Seewölfe - Piraten der Weltmeere 554

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 554
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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-961-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Satan im Seidengewand

Er will die Stadt beherrschen – und jedes Mittel ist ihm recht

Die beiden Männer hockten am Rand eines Felshanges. Ihre Maultiere standen in Steinwurfweite unter Olivenbäumen und rupften dürres Gras aus dem kargen Boden. Veled, der ältere Mann, deutete auf die Gebäude zu ihren Füßen, wo die Engländer Bündel, Ballen und Kisten im Freien und unter Dach verstauten. „Warum tun sie das?“

„Völlig klar“, erwiderte der bullige Yilmaz. „Da unten fühlen sie sich sicherer.“

Veled runzelte die Stirn und vertiefte sich in das Bild dort unten am Stadtrand. Fremdländische Gäste waren in Erzurum nichts Ungewöhnliches. Absonderlich erschien an jenen aber, daß sie so große Vorsicht walten ließen. Die Stallungen und das Freigelände, wo sie jetzt Quartier nahmen, ermöglichten in der Tat einen besseren Rundumblick.

„Was meinst du“, sagte Veled und lachte leise, „wenn denen das erste Maultier wegstirbt!“

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – Wenn drei seiner Arwenacks als Geiseln genommen worden sind, dann wird er zum reißenden Seewolf.

Don Juan de Alcazar – Der Kampfgefährte der Arwenacks versucht eine junge und edle Türkin zu befreien und muß sich dafür einer wilden Katze erwehren.

Ravet Selydim – Der reiche Kaufherr aus Erzurum erhebt Schutztribute, um andere Kaufleute und Händler vor Halsabschneidern zu bewahren, dabei ist er selbst der übelste Halunke.

Zara Ogdulin – Die Brautfahrt der jungen Türkin endet in einem Überfall vermummter Wegelagerer. Bei ihrer Gefangennahme geht es um mehr als um Lösegeld.

Plymmie – Die Bordhündin der Arwenacks sieht sich einem riesigen Kampfhund gegenüber, aber den Schwanz zieht sie noch lange nicht ein.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Der Seewolf beendete seinen Rundgang noch vor Einbruch der Dunkelheit. Er hatte sich nicht getäuscht, das neue Quartier entsprach seinen Erwartungen.

Er wollte den Männern soviel Ruhe wie nur irgend möglich gönnen. Die Höllenstrapazen, die hinter ihnen lagen, hatten ihnen doch mehr zugesetzt, als sie zugeben wollten. Und was ihnen noch bevorstand, entpuppte sich vielleicht als die nächste Hölle.

Noch 150 Meilen bis zum großen Meer im Norden. Das hatten sie bereits in Erfahrung gebracht. Aber alle Karawanenführer und Kaufleute, die von ihnen befragt worden waren, hatten sie mit bedenklichen Mienen angesehen.

Eine Vergnügungsreise würde es also nicht werden. Und ein brauchbarer Handelsweg, wie ursprünglich vermutet, schien die Verbindung vom Persischen Golf zum Meer im Norden und zum Mittelmeer nicht zu sein.

Der Seewolf mochte sich nicht vorstellen, daß möglicherweise alles umsonst gewesen war und sie eine völlig falsche Route eingeschlagen hatten.

Aber nein. Dan O’Flynn hatte sich auch zu Lande und auf Binnengewässern als hervorragender Navigator erwiesen. Es gab nicht den leisesten Zweifel daran, daß sie die Vorgaben des geheimnisvollen Kartenmaterials richtig gedeutet hatten.

Ruhe und Erholung hatten sie wirklich nötig.

Der Verlust der „Santa Barbara“ war das einschneidende Erlebnis gewesen, das ihnen allen tief in den Knochen steckte. Und immer und überall lauerten Geier und Hyänen der menschlichen Art, die sich an ihrer vermeintlichen Schwäche bereichern wollten.

Aber bislang hatte es niemand geschafft, ihnen Gold, Silber und Perlen oder etwa die kostbaren Brandsätze abzunehmen. Das sollte sich auch in Erzurum nicht ändern. Hasard hatte deshalb nach sorgfältiger Prüfung ein Quartier gewählt, das sie mit einem Minimum an Posten bewachen konnten.

