Buch lesen: «Zeige dich, begehre mich! | Erotischer Roman»
Impressum:
Zeige dich, begehre mich! | Erotischer Roman
von Carol Stroke
Carol Stroke entführt in ihren Geschichten in die unterschiedlichsten Welten und möchte mit ihren lebensnahen Charakteren und deren Erlebnissen Emotionen hervorrufen – ob es ein Lächeln auf den Lippen ist oder ein wohliges Kribbeln im Körper. Sie liebt es, ihre Leser anfangs auf das vermeintlich Vorhersehbare zusteuern zu lassen, um sie dann mit dem Unerwarteten zu überraschen. Ihr Ziel ist erreicht, wenn die Lust ihrer Charaktere die Lust der Leser zum Höhepunkt treibt.
Lektorat: Nicola Heubach
Originalausgabe
© 2018 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: Frau: PeopleImages @ istock.com Hintergrund: YiuCheung @ istock.com
Umschlaggestaltung: elicadesign/autorendienst.net
ISBN 9783862773671
www.blue-panther-books.de
Jane Scott 1
Wieder ein Samstagabend in meinem Leben, den ich hinter mich bringen wollte. Wie gern wollte ich mich in meinem Hausanzug auf die Couch legen, die Kuscheldecke bis zu meiner Nase hochziehen und das Flimmern des Fernsehers zum Einschlafen nutzen. Die Welt würde sich weiterdrehen, während ich einfach ins Dunkel glitt und erst im Morgengrauen wieder aufwachte.
Seit Monaten war das nun schon mein Wochenendritual, an dem ich auch nichts ändern wollte. Aber an diesem Samstagabend nötigte meine beste Freundin mich, mit ihr auszugehen. Eigentlich zerrte mich Lilly mehr zum Tanzen, als dass ich es freiwillig tat. Sie versuchte mich schon seit mehreren Wochen zu verkuppeln, hatte sich zur Aufgabe gemacht, mich nach meiner letzten Beziehung wieder an den Mann zu bringen. Mich, das wertlose Etwas, dass weiterhin darum kämpfte, nicht an den Worten des Ex oder den eignen Selbstzweifeln zu ersticken.
Aber dieses Luder hatte schwere Geschütze aufgefahren in Form von einer Anzeige in der Rubrik: »Sie sucht ihn«, mit folgendem Wortlaut: »Große, schlanke, gut ausgestattete Mitzwanzigerin sucht großen, schlanken, geistig gesunden Mitzwanziger«.
Da diese Annonce alles, aber auch nichts aussagte, bekam ich dementsprechende Antworten zugeschickt.
Die meist gestellten Fragen lauteten:
1. Welche Körbchengröße hast du?
2. Bist du groß genug, um mich devoten Sklaven zu peinigen?
3. Bist du überall so ...
Nein, ich werde jetzt lieber nicht auf die weiteren Punkte eingehen. Das zum Thema, wer sich alles für geistig gesund hielt!
Da ich aber schon zweimal den Fängen von Lilly entkommen und mich vor einem Discobesuch drücken konnte, hatte sie letztlich gedroht, eine Anzeige in »Sie sucht sie« zu setzen. Was blieb mir da noch übrig, das war ein sehr überzeugendes Argument.
Trotz der Anziehungskraft, die von meinem Hausanzug, der über meiner Schlafzimmerkommode lag, ausging, verbrachte ich Stunden damit, meinem Kleiderschrank und meiner Figur den Kampf anzusagen. Was soll ich sagen, dem Wäscheberg nach, der neben meinem Bett lag, und der so gut wie leergeräumte Kleiderschrank bezeugten, dass es eine unsaubere Schlacht war, der einige Blusen und Röcke zum Opfer fielen.
Ein letzter Blick in den Spiegel, ein tiefer Atemzug und ein falsches Lächeln auf meinem Gesicht, dann konnte es losgehen.
Jane Scott 2
Nachdem Lilly mich abgeholt hatte, standen wir nun in einer Warteschlange, irgendwo in Manhattan vor dem, laut Lilly, »angesagtesten« Club der Stadt. In meinem schwarzen Lack-Catsuit und den dazu passenden Stiefeln, fing ich dann doch etwas an zu frösteln. Als ich überdies noch sah, wie eine Gruppe Wartender maulend an uns vorbeilief, da sie nicht reingelassen wurden, keimte in mir die Hoffnung auf, auch nach Hause gehen zu dürfen. Diese wurde je zerstört, als der Türsteher uns abcheckte und von meinen blauen Augen bis zu meinen vor Kälte stramm stehenden Brustwarzen schaute. Er winkte uns durch. Lilly jubelte und warf mir ein schelmisches, fast schon diabolisches Lächeln zu, das ihren Triumph verdeutlichte.
