Seewölfe - Piraten der Weltmeere 551

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Seewölfe - Piraten der Weltmeere 551
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-958-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Die List der Pfeffersäcke

Sie halten sich für schlauer als der Seewolf – aber ihre Rechnung geht nicht auf

Das Gesicht des fülligen Mannes glänzte speckig. Mit gekrümmtem Zeigefinger winkte er den anderen aus dem Lichtkreis der Öllampe, als könnten sie gesehen werden.

Die Augen des Dicken funkelten verschwörerisch.

„Hör mir gut zu, Omar“, flüsterte er, als könnte jemand lauschen. „Diese Engländer sind am Ende. Fix und fertig. Verstehst du?“

„Ja, Herr“, hauchte der andere, und seine Zähne schimmerten im Dunkel des Raumes, als er grinste. „Sie sind am Ende, die Christenhunde, aber sie haben noch wertvolle Sachen bei sich.“

„Richtig, Omar, richtig.“

„Wollen wir sie massakrieren?“

„Unsinn!“ zischte der Füllige. „Das wäre denn doch zu riskant – und unter meinem Niveau.“

„Aber freiwillig werden sie ihre Schätze niemals herausrücken.“

„Sollen sie auch nicht, Omar. Wir überlisten sie. Und es kostet uns nicht einmal große Mühe …“

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – Obwohl mißtrauisch bis auf die Knochen, fällt der Seewolf auf die List der Pfeffersäcke herein.

Gamal Al-Ahram – Der reichste Kaufmann von Ninive ist eine fette Kröte und dabei ein durchtriebener Halunke. Aber sein Reichtum genügt ihm noch nicht.

Shani – Das Töchterchen Gamal Al-Ahrams ist von betörender Schönheit, aber – wie sich herausstellt – ein ganz durchtriebenes Luder.

Omar Ben Musaid – Er dient Gamal Al-Ahram und zugleich der verführerischen Shani, und beides bekommt ihm nicht.

Donegal Daniel O’Flynn – Der Lotse der Arwenacks muß List gegen List setzen, um sich und seine Kameraden aus einer bösen Klemme zu befreien.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Batuti schleppte die letzte Kiste auf den Hügel, ließ sie von der Schulter gleiten und neben den anderen auf den weichen Sandboden sinken. Er setzte sich auf die Kiste und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

Ein gutes Stück Arbeit war geschafft. Nach dem ersten Zufluchtsort am Flußufer hatten sie sich diesen neuen Platz gesucht, auf dem sie mit ihrer geretteten Habe sicherer waren als in unmittelbarer Nähe des Tigris.

Das Unwetter war vorbei, die Wassermassen hatten sich beruhigt. Aber jederzeit konnte sich der Fluß wieder in ein brüllendes, alles verschlingendes Ungeheuer verwandeln.

Ferris Tucker baute sich neben dem Mann aus Gambia auf und klopfte ihm auf die breite Schulter.

„Sieh mal, da!“ Der hünenhafte Schiffszimmermann deutete auf den Weg, der am Fluß des Hügels entlangführte, auf die südwärtigen Mauern der Stadt zu.

Zwei tiefverschleierte Frauen, ganz in Schwarz, schlenderten dort unten und schienen nicht die geringste Eile zu haben. Nur das Weiße ihrer Augen war zu sehen, wie sie heraufspähten und den schwarzen Herkules mit Blicken abtasteten.

Batuti grinste, und seine Zähne blitzten.

Die Frauen blickten rasch geradeaus und beschleunigten ihre Schritte, als sie bemerkten, daß die Männer sie beobachteten.

„Manchmal denke ich, die haben’s faustdick hinter den Ohren“, sagte Batuti. „Mit dem Schleier sehen sie nur so züchtig aus. Ich glaube, in Wirklichkeit sind sie’s gar nicht.“

„Da will ich dir nicht widersprechen“, entgegnete Ferris. „Und an dir scheinen sie einen besonderen Narren gefressen zu haben. Ich beobachte das schon die ganze Zeit, seit wir in arabischen Breiten sind. Ich sage dir, Batuti, die züchtigen Ladys würden dich mit Haut und Haaren verschlingen, wenn sie nur könnten.“

„Ach, rede keinen Unsinn“, entgegnete Batuti mit einem Anflug von Verlegenheit.

Der Seewolf, der nur ein paar Schritte entfernt gestanden und die weiteren Arbeiten beobachtet hatte, näherte sich den beiden.