Am Stadtrand gelegen, bot das Grundstück nach drei Seiten freien Überblick. Das Gelände war steinig und bis zu den hundert Yards entfernten Felsen mit nur knöchelhohen Pflanzen und Moosen bedeckt. Das Stallgebäude, zur Stadtseite hin, grenzte an eine Straße, die von Karawanen und Frachtfuhrwerken benutzt wurde. Keine enge Gasse also, in der Heimlichtuer Möglichkeiten gehabt hätten, sich zu verstecken.

Sie hatten die Kamele in den Gattern untergebracht. Die großen Tiere hatten sich auf dem weichen Sandboden niedergelassen und zermalmten ihr Futter mit trägen Kaubewegungen. Ihre Köpfe ragten dabei über die Gatter hinweg. Sie blickten die Männer, scheinbar gelangweilt, mit ihrem hochmütig wirkenden Gesichtsausdruck an.

Die Maultiere befanden sich in der einen Hälfte des großen Stalles. Außerdem waren dort Proviant, Ausrüstung und Brandsätze gestapelt, und die Arwenacks hatten ihre Nachtlager vorbereitet.

Quartiere ähnlicher Art gab es in Erzurum viele, war die Stadt doch von hoher strategischer Bedeutung und zudem ein wichtiger Verkehrs- und Handelsknotenpunkt an der Seidenstraße.

Karawanen kamen und gingen, Tag für Tag. Ein eigener Gewerbezweig hatte sich in der Stadt darauf eingerichtet, den An- und Abreisenden brauchbare Unterkünfte zu bieten.

Hasard und seine Gefährten waren indessen überzeugt, daß sie nun das wirklich beste gefunden hatten.

Die nahen Felswände überzogen sich mit einem rötlichen Schimmer. Das Sonnenlicht begann zu versiegen, es strich mit nur noch mäßiger Kraft über die Dächer, Türme und Kuppeln der Stadt.

Der Seewolf trat an den brusthohen Bohlenzaun, der das Grundstück nach Norden hin abgrenzte. Die Toreinfahrt befand sich unmittelbar neben dem Stallgebäude, an der Ostseite.

Don Juan de Alcazar trat neben den Mann, den er vor langer Zeit in der Karibik einmal wie einen Todfeind gejagt hatte.

„Was hast du vor?“ fragte der schlanke Spanier. „Meinst du nicht, daß es Zeit ist, den Aufenthalt zu beenden?“

„Zwei Tage noch“, entgegnete Hasard. „Ich will versuchen, noch genauere Auskünfte über den Weg nach Norden zu erhalten. Diesmal müssen wir das Risiko so gering wie möglich halten.“

„Die Berge?“

Der Seewolf nickte.

„Sie sind mir nicht geheuer.“

„Wir haben in der Neuen Welt Schlimmeres erlebt.“

„Sei nicht voreilig, Juan. Wir kennen diesen Teil der Welt alle noch nicht. Und die Tatsache, daß wir noch nichts davon gehört haben, besagt nicht unbedingt, daß hier alles harmlos ist.“

Der Spanier lächelte.

„Natürlich bin ich deinen Argumenten wieder einmal nicht gewachsen.“

Hasard klopfte ihm auf die Schulter.

„Nimm es nicht krumm. Ich will nur, daß wir nicht zu guter Letzt noch eine Pechsträhne erwischen.“

Die beiden Männer wandten sich ab und gingen auf das Stallgebäude zu. Mit dem Versiegen der Sonne wurde es spürbar kühl. Die ersten Wachen waren aufgezogen.

Luke Morgan und Bob Grey patrouillierten abwechselnd am Gatter und außen am Stall entlang. Sie waren mit Pistolen und Entersäbeln bewaffnet. Musketen hielt keiner für angebracht, da sie die Beweglichkeit eines Mannes erheblich einschränkten.

Im offenen Tor der Stallung hatten die Männer ein Feuer entfacht. Am Dreibein hing ein Kessel mit siedendem Wasser. Der Kutscher, Mac Pellew und die Zwillinge füllten den Arwenacks die Mucks mit Rum, braunen Zuckerkristallen und heißem Wasser.

Old Donegal Daniel O’Flynn war in der Stimmung, Geschichten zu zählen. Doch niemand wollte ihm zuhören – wie üblich. An Schauermärchen bestand kein Bedarf. Man zog es vor, sich mit der nahen Zukunft zu befassen und über den weiteren Weg bis zum großen Meer zu spekulieren.

