Diese Metamenschen besitzen viel mehr Fertigkeiten, als wir. Es muss sie nur jemand in die richtige Richtung drehen, dann können diese Leute uns erahnen. Willst du dich und deine Leute dieser Gefahr aussetzen?"
"Ich habe schon verstanden, Shilané. Aber du hast es eben selbst gesagt. Diese Metamenschen, wie du sie nennst, besitzen ganz andere Fertigkeiten, gegen die wir nichts ausrichten können. Die vier Elemente geben nicht viel her. Das ist lächerlich."
"Wenn jeder für sich kämpft, ja. Deswegen müssen wir uns alle zusammenfinden und gemeinsam bereit sein, wenn der Tag kommt. Und ganz ehrlich, ganz so unbedarft sind wir auch nicht. Wenn sie mit ihrer Armee anrückt, können wir den Boden unter ihren Füßen öffnen und ihn über ihren Köpfen wieder schließen. Ist das etwa nichts? Wir können mit einem brennenden Streichholz in der Hand ungeheure Feuerwalzen auf sie nieder schicken. Mit dem Wasser aus der Erde errichten wir meterhohe Flutwellen, die sie davon spülen werden. Habt ihr denn ganz vergessen, wie wir unsere Fähigkeiten anwenden? Fehlt euch die Fantasie, die Elemente so zu nutzen, dass sie uns zu unserer Verteidigung dienen?" Shilané hob die Arme und die Schultern seitlich halb hoch und blickte alle Anwesenden mit einem fragenden bis auffordernden Gesichtsausdruck an. Es entstand eine lange Pause, in der sich die Männer und Frauen unsicher anschauten und nach einer Antwort suchten. Im Innersten wussten einige von ihnen, dass dieses junge Mädchen vollkommen richtig lag. Doch keiner wollte es vor dem anderen zugeben. Die Furcht war einfach zu groß. Doch sie wussten auch, die Angst würde zur Panik werden, wenn diese Ysana erst einmal mit ihren Gefolgsleuten vor ihren Toren stand und sie nicht bereit waren.
"Das klingt alles sehr hoffnungsvoll, was du da sagst. Die Anwendung unserer Fertigkeiten und deren Effekt. Ich kann nur hoffen, dass du dich nicht geirrt hast."
"Ich erwarte nicht, dass ihr euch mit den Magus zusammenrauft und dann als kriegerischer Verband auf die Stadt Akeḿ zumarschiert, um die Hexe dort ein für alle Mal zu vernichten. Das wäre Selbstmord und würde niemandem etwas bringen. Ich erwarte nur, dass ihr den alten Streit beendet und euch gemeinsam der neuen Gefahr stellt, wenn sie in den Dædlænds Kurs auf uns genommen hat."
Kapitel 2

"Was haben sie in dem Hover gefunden?", erkundigte sich Tebeel neugierig, als die Gruppe zurückkehrte.

"Haben Sie gewusst, dass Ysana und ihr Bruder Ihnen einen Besuch abstatten wollten?"

"Nein", Stieß der Mann erschreckt hervor. "Wie kommen Sie den auf so etwas?"

"Demnach sieht es so aus, als wollte die Mutantenhexe bei Ihnen unangemeldet erscheinen und Sie wahrscheinlich unter Druck setzen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Wie gut, dass Tandra", Kaziir deutete auf ihre Lebensgefährtin, "mit an Bord war und die Gelegenheit nutzen konnte."

"Genaugenommen", mischte sich jetzt Tandra ein, "wollte sie herausfinden, inwieweit Sie eine Gefahr für ihre Pläne waren. Hätten Sie zu viel gewusst, hätte das Mädchen sie einfach umgebracht und die Ordensburg vernichtet."

"Naja", stöhnte Tebeel auf. "Das hat jetzt schon Mår-quell geschafft. Ich verstehe nicht, wie sie uns gefunden hat."

 

"Das war nicht Mår-quell", widersprach Kaziir. "Erstens besitzt die Bundessenatorin kein Militär und zweitens werden diese Plasmaraketen nur von einer Spezialeinheit der ProTeq verwendet, die mit der Regierung nichts zu tun hat. Sie agiert nur auf Befehle der Firma. Also konnte Mår-quell gar nicht den Beschuss anordnen, solange die ProTeq es nicht selber wollte."

