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SCHRITTE IM IFS-PROZESS

Mit Beschützern umgehen


1. Einen Beschützer kennenlernen

B1 Zugang zu unseren Teilen finden

B2 Sich lösen und bewusst verschmelzen

B3 Für Selbst-Führung sorgen und sich von besorgten Teilen lösen

B4 Einen Beschützer kennenlernen

B5 Eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Beschützer aufbauen


SCHRITT B1

KAPITEL 4

Zugang zu unseren Teilen finden

Eine geführte Meditation zu den Themen in den Kapiteln 4 bis 8 kann als MP3-Datei unter www.arbor-online-center.de/begleitmaterial/dn163e heruntergeladen werden.

Wegweiser

Angenommen, Sie haben ein Problem, mit dem Sie sich beschäftigen wollen. Woher wissen Sie, welche Teile Sie erforschen sollten? In IFS werden Probleme auch als Wegweiser bezeichnet. Ein Wegweiser ist eine Erfahrung oder eine Schwierigkeit in Ihrem Leben, die Sie zu interessanten Teilen führen wird, wenn Sie ihr folgen. Das kann eine Situation oder eine Person sein, auf die Sie reagieren, eine emotionale oder körperliche Erfahrung, ein Verhaltens- oder Denkmuster, ein Traum oder irgendetwas anderes, das darauf hindeutet, dass Sie einen oder mehrere Teile erforschen könnten. Von einem Wegweiser spricht man in IFS, weil es sich um den Anfang eines Wegs handelt, der zur Heilung führen kann. Im Allgemeinen geht es dabei sowohl um eine Lebenssituation als auch um Ihre Reaktion auf diese Situation.

Schritt B1: Zugang zu einem Teil finden

Eine IFS-Sitzung beginnt, indem Sie Zugang zu einem Teil finden, an dem Sie arbeiten wollen. Vielleicht hat er mit einem wichtigen Wegweiser zu tun, vielleicht verursachte er im Augenblick auch intensive Gefühle. In diesem Kapitel geht es in erster Linie darum, wie man Kontakt zu einem Teil aufnimmt. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich dann damit, wie man ihn kennenlernt. Wir fangen mit den Beschützern an.

Am besten schließen Sie während dieser Phase und überhaupt bei jeder IFS-Sitzung die Augen. Empfehlenswert ist auch, sich in ein stilles Zimmer zu setzen, wo man nicht von anderen Leuten, von Haustieren, vom Telefon und vom Computer gestört wird. Dadurch werden Ablenkungen reduziert, und Sie können sich ganz auf den Beschützer konzentrieren, mit dem Sie sich beschäftigen.

Aktivierte Teile

Ein Teil ist aktiviert, wenn seine extremen Gefühle oder Überzeugungen durch eine Situation oder eine Person ausgelöst werden. Dann spüren Sie, dass der Teil anwesend und bei Ihnen ist.

Der Ziel-Teil

Das ist der Teil, auf den Sie sich konzentrieren oder an dem Sie arbeiten.

Möglichkeiten, Zugang zu einem Teil zu finden

• Emotion: Wie fühlt er sich emotional an?

• Visuell: ein Bild des Teils.

• Körper: den Teil im Körper spüren.

• Verbal: darauf hören, was der Teil zu Ihnen sagt.

Dem Teil einen Namen geben: mit ein paar beschreibenden Worten oder mit dem Namen einer Person, einer fiktiven Figur, eines Tieres usw.

Oft bietet ein Körpergefühl den direktesten Zugang zu einem Teil, aber das ist nicht absolut notwendig, um einen Kontakt herzustellen und Informationen zu erhalten. Ein Teil kann sich als eine Empfindung in oder am Körper zeigen. Das kann eine chronische Empfindung wie ein steifer Hals sein, eine gewohnheitsmäßige Haltung des Arms oder eine Empfindung, die in dem Moment auftaucht, in dem Sie dem Teil Aufmerksamkeit schenken, zum Beispiel Leere in der Brust, ein flaues Gefühl im Magen oder plötzliche Kopfschmerzen.

