Einsamkeit

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Einsamkeit
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...der Sturm hat etwas nachgelassen. Mein trauriger Blick wandert über das verwüstete Land. Ausgerissene Bäume, alte, eingestürzte Dächer und Überflutungen hat der lang ersehnte Regen mitgebracht. Man hat ihn vorausgesagt, man hat uns davor gewarnt. Die Worte der Weisen wurden aber wie so oft zuvor in den Wind geschlagen. Hinter dem trockenen Fenster der alten viktorianischen Burg, mit ihren symmetrischen Verzierungen, fühle ich mich in meiner Kammer sicher und beschützt. Schwarze Gestalten laufen umher, suchen Schutz vor den großen Regentropfen, vor umherfliegenden Ästen und Ziegeln. Ein greller Blitz zuckt am Himmel und ich sehe ein einsames Pferd, das sich vor dem Wald in Todesangst aufbäumt. Wieder habe ich mit offenen Augen geträumt. Wieder habe ich mich dabei erwischt, wie ich der kalten, düsteren Realität entflohen bin. Sowas darf nicht mehr passieren. Tagträumereien sind gefährlich, wie ich am eigenen Leib erfahren musste. Ich weiß nur allzu gut wohin das führt... Am Ende hat man sich wieder nur etwas vorgemacht und steht entmutigt und niedergeschlagen vor den Trümmern seiner Visionen dar. Nein! Ich darf das nicht mehr machen... nie mehr! Ich muss lernen, in der Realität zu leben, auch wenn ich dafür den Schutz, Geborgenheit und das Versprechen der Phantasie einbüße. Langsam mache ich einige Schritte vom Fenster zurück. Ein heller Blitz zuckt ganz in der Nähe. Die Hunde werden aufgeschreckt und wimmern in ihren Zwingern. Der grollende Donner, der seine lamentierende Antwort so deutlich zum Ausdruck bringt, lässt auch nicht lange auf sich warten und macht seinem Ärger, in einem gewaltigen Aufschrei, der den Boden erzittern lässt, Luft. „Die Hunde!“ schießt es mir plötzlich durch den Kopf. Ich gehe die alte Wendeltreppe hinunter um nach ihnen zu sehen. An den Ecken der Dächer haben die wasserspeienden, steinernen Gargoyles Fluten gebildet, die sich wie ein endlos anhaltendes, trauriges Lied ihren Weg durch die feuchte Erde bahnen. Zielstrebig laufe ich zum Ostflügel der Burg wo die Zwinger sind. Blitze zucken heftig am Himmel und der Wind heult klagend, als er mit aller Kraft über das Land peitscht. Der Sturm sammelt sich wieder und prasselt mit Entschlossenheit nieder.

Ein schauriges Schauspiel bietet sich mir, als ich das Gebäude im Osten erreiche. Das Wasser hat den Zwinger eingenommen. Ein großer Teil des Gebäudes wurde weggespült und das Dach hält sich gerade noch so an einem Balken. Wie ein Titan aus der Mythologie, der die Welt auf seinen Schultern hält, stützt dieser Balken die ganze Konstruktion. Unaufhaltsam frisst sich die Flut durch die Erde und droht, das Dach in jedem Moment niederzureißen. Ich vergesse alles um mich herum und stürze mich wie wahnsinnig geworden ins Wasser. Die Strömung reißt mich ins Innere des Gebäudes. Es gelingt mir kaum, mich an etwas festzuhalten, um der enormen Kraft des Wassers zu trotzen. Die Fackeln sind längst erloschen. Meine Augen können sich nur schwer an die Dunkelheit gewöhnen. Nur ab und zu, wenn ein Blitz den Himmel spaltet, kann ich ein paar Umrisse, die wie schemenhafte Gestalten aussehen, erkennen. Meine Hand greift verzweifelt nach irgendetwas, woran sie sich festhalten kann. Plötzlich spüre ich nasses Fell. In der Dunkelheit klammere ich mich mit beiden Armen daran fest und ziehe es zu mir. Ich spüre Augen und Zähne. Wahrscheinlich wird es einer meiner treuen Hunde sein, der dem schlechten Wetter zum Opfer gefallen ist.