Wir liefen einige Treppenstufen hinab, um in die nebelverschleierten Clubräume zu gelangen. Nach dem plötzlich auftretenden stechenden Schmerz in meinem kleinen Zeh, konnte ich ihr zustimmen, dass es, wenn nicht der angesagteste, wenigstens der vollste Club in der Stadt war.
Lilly hob unbeirrt ihre Arme in die Luft und drängelte sich tänzelnd durch die Menge in Richtung Bar. Was mich anging, nutzte ich ihre Fahrrinne und hielt mich dicht hinter ihr, um schnellstmöglich an einen Cocktail zu gelangen, der mir helfen sollte, diese Pflichtveranstaltung schnell zu überstehen. Als wir uns zwischen zwei Individuen der Gattung »Mann, suchend und chronisch geil« zwängten, lächelte mich der zu meiner Rechten, während er mit seinen Blicken an mir hinab glitt, süffisant an.
»Hallo, du Teufelchen, darf ich dich zu einem ›Sex on the Beach‹ oder zu einem ›Orgasmus‹ einladen?« Er unterstrich sein Angebot mit dem Wackeln seiner Augenbrauen.
Nachdem es mich zuerst innerlich schaudern ließ, entgegnete ich ihm: »Süßer, ich hätte nichts gegen Sex on the Beach und einem Orgasmus, lass mich nur mal schnell umschauen, ob ich hier eine geeignete, gutaussehende Frau für mich finde.«
Ich hob meinen Kopf und schaute suchend über seine Schulter.
Schnaubend drehte er sich von mir weg.
Ich hatte jetzt zwar ein schlechtes Gewissen, da ich so gemein zu ihm gewesen war, aber schließlich hatte mich vor längerem auch ein Exemplar derselben Gattung verletzt und es tat noch genauso weh, wie an dem Tag, als es geschah.
Lilly gab mir einen Schubs und holte mich aus dem Nichts heraus, in das ich kurz versank. »Hier Süße, den Sex on the Beach bekommst du von mir, um den Rest musst du dich kümmern!«
Ihre Lippen kräuselten sich und ich erwiderte mechanisch ihr Lächeln. Mit unseren Muntermachern stellten wir uns etwas abseits an die Tanzfläche. Nachdem wir die Drinks geleert und die morallockernden Wirkungen eingesetzt hatten, gingen wir tanzen.
Ich ließ den Einfluss des Alkohols auf meinen Körper zu, spürte das Kitzeln in meinen Nervenbahnen, genoss die Beats, die sich mit meinem Pulsschlag verbanden und verbannte jegliche Gedanken aus meinem Kopf. Nur das Hier und Jetzt zählte. Lilly und ich tanzten dicht beieinander, unsere Arme erhoben, während unsere Körper sich raubkatzengleich zu dem Takt der Musik wiegten.
Plötzlich fühlte ich zwei kräftige Hände an meiner Taille, spürte warmen Atem an meinem Hals, der eine Gänsehaut auf meinem Körper entstehen ließ. Ich wollte mich nach diesem dreisten Unbekannten umdrehen, konnte mich aber aus seinem Griff nicht befreien. Hilfe suchend schaute ich zu Lilly, die meinen Blick aber nur verschmitzt erwiderte, sich abwandte und einen anderen willigen Tanzpartner suchte. Langsam kam mir der Verdacht, dass der Spruch »Wenn man sie als Freundin hatte, brauchte man keine Feindin« zu hundert Prozent zutraf.