Um Zugang zu einem Teil zu finden, können Sie so viele Informationskanäle ausprobieren wie möglich, weil jeder einzelne seinen Wert hat, aber Sie brauchen nur einen von den genannten.

Sobald Sie über einen oder mehrere Kanäle Zugang zu dem Teil gefunden haben, lassen Sie ein Wort oder einen Satz in sich auftauchen, um den Teil so zu beschreiben, wie Sie ihn erleben. Sie können ihn aber auch fragen, wie er sich selbst beschreiben würde.

Drei Möglichkeiten für den Anfang einer Sitzung

1. Sie nehmen sich einen bestimmten Teil vor.

2. Sie arbeiten mit einem Wegweiser.

3. Sie gehen von Ihrem momentanen Erleben aus.

1. An einem bestimmten Teil arbeiten

Denken Sie an einen Teil, den Sie gerne kennenlernen möchten. Stellen Sie fest, ob er im Moment aktiviert ist. Ob er gerade präsent ist, können Sie beurteilen, indem Sie wahrnehmen, ob Sie ihn sehen oder spüren können. Sehen Sie die Welt mühelos aus seiner Perspektive und spüren Sie seine Emotionen?

Wenn der Teil nicht aktiviert ist

Wenn der betreffende Teil nicht aktiviert ist, denken Sie an eine Situation aus der nahen Vergangenheit, in der er das war. Stellen Sie sich vor, dass Sie sich jetzt in dieser Situation befinden.

ÜBUNG Zugang zu einem nicht aktivierten Teil finden

Wählen Sie einen Ihrer Teile, der momentan nicht aktiviert ist. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, die Augen zu schließen, die Atmung zu vertiefen und sich vorzustellen, dass Sie in einer Situation sind, in der dieser Teil aktiviert ist. Nehmen Sie wahr, wie sich das anfühlt. Versuchen Sie dann von dort aus, mit den genannten Methoden – emotional, bildlich, vom Körper und der inneren Stimme her – Zugang zu dem Teil zu finden, aber denken Sie daran, dass Sie nicht alle diese Kanäle nutzen müssen. Notieren Sie, was Sie erleben.

Name des Teils: ____________________________________________

Situation, in der er aktiviert wird: _____________________________

__________________________________________________________

Was der Teil emotional empfindet: ____________________________

Wie er aussieht: ____________________________________________

Wie er sich im Körper anfühlt: ________________________________

Was der Teil sagt: ___________________________________________

BEISPIEL Zugang zu einem nicht aktivierten Teil finden

Name des Teils: Perfektionist.

Situation, in der er aktiviert wird: Habe einen Riss im Rucksack gefunden.

Was der Teil emotional empfindet: Ich fühle mich sicherer, wenn alles perfekt ist.

Wie er aussieht: Wie ein perfekter, rechtwinkliger Holzkasten, bei dem alle Seiten total gleich aussehen.

Wie er sich im Körper anfühlt: Spannung in der Brust.

Was der Teil sagt: Ich bin gern in Sicherheit, und ich fühle mich sicherer, wenn alles so ist, wie es sein sollte. Ich fühle mich sicher, wenn ein Gefühl von Harmonie, Vollständigkeit und Gleichmäßigkeit vorherrscht und wenn alles gleich ist.

2. Die Teile an einem Wegweiser identifizieren

Denken Sie an etwas, was Sie erforschen wollen, an ein Problem oder eine Situation.

Stellen Sie sich vor, dass Sie in dieser Situation sind, zum Beispiel zusammen mit einer bestimmten Person, oder dass sie das betreffende Erlebnis haben.

Identifizieren Sie einen Teil, der aktiviert ist, und finden Sie Zugang zu ihm.

Bitten Sie den Teil nun, beiseite zu treten, damit Sie sehen können, welche weiteren vorhanden sind.

Identifizieren Sie einen weiteren Teil, der aktiviert ist, und finden Sie Zugang zu ihm.