"Dann frage ich mich aber erst recht, woher diese Sicherheitsfirma unseren Aufenthalt kannte", empörte sich Tebeel.

"Diese Sicherheitsfirma, wie sie es nennen, ist alles andere als der kleine Laden in einer Seitenstraße, welcher bei Ihnen zu Hause Panzerglas in die Fenster einsetzt oder eine Alarmanlage installiert. Diese Firma ist bundesweit für die Sicherheit, das Militär und den Geheimdienst verantwortlich. Dass bedeutet, sie stellen jeden Sicherheitsbeamten, jeden Polizisten, jeden Soldaten und natürlich auch jeden Agenten in diesem Land. Die ProTeq weiß im Prinzip über alles Bescheid."

"Aber die Templar und Navigatoren lebten doch vollkommen autark in dieser Einöde", warf Misuk ein.

"Woher haben Sie all die Informationen bekommen, die Ihre Spezialisten verarbeitet haben?"

"Von unseren Agenten. Die sind überall zu finden."

"Da haben Sie Ihre Schwachstelle", kommentierte Kaziir nüchtern.

"Nein", rief Tebeel aus. "Niemals. Das kann ich nicht glauben."

"Ich kann mir das hingegen sehr gut vorstellen", widersprach die Suprimekommandantin. Tebeel schaute sie ungläubig an, musste sich aber eingestehen, dass die Renegatin möglicherweise nicht ganz Unrecht haben könnte. "Wie sind Ihre weiteren Pläne? Misuk erwähnte eine Bibliothek in der Kopien Ihrer Dokumentationen lagern."

"Ja. Das Antiquar. Wir werden uns dorthin zurückziehen und unsere Arbeit erneut aufnehmen. Sie können uns begleiten, wenn Sie möchten."

"Tandra und ich müssen nach Çapitis. Dort warten einige Aufgaben auf uns. Ich weiß nicht, wie das mit Thevog ist. Willst du mit uns oder Misuk gehen?"

"Ich denke, ich bleibe bei Misuk. Sie ist die Einzige, die weiß, wo wir Shilané finden können", antwortete der Junge bedrückt.

"Shilané?", wiederholte Tebeel nachdenklich und langgezogen.

"Kennst du sie?", fragte Misuk ihren Vater neugierig.

"Ja, ja. Ich denke, ich kenne das Mädchen, von dem ihr sprecht. Ja."

"Kommt sie in euren Berechnungen vor oder woher kennst du sie?"

"Ich kenne das Kind noch aus alten Tagen", begann ihr Vater zu erzählen, "als ein gewisser Leto einen Jungen zu uns brachte, den wir vor der Regierung und ihren Häschern schützen sollten. Der Mann blieb etwas mehr als drei Jahre, dabei verliebte er sich in eine der Unseren und Shilané kam zur Welt."

"Was geschah dann?", fragte Tandra fast lautlos.

"Leto erkannte, dass er uns mit dem Jungen lange genug in Gefahr gebracht hatte. Er geleitete ihn wieder zurück in die Hauptstadt. Seit dem haben wir nichts mehr von ihm gehört."

"Ich weiß nicht, wer dieser Leto ist", sagte Tandra, nachdem sie sich kräftig geräuspert hatte, um ihre trockene Kehle freizubekommen, "aber Shilanés Vater ist tot. Er starb bei einer Explosion in einem Dorf, das nur ein paar hundert Kilometer entfernt liegt."

"Wo war er die ganze Zeit?", fragte Tebeel verträumt, nachdenklich.

"Zuletzt war er in Akeḿ, wo er eine Gegenregierung zu Mår-quell etablieren sollte", begann Misuk ihren Vater zu unterrichten, bevor der sie heftig unterbrach.

"Nein", rief er aus und packte seine Tochter am Unterarm. "Nein, das kann unmöglich sein."

"Doch", widersprachen ihm Tandra und Kaziir gleichzeitig.