„Wie ich höre“, sagte Hasard gedehnt und legte die Hände in die schmalen Hüften, „beschäftigt ihr euch schon wieder mit Themen von allgemeinem Interesse.“

„Ist wohl so was wie Galgenhumor“, erklärte Ferris Tucker und fuhr sich durch den roten Haarschopf. „Nur eben von hinten aufgetakelt. Die Hinrichtung haben wir ja schon hinter uns.“

„Die Beinahehinrichtung“, verbesserte Batuti. „Andere an unserer Stelle würden in Jammern und Wehklagen ausbrechen.“

Hasard nickte. Der Mann aus Gambia hatte recht. Diese Crew war unvergleichlich. Männer waren es, die auch dann noch den Teufel beim Schwanz packten, wenn sich andere längst resignierend dem Fegefeuer ergaben.

„Wir treffen uns zu einer Lagebesprechung“, sagte der Seewolf, „sobald das Lager fertig ist.“

„Aye, aye, Sir, Lagebesprechung“, erwiderten Ferris und Batuti wie aus einem Mund.

Philip Hasard Killigrew setzte seinen Weg rund um das neue Notlager fort. Sie konnten froh sein, wieder vollzählig zu sein, trockenen Boden unter den Füßen zu haben und halbwegs menschlich auszusehen. Die Bevölkerung von Ninive hatte ihnen tatkräftig geholfen.

Die einfachen Leute waren es gewesen, Handwerker, Händler und Bauern, die ihnen Segeltuch, Hölzer, Gerätschaften und Kleidung beschafft hatten. Wie überall auf der Welt waren es diese Menschen gewohnt, sich in Katastrophenzeiten gegenseitig zu unterstützen. Da wurde zugepackt, ohne viel zu fragen.

So auch hier. Das Lager, das die Arwenacks mittels in den Boden gerammter Holzpfähle mit Segeltuch überdachten, würde wenigstens etwaigen neuen Regengüssen standhalten. Was sie von Bord der „Santa Barbara“ gerettet hatten, konnte trocken und geschützt aufbewahrt werden. Das war insbesondere für die Brandsätze wichtig. Sie wurden unbrauchbar, sobald das Schwarzpulver einmal feucht geworden war.

Weniger schwierig war es mit den abgeborgenen Werkzeugen und Gerätschaften. Und die Perlen und Goldstücke trugen die Arwenacks am Leib. Ihrem positiven Denken entsprechend, standen sie noch nicht einmal so schlecht da. Sie waren immer fähig gewesen, das Beste aus ihrer Lage herauszuholen. Und diesmal waren die Voraussetzungen insgesamt durchaus hoffnungsvoll.

Was den Männern am meisten zusetzte, war wohl die Tatsache, daß sie im Inneren dieses orientalischen Landes festsaßen und keine Chance hatten, sich ein seetüchtiges Schiff zu verschaffen und Distanz zu gewinnen.

Nur lausige Flußfahrzeuge gab es hier, und die Aussichten, die geheimnisvolle Schiffahrtsroute vom Persischen Golf zum großen Meer im Norden zu finden, waren geringer denn je.

Der Himmel war noch immer grau in grau. Das trübe Tageslicht drückte auf die Stimmung der Menschen in Ninive. Zweifellos verhielt es sich drüben, in Mosul nicht anders.

Einerseits war man froh, das Unwetter überstanden zu haben. Andererseits aber spürte man die Macht der Naturgewalten auf eine geradezu unheimliche Weise. Das düstere Wetter ließ deutlich werden, daß die Gewalten es ganz nach ihren Launen einrichteten, wie sich die nächsten Stunden und Tage entwickelten.

Der Seewolf gab sich auch in diesem Punkt keinen Illusionen hin. Das Lager war ein Notbehelf, mehr auf keinen Fall. Sollte es wieder Sturm geben, würde das schützende Segeltuch im Handumdrehen weggefetzt werden.

Dann konnte man die Brandsätze endgültig abschreiben. Beinahe liebevoll waren die Packstücke aus dem fernen China von den Arwenacks aufgestapelt worden. Zusätzlich hatten sie die Packen noch mit Persenningen überdeckt und diese mit Pflöcken im weichen Boden verankert.

Hasard wandte seinen Blick zu den Mauern von Ninive. Zierliche und kunstvolle Bauten prägten das Bild der Stadt. Die schlanken Minarette waren wie ein stolz zur Schau gestellter Beweis, daß der Mensch den Naturgewalten zu trotzen vermochte.