Nun fühlte ich, wie der Tänzer hinter mir mich in seine Bewegungen mit verschmelzen ließ. Ich wusste nicht, ob es noch an dem Einfluss des Cocktails lag oder der Sinnlichkeit, die dieser Mann ausstrahlte. Mein Körper gab sich ohne Gegenwehr seinem Rhythmus hin, während seine Hände von meinen Hüften bis zu meinen Oberschenkeln entlangglitten und mich kraftvoller an sich drückten, um eins in der Bewegung zu werden. Mir schien, als würde mein Herz nicht im Brustkorb, sondern im Hals schlagen. Tausend wirre Gedanken schossen mir durch den Kopf, aber es war immer der gleiche, der hervorstach: »Genieße es!«
Also tat ich es. Ich legte meine Hände auf seine und drückte meinen Po dichter an ihn. Uns trennte nur noch der Stoff meines Catsuits und seiner Hose. Sogleich vernahm ich einen Laut in der Nähe meines Ohres, der sich wie ein Zischen durch zusammengebissene Zähne anhörte, und genoss die Berührung seiner warmen, großen Hände mit seinen langen, starken Fingern unter meinen Handflächen. Ein neuer Gedanke dominierte mich: Ich wollte, dass diese wahnsinnig erotischen Hände an meinen Brüsten entlangstrichen. Allein dieser unausgesprochene Wunsch reichte aus, um die Hitze seiner Berührung von meinen Oberschenkeln in Richtung Scham zu verlagern. Wie ich mit einer mir fremden Zufriedenheit feststellte, schien es ihm nicht anders zu ergehen, da mir etwas Hartes in den unteren Rücken drückte.
Lass es kein Schlüsselbund sein!, betete ich still.
Ich streckte meine Arme über seine Schultern hinweg, sodass er sein Kinn in meine Halsbeuge legte und seine Hände zu meinen Rippenbögen wanderten.
Nur noch ein Stückchen höher, bitte!, lautete mein nächstes stilles Stoßgebet. Wenn mein Flehen so weiterging, würde ich das Lokal als Heilige verlassen.
Nun bewegten wir uns zu unserem eigenen Rhythmus. Zumindest ich vernahm den Bass nicht mehr, da das Pochen in meinen Ohren von meinem Herzen ausging. Angespornt von seinen ebenso unruhiger werdenden Atemgeräuschen, rieb ich meinen Körper in einer leichten Auf- und Abbewegung an seinem. Sein Aufstöhnen übertönte sogar mein Herzrasen, steigerte dieses aber auch. Mein ganzer Körper schien unter seinen mehr oder weniger unschuldigen Berührungen zu erbeben. Harte Nippel, Herzrasen, Hitze unterhalb des Bauchnabels, Kurzatmigkeit.
Diese Ausgeburt von Sinnlichkeit hinter mir hält mich bestimmt für eine Novizin!, schalt ich mich selbst in Gedanken.
Nun merkte ich, wie er seinen Kopf etwas drehte und mir einen Kuss in die Halsbeuge hauchte.
Oh mein Gott, lass mich jetzt nicht auf der Tanzfläche zum Höhepunkt kommen! Das war mein stilles Gebet Nummer drei.
»Danke für den Tanz«, flüsterte er mir mit einer unglaublich sanften, rauchig-tiefen Stimme zu.
Ich biss mir auf die Unterlippe, damit ich nicht herausschrie: »Ich hab zu danken, was muss ich zahlen!«
Um mich und in mir herrschte in diesen Moment Stille. Wir hatten unsere Tanzpose zwar gelöst, aber ich stand immer noch rücklings an ihn gelehnt. Mir fiel dabei auf, dass unser beider Atmen ein unerfülltes Verlangen beschrie. Gerade als ich den Mut gefasst hatte, mich umzudrehen, machte er eine kurze Bewegung, drückte mir etwas in die Hand und ließ mich los. Mich übermannte für einen kurzen Augenblick das Gefühl, etwas verloren zu haben und ich drehte mich nach ihm um, um zu erfahren, wer dieser unbekannte Tänzer war, der es schaffte, mich so zu verwirren. Leider konnte ich ihn in der Menschenmenge nicht mehr ausmachen. Ich reckte und streckte mich noch mehrmals, gab dann aber ernüchtert auf. Auch wenn ich ihn gesehen hätte, hätte ich ihn ja nicht erkannt. Mein Herzschlag normalisierte sich wieder und es tat nur noch weh. Das Nichts erfüllte wieder meine Gedanken und ich fühlte mich verlassen. Bei den Gebrüdern Grimm hätte ich wenigstens einen Glasschuh als Anhaltspunkt des Verschwundenen gefunden. Aber leider waren wir ja nicht in einem Märchen, sondern in der Realität. Zudem war ich auch irgendwie erleichtert, dass dieser Inbegriff von Männlichkeit keine Glaspumps trug.
»Na klasse, Miss Sarkasmus war zurück!«, murmelte ich vor mich hin. Ich gab die Suche nach meinem Prinzen auf und verlagerte sie auf Lilly, dieser kleinen Hexe.
