Buch lesen: «Seewölfe Paket 17»
Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-775-4
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Inhalt
Nr. 321
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 322
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 323
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 324
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 325
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 326
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 327
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 328
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 329
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 330
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 331
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 332
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 333
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 334
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 335
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 336
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 337
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 338
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 339
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 340
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
1.
„Verdammte Milchsuppe!“ stieß Edwin Carberry mit einem leisen Knurren in der Stimme hervor. „Bei diesem Nebel findet man ja seinen eigenen Hinterkopf nicht mehr, wenn man sich mal kratzen muß!“
Damit übertrieb der bullige Profos der „Isabella IX.“ zwar gewaltig, dennoch herrschte an jenem frühen Morgen des 31. März 1593 ziemlich schlechte Sicht, weil dichte Nebelschwaden die Ostsee überlagerten und sich träge auf die Küstengebiete zwischen Kurland und Ostpreußen zuschoben.
Die große, ranke Galeone aus dem fernen England wurde von Philip Hasard Killigrew, dem Seewolf, befehligt. Die „Wappen von Kolberg“, ein ehemaliges polnisches Flaggschiff, fuhr unter dem Kommando seines Vetters, Arne von Manteuffel.
Beide Schiffe segelten Kurs Südsüdwest, der auf Brüsterort, die nördliche Landspitze der Bernsteinküste im ostpreußischen Samland, zuführte.
Jetzt, in der ersten Morgendämmerung, lagen die Galeonen auf der Höhe von Windau. Der Wind wehte mäßig aus Westen, die „Isabella“ segelte vor der „Wappen von Kolberg“, die ihr wegen des Nebels dichtauf folgte.
Die beiden Kapitäne, unter deren Führung am Vorabend ein polnischer Viererverband versenkt worden war, hatten beschlossen, in Küstennähe zu bleiben, weil sie davon ausgingen, daß sich etwaige Verfolger weiter draußen auf See befanden.
Edwin Carberry sollte jedoch bald noch mehr Grund zum Fluchen haben, denn das, was jetzt plötzlich und völlig überraschend geschah, purrte selbst jene Seewölfe hoch, die sich während ihrer Freiwache in die Kojen gehauen hatten. Ja, das Ganze wirkte wie ein böser Spuk im Morgengrauen.
Blacky, der wegen der schlechten Sicht auf der Back der „Isabella“ nach voraus Ausguck ging, brüllte plötzlich laut los und deutete auf die graue Nebelwand.
„Wahrschau! Da ist etwas Längliches Backbord voraus!“
„Was heißt da, was Längliches, was, wie?“ fragte der Profos mit Donnerstimme. „Schielst du vielleicht und siehst deine eigene Nasenspitze, he?“
Blacky ging nicht darauf ein. Er begann vielmehr, heftig mit den Armen zu fuchteln.
„Das ist eine Galeere!“ brüllte er erregt. „Jetzt sehe ich ganz deutlich die beiden Pfahlmasten! Und sie hält direkt auf uns zu. Mein Gott, wenn das nur gutgeht!“
Jetzt sahen auch die anderen Männer, einschließlich des Seewolfs, der sich auf dem Achterdeck der „Isabella“ befand, die Galeere aus den Dunstschwaden auftauchen. Ihre Segel waren nicht gesetzt, sie wurde durch kräftige Riemenschläge vorangetrieben. Ihr weit hervorragender Rammsporn zeigte genau in die Richtung, in der sich die Backbordseite der „Isabella“ in wenigen Augenblicken befinden mußte.
Ein durch den Nebel bedingtes Aufeinanderprallen der beiden Schiffe schien unvermeidbar zu sein.
„Rasch, Pete! Ruder hart Steuerbord!“ brüllte Philip Hasard Killigrew zu dem kleinen, stämmigen Rudergänger hinüber.
Pete Ballie ließ das fortschrittliche Steuerrad, das Hesekiel Ramsgate auch auf der neuen „Isabella“ anstelle des herkömmlichen Kolderstocks eingebaut hatte, in rascher Reaktion durch die Fäuste wirbeln.