Es wurde keine ausgedehnte Nachtsitzung. Hasard und seine Gefährten wußten, daß sie ihren Schlaf dringender brauchten als alles andere. Nicht einmal im Traum dachten sie an die Möglichkeit, daß vor ihrem Aufbruch noch ein fast unüberwindbares Hindernis liegen würde.

Um Mitternacht war längst Stille eingekehrt.

Auf ihren Nachtlagern atmeten die Männer tief und regelmäßig. Auch Luke Morgan und Bob Grey hatten sich zur Ruhe begeben. Sie waren von Smoky und Al Conroy abgelöst worden.

Niemand schnarchte. Weder Edwin Carberry noch Ferris Tucker oder Big Old Shane ließen ihre Stimmgewalt in nächtlichem Raspelbaß ertönen.

Die Glut des niedergebrannten Feuers hatten sie mit Sand erstickt. Im Stallgebäude brannte keine Lampe mehr. Die Maultiere waren ruhig, was wohl von der Nähe der Menschen herrührte. Auch Plymmie, Arwenack und Sir John gaben keinen Laut von sich.

Der Papagei hockte auf einer Proviantkiste, hatte ein Bein angezogen, den Kopf nach hinten gedreht und in seinem Federkleid vergraben. Arwenack schlummerte lang ausgestreckt neben der Kiste. Lediglich die Wolfshündin befand sich abseits, auf der anderen Seite des Stalls bei den Zwillingen.

 

Vor den Strohsäcken, auf denen die Söhne des Seewolfs schliefen, hatte sich die graue Hündin zusammengerollt, die einst in Finnland als Bordhund der „Isabella IX.“ von den Arwenacks aufgenommen worden war.

Den Zwillingen hatte es Plymmie nie vergessen, daß sie sie in der finnischen Hafenstadt davor gerettet hatten, von Gassenjungen gesteinigt zu werden. Seitdem waren Philip und Hasard und die Wolfshündin unzertrennlich.

Einer der beiden Wachtposten ging mit leisen Sohlen außen, an der Straßenseite des großen Holzgebäudes entlang. Seine Schritte entfernten sich nach Osten, zur Stirnseite des Stalls und zur Toreinfahrt.

Das Unheil brach von einer Sekunde zur anderen herein.

Niemand hörte das leise Knirschen von Holz, als Außenplanken an der westlichen Schmalseite des Stalls gelöst wurden.

Doch jäh wurde die Stille zerfetzt.

Die Mulis stießen schrille Laute der Angst aus und gerieten in wilde Bewegung. Ihre Hufe stampften den Boden, und nur die gatterartige Abgrenzung verhinderte, daß sie in panischer Flucht über Kisten und Ballen und über die Schlafenden hinwegstürmten.

Die Männer, die als erste von ihren Lagern hochfuhren, hörten ein tiefes, heiseres Grollen.

Wegen der Dunkelheit konnte keiner sehen, was sich abspielte. Niemand bemerkte demzufolge, wie Plymmie blitzartig von ihrem Platz losschnellte, über die Packstücke hinweg, auf das Gatter zu. Die Angstlaute und das Durcheinanderstampfen der Maultiere wollten nicht enden.

„Licht an!“ brüllte Edwin Carberry. „Verdammt noch mal, steckt die Tranfunzeln an!“

Von draußen waren die Alarmrufe Smokys und Al Conroys zu vernehmen.

Während Flints hastig aneinandergeschlagen wurden und Funken in Zunder sprühten, lief den Arwenacks unvermittelt ein Schauer über den Rücken.

Plymmies Knurren war scharf und voller Zorn.

Was darauf antwortete, klang haargenau so, als ob es aus dem tiefsten Schlund der Hölle herauftöne. Dieses Grollen hätte von einem zehn Fuß großen Braunbären stammen können. Aber diese Riesenmonstren, denen die Arwenacks im nördlichen Teil der Neuen Welt begegnet waren, gab es hierzulande wohl kaum.

Die Mulis schienen jetzt in starrer Todesangst zu verharren.

Endlich flackerte die erste Öllampe auf. Gleich darauf zwei weitere. Unwillkürlich suchten die Zwillinge die Nähe ihres Vaters, als sie alle gemeinsam auf das Gatter zugingen.