Diese Menschen in Ninive hatten sich gegenüber den „Ungläubigen“ von Bord der im Strom versunkenen „Santa Barbara“ nicht etwa herablassend oder verachtend gezeigt. Nein, sie hatten ihnen neben der tätigen Hilfe auch noch große Mengen an Proviant gebracht. Außer einer festen und sicheren Unterkunft fehlte es praktisch an nichts – gemessen an den Umständen.

Am Rand des Lagers, dem Fluß zugewandt, versammelten sich die Männer, wie Hasard angeordnet hatte. Plymmie und Arwenack waren ebenso zur Stelle wie Sir John, dem einzig der Sturm zu schaffen gemacht hatte. Von einem Bein auf das andere schaukelnd, thronte er mit scheinbar verdrossener Miene auf der rechten Schulter des Profos und ließ gelegentlich einen krächzenden Fluch hören.

 

Die Männer setzten sich auf Kisten oder einfach in den Sand und beobachteten eine Weile schweigend den Tigris, dessen lehmige Fluten sich nun träge und schwerfällig dahinwälzten.

Kaum noch vorstellbar, daß dieser Fluß ein so prächtiges und solides Schiff wie die „Santa Barbara“ bezwungen hatte.

„Es gibt nur einen einzigen Besprechungspunkt“, sagte der Seewolf. „Wir müssen uns darüber klar werden, was wir wollen. Bitte äußert euch dazu.“

Old Donegal Daniel O’Flynn hatte die schnellste Zunge.

„Was wir auch tun“, rief er mit eindringlicher Stimme, „wir sollten vor allem verhindern, daß uns so was wie hier noch mal passiert!“

„Ein Patentrezept gegen Naturkatastrophen gibt es nicht“, sagte Hasard ruhig. „Halten wir uns also nicht mit ungefangenen Fischen auf, Donegal.“

„Das sind keine ungefangenen Fische“, ereiferte sich Old Donegal. „Es handelt sich um eindeutige Tatsachen. Ich fordere euch alle auf, denkt man ein bißchen darüber nach, wem wir diese schlechte Lage zu verdanken haben!“ Mit der gekonnten Geste eines zornigen Anklägers stieß er die rechte Hand vor. Sein ausgestreckter knorriger Zeigefinger wies auf Edwin Carberry.

Der Profos blinzelte verdutzt. Ungewollt sperrte er auch den Mund auf. Sir John unterbrach seine Schaukelbewegung auf der Profosschulter, legte den Kopf schief, schloß das rechte Auge und fixierte den alten O’Flynn mit dem linken.

„Holzkopf!“ tönte der Arapapagei laut und vernehmlich.

Die Männer grinsten sich eins, wußten aber, daß das Thema beileibe noch nicht erledigt war. Und Hasard ließ den Alten gewähren. Das gehörte zur Bewältigung von Verdruß. Es war das bißchen Salz in der sonst faden Suppe, die sie sich eingebrockt hatten. Es erleichterte.

„Willst du damit sagen“, donnerte Carberry los, „ich hätte die Schuld?“ An seinem Hals schwollen die Adern zu Strängen an, und die sich rötenden Narben in seinem Gesicht ließen befürchten, daß er dem Alten diesmal tatsächlich den Hals umdrehen würde.

„Allerdings!“ keifte Old Donegal. „Da du es selbst nicht begreifst, Mister Carberry, will ich es dir vor Augen halten. Allerdings wage ich nicht zu hoffen, daß du daraus eine Lehre ziehst. Vielleicht werden dir aber die anderen in Zukunft das Maul stopfen, bevor du uns alle ins Verderben ziehst.“

„Das reicht!“ brüllte der Profos und sprang so ruckartig auf, daß Sir John erschrocken hochflatterte. „Muß ich mir diesen Unsinn noch länger anhören, Sir?“

Sir John landete wieder.

„Trage es mit Fassung“, sagte der Seewolf grinsend. „Kann ja sein, daß uns Mister O’Flynn tatsächlich wichtige neue Erkenntnisse zu unterbreiten hat.“

Carberry sackte auf seinen Platz zurück. Seine Miene zeigte, daß er sich von aller Welt verlassen fühlte.

Old Donegal Daniel O’Flynn hob unterdessen gewichtig den Kopf und ahmte den Profos nach, indem er wie dieser herausfordernd das Kinn vorreckte.