Wiederholen Sie das, bis an diesem Wegweiser keine neuen Teile mehr aktiviert werden.

Fragen am Wegweiser

Dies sind einige Fragen, die Sie an einem Wegweiser stellen können, um die aktivierten Teile zu identifizieren:

• Was ist in dieser Situation das stärkste Gefühl und der wichtigste Teil?

• Ist ein anderer Teil vorhanden, der anders empfindet oder gegen den ersten Teil opponiert?

• Sind selbstabwertende Gedanken oder irgendwelche inneren Kritiker vorhanden, die auf die Situation reagieren?

• Gibt es noch irgendeinen anderen Teil, der sich gerne zu dieser Situation äußern würde?

ÜBUNG Die Teile an einem Wegweiser identifizieren

Wählen Sie einen Wegweiser, den Sie gerne erforschen möchten. Wenn er momentan nicht präsent ist, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich mit geschlossenen Augen vorzustellen, dass Sie jetzt in der betreffenden Situation sind. Fragen Sie sich: »Welche Teile sind vorhanden, während ich eine Verbindung zu dieser Situation herstelle bzw. dieses Problem betrachte?« Notieren Sie die an diesem Wegweiser vorhandenen Teile nacheinander, während sie auftauchen. Fügen Sie für jeden Teil möglichst viele Informationen hinzu. Denken Sie dabei daran, dass Sie diese Teile noch nicht vollständig erforscht hatten, weshalb Sie sich keine Sorgen machen müssen, wenn Sie nicht viel über sie wissen. Schreiben Sie einfach auf, was Sie erfahren; zusätzliche Informationen können Sie später nachtragen.

Name des Teils: ___________________________________________________

Was der Teil emotional empfindet: ___________________________________

Wie er aussieht: _____________________________________________

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt:

___________________________________________________________

Was der Teil sagt: ____________________________________________

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: _____________________________

 

Was er will: __________________________________________________

BEISPIEL Die Teile an einem Wegweiser identifizieren

Situation: Jemand hat mich im Bus angerempelt.

Name von Teil 1: Zorn.

Was der Teil emotional empfindet: Missachtung, Brennen.

Wie er aussieht: Drachen mit Feuermaul.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Gesicht, verspannter Kiefer, brennende Augen.

Was der Teil sagt: Ich hasse dich!

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Gemein und motzig.

Was er will: Sich schützen.

Name von Teil 2: Richter

Was der Teil emotional empfindet: Selbstgerecht.

Wie er aussieht: Bissiger alter Mann, der den Finger auf den anderen richtet.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Spannung im Bauch, hochgezogene Schultern.

Was der Teil sagt: Du Idiot! Wie kannst du bloß so gedankenlos sein? Du bist derart egoistisch. Pass doch auf, was du tust!

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Ich schüttle den Kopf, schnaube, schimpfe.

Was er will: Dass der andere sich klein und dumm fühlt und verschwindet.

Name von Teil 3: Angst.

Was der Teil emotional empfindet: Ich bin hier nicht in Sicherheit.

Wie er aussieht: Wie jemand, der sich duckt.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Zittern am ganzen Körper

Was der Teil sagt: Ich bin hier nicht in Sicherheit. Die Situation ist unberechenbar. Es könnte etwas Schlimmes passieren. Vielleicht werde ich verletzt.

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Ich weiche zurück und schaue mich argwöhnisch um.

Was er will: Sicherheit, Schutz, Hilfe.

Name von Teil 4: Körperlich verletzt.

Was der Teil emotional empfindet: Traurig, schmerzerfüllt.

Wie er aussieht: Weinendes Kind.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Verkrampft, wo ich angerempelt wurde, verzerrtes Gesicht.

Was der Teil sagt: Au, tut das weh!

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Weinen und es herauslassen.

Was er will: Jemand, der ihn tröstet.