Während ich Ausschau nach ihr hielt, fiel mir ein, dass der Fremde mir etwas in die Hand gelegt hatte. Ich öffnete diese und erblickte überrascht eine Visitenkarte. In Fettdruck geschrieben standen dort sein Name und seine Handynummer. Sebastian Bones. Zum letzten Mal für heute betete ich: Lass ihn Single sein!
Lilly und ich verbrachten noch einige Stunden in dieser Location und fuhren dann nach Hause. Dort angekommen, glitt ich langsam und weiter in Gedanken versunken aus meinen Kleidern, wusch mir mehr schlecht als recht das Make-up von meinem Gesicht und legte mich auf mein Bett. In meine Bettdecke gekuschelt starrte ich noch eine Weile an die Decke und dachte an den Unbekannten, bis mir die Augen vor Müdigkeit zufielen.
Jane Scott 3
Ich wand meinen Kopf zu allen Seiten. Die Tanzfläche war leer. Außer mir und meinem Tänzer war niemand zu sehen. Sofort verspürte ich den Drang, dies auszunutzen und mich umzudrehen, damit ich ihn erblicken konnte. Zuerst war es mir unmöglich. Er hielt mich in seinem Griff und ich spürte jede seiner Bewegungen, wie bei unserem ersten Tanz. Nun fehlte es mir aber an Geduld und ich wollte ihn unbedingt anschauen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich endlich die Kraft aufbrachte, mich aus seinem Griff zu lösen. Mit einem breiten Grinsen des Sieges auf meinen Lippen, drehte ich mich zu ihm. Doch er war weg! Mich umgaben nur mehr Schatten über Schatten, das Nichts hatte mich wieder eingeholt. So stand ich da, allein, verlassen und von Panik erfüllt. Ich erinnerte mich an seine Karte. Genau, ich hatte doch seine Visitenkarte. Wo war sie nur? Ich müsste ihn rufen, müsste einfach seinen Namen schreien, er würde mich hören und dieses Mal zurückkommen. Aber das Nichts drohte mir weiterhin, den Atem zu rauben. Ich musste hierbei fest daran glauben, dass er zurückkam. Augenblicklich spürte ich etwas und atmete leichter, ich hatte sie immer noch in meiner Hand. Die Schwärze wich vor meinem Glücksgefühl zurück. Ich könnte ihn bei seinem Namen nennen. Gleich wäre er wieder da! Ich schaute hoffnungsvoll auf das Papier und las: »Versagerin«. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Was war hier los? Ich drehte das Kärtchen hin und her, aber es blieb dabei. In großen Lettern stand das Wort »Versagerin« geschrieben. In meiner Verzweiflung bemerkte ich nicht sofort, wie eine Gestalt aus dem Schatten trat. Meine Gesichtszüge wechselten von verzweifelter Panik zu absoluter Verständnislosigkeit. Mir gegenüber stand mein Ex und lächelte süffisant. Er war in einen Smoking gekleidet und hielt eine Rose zwischen seinen Fingern, als plötzlich ein Tango zu spielen anfing und eine zweite Person aus dem Dunkel trat. Mein Körper wurde mit Adrenalin durchschossen. Es war der Drache, der mir meinen Freund ausgespannt hatte. Sie hatte ein enganliegendes Kleid an, das tatsächlich wie Reptilienschuppen schimmerte, und ihre Augen schienen mir schlangenartig entgegenzuleuchten. Sie lächelte mir triumphierend zu, schmiss sich in seine Arme und ihre gespaltene Zunge leckte seinen Hals entlang. Ich war von diesem abartigen Anblick gefesselt. Daraufhin fingen sie an, zu der dominanten Musik zu tanzen. Sie lachten, umkreisten mich und wurden schneller in ihren Bewegungen. Er schmiss die Rose in die Luft. Ich folgte mit den Augen ihrem Flug und im nächsten Moment rieselten hunderte Visitenkarten auf mich herab. Ich kniete nieder, kugelte mich schützend zusammen. Zu meinen Füßen stieg der Haufen von Papier mit der Aufschrift »Versagerin« weiter an. Ich spürte die Schwärze wieder und wusste, ich drohte zu ertrinken. Sie lachten und lachten ... und ich versank ohne Halt in dem immer wiederkehrenden Nichts. Ihr Verspotten wandelte sich zu einem Schrillen.
Trrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!