Plötzlich wird der Raum erhellt und für den Bruchteil einer Sekunde erkenne ich große gelbe Augen und scharfe Reißzähne. Mein schmerzlicher Aufschrei wird vom Donner übertönt und lässt mich mit meinem Elend alleine. Verzweifelt kämpfe ich gegen das steigende Wasser. Ich halte das Tier mit den Zähnen fest und greife wie wild um mich. Ein lauter Knall durchbricht das monotone, hypnotische Plätschern der Regentropfen. Die linke Schulter schmerzt. Ich fühle, wie warmes Blut aus ihr strömt, als ich fortgespült werde.

Ich wache auf… der Regen ist vorbei… Wie lange war ich jetzt bewusstlos? Und was wichtiger ist... warum lebe ich noch? In der ganzen Zeit, in der ich auf Gottes Erde wandere, habe ich schon einige Male dem Tod ins Angesicht geblickt. Ich habe mir sehnsüchtigst gewünscht, dass die Dame mit der Sense mich holen kommt, doch dem war nicht so. Immer wieder geschah etwas, was mich an diesem verfluchten Leben gebunden hielt. Diesmal war es auch nicht anders. Ich versuche, meine Gedanken zu sammeln. Mein Blick fällt auf die Blutlache, in der ich liege. Es ist mein eigenes. Die über Jahre gesammelten Anatomiekenntnisse sagen mir, dass ich an Blutleere sterben hätte müssen. Und nun bin ich wieder bei vollem Bewusstsein und versuche aufzustehen. Als ich ein paar Schritte gehe, überfallen mich wieder meine schwarzen Gedanken. Langsam kommen die Erinnerungen wieder. Der Zwinger, dann nasses Fell und Zähne... Wahrscheinlich war das schwere Dach eingestürzt, hat mir eine klaffende Wunde beigebracht und mich bewusstlos geschlagen. „Der Wolf muss doch hier irgendwo sein“ dachte ich. Mit Schmerzen in den Augen schleppe ich mich auf allen Vieren in Richtung Burg, die in einer beachtlichen Entfernung vor mir liegt. Die Flut hat mich also so weit aufs Feld gespült. Plötzlich weiten sich meine Augen und ein Fünkchen Hoffnung steigt in mir auf. Da hinten, keine zwanzig Schritte entfernt, liegt er. Er scheint tot zu sein. Ein Schauer läuft eiskalt über meinen Rücken und ich schleppe mich zu ihm hin. „Bitte verlass mich nicht, du bist der einzige, den ich noch auf dieser Welt habe“ denke ich und Tränen der Verzweiflung rinnen über meine Wangen. Der Wolf, den ich als Junges aufgezogen habe und der mir bis heute immer ein treuer Freund war, liegt nun vor mir und bewegt sich nicht. Ich nehme seine riesige Schnauze in die Arme und drücke sie fest an mich. „Er hat es endgültig hinter sich, er ist jetzt an einem besseren Ort“ denke ich und weiß nicht, wie ich die kommende Einsamkeit überwinden würde. Da zuckt etwas ganz leicht zusammen. War es der Wolf? Ich drehe ihn auf die Seite und befreie seinen Rachen von Schmutz und Erde. Zu meiner Erleichterung fängt er wieder an zu Atmen. Noch langsam und unbeholfen, aber er ist am Leben! Mit all meiner Willenskraft richte ich ihn auf und langsam schleppen wir uns zur Burg. Nach einer halben Ewigkeit liegen wir nun beide da, bandagiert, trocken und müde. Ich würde ihn nie wieder mehr alleine lassen! Langsam gehen wir wieder die Treppen herauf zum Schlafgemach. Der Wolf legt sich auf dem Boden, darauf wartend, dass ich ihn sich ausruhen lasse. Das große, massive Himmelbett bietet genug Platz und ich machte ihm ein Zeichen, er solle mir folgen. Ich decke ihn und mich mit der schwarzen Seidendecke zu und kurz darauf schliefen wir ein.