Der Seewolf hielt seinen Radschloßdrehling schußbereit, und auch die meisten anderen hatten Pistolen mitgenommen. Wenn es dort bei den Maultieren etwas zu klären gab, dann half eine präzise gezielte Kugel zweifellos am schnellsten.

Das Grollen und das Knurren hielten an. Noch versperrten die Mulis die Sicht.

Ein Wolf?

Sicher, die Isegrims gab es in diesen Breiten. Aber schon im nächsten Moment sahen die Männer, daß es keine solche Bestie sein konnte. Wölfe waren schließlich nicht in der Lage, fein säuberlich vier Außenplanken aus einer Holzwand zu lösen – noch dazu so leise, daß eine ganze Schiffscrew nichts davon mitkriegte.

Hasard und die Arwenacks schoben sich nach links, da sich die Maultiere in der anderen Ecke zusammengedrängt hatten. Mit zitternden Flanken standen die großohrigen Grauen da. Batuti, Bob Grey und Big Old Shane, die die Lampen trugen, näherten sich dem Gatter als erste.

Gleich darauf hatten sie alle freies Blickfeld. Der Lampenschein reichte eben aus.

Es verschlug ihnen die Sprache.

Plymmie stand einem Ungeheuer gegenüber.

Das Ungetüm mit der tiefen Grollstimme hatte die Größe eines Kalbs, doch es war doppelt so massig. Es fletschte seine Reißzähne, und die Männer hatten den Eindruck, ein Löwengebiß zu sehen.

Plymmie harrte mit gesträubten Nackenhaaren aus, die Läufe fest gegen den Boden gestemmt. Ihre gespannten Muskeln zeigten, daß sie zum Angriff bereit war.

Das Untier war riesengroß und grau, mit einem glatten Fell. Die tückischen kleinen Augen in dem mächtigen Schädel sahen blutunterlaufen aus.

„Ein Mastino“, flüsterte Philip Killigrew junior.

„Was, zum Teufel, ist das?“ sagte Ferris Tucker, der ganz in der Nähe stand.

„Ein römischer Kampfhund“, erklärte Hasard junior. Mit Hunden kannten sein Bruder und er sich schließlich aus.

Doch es blieb keine Zeit für einen weiteren Wortwechsel. Das Geschehen zog die Männer in seinen Bann.

Ohne die kleinste erkennbare Ankündigung setzte das Ungeheuer zum Sprung an. Wenn die Arwenacks geglaubt hatten, der schwergewichtige Riesenhund müsse auch schwerfällig und unbeweglich sein, so sahen sie sich in diesem Moment getäuscht.

Mit einer Art wilder Eleganz schnellte der Mastino auf die Wolfshündin zu. Für den Bruchteil einer Sekunde schien es, als reagiere Plymmie zu spät.

Doch sie schaffte es. Ihr Zur-Seite-Schnellen ließ den Kampfhund mit ungebremster Wucht gegen das Gatter prallen. Das krachende Geräusch veranlaßte die Maultiere zu erneuten schrillen Angsttönen. In der jenseitigen Ecke drängten sie heftiger gegen das Gatter. Es knarrte und ächzte bedrohlich.

Das Grollen des Mastino steigerte sich zu einem wütenden, heiseren Schnappen, als er sich herumwarf, um zu einem erneuten Angriff anzusetzen.

Doch Plymmie war nicht da, wo er sie vermutete. Ihre Schnelligkeit ließ sie zu einem huschenden Schatten werden, der kaum mit Blicken zu verfolgen war. Wie ein Pfeil, von der Spannkraft der Bogensehne getrieben, sprang sie das Ungetüm von der Seite her an, nahezu in rechtem Winkel.

Der Kampfhund versuchte, sich herumzuwerfen und durch eine rasche Drehbewegung auszuweichen. Es gelang ihm nicht.

Tief gruben sich Plymmies Reißzähne in seine Flanke. Er heulte auf. Schüttelnd und ruckend versuchte er, sich der Ursache des brennenden Schmerzes zu entledigen.

Plymmie wich von sich aus zurück, als der Mastino erkannte, daß er sie mit seinem Fang erwischen konnte, wenn er sich nur weit genug krümmte. Doch krachend schlug das mächtige Gebiß ins Leere. Das Schmerzensgeheul des Kampfhundes ging in eine Art wütendes Japsen über. Aus der Wunde in seiner Flanke strömte Blut.