Ich schrak auf. Mein Körper lag in meinem Bett, und ich erkannte, dass ich nur geträumt hatte.
Trrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!
Ich zog mir mein Kissen über den Kopf, stellte mich taub und wollte einfach nur in der Gegenwart ankommen.
Trrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr ... Trrrr ... Trrrrr ...
Trrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!
»JA!«, rief ich gereizt in Richtung meiner Haustür. Ich fühlte mich verletzt. Der Zorn über meinen Traum, über die Schwächen und dem Idioten, der mich um diese Zeit aus dem Bett klingelte, wuchs weiter. Wobei ich doch zugeben musste, dass mir durch diesen Überfall weitere Qualen erspart geblieben waren. Trotz des positiven Nebeneffekts wurden meine Augen zu Schlitzen und meine Zähne rieben angespannt aufeinander.
»Warte nur, du Volldepp, wenn ich dir jetzt aufmache, dann ...« Die Türklinke in der Hand, hielt ich überrascht in meiner Tirade inne, als ich sah, wer vor mir stand. Nur ein »Guten Morgen, Lilly« kam mir über die Lippen, während meine zuvor verengten Augen sich weiteten und sich meine Brauen skeptisch zusammenzogen.
Bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, drückte sich meine nun Ex-Beste-Freundin an mir vorbei, lief schnurstracks in Richtung Küche und redete ohne Luft zu holen auf mich ein: »Schnucki, ich hab Brötchen dabei. War der nicht süß?! Ich hoffe, du hast Marmelade da. Mensch, hatte der einen Arsch! Ich flehe um einen Kaffee, da du mich so früh aus dem Bett gezwungen hast. Der hat dich vielleicht angeschaut ... Echt, ich bin voll müde! Aber du warst auch nicht unschuldig, hm ...«
Ich stand immer noch überrumpelt an meiner offenen Haustür und hörte, während ich sie schloss, wie meine Schränke durchwühlt wurden. Ich folgte meiner Ex-Besten-Freundin verblüfft und versuchte ihrem Gerede akustisch, wie auch gedanklich, zu folgen.
» ... wo hast du Nutella? Er würde super zu dir passen! Du könntest ruhig mal einkaufen gehen, wenn ich zum Frühstück komme. Nun sag doch endlich, wie hat er dir gefallen?«
Unter dem Türbogen blieb ich stehen, immer noch verwundert über das befremdliche Treiben in meiner Küche. »Lilly, was machst du hier? Und was hast du dir eingeschmissen?«
Sie stoppte, in meinem Küchenschrank zu stöbern, richtete sich auf und schaute mich schuldzuweisend an. »Was soll das jetzt wieder? Ich komme zum Frühstück und hab sogar Brötchen dabei!« Sie streckte ihre Hand in Richtung Esstisch, um mir ihren Beitrag zu dem nicht geplanten morgendlichen Überfall zu zeigen. »Pfff, eingeschmissen ... als ob ich so was nötig hätte!«
»Ach, richtig, Lilly. Du bist ja von Natur aus ein nicht versiegender Quell an Energie, der einer Supernova gleicht.«
Sie schaute mich grübelnd an, dann sagte sie: »Stimmt!«, und durchsuchte weiter meine Schränke nach Essbarem.
Ich seufzte.
Jane Scott 4
Nach unserem leckeren Frühstück hingen wir gesättigt in meinen Lehnstühlen und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
»Ha!«, schrie sie und zeigte mit ihrem Finger auf mich.
»Was, ha?«
»Du fandst ihn auch heiß. Leugnen gibt’s nicht.«
»Ach, keine Ahnung! Wie kann man eine Stimme, die einem die Erfüllung seiner Wünsche verspricht, Hände, die diese Tatsache unterstreichen, heiß finden?«
Nun prusteten wir beide los.
»Wo hast du seine Visitenkarte?«, fragte Lilly, wollte schon aufspringen, denn ihre Augen huschten zur Garderobe, an der meine Handtasche von gestern hing.
Gekonnt warf ich mich mit einem gezielten Aufsprung an ihr Bein und hielt sie zurück, während sie weiter versuchte, in die Diele zu humpeln.