Der Rumpf der großen Galeone fiel etwas nach Steuerbord ab, aber für ein erfolgreiches Ausweichmanöver war es bereits zu spät.
Auch auf der Galeere mußte man inzwischen das aus dem Nebel auftauchende englische Schiff gesichtet haben. Zunächst waren laute Rufe zu hören, dann drangen schrille Entsetzensschreie zu den Seewölfen herüber.
Doch das fürchterliche Krachen und Splittern, das Sekunden später über die Wasserfläche dröhnte, erstickte für kurze Zeit alle menschlichen Laute.
Als die „Isabella“ mit ihrem Steven den gefährlichen Rammsporn erwischte und ihn vom Bug der Galeere wegfetzte, ging ein heftiger Ruck durch den Schiffsrumpf, dem ein häßliches Knirschen und Knacken folgte.
Der Aufprall riß die Galeere, die fast rechtwinklig auf das Schiff der Seewölfe zugelaufen war, ein Stück herum, dann donnerte sie mit Wucht gegen die Backbordseite der „Isabella“ und schurrte an ihr entlang nach achtern.
Das Splittern und Bersten hielt an, weil die Steuerbordriemen der Galeere durch die Kollision der beiden Schiffsrümpfe zerbrochen wurden. Überall barst Holz, Teile der Riemen klatschten ins Wasser, begleitet von erschreckten Schreien und dem Gebrüll verletzter Rudergasten, die durch die eigenen Riemen von den Bänken gefegt wurden.
„Himmel, Arsch und Sonnenschein!“ fluchte Edwin Carberry lauthals und hielt sich gleichzeitig an der Nagelbank des Großmastes fest, um nicht durch die Schlingerbewegungen des Schiffes über die Kuhl gefegt zu werden. „Können die Affenärsche ihre Klüsen denn nicht besser aufreißen, was, wie? Man meint, die hätten nicht genug Platz auf diesem Ententeich! Es ist, verdammt noch mal, eine Unverschämtheit, anständige Christenmenschen, die sich auf einer Pilgerreise befinden, einfach über den Haufen rennen zu wollen!“
Der Profos hatte sein klotziges Rammkinn vorgeschoben. Zusammen mit dem zernarbten Gesicht und der prächtigen Glatze, die er seit seiner Wette mit Luke Morgan zur Schau trug, verlieh es ihm das Aussehen eines Monsters aus grauer Vorzeit. Nur diejenigen, die Edwin Carberry kannten, wußten, daß er trotz seines furchterregenden Aussehens und seines kernigen Wortschatzes das Herz auf dem rechten Fleck hatte.
Doch jetzt blieb ihm nicht die Zeit, einige freundliche Worte auf die Galeere hinüberzubrüllen. Das Zusammenprallen der beiden Schiffe hatte sich in einer sehr kurzen Zeitspanne abgespielt, und das fremde Schiff verschwand, nachdem es sämtliche Steuerbordriemen verloren hatte, wie ein Geisterschiff achteraus.
Aber damit begann das Unglück erst richtig.
Die „Wappen von Kolberg“, die im Kielwasser der „Isabella“ segelte, schloß ebenfalls Bekanntschaft mit der Galeere. Auch Arne von Manteuffel schaffte es nicht mehr rechtzeitig, dem angeschlagenen Schiff auszuweichen. Er hatte zwar trotz des dichten Nebels mitgekriegt, wie die Galeere mit der „Isabella“ kollidierte, aber in der kurzen Zeit hatte er nicht mehr abwägen können, wie sich die Sache weiterentwickeln würde.
Und nun war es bereits zu spät dafür, einen Aufprall auf die fremde Galeere zu vermeiden.
Arne brüllte zwar noch einen entsprechenden Befehl zu seinem Rudergänger hinüber, aber bevor dieser darauf reagieren konnte, geschah es.