3. Vom momentanen Erleben ausgehen

Bei der dritten Methode, Zugang zu einem Teil zu finden, bleiben Sie im Augenblick und erforschen, welche Teile vorhanden sind. Richten Sie die Aufmerksamkeit auf das, was Sie jetzt erleben, und auf die Teile, die Sie dabei bemerken. Welche Emotionen empfinden Sie, welche inneren Botschaften hören Sie und welche Körperempfindungen (zum Beispiel Verspannung) nehmen Sie wahr? Gehen Sie davon aus, dass dies alles mit irgendwelchen Teilen zu tun hat. Fühlen Sie sich dann in eine Emotion oder ein Körperempfindung hinein und stellen Sie fest, was allmählich zum Vorschein kommt.

ÜBUNG Die momentan vorhandenen Teile identifizieren

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, die Augen zu schließen, den Atem tiefer werden zu lassen und den Blick nach innen zu richten. Fragen Sie sich: »Welche Teile nehme ich momentan wahr? Welche Emotionen spüre ich? Welche Gedanken oder Botschaften teile ich mir mit? Welche Körperempfindungen sind vorhanden?« Schreiben Sie nacheinander auf, was auftaucht. Notieren Sie für jeden Teil so viele Informationen wie möglich. Wie vorher gilt, dass Sie diese Teile noch nicht vollständig erforscht haben; machen Sie sich also keine Sorgen, wenn Sie nur wenig darüber wissen.

Name des Teils: _________________________________________________

Was er emotional empfindet: ______________________________________

Wie er aussieht: _________________________________________________

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt:

__________________________________________________________

Was der Teil sagt: _____________________________________________

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: _____________________________

Was er will: __________________________________________________

BEISPIEL Die momentan vorhandenen Teile identifizieren

Name von Teil 1: Beklemmung.

Was der Teil emotional empfindet: Macht sich Sorgen wegen der bevorstehenden Besprechung.

Wie er aussieht: Statisches Rauschen wie im Fernseher.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Nervosität in Bauch und Brust.

Was der Teil sagt: Du bist nicht anständig vorbereitet. Bestimmt mögen die dich nicht.

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Hyperaktiv, zerstreut.

Was er will: Weglaufen.

Name von Teil 2: Kritiker

Was der Teil emotional empfindet: Wütend auf mich.

Wie er aussieht: Strenge Mutter, die den Zeigefinger auf mich richtet.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Verkrampfte Kiefermuskeln, Spannung in den Armen, Enge in der Brust.

Was der Teil sagt: Du hast dich nicht vorbereitet. Hast Zeit vergeudet. Du bist faul!

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Aufgeregt, desorganisiert.

Was er will: Dass ich mich konzentriere und etwas zustande bringe.

Name von Teil 3: Verängstigtes Kind.

Was der Teil emotional empfindet: Hat Angst, dass man ihn unzulänglich findet und deshalb zurückweist.

Wie er aussieht: Fünfjähriges Kind, das in der Ecke kauert.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt:

Hände schützend über dem Kopf, weint.

Was der Teil sagt: Es tut mir leid, dass ich nicht gut genug bin.

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Eingeschüchtert und in mich gekehrt. Was er will: Sich geborgen und akzeptiert fühlen.

ÜBUNG Einen Teil in Echtzeit wahrnehmen

Das ist eine Übung, die Sie während der kommenden Woche als Hausaufgabe machen können.

Wählen Sie einen Teil, der im Alltag mit einer gewissen Häufigkeit aktiviert wird und über den Sie mehr erfahren wollen. Nehmen Sie sich vielleicht gleich jetzt einen Moment Zeit, um ihm irgendwie mitzuteilen, dass Sie Interesse daran haben, ihn besser kennenzulernen.

Name des Teils: ______________________________________________

Was er emotional empfindet: ___________________________________

Wie er aussieht: ______________________________________________

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt:

____________________________________________________________

Was der Teil sagt: ____________________________________________

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: ____________________________

Was er will: _________________________________________________

Den Teil wahrnehmen

Üben Sie, während der kommenden Woche wahrzunehmen, wenn dieser Teil aktiviert wird. Dabei ist es nützlich zu wissen, welche Hinweise es dafür gibt. Welche Körperempfindungen, Gedanken und Emotionen sagen Ihnen, dass er aktiviert ist, zum Beispiel ein angespannter Bauch, Rachefantasien oder ein weinerliches, kindliches Gefühl?