Lilly hielt inne und schnaubte ungeduldig: »Du wirst ihn anrufen! Wenn du es nicht tust, mache ich es und dann erzähl ich ihm alles von dir.« Sie tippte sich nachdenklich mit ihrem Zeigefinger an ihr Kinn: »Sag mal, hast du noch den Bauch-weg-Po-straff-Brust-heb-Body, den dir deine Mutter geschenkt hat?«
»Ohhh, ich wusste doch, dass du die Verkörperung meiner Büchse der Pandora bist!«, grollte ich wütend, während ich sie losließ, aufstand, meine Schlafanzughose abklopfte und selbst zu meiner Handtasche lief. »Du könntest wirklich Rücksicht auf mich nehmen und mir Zeit lassen. Ich kann doch nicht einen Fremden einfach anrufen?! Was soll ich denn sagen? Hallo, hier ist die von gestern, der du deine Erektion in den Rücken gedrückt hast. Ach ja, da mir das täglich passiert, wollte ich mich mal routinemäßig bei dir melden. Ach, noch etwas: Falls deine Frau zufällig hinter dir steht, kannst du ihr ja ausrichten, wie faszinierend ich deinen Tanzstil fand.« Die Hände entschlossen in meine Taille gestemmt, schaute ich Lilly herausfordernd an.
»Pfffff ...«, war die einzige Reaktion, die ich von ihr zu hören bekam, während sie mir meine Tasche aus der Hand riss und zum Telefon ging.
»Stopp!«, rief ich ihr nach. »Lass mir doch wenigstens die Zeit, mir meine Zähne zu putzen und meine Haare zu kämmen.«
»Hä?« Sie blieb stehen, schaute mich verdutzt an. »Seit wann hast du ein Bildtelefon? Der sieht dich doch gar nicht!«
»Aber ich fühle mich mutiger, wenn ich nicht gerade aussehe, als ob ich die Nacht durchgemacht hätte und von ’ner Verrückten aus dem Schlaf gerissen worden wäre.« Gott sei Dank hatte sie wohl den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und gewährte mir noch eine Gnadenfrist von zehn Minuten.
Ich rannte in mein Schlafzimmer, das im Dunkeln lag, da die Rollladen noch geschlossen waren. Ich tastete mich um die Wäscheberge in Richtung Fenster und zog die Lade hoch. Jetzt erst sah ich wieder das Ausmaß an Verwüstung und meinen noch immer ausgeräumten Kleiderschrank. Da mir die Zeit davonlief, suchte ich mir auf dem Boden meine Anziehsachen zusammen und eilte ins Bad.
Nachdem ich mich einigermaßen zurechtgemacht hatte, übermannten mich wieder meine Selbstzweifel. Was sollte ich nur sagen? Ich wusste doch gar nichts von diesem Mann. Ich wusste nur, dass allein der Gedanke an gestern Abend meinen Körper mit einer lieblichen Gänsehaut überzog. Aber was, wenn er ein Gigolo war? Wenn er zu Hause Frau und Kinder hatte und nur ein Betthäschen suchte. Genau, vielleicht wäre ich nur eine weitere leichte Beute für ihn. Oder vielleicht war es gar nicht seine Visitenkarte. Eventuell machte er sich einen Spaß daraus, fremde Frauen verrückt zu machen und ... Halt! Ich nahm meine Schläfen zwischen meine Hände, schaute in den Spiegel und sah in das Gesicht einer verunsicherten gebrandmarkten Frau. In dem Moment, als mir das klar wurde, erblickte ich auch das Feuer, das in meinen Augen aufflackerte. Meine Hände stützten sich am Waschbecken ab und mein Gesicht näherte sich der glatten Oberfläche des Spielgels, meine Lippen formten Worte und machten eine klare Ansage: »Diesen Sieg trägst du nicht auch noch davon, du feiger Idiot!« Mein Ex hatte mich zwar damals hart getroffen und mein Herz entzweigerissen, aber ich bin zurück. Angeschlagen, aber wieder erstarkt. Nun lachte mir mein Spiegelbild entgegen. Tja, daran hatte diese verrückte Nudel, die in meinem Wohnzimmer auf mich wartete, auch einen großen Anteil gehabt. Ohne sie würde ich mir vielleicht immer noch allein meine Wunden lecken. Ich schloss meine Augen, atmete langsam tief ein und aus und schritt über die Badezimmerschwelle. War das nun ein Schritt in eine weitere Demütigung oder in eine bessere Zukunft? Gleich würde ich es erfahren.
Lilly saß grinsend auf der Sofalehne und streckte mir Telefon wie auch Visitenkarte entgegen. Mit bebender Brust und zittrigen Fingern nahm ich ihr beides ab. Ich kam mir vor wie ein kleines Mädchen vor ihrem ersten Zahnarztbesuch. Würde ich mit einer dicken Backe oder einem Spielzeug aus der Sache rauskommen?