Die „Wappen von Kolberg“ nahm die Galeere voll auf die Hörner. Mit ihrem Steven rannte sie Steuerbord achtern voll in die Plattform der Galeere. Das Krachen und Bersten, das gerade erst verstummt war, begann erneut. Von der Masse und dem „Schwung“ der Galeone, die Arne von Manteuffel dem polnischen Generalkapitän Witold Woyda als Ersatz für sein versenktes Schiff abgejagt hatte, wurde die Galeere noch ein ganzes Stück weitergeschoben, bis sich die Verklammerung löste und das vom Unheil verfolgte Schiff mit seinem Heck herumgedrückt wurde. Das allerdings hatte zur Folge, daß es nun mit seiner Steuerbordseite gegen die Steuerbordseite der neuen „Wappen von Kolberg“ krachte.
Auf beiden Schiffen herrschte im Handumdrehen Zustand, hauptsächlich jedoch auf der Galeere, die achtern Wasser zog. Der Steven von Arnes Beutegaleone hatte riesige Lecks hinterlassen, durch die das Wasser mit beängstigender Geschwindigkeit in den Schiffsraum strömte. Die Achterlastigkeit der Galeere war bereits jetzt schon deutlich sichtbar.
An Bord der sinkenden Galeere verstärkte sich das Gebrüll. Flüche, Verwünschungen, Schreckensschreie und Kommandos dröhnten durch den wallenden Nebel.
„Das sind Polen“, sagte Arne von Manteuffel. Der große, breitschultrige Mann mit den eisblauen Augen glich dem Seewolf auf eine verblüffende Weise. Nur seine Haare waren im Gegensatz zur schwarzen Mähne des Seewolfs blond. „Die Galeerenbesatzung braucht jetzt unsere Hilfe“, fuhr er fort, „auch wenn die Polen nicht gerade zu unseren Freunden zählen. Der Kahn geht unverkennbar auf Tiefe.“
Renke Eggens, der Erste Offizier der „Wappen von Kolberg“, nickte.
„Bisher haben wir Schiffbrüchigen immer geholfen, gleich auf welcher Seite sie standen.“
Beide Männer eilten zum Steuerbordschanzkleid des Achterkastells hinüber, um das Ausmaß des Unglücks besser beurteilen zu können.
Doch was sie sahen, verwandelte ihre Hilfsbereitschaft in jähen Zorn.
Die Polen, einschließlich der Ruderknechte, die nicht angekettet waren, griffen zu den Waffen. Dabei rafften sie in der Eile alles zusammen, was ihnen in die Finger geriet: Musketen und Pistolen, hauptsächlich jedoch Blankwaffen aller Art. Dann drängten sie mit lautem Gebrüll zum Schanzkleid.
„Die wollen entern“, sagte Arne kurz. Da er die polnische Sprache verstand, wußte er auch die Kommandos, die auf der Galeere gebrüllt wurden, richtig zu deuten. „Gewissermaßen wollen die aus der Not eine Tugend machen“, fügte er grimmig hinzu.
„Dann sollten wir ihnen was auf die Köpfe geben“, sagte der schlanke und drahtige Renke Eggens. „Ich sehe ja ein, daß die Burschen ein neues Schiff brauchen, aber auf eine so einfache Tour geht das nicht.“
„Ganz gewiß nicht“, erwiderte Arne von Manteuffel. „Wir werden uns zu wehren wissen.“
Die Kommandos des Kapitäns der „Wappen von Kolberg“ waren kurz und präzise. Seine Männer eilten, ohne in Panik zu geraten, an die Waffen. Und in dieser Hinsicht war tatsächlich Eile geboten, denn die ersten Enterhaken der Polen verkrallten sich bereits im Schanzkleid der Galeone.
„Kappt die Taue!“ befahl Arne, der die Gefahr, die von den Enterhaken und ihren Wurfleinen ausging, sofort erkannte. Schließlich war die Galeere am Sinken und konnte sein Schiff erheblich in Gefahr bringen, wenn man es nicht schnell von seinem „Anhängsel“ befreite.
Einige seiner Männer gingen sofort daran, seinen Befehl auszuführen. Doch das erwies sich als ein hartes und gefährliches Stück Arbeit, zumal sich die ersten Polen bereits mit lautem Geschrei über das Schanzkleid schwangen.
Auf beiden Seiten wurden Pistolen und Musketen abgefeuert, dann klirrte das Metall der Blankwaffen – der Säbel, Degen, Messer und Cutlasse – gegeneinander. Innerhalb von wenigen Augenblicken tobte ein erbitterter Enterkampf.