Plymmie umtänzelte ihn, immer noch heiser knurrend.

Die Arwenacks waren nicht imstande, auch nur eine Silbe hervorzubringen.

Der Mastino drehte sich im Kreis, als wolle er sich in den eigenen Schwanz beißen. Dabei lauerte er auf eine Möglichkeit, seine entnervend flinke Gegnerin zu erwischen.

Plymmie belauerte ihn ihrerseits.

Es hatte fast etwas Menschliches, wie sich die beiden Tiere umkreisten und auf den Angriffsmoment warteten. Das Bild erinnerte an Zweikämpfer in einem Gauklerzelt, die vor einem gespannten Publikum jeden Moment aufeinander eindreschen konnten.

Doch dies war blutiger Ernst.

Hasard spielte mit dem Gedanken, dem Treiben mit einer gutgezielten Kugel ein Ende zu setzen. Aber er hatte kaum eine Chance, den sich ständig drehenden Mastino so genau zu treffen, daß er sofort getötet wurde.

Im Todeskampf würde er vielleicht doch noch auf eins der Maultiere losgehen und es reißen. Denn genau das war die Absicht gewesen, mit der man ihn in den Stall geschickt hatte.

Plötzlich geschah es.

Abermals schnellte Plymmie auf ihren riesigen Gegner los – jetzt im spitzen Winkel. Und diesmal schaffte sie es, ihn im Nacken zu erwischen, an seinen gefährlichen Reißzähnen vorbei.

Doch der Mastino reagierte auf eine Weise, die der Wolfshündin unbekannt sein mußte. Blitzartig warf er sich zur Seite, wälzte sich mit seinem Doppelzentnergewicht herum und begrub die Hündin unter sich. Das quetschende Gewicht zwang sie, ihre Reißzähne aus dem sonst tödlichen Zufassen zu lösen.

Das Nachlassen des Schmerzes ließ den Kampfhund falsch reagieren. Er richtete sich auf – immerhin unglaublich schnell – und wollte seine am Boden liegende Gegnerin packen.

Doch er stieß ins Leere. Sein weit aufgerissenes Maul mit den blutgierig gefletschten Reißzähnen grub sich in den Sand.

Und wieder sprang ihn die Wolfshündin an, von rechts, wo er sie noch nicht bemerkt hatte. Diesmal reichte ihr Anprall aus, um den massigen Hundeleib zu Boden zu werfen. Deutlich war das momentane Taumeln des grauen Riesen zu erkennen, hervorgerufen fraglos durch zwei schon stark blutende Wunden.

Abermals hieb Plymmie mit ihren scharfen Zähnen zu.

Der Mastino heulte und wimmerte. Zuckend lag er auf der Seite. Noch einmal versuchte er, aufzuspringen. Aber die Läufe wollten den schweren Körper nicht mehr tragen. Den Hals krümmend, trachtete der Kampfhund danach, Plymmie aus seiner nahezu hilflosen Position zu erwischen.

Doch die Wolfshündin war klug genug, nicht in die Reichweite seines Mauls zu geraten. Wieder und wieder fügte sie ihm schwere Wunden zu. Seine Bewegungen erlahmten. Die Läufe zuckten und stießen und vermochten die längst überlegene Angreiferin nicht mehr zu vertreiben.

Minuten später war es vorbei.

Plymmie ließ sich erst von den Zwillingen streicheln, als die Arwenacks den Kadaver aus dem Stall getragen hatten. Erst danach fiel die Anspannung von der Wolfshündin ab.

Die Maultiere beruhigten sich rasch. Keins hatte auch nur die kleinste Bißwunde davongetragen. Plymmie war schnell genug gewesen, um das Schlimmste zu verhindern.

Smoky und Al Conroy hatten nach dem Rechten gesehen, bereit, jeden lauernden Schatten anzurufen und ihn mit einer Kugel niederzustrecken, falls er Hinterhältiges im Schilde führte.

Aber auch die Suche durch den Seewolf und den Rest der Männer bestätigte nur das, was die beiden Wachen schon festgestellt hatten: Keine Menschenseele hielt sich in der Umgebung des Quartiers auf.

Jemand hatte also den Mastino, abgerichtet auf Maultiere und wahrscheinlich auch Pferde, in den Stall bugsiert und war dann schleunigst verschwunden.

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