Warum schweife ich schon wieder ab? Stell dich!, ermahnte ich mich selbst.
Entschlossen wählte ich die angegebene Nummer.
Ein »Tuuut, tuuut« erklang aus dem Hörer und Panik stieg in mir auf. Wie hieß er noch? Bones, Sebastian Bones. Ich ließ diesen Namen über zwei weitere Klingelzeichen in meinen Gedanken wie warme Massagebutter zergehen, die sich sanft über meine Haut ergoss, um von seinen großen Händen langsam einmassiert zu werden. Mein Atem wurde schwer und Lust stieg in mir auf.
»... Dies ist die automatische Mailbox von Sebastian Bones. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht und Ihre Nummer nach dem Signal. Piiiiep.«
Panik!!!!!!!! Daran hatte ich gar nicht gedacht. Was sollte ich denn jetzt sagen? Flehend sah ich zu Lilly und formte stumm das Wort: »Mailbox.«
Gerade als ich auflegen wollte, schrie Lilly plötzlich los: »Frau von gestern, Nummer 0172-9996661!«
Geschockt starrte ich sie an, bevor ich meinen Finger zum Auflegen krümmte.
»Bist du des Wahnsinns?!«, polterte ich in meinem Unglauben über das soeben Geschehene.
»Laut deiner Aussage von vorhin bin ich es wohl«, sagte Lilly gleichgültig und zuckte nur mit den Schultern.
Der Treffer kam für sie nicht vorhersehbar, als ich ihr eines meiner Couchkissen an den Kopf warf. Sie ließ sich mit der Hand am Herzen theatralisch rückwärts auf das Polster fallen. Ich hörte nur noch ihre monotone Stimme: »Mission gelungen, Kriegerin in der Schlacht gefallen.« Dies brachte ihr einen weiteren Schlag mit dem zweiten Couchkissen ein.
Über sie gebeugt, fingen wir beide wie Teenies an zu lachen. Doch schließlich erhob ich mich, lehnte mich gegen die Wohnzimmerwand und rutschte an ihr hinunter. Ich ließ meinen Kopf sinken und gestand: »Lilly, ich habe Angst.«
Sie stand von meinem Zweisitzer auf, kam um ihn herum, kniete sich vor mich, nahm meine immer noch zitternden Hände in ihre und schaute mir tief in die Augen. »Jane, du brauchst keine Angst zu haben. Vergiss nicht, was für eine starke Frau du bist!« Sie strich mit einer Hand über meine Wange.
Diese ehrliche Geste beruhigte mich tatsächlich.
»Wenn ich nicht glauben würde, dass du es schaffst und wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass du einen großen Batzen Glück verdient hättest, würde ich nicht so nervtötend sein.« Sie lächelte mich an.
Dies war einer der Momente, in dem mir klar wurde, warum sie meine beste Freundin war und ich ihr noch nicht den Hals umgedreht hatte. Ich wollte ihr danken, als plötzlich mein Telefon klingelte. Vor Schreck hätte ich es beinah in die gegenüberliegende Zimmerecke geworfen. Ich blickte auf das Display, erstarrte und schaute Lilly mit großen Augen an.
Sie drängelte mit ihren Händen, dass ich das Telefonat endlich annehmen sollte.
»Oh, ja.« Ich drückte auf den Knopf und sprach mit eingezogenem Nacken: »Hallo?«
»Hallo«, erwiderte eine Männerstimme.
Oh mein Gott, ER war es! Seine Stimme! Nun raste mein Puls wieder, mein Atem ging stoßweise.
Lilly bemerkte meine Panik und deutete mit ihren Händen, dass ich ruhiger atmen sollte.
»Hallo ... wer ist denn da am Telefon?«, fragte dieser Tenor, der ein Kribbeln in meinem Bauch auslöste.