"Jachwey war Leto?", entfuhr es dem entsetzen Mann. "Und er ist tot?"

"Haben Ihre Agenten Sie denn nicht darüber in Kenntnis gesetzt?" Der Mann schaute seine Tochter durchdringend an, die verzweifelt das Gesicht verzog.

"Offensichtlich nicht", beantwortet er die Frage. "Aber ich denke die widrigen Umstände der letzten Monate müssen das wohl entschuldigen."

"Es tut mir sehr leid, Vater", sagte Misuk traurig.

"Ist schon gut, mein Kind. Du hattest mit Sicherheit keine leichte Zeit gehabt."

"Das ist allerdings richtig", stimmte Thevog Tebeel zu. "Nachdem das Dorf zerstört wurde, mussten wir alle ums Überleben kämpfen und das war alles andere als einfach in den Dædlænds."

"Du brauchst weder dich noch Misuk zu entschuldigen", beruhigte der Mann die beiden Kinder.

"Im Übrigen muss ich sagen", schaltete sich jetzt Tandra ein, "dass die Behauptung, Jachwey ist tot, nicht so ganz stimmt."

"Wie darf ich das verstehen, junge Frau?" Tebeel wurde mit einem Mal sehr neugierig.

"Es stimmt schon, dass sein Körper gestorben ist. Dafür existiert jedoch noch sein Geist.

"Jetzt irritieren Sie mich aber."

"Es ist auch verwirrend. Während Jachwey in Akeḿ regierte, arbeitete er an einer Technik, die es den normalen Menschen ermöglichen sollte, Zugang zu den Quellen des Metanetzwerks zu erlangen, um ebenfalls Mutantenfertigkeiten anwenden zu können."

"Moment, Moment, Moment", unterbrach der oberste Templar erneut. "Das ist mir doch jetzt ein wenig zu hoch. Bitte erklären Sie das so, dass es selbst ein einfacher Mann, wie ich, verstehe."

"Dann muss ich etwas weiter ausholen. Wir Mutanten erhalten unsere Fähigkeit aus einer höheren Energieebene, genannt das Metanetzwerk. Dort befinden sich als Quellen bezeichnete Energieansammlungen, welche die jeweilige Fertigkeit repräsentieren. Als Mutant schließe ich mich an eine solche Quelle an, um meine Fähigkeit zu aktivieren und anzuwenden."

"Können sie sich an jede x-beliebige anschließen?", unterbrach Tebeel.

"Nein. Nur an die, welche sozusagen auf meiner Frequenz liegt. Und eben diese Frequenz hat Jachwey ausgenutzt, um seine Meta-Neuronen-Netze zu konstruieren, die sich dann mit den Neuronen des Gehirns verbinden. Somit kommen wir jetzt zu seinem Geist. Als eine Mutantin ihn in Brand gesetzt hat, trug der Gottkaiser ein solches Meta-Neuronen-Netz, das sich dann bei ihm einbrannte, was zur Folge hatte, dass er geringfügig den Verstand verloren hat. Als Jachwey nun durch die Explosion ums Leben kam, ist die Energie, die in einem menschlichen Gehirn existiert und für das Denken verantwortlich ist, über das Meta-Neuronen-Netz in das Metanetzwerk geflüchtet. Somit existiert dieser Mann dort immer noch als eine Art Energiewesen oder auch Geist."

"Ah, ich verstehe. Der alte physikalische Grundsatz, dass Energie nie verloren geht, sondern sich immer in eine andere Form umwandelt. Das ist interessant. Aber woher wissen sie das alles."

"Weil ich mit ihm kommunizieren kann", gab Tandra wenig erfreut zu.

"Dann kann er dir doch auch sagen, wo sich Jikav befindet", stieß Kaziir aufgeregt hervor.

"Nein, das kann er nicht. Jikav ist ein besonderer Mutant, ebenso wie Ysana es war. Beide benötigen die Quellen im Metanetzwerk nicht. Sie tragen ihre Quellen mehr oder weniger in sich. Daher kommen sie nie in diese höhere Energieebene. Naja, fast nie. Jachwey hat mir einmal gesagt, er habe Jikav am äußersten Rand der endlosen Ebene gesehen. Was auch immer das heißen soll."