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An welchen Verhaltensweisen erkennen Sie, dass dieser Teil die Führung übernommen hat? Ziehen Sie sich zum Beispiel von Ihrem Partner/Ihrer Partnerin zurück, reißen Sie ein Gespräch an sich, essen Sie zu viel?

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Durch welche Situationen oder Personen wird der Teil häufig aktiviert – zum Beispiel, wenn Sie auf jemanden treffen, von dem Sie sich angezogen fühlen, wenn Sie etwas referieren oder wenn Ihr Sohn Ihnen nicht gehorcht?

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Wann wird so etwas in der kommenden Woche wahrscheinlich passieren?

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Nehmen Sie sich vor, aufmerksam darauf zu achten, ob der Teil in diesen Situationen tatsächlich aktiviert wird. Jedes Mal, wenn das passiert, nehmen Sie kurz Kontakt zu ihm auf und machen sich ein paar Notizen über ihn. Falls das im betreffenden Moment nicht möglich ist, tun Sie es eben in der nächsten Arbeitspause, jedenfalls so bald wie möglich, damit die Erinnerung frisch ist. Nehmen Sie sich am Ende jedes Tages einige Minuten Zeit, sich einen Überblick über die Momente zu verschaffen, in denen der Teil aktiviert war. Ergänzen Sie dabei Ihre Notizen. Dieser tägliche Rückblick wird Ihnen auch dabei helfen, die Übung am folgenden Tag im Kopf zu behalten.

Notieren Sie jedes Mal, wenn der Teil aktiviert wird:

Situation: ________________________________________________________

Wie Sie den Teil erleben: ___________________________________________

Was an dieser Situation den Teil ausgelöst hat: _________________________

Erwarten Sie von sich keine Perfektion. Wahrscheinlich werden Sie nicht jedes Mal merken, wenn der Teil aktiviert wird, und Sie werden sich auch nicht jedes Mal klar sein, was gerade passiert. Alles andere wäre unrealistisch. Vielleicht fahren Sie im betreffenden Moment gerade Auto, arbeiten intensiv an etwas oder unterhalten sich mit jemandem, weshalb es schwierig ist, etwas anderes wahrzunehmen als das, was Sie gerade tun. Das ist völlig in Ordnung – tun Sie einfach Ihr Bestes.

BEISPIEL Einen Teil in Echtzeit wahrnehmen Name des Teils: Gierschlund.

Was der Teil emotional empfindet: Wild und außer Kontrolle.

Wie er aussieht: Ein großer Mund.

Wo er im oder am Körper wahrnehmbar ist und wie er sich anfühlt: Wie ein leeres Loch im Bauch, das gefüllt werden muss.

Was der Teil sagt: Ich höre nicht auf. Ich brauche immer mehr!

Zu welchem Verhalten er Sie bringt: Er stopft sich unbeherrscht voll. Er isst Sachen, die nicht gesund für mich sind, und hört nicht auf, wenn ich eigentlich schon satt bin.

Was er will: Ein leeres Loch auffüllen, damit ich keinen emotionalen Schmerz empfinde.

Den Teil wahrnehmen

An welchen Verhaltensweisen erkennen Sie, dass dieser Teil die Führung übernommen hat? Wenn ich meinen Teller geleert habe, nehme ich mir nach, obwohl ich nicht mehr hungrig bin. Zwischen den Mahlzeiten bediene ich mich am Kühlschrank. Ich kaufe Junkfood, obwohl ich weiß, dass es mir nicht bekommt.

Durch welche Situationen oder Personen wird der Teil häufig aktiviert? Familienmitglieder, freie Tage, stressige Situationen, in denen ich Angst davor habe, kritisiert zu werden. Alleinsein.