***

„Bemannt die Brüstung!“ rief ich meinen Soldaten zu. Im selben Moment flog ein von einem Tribok geschleuderter Stein knapp an meinem Kopf vorbei und bohrte sich tief in die Wand hinter mir. Stein- und Holzsplitter zerbarsten unter den dumpfen Aufschlag. Ich rief meinen Untertanen zu, sie sollen die Stellung halten, doch niemand hörte mehr auf mich. Die Angst ist in vielerlei Hinsicht stärker als ein direkter Befehl eines Feldherrn, der einen düsteren Hauch der Exekution mit sich trägt. So zog ich mein Schwert, bereit jeden niederzustrecken, der feige davonläuft. Plötzlich ertönte ein Knall, der meine Ohren außer Gefecht setzte. Ein weiteres Geschoss war eingeschlagen und hatte die Burgmauer zerstört, auf der ich stand. Wieder mal hat mich der Tod auf eine so hinterlistige Art umgangen und ich fand mich kurz darauf, von Pflanzen umschlungen, im Wassergraben wieder. Trotz meiner Verletzungen stand ich blitzschnell auf, griff nach meinem Schwert und fing an, das zu verteidigen, was noch von mir und den wenigen Tapferen übriggeblieben war, die nicht weggelaufen waren.

Der erste Gegner, der mich angriff, schien ein kräftiger, großer Mensch zu sein. Er trug wie ich eine Rüstung, die von einem langen, schwarzen Ledermantel umschlossen wurde. Am unteren Ende des Mantels schien er seltsame Runen zu haben, die immer wieder giftgrün schimmerten. Er trug einen mächtigen, mit Blut und Eingeweide geschmückten Bihänder und schwang ihn so leicht hin und her, wie ein Poet seine Feder über das Papier gleiten lässt. Der große Totenkopf, der so kunstvoll auf dem Teil seines Helmes geschmiedet worden war, der das Gesicht darstellte, grinste mich düster, fast schon spöttisch, an. Lange konnte ich ihn leider nicht bewundern denn seine eiserne Faust traf mich im Hinterkopf. Mein Helm verbeulte sich und ein Gefühl der Unsicherheit auf den Beinen kam in mir auf. Mir wurde übel, ich hatte jetzt aber keine Zeit für solche körperlichen Schwächen. Der nächste Hieb seines Schwertes traf mich quer über die Brust, zerfetzte den Ledermantel und bohrte sich durch die Rüstung. Ich blutete stärker. Zum Glück blieben meine Innereien dort wo sie waren, es musste also nur ein Kratzer sein. Ich empfand nichts anderes außer Wut. „Wenn du mich töten willst, machs richtig, ich warte sehnsüchtigst darauf!“ dachte ich und stürzte mit einem hasserfüllten Aufschrei auf ihn los. Ein paar Hiebe und der Riese sank vor mir auf die Knie. Ein Kreis aus zuschauenden Soldaten hatte sich um uns gebildet. Mein Gegner musste ein großer Befehlshaber sein, denn als er zu Boden glitt, sprang seine Leibgarde sofort auf, um mich von ihren Herrn fern zu halten.

Er schrie sie in einer unbekannten Sprache an. Seine Worte klangen tief und düster und hätten jedem zartbesaiteten das Blut in den Adern gefrieren lassen können. Sofort gehorchten die disziplinierten Leibwächter. Für einen Moment habe ich meine Deckung fallen lassen und einer der Soldaten sprang mir mit seinem Dolch in den Rücken. Ich sackte unter seinem Gewicht zu Boden, doch plötzlich spürte ich, wie er weggerissen wurde. Warme, klebrige Masse spritzte überall, in den Atemlöchern meines Helmes, in meinen Mund und Nase. Ich rang verzweifelt nach Luft und kämpfte gegen den Blutstrom, der mich einnahm. Schon bald würde ich den Grund für das alles erfahren.