"Das sind viel zu viele Informationen für meine kleines Gehirn", gab Tebeel überfordert zu. "Haben Sie das alles mitbekommen und können es weitergeben", sagte er und wendete sich dabei einem Navigator zu, der sich unbemerkt hinter der kleinen Gruppe in Stellung gebracht hatte.

"Ja, das habe ich. Ich werde es sofort weiterreichen", erklang die seltsame Stimme. Die drei drehten sich um und sahen einen Mann, der von der Statur her normal wirkte, jedoch ein wenig kränklich.

"Ich weiß schon, was ihr denkt", unterbrach Tebeel die Gruppe in ihren Beobachtungen. "Jeder von ihnen wusste sehr wohl, was auf ihn oder sie wartete, wenn sie erst einmal einige Jahre das Rempa Luak eingenommen haben. Sie verbringen vierundzwanzig Stunden am Tag in einer ergonomisch angepassten Sitzschale, werden dauerhaft mit Nahrung versorgt und ihre Muskeln werden durch leichte Stromstöße stimuliert, damit sie nicht abbauen und verkümmern. Mir ist klar, es fehlt ihnen das Sonnenlicht und einige andere Dinge, die für den menschlichen Körper von Bedeutung sind. Doch trotz alledem, haben diese Männer und Frauen sich dem Wohl der Allgemeinheit verschrieben und versuchen mit ihrer Fähigkeit die Welt um uns herum zu verbessern. Ununterbrochen, auch während sie schlafen, werden sie mit den neuesten Informationen aus ihrer Region versorgt, damit sie die Zukunft berechnen können. Natürlich fragt ihr euch, wie es unter diesen Umständen zu so einer Regierung wie der von Mår-quell kommen konnte. Leider muss ich dazu sagen, dass wir nur auf das reagieren können, über das wir auch Bescheid wissen. Und die plötzliche Veränderung bei dieser Frau war selbst ihrem Mann entgangen. Die Bundessenatorin hatte alles im Geheimen mit einigen wenigen anderen Politikern geplant und in einem einzigen Tag in die Tat umgesetzt. Das konnten wir nicht vorhersehen." Tebeel machte eine Pause, bevor er fortfuhr. "Wie sieht es aus? Wer begleitet uns denn nun?", wechselte der jetzt deprimiert wirkende Mann das Thema.

"Wie ich schon sagte", begann Kaziir, "Tandra und ich müssen zur Hauptstadt. Ich vermute mal, dass Thevog Sie und Misuk begleiten wird. Schließlich ist er ja auf der Suche nach seiner Freundin. Und du weißt, wo man die Magus findet?", wendete sie sich an das Mädchen.

"Ich habe einige Hinweise, denen wir folgen können."

"Hinweise?", wiederholte Tandra.

"Eher grobe Landschaftsbeschreibungen", antwortete Thevog.

"Wir werden mal sehen, was wir im Antiquar über die Magus finden können", ermunterte Misuks Vater den Jungen. "Irgendwie wirst du Shilané schon wieder treffen. Und was Sie angeht, Kaziir, kommen sie am besten auch mit uns. Bis nach Çapitis ist es weit. Wir können Ihnen eines unserer Fahrzeuge zur Verfügung stellen."

"Wie weit ist es denn bis zu diesem Antiquar?"

"Wenn wir nicht trödeln sind es weniger als zwei Tage."

"Glauben sie das wirklich?", fragte Kaziir befremdet, mit einem Blick auf die Navigatoren, die sich versammelt hatten.

"Wir werden das schaffen", antwortete Tebeel voller Zuversicht. "Wenn Sie jetzt direkt in Richtung der Hauptstadt losstiefeln, werden Sie auch nicht eher dort sein, als wenn Sie erst zu uns kommen und dann mit einem Fahrzeug den Rest des Weges zurücklegen."

"Und Sie machen sich keine Gedanken darüber, dass wir den Standort Ihrer geheimen Bibliothek erfahren?" Tebeel schaute die beiden Frauen kritisch von Oben bis Unten an und schüttelte dann lachend den Kopf.