Die Polen wollten aus der gegebenen Situation ganz offensichtlich Kapital schlagen, aber da stießen sie bei Arne und seinen Mannen auf erbitterten Widerstand. Wegen der Vorkommnisse der vergangenen Tage hegten diese gegenüber den Soldaten des polnischen Königs Sigismund III. ohnehin keine besonders freundschaftlichen Gefühle. Und der Verlust ihrer alten „Wappen von Kolberg“ saß den Deutschen noch immer ziemlich in den Knochen. Dennoch würden sie sich ihrer Haut zu wehren wissen, auch wenn die Polen in der Überzahl waren.
Arne von Manteuffel stand mit gespreizten Beinen auf dem Achterdeck seiner Galeone und riß die Radschloßpistole hoch. Ein polnischer Soldat, der gerade an Bord geentert war, hatte seine Muskete auf ihn in Anschlag gebracht und gefeuert. Die Kugel war haarscharf an seiner linken Schulter vorbeigepfiffen.
Jetzt krachte Arnes Pistole, eine grelle Mündungsflamme stach aus dem Lauf hervor, und der Soldat ließ seine leergeschossene Muskete fallen. Dann griff er sich mit beiden Händen an die Brust und kippte mit einem Aufstöhnen zur Seite.
Die Polen kämpften zäh und verbissen, und immer mehr von ihnen drängten auf die Galeone herüber. Da ihnen das Schiff unter den Füßen absoff, standen sie gewissermaßen unter Erfolgszwang. Sie hatten nur die Möglichkeit, diese Galeone in ihren Besitz zu bringen oder aber im kalten Wasser der Ostsee zu ertrinken. Die Chance, als Schiffbrüchige gerettet zu werden, hatten sie durch ihren heimtückischen Angriff vertan.
Außerdem war da noch die Galeone der Engländer, mit der sie zuerst zusammengeprallt waren. Der große Segler war durch die überraschende Kollision aus dem Kurs gelaufen und gleich darauf im dichten Nebel verschwunden. Die Polen hofften deshalb inbrünstig, daß die Engländer die Orientierung verloren hatten. Wenn nicht, dann würden sie sich auch diesem Schiff zum Kampf stellen, sobald sie das ehemalige Flaggschiff ihres Generalkapitäns in ihre Gewalt gebracht hatten.
Arne von Manteuffel und seine kleine Mannschaft erwiesen sich als harte Kämpfer. Viele der Polen schafften es gar nicht erst, die Planken der „Wappen von Kolberg“ zu betreten. Entweder wurden sie durch gezielte Schüsse daran gehindert oder aber im Kampf Mann gegen Mann zurückgedrängt. Eine ganze Reihe der Angreifer schwamm bereits im Wasser, einigen drohte das furchtbare Schicksal, von den beiden Schiffsleibern zermalmt zu werden.
Arne hatte zum Degen gegriffen und trieb damit einen polnischen Offizier, der zum Achterdeck auf entern wollte, die Stufen des Niedergangs hinunter. Dabei erwies er sich als äußerst geschickter Degenkämpfer, der es verstand, die plötzlichen Ausfälle seines Gegners mit ungeheurer Schnelligkeit zu parieren.
Auch Renke Eggens kämpfte wie ein Berserker. Es gelang ihm nach mehreren Versuchen, auch noch die letzte Wurfleine zu kappen, die die „Wappen von Kolberg“ mit der polnischen Galeere verband. Zwei Soldaten, die sich daran hochhangeln wollten, stürzten mit wilden Schreien in die Galeere zurück.
Während sich Renke zwei weiteren Kerlen zuwandte, die sich einige Schritte rechts von ihm über das Schanzkleid schwingen wollten, tönte eine laute Stimme von der Galeere herüber.
„Im Namen des polnischen Königs! Gebt auf, ihr Bastarde, sonst verarbeiten wir euch zu Fischfutter!“
Die Stimme kam von einem untersetzten Mann in Offiziersuniform, der sich ebenfalls anschickte, das Schiff der Deutschen zu entern. Er hatte polnisch gesprochen, aber der dunkelblonde Renke hatte ihn gut verstanden.