Ich glaubte, allein schon an seinem Tonfall ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. Welch ein Blödsinn! Ich wusste ja nicht einmal, wie dieses Gesicht aussah. »Mein Name ist Jane Scott, ich ... äh ...« Ich stieß meinen Atem schwer aus, schüttelte enttäuscht meinen Kopf in Richtung Lilly, denn mein letztes Fünklein Selbstbewusstsein verabschiedete sich gerade. Seufzend sprach ich weiter: »Ach, ist schon gut. Es tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe. Das wird nicht wieder vorkommen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Ta...«
»Halt!«, rief er mir sofort entgegen. » Legen Sie nicht auf ... bitte.«
Ich war unfähig zu irgendeiner Reaktion. Das Einzige, das mir einfiel war: »Warum?«
Es entstand eine kurze Stille. »Gute Frage. Vielleicht befürchte ich ja, wenn Sie jetzt auflegen, werde ich nie mehr in den Genuss kommen, mit Ihnen zu reden.«
Ich schmolz unter seinen Worten dahin. Er hatte nicht nur diese sexy Stimme, nein, er schien auch gut schlussfolgern zu können.
»Berechtigt«, entgegnete ich.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass wir uns gestern kennengelernt haben?«
Durch meine Gedanken huschte die Feststellung, wenn er nicht gerade mit seinen Visitenkarten herumschmiss, müsste er ja wohl wissen, dass ich es war. Sagen konnte ich aber nur: »Ja.«
Erneut entstand eine kurze Pause.
»Können Sie während eines Telefonats, das sich auf Fragen und Antworten stützt, auch in ganzen Sätzen antworten. Oder vielleicht Gegenfragen stellen? Denn langsam gehen mir die Themen aus.«
Autsch, der Treffer saß! Ich war doch wirklich nicht auf den Kopf gefallen. Aber es schien mir im Moment unmöglich, einen klaren Gedanken, noch diesen in einem vollständigen Satz zu fassen. Was sollte ich denn sagen?
»Mr Bones ...«
»Bitte nennen Sie mich Sebastian. Mr Bones ist mein Vater.«
Ich schmunzelte: »Okay, Sebastian, vielleicht liegt es daran, dass Sie mir gegenüber im Vorteil sind. Da Sie wissen, wie ich aussehe und ich nur die Gänsehaut auf meinem Körper habe, die mich an Sie erinnert.« Oh Gott! Hatte ich das eben wirklich laut geäußert?
Lilly sah mich grinsend an.
Ich hielt die Sprachmuschel des Telefons zu und flüsterte ihr verzweifelt zu: »Sag mir, dass ich das eben nicht gesagt habe.«
Sie lächelte weiter, zuckte mit den Schultern, stand auf und winkte mir zum Abschied. Bevor sie die Tür hinter sich schloss, warf sie mir noch eine Kusshand zu und lachte diabolisch auf.
Dieses Luder! Himmel, hilf mir! Wie sollte dieses Gespräch weitergehen? Ich machte mich doch total zum Affen.
»Jane?«, erklang es durch den Hörer.
Meine Hand verkrampfte sich förmlich um ihn und ich nahm ihn erneut an mein Ohr. Ich hoffte, irgendwie aus der Sache wieder rauszukommen. »Ja«, gab ich leise zurück.
»Was meinten Sie eben mit ›Gänsehaut‹? Habe ich Ihnen Angst gemacht?«
Dieser Schuft, er wusste ganz genau, wie ich es meinte, und wollte sich daran ergötzen. »Ja, Sie haben mir tatsächlich Angst gemacht!« Wenn er spielen wollte, konnte er es haben.
»Das lag nicht in meiner Absicht«, gab er irritiert zurück.
»Sie haben mir Angst gemacht, da ich zum ersten Mal seit langer Zeit die Kontrolle verloren habe«, gab ich zu.
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil ...«
»Weil?«
»Äh ... Richtig.«
»Hey, Sie werden wieder einsilbig, Jane!«, beschwerte sich der Herr.
»Warum? Was wollen Sie denn von mir hören?« Nun hatte ich das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können. Ich setzte mich aufrecht gegen die Wand und hatte plötzlich Lust auf ein Katz- und Mausspiel. Nur wäre ich nicht die Maus. Ich leckte mir mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich muss gestehen, dass ich Ihren Atem und Ihre Lippen an meinem Hals genossen habe. Dass sich unter der Berührung Ihrer Hände meine Brustwarzen versteiften, genau wie sich mein Unterleib vor Verlangen entflammte, während Sie Ihre Härte an mich drückten.«
Nichts, keine Reaktion. War die Leitung tot?
»S-e-b-a-s-t-i-a-n?«, fragte ich in den Hörer.
»Ich bin noch da. Ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
»Das haben Sie gestern bereits getan, indem Sie mich stehen ließen.« Ich hatte ihn in der Hand. In meinen Gedanken hörte ich ein »Miau«.