„Die Katastrophe“, sagte Old Donegal gedehnt und bedeutungsvoll, „hat sich für uns nicht ohne Grund so schlimm ausgewirkt. Man soll die Mächte der Natur nämlich nicht herausfordern. Ich habe euch oft genug gewarnt. Und derjenige, der nicht hören wollte, war natürlich mal wieder unser allseits verehrter Mister Carberry.“

Carberry öffnete und schloß den Mund abwechselnd, ohne einen Ton hervorzubringen, und er sah dabei aus wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Alle Blicke waren auf den Alten gerichtet, die meisten der Männer konnten sich ein Grinsen dabei nicht verkneifen.

„Mister Carberry“, fuhr Old Donegal anklagend fort, „konnte es nämlich nicht lassen, den Tigris in den Dreck zu ziehen. Ich will alle die widerwärtigen Worte gar nicht erst wiederholen, mit denen er sich über das angebliche Rinnsal verächtlich geäußert hat. Aber jedem von euch wird es noch in den Ohren klingen, wie er über den Fluß hergezogen ist. Nun, ich sage euch, so ein Fluß ist auch ein Wesen mit einer empfindsamen Seele. Was zuviel war, war zuviel. Der Tigris mußte dem Lästermaul Carberry einfach einen Denkzettel verpassen. Daß wir dabei die Leidtragenden sind, interessiert unseren geschätzten Profos natürlich kein Stück.“

Carberry stieß ein unartikuliertes Brüllen aus und sprang von neuem auf. Smoky und Bob Grey hielten ihn an den Armen fest und drückten ihn mit sanftem Nachdruck auf seinen Platz zurück.

„Keine weiteren Auseinandersetzungen“, sagte der Seewolf energisch. „Wir haben von Mister O’Flynn gehört, warum die ‚Santa Barbara‘ untergegangen ist. Wir wissen, daß Mister Carberry der Schuldige ist. In Ordnung. Wenden wir uns nun den Schritten zu, die wir zu unternehmen gedenken.“

Der alte O’Flynn starrte den Seewolf an, als hätte sich dieser plötzlich in ein Wesen mit sechs Armen und zwei Köpfen verwandelt.

Und Carberry sah nicht wesentlich geistreicher aus.

„A-aber“, stotterte Old Donegal verdutzt. „Will denn keiner irgendwas …?“

„Nein“, sagte Hasard kurz und knapp. „Diesmal hat keiner etwas einzuwenden. Du hast recht, Donegal, uneingeschränkt recht. Der bösartige Edwin ist an allem schuld.“ Er kniff das linke Auge zu, so daß nur der Profos es sehen konnte. „Wir werden mit dieser Tatsache leben müssen.“

Old Donegal sperrte den Mund auf und kriegte ihn nicht wieder zu.

Die Männer verbargen ihr Grinsen hinter der hohlen Hand, und Carberry hatte begriffen. Er setzte eine zerknirschte Miene auf.

„Ich sag nie wieder was Schlechtes“, versprach er feierlich. „Nein, ich will’s bestimmt nicht wieder tun.“

„Schon gut, Ed, schon gut“, sagte der Seewolf. „Ziehen wir einen Strich, und fangen wir von vorn an. So schlecht sehen wir dabei gar nicht einmal aus.“

Old Donegal runzelte mittlerweile die Stirn. Seine angestrengten Gedanken waren ihm an der Nasenspitze anzusehen. Nahmen sie ihn nun auf den Arm? Oder nahmen sie ihn ernst? Er beschloß, das letztere als gegeben anzunehmen, denn dabei konnte er am besten sein Gesicht wahren.

Ben Brighton meldete sich zu Wort.

„Ich bin dafür, daß wir umkehren“, sagte der Erste Offizier. „Wir verschaffen uns ein brauchbares Schiff und segeln durch den Indischen Ozean und den Pazifik zurück zum Stützpunkt.“

Hasard sah, daß etliche der Männer beipflichtend nickten. Bens Vorschlag war keineswegs von der Hand zu weisen.