Wann wird so etwas in der kommenden Woche wahrscheinlich passieren? Stress in der Arbeit. Keine Pläne fürs Wochenende haben.

SCHRITT B2

KAPITEL 5

Sich lösen und bewusst verschmelzen

Sich vom Ziel-Teil lösen

Ein Teil ist mit dem Selbst verschmolzen, wenn Sie so von den Gefühlen des Teils überflutet werden, dass Sie nicht mehr geerdet sind. Sie sind in den Überzeugungen des Teils gefangen und sehen alles aus seiner Perspektive. Anders gesagt, sind Sie nicht genügend von dem Teil getrennt, um ihn beobachten oder bei ihm sein zu können. Um auf nützliche Weise Zugang zu einem Teil zu finden, sollte er aktiviert sein, ohne mit Ihnen zu verschmelzen.

Das Selbst gehört von Natur aus auf den »Sitz des Bewusstseins« (vergleiche Kapitel 3). Wenn Sie mit einem Teil verschmolzen sind, hält dieser statt dem Selbst den Sitz besetzt (Abb. nächste Seite links). Um einen produktiven Kontakt mit dem Teil herzustellen, muss das Selbst sich auf dem Sitz befinden und seine Aufmerksamkeit auf den Teil richten (Abb. nächste Seite rechts).

Wie erwähnt, nennt man den Teil, mit dem man sich momentan beschäftigt, den Ziel-Teil.


ÜBUNG Verschmolzensein

Wählen Sie einen Teil, mit dem Sie momentan verschmolzen sind. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, mit geschlossenen Augen festzustellen, was gerade passiert. Fragen Sie sich: »Was nehme ich jetzt wahr, was denke und fühle ich?« Wie stark empfinden Sie gerade die Gefühle des betreffenden Teils?

 

Wahrscheinlich handelt es sich um einen Teil, mit dem Sie sich als Aspekt Ihrer Persönlichkeit identifizieren. Das kann ein Teil sein, der Sie dazu motiviert, im Alltag aktiv zu sein, ein Teil, der Sie kritisiert oder andere beurteilt, oder einer, der ärgerlich wird oder eine andere emotionale Reaktion zeigt, wenn bestimmte Dinge passieren, zum Beispiel wenn Sie Kaffee verschütten oder Ihren Schlüsselbund verlegen. Es kann ein Teil sein, der Sie organisiert, der Ihnen Sorgen macht, der etwas von jemand anderem braucht oder irgendein anderer Teil, der sich regelmäßig in Ihrem Leben bemerkbar macht.

Wie fühlt es sich in Ihrem Körper an, wenn dieser Teil präsent ist?

Welche Körperteile sind angespannt? ___________________________

Welche sind entspannt? ______________________________________

Welche Gefühle nehmen Sie wahr? _____________________________

Ist Ihr Blick offen oder verschlossen? ___________________________

Welche Körperteile nehmen Sie nicht wahr? Sind Sie zum Beispiel nur in Ihrem Kopf? Oder spüren Sie nur Ihren Bauch? ____________________

Wie ist Ihr Atem? _____________________________________________

Welche Emotionen sind vorhanden (zum Beispiel Ärger, Frustration, Ungeduld, Liebe, Freundlichkeit, Großzügigkeit, Dringlichkeit)? ___________

Welche Gedanken haben Sie? ____________________________________

Was sagen Sie zu sich? __________________________________________

Was ist aus der Perspektive dieses Teils zutreffend (zum Beispiel: »Ich habe viele Verpflichtungen und muss mich anstrengen, sie zu erfüllen«; »Ich bekomme von der Person da nie, was ich brauche«; »Es ist nie genug Zeit«)?

______________________________________________________________

______________________________________________________________

BEISPIEL Verschmolzensein

Welche Körperteile sind angespannt? Kiefer, oberer Brustkorb.

Welche sind entspannt? Beine.

Welche Gefühle nehmen Sie wahr? Kurzatmig, Schultern hochgezogen.

Ist Ihr Blick offen oder verschlossen? Verengt, angestrengt.