„Du verwechselst die Tatsachen, Freundchen!“ brüllte er zornig zurück. „Ganz davon abgesehen, daß euren habgierigen König nicht mal die Heringe fressen würden, wird sich ja bald zeigen, wer als erster nasse Füße kriegt!“
Mit wuchtigen Hieben trieb Renke Eggens die beiden Kerle, die auf die Planken der Kuhl gesprungen waren, auf die Back zu. Dort nahm sie Hein Ropers, der flachsblonde Bootsmann, in Empfang.
„Vielen Dank für das nette Geschenk!“ rief er Renke zu und lachte dabei, daß seine weißen Zähne blitzten. Dann packten seine eisernen Fäuste erbarmungslos zu.
Nachdem er dem ersten Polen die Waffe aus der Hand geschlagen hatte, wuchtete er ihn seinem nachfolgenden Kumpan entgegen. Und da dieser gerade mit seinem Degen zu einem voreiligen Stoß ausgeholt hatte, fuhr die Klinge seinem Landsmann voll in die Brust.
Verblüfft und entsetzt registrierte der Soldat sein eigenes Werk. Hein Ropers hingegen nutzte die Schrecksekunde, packte ihn am Kragen und Hosenboden und hievte ihn schwungvoll über Bord.
Es wurde auch höchste Zeit, daß der Bootsmann seine Fäuste wieder frei kriegte, denn ein kleiner, dürrer Bursche mit spitzem Rattengesicht, hatte sich von hinten an ihn herangepirscht, um ihm das Messer in den Rücken zu stoßen.
„Vorsicht, Hein!“ rief ein Mann aus der eigenen Crew, der selber alle Hände voll zu tun hatte.
Der Bootsmann wirbelte geistesgegenwärtig herum, blockte den heimtükkischen Stoß ab und schlug dem Polen das Messer aus der Hand. Dann riß er ihn herum und verpaßte ihm einen so fürchterlichen Tritt gegen den Achtersteven, daß der Bursche mit ausgebreiteten Armen Renke Eggens entgegensegelte.
„Das ist mein Gegengeschenk!“ brüllt Hein Ropers.
„Danke!“ rief Renke zurück und setzte dem rattengesichtigen Kerl die Faust aufs Haupt. Dieser verdrehte die Augen und ging mit einem schicksalsergebenen Seufzer auf die Planken.
Duckmäuser waren Arne und seine Mannen noch nie gewesen. Auch jetzt schlugen sie sich so, daß den Polen die Augen übergingen. Dennoch war die Übermacht der Angreifer ständig größer geworden, denn auch die Ruderknechte mischten kräftig mit.
Arne und seine dreizehn Männer, die ihm von der alten „Wappen von Kolberg“ geblieben waren, würden die Stellung nicht auf Dauer halten können. Obwohl sie wie die Teufel kämpften, wurde die Lage immer bedrohlicher für sie.
Außerdem waren einige Männer bereits verletzt worden. Die Blessuren waren zwar nicht ernster Art, aber sie reichten aus, die Kampfkraft des einen oder anderen zu schwächen.
Schließlich sah sich Arne von Manteuffel genötigt, den Rückzug zum Achterkastell zu befehlen, das auch gegen eine Übermacht durchaus verteidigt werden konnte.
„Jetzt könnten wir deinen Vetter gut gebrauchen!“ rief Renke Eggens, der gerade mit einem Belegnagel zugeschlagen hatte.
Arne nickte, ohne dabei seinen Gegner, einen mindestens sechs Fuß großen, bulligen Soldaten, aus den Augen zu lassen.
„Ich kann nur hoffen, daß Hasard den Lärm hört“, stieß er hervor, „und daß er uns in diesem verdammten Nebel wiederfindet!“ Sein Degen zuckte hoch, um einen Ausfall seines Gegners abzuwehren. Dann entdeckte er eine winzige Blöße bei dem grobschlächtigen Kerl, der seine Waffe wie einen Zahnstocher handhabte, und stieß blitzschnell zu.
Der Pole sank auf die Planken.