„Ich bin anderer Meinung“, sagte Hasard trotzdem. „Denken wir daran, was uns die Geschichte lehrt. Was die großen Entdecker fanden, wäre niemals gefunden worden, wenn sie bei jedem kleinen Sturm aufgegeben hätten. Und die wichtigen neuen Schiffahrtsrouten wurden auch nicht von Männern entdeckt, die die Hände in den Schoß legten und sich von lauen Lüften tragen ließen. Ist es etwa das erste Mal, daß wir ein Schiff verlieren? Haben wir nicht Gold und Perlen genug gerettet? Sollten wir also nicht an der Aufgabe festhalten, die wir uns selbst gestellt haben?“

„Ich bin dafür“, sagte Dan O’Flynn. „Wie ich das Kartenmaterial einschätze, könnten wir kurz vor dem Ziel sein. Ich halte es für unsinnig, jetzt abzubrechen.“

„Betrachten wir es doch einmal nüchtern“, fügte Don Juan de Alcazar hinzu. „Mit der ‚Santa Barbara‘ hätten wir die Fahrt auf dem Tigris wohl ohnehin nicht fortsetzen können. Ich will damit nicht sagen, daß der Verlust so ohne weiteres zu verschmerzen ist. Aber wir sollten auch die Tatsachen angemessen berücksichtigen.“

Hasard nickte Big Old Shane zu, der die Hand erhoben hatte.

„Mir gefällt es nicht“, sagte der Schmied von Arwenack, „daß Mister Brighton als Miesmacher hingestellt werden könnte. Seine Überlegungen sind durchaus angebracht. Bevor wir auch das letzte verlieren, was wir noch haben, sollten wir wirklich gründlich nachdenken, ob sich die ganze Sache lohnt.“

„Richtig!“ rief Luke Morgan, nachdem er sich gemeldet hatte. „Ich schlage vor, die Dinge nüchtern zu betrachten: Ist dieser Fluß, dieser Tigris, etwa ein brauchbarer Schiffahrtsweg? Wir haben es doch wohl am eigenen Leib zu spüren gekriegt, was davon zu halten ist.“

Ben Brighton lächelte gerührt.

Beifälliges Nicken war ebenso zu sehen wie verständnisloses Kopfschütteln.

„Darf ich auch etwas sagen?“ rief Philip Killigrew. Zwischen ihm und seinem Zwillingsbruder Hasard lag wie üblich die Wolfshündin. Plymmie hatte voller Behagen den Kopf auf die ausgestreckten Vorderläufe gebettet.

„Natürlich“, sagte der Seewolf und lächelte seinen Söhnen zu. „Ich denke, keiner hält euch für halbwertige Crewmitglieder.“

In den Mienen der Männer war unumwundene Zustimmung zu lesen.

„Ich möchte an das Material erinnern, das wir gefunden haben“, sagte Philip. „Die unbekannten Kaufleute, die da ihre Beobachtungen niedergeschrieben haben, können keine Dummköpfe gewesen sein. Die Art und Weise, wie sie geschrieben und gezeichnet haben, läßt vermuten, daß es sich um kluge Menschen handelte Sollten sie einen Grund haben, Phantastereien nachzugehen?“

Die Worte des jungen Killigrew blieben nicht ohne Wirkung. Der Seewolf erkannte es deutlich. Er verbarg seine Freude tief in seinem Inneren. Doch er nahm zur Kenntnis, daß seine Söhne – Philip ebenso wie Hasard – brillant zu argumentieren und zu formulieren verstanden. Sie waren in der Lage, einen Sachverhalt nüchtern abzuwägen und mit wenigen Worten die entscheidenden Kernpunkte bloßzulegen.

„Knüpfen wir da an“, sagte der Seewolf. „Es sind in der Tat keine Phantastereien, denen wir auf den Grund gehen wollen. Wir suchen nicht etwa den Jungbrunnen oder El Dorado. Was wir suchen, könnte real sein, denn es ist mit realem Material belegt.“

„Soll das heißen“, rief Old Donegal aufgebracht, „daß der Jungbrunnen Phantasterei sei?“

„Ja“, sagte der Seewolf trocken.

„Was?“

„Ja!“

Der alte O’Flynn schien in sich zusammenzusinken. Er schüttelte den Kopf und murmelte Unverständliches vor sich hin. Es veranschaulichte, daß er keine Hoffnung mehr hatte, jemals richtig verstanden zu werden. Der Jungbrunnen, eines seiner Lieblingsthemen, war zugleich sein wundester Punkt.

Nach kurzer Fortsetzung der Diskussion einigten sich die Männer auf einen Kompromiß. Sie wollten in Ninive weitere Nachforschungen anstellen und die Erfolgsaussichten ihres Plans gründlich überprüfen. Gab es den geringsten Hinweis, daß ein Erfolg möglich war, dann würden sie ihren Weg fortsetzen.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?