Welche Körperteile nehmen Sie nicht wahr? Mittlerer Rücken, Genitalien.

Wie ist Ihr Atem? Eingeschränkt.

Welche Emotionen sind vorhanden? Ärger, Frustration.

Welche Gedanken haben Sie? Bin aufgebracht und wie besessen davon, dass man mir so wehgetan hat.

Was sagen Sie zu sich? So etwas verdiene ich einfach nicht. Wofür halten die sich eigentlich?

Was ist aus der Perspektive dieses Teils zutreffend? Man hat mir Unrecht getan!

Sich lösen

Sie lösen sich von einem Teil, indem Sie Raum zwischen ihm und sich schaffen. Dabei bitten Sie den Ziel-Teil, kooperativ zu sein und gemeinsam mit Ihnen einen emotionalen Abstand zu schaffen, damit Sie den Teil besser wahrnehmen können. Der Teil soll begreifen, dass Sie Interesse haben, ihn kennenzulernen, und dass das am besten möglich ist, wenn Sie ein bisschen Abstand von ihm haben.

Sich von einem Teil lösen, kann sinnvoll sein, wenn Sie merken, dass dieser Teil statt dem Selbst den »Sitz des Bewusstseins« besetzt hat. Dann können Sie versuchen, das Selbst auf diesen Sitz zu bringen, damit es den Ziel-Teil ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit rücken kann (siehe rechte Abbildung auf S. 44).

ÜBUNG Sich von einem Ziel-Teil lösen

Sie können den Teil nehmen, den Sie in der vorhergehenden Übung »Verschmolzensein« erforscht haben; vielleicht wollen Sie aber auch einen anderen Teil kennenlernen. Wenn Letzteres der Fall ist, gehen Sie die angegebenen Schritte durch, bis der betreffende Teil präsent ist. Lassen Sie ihn auf irgendeine Weise wissen, dass Sie Interesse haben, ihn kennenzulernen.

Name oder Rolle des Teils: _____________________________________

Wie Sie wissen, dass Sie mit ihm verschmolzen sind: ________________

Die folgenden Methoden können den Prozess des Lösens unterstützen.

• Bitten Sie den Teil, sich von Ihnen zu lösen, damit Sie ihn kennenlernen können.

• Bitten Sie den Teil, sich aus Ihrem Körper zu entfernen.

• Bitten Sie den Teil, seine Gefühle zu zügeln und Sie nicht damit zu überfluten, während Sie sich auf ihn konzentrieren.

• Treten Sie ein Stück zurück, um sich von dem Teil zu trennen.

• Nehmen Sie wahr, welche Gefühle Sie dem Teil entgegenbringen.

• Rufen Sie ein Bild des Teils auf, wie dieser ein Stück weit von Ihnen entfernt ist.

• Zentrieren/erden Sie sich mit einer kurzen Meditation, um Ihre Trennung von dem Teil zu unterstützen.

Wie Sie den Ziel-Teil gebeten haben, sich von Ihnen zu trennen: _________

________________________________________________________________

Wenn ein Teil sich trennt, werden Sie das spüren. Infrage kommt eine ganze Reihe feiner Veränderungen, wie Sie den Teil wahrnehmen.

• Sie spüren, wie sich in Ihrem Körper etwas öffnet, wodurch ein Gefühl von Raum und Offenheit entsteht.

• Sie sehen, wie der Teil sich bewegt. Zum Beispiel kann das Bild des Teils ein Stück von Ihnen wegrücken.

• Sie hören, wie der Teil Ihrer Bitte zustimmt.

• Sie fühlen sich emotional leichter oder freier.

Was Sie bemerkt haben, als Sie den Ziel-Teil baten, Ihnen ein bisschen Raum zu lassen: ________________________________________________________

________________________________________________________________

Was Sie bemerkt haben, wenn der Teil bereit war, sich zu lösen:

________________________________________________________________

Was der Teil gesagt hat: ___________________________________________

Veränderungen im Körper: _________________________________________

Veränderung dessen, was Sie gesehen haben: __________________________

Emotionale Veränderungen: _________________________________________

Weiteres: ________________________________________________________

BEISPIEL Sich von einem Ziel-Teil lösen

Name oder Rolle des Teils: Aufschieber.