 

Das riesige Schwert meines unbekannten Gegners hatte den Kopf seines Untertanen von seinen Schultern getrennt. Es war Krieg und das war eine effiziente Methode, seinen Untergebenen unmissverständlich zu zeigen, wer befiehlt und wer gehorcht. Ein mächtiger Hieb donnerte auf mich nieder, ich konnte mich aber noch rechtzeitig wegrollen. Was für ein Monstrum war der Unbekannte, der seine eigene treue Leibgarde gnadenlos abschlachtete? Wahrscheinlich war für ihn das Leben eines Menschen – oder was immer das für Kreaturen waren – nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln wert. Er setzte erneut zum Angriff, diesmal konnte ich aber die meisten seiner Schläge parieren. Er schien nicht müde zu werden, ich aber schon. Mit Gewalt riss ich mir den verbeulten Helm vom Kopf, damit ich besser atmen konnte. Meine leeren, traurigen Augen starrten ihn hinter einem dichten Netz aus klebrigen Haaren an. „Jetzt gehörst du mir“ rief er, für mich kaum verständlich und rannte auf mich zu. Ein Ritter in Vollrüstung auf einem galoppierenden, geharnischten Ross, würde der Wucht seines Aufpralls am nächsten kommen. Er schleuderte mich gegen einen Baum, wo ich fast bewusstlos liegen blieb. Plötzlich taumelte er. Er schaute mich hinter den hohlen Totenkopfaugen seiner Maske an und sackte ebenfalls zu Boden. Aus Reflex habe ich, wie ich feststellen musste, mein Schwert in Verteidigungsstellung gebracht. Die unheimliche Wucht seines Aufpralls hat dafür gesorgt, dass sich der kalte Stahl tief in seinen Leib gebohrt hat. Die Augen des an meinem Schwertknauf geschmiedeten Drachens leuchteten rot auf und bildeten einen Kontrast zum schwarzen Rauch, der aus dem Körper meines erschlagenen Gegners quoll. „Das müssen Schwazmagier sein... wahrscheinlich Söldner“ dachte ich, bevor ich endgültig bewusstlos wurde.

Ich weiß nicht wie lange ich dort gelegen war. Die flinke Hand, die mich nach Gegenständen durchsuchte, trennte ich mit einem Dolch von ihrem Besitzer. Ich weiß nicht wie lange ich weg war... Tatsache ist, dass sie sich vorsichtig an mich ran pirschten. Warum haben sie mich nicht getötet? Waren es etwa nur Diebe, die Besitztümer von gefallenen Soldaten klauten? Oder waren es doch meine ehrenvollen Gegner, die so tief gesunken sind? Die leere Rüstung ihres Herrn lag nun im Schlamm. Von deren Besitzer war keine Spur. Er hat sich wortwörtlich in Rauch aufgelöst. Als ich versuchte, auf die Beine zu kommen, machten die umherstehenden Soldaten ehrfürchtig ein paar Schritte zurück. Sie dachten, ich sei nicht mehr auf dieser Welt und die Tatsache, dass ich ihren Herrn und Meister zur Strecke gebracht habe, schien ihnen einen riesengroßen Respekt einzuflößen. Schließlich zog ich mein Schwert aus seiner Eisenhülle und begann, mir einen blutigen Pfad durch die Feinde zu hacken. Wahnsinnig vor Schmerzen und Wut hieb ich auf alles ein, was sich bewegte. Der Blutrausch, dem ich verfallen war, sorgte dafür, dass ich irgendwann nichts mehr spürte und mich wie eine Kampfmaschine vorwärtsbewegte.

Das Schlachtfeld lag weit hinter mir. Ich hatte viel Blut verloren und lief nun schweren Schrittes vorwärts. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Die Qual des Weitergehens wurde unerträglich. Ich sah etwas im Gras, keine zwei Hundert Meter von mir entfernt. Mit all meinem Willen und mit letzter Kraft humpelte ich hin. Der Anblick, der sich mir bot, glich jenem, wo Momente zuvor Menschen und andere Kreaturen sich gegenseitig abgeschlachtet haben. Kaum habe ich das Schlachtfeld hinter mir gelassen, da fand ich schon wieder Anzeichen von Gewalt. Der Anblick, der sich mir nur offenbarte, führte dazu, dass sich mir der Magen umdrehte und ich mich übergeben musste. Die Wölfin war nicht allzu lange tot. Frisches Blut quoll aus ihren klaffenden Wunden. Ihrer Größe nach zu urteilen, musste sie einem großen Raubtier