Wie Sie wissen, dass Sie mit ihm verschmolzen sind: Ich bin kribbelig und zerstreut, vermeide Arbeit, die erledigt werden muss, indem ich die Küche putze oder im Internet surfe.

Wie Sie den Ziel-Teil gebeten haben, sich von Ihnen zu trennen: Hab ihm gesagt, mir ist klar, dass er da ist, um mich von meiner Arbeit abzubringen. Hab ihn gefragt, ob er mit mir zusammenarbeiten mag, damit ich was erledigt kriege, bevor wir gemeinsam etwas anderes machen.

Was Sie bemerkt haben, als Sie den Ziel-Teil baten, Ihnen ein bisschen Raum zu lassen: Zuerst war er widerspenstig und hat getan, als würde er gar nicht existieren, so nach dem Motto »Was – wer, ich?« Dann hat er Interesse für mein Versprechen gezeigt, später was mit ihm gemeinsam zu machen.

Was Sie bemerkt haben, wenn der Teil bereit war, sich zu lösen:

Was der Teil gesagt hat: »Vergiss bloß nicht, dass du mir versprochen hast, später was zusammen mit mir zu machen!«

Veränderungen im Körper: Ich war in der Lage, mich ein bisschen zu entspannen. Hab mich ruhiger gefühlt und tiefer geatmet.

Veränderung dessen, was Sie gesehen haben: Alles war klarer und nicht mehr so verschwommen.

Emotionale Veränderungen: Hab die unter der Zerstreutheit verborgene Angst gespürt.

Weiteres: Sobald ich die Angst gespürt und erkannt habe, hat sie ein bisschen nachgelassen.

ÜBUNG Sich von einem widerwilligen Teil lösen

(Variante der vorhergehenden Übung)

Manchmal sträuben sich Teile davor, sich zu lösen. Vielleicht sind sie verwirrt darüber, was das bedeutet; sie können aber auch Angst haben oder trotzig sein. Eine gute Frage, die man einem zögerlichen Teil stellen kann, lautet: »Wovor hast du Angst? Was könnte wohl passieren, wenn du dich von mir löst?« Es kann nützlich sein, dem Teil zu versichern, dass Sie nicht versuchen, ihn loszuwerden oder zu vertreiben, sondern dass Sie ihm nur besser zuhören wollen, was durch ein bisschen Abstand möglich wäre.

Es gibt einige typische Gründe, weshalb Teile sich nur widerwillig lösen. Wenn der Teil, an dem Sie in der vorhergehenden Übung gearbeitet haben, sich sträubt, können Sie überprüfen, ob eine der aufgeführten Ursachen zutrifft oder ob Sie auf etwas anderes stoßen.

_____ Angst, dass Sie ihn beiseiteschieben und nicht mehr brauchen werden. Mögliche Reaktion Ihrerseits: Ich bitte dich nur, kurz beiseitezutreten, während ich mich mit diesem Thema beschäftige. Schließlich will ich dich kennenlernen, und damit das möglich ist, brauche ich ein bisschen Abstand von dir. Wenn du willst, kannst du wie gewohnt zurückkehren, sobald wir fertig sind.

Zusätzlich: Eventuell müssen Sie dem Teil klarmachen, dass Sie ihn in der Vergangenheit tatsächlich beiseitegeschoben haben, dass es jetzt aber anders laufen wird.

____ Angst, dass Sie etwas Unkluges tun werden, wovor der Teil Sie beschützt. Mögliche Reaktion Ihrerseits: Versichern Sie dem Teil, dass Sie ihn nur um eine bestimmte Zeitspanne bitten. Erinnern Sie ihn daran, dass Sie da sind und dafür sorgen werden, dass nichts Schlimmes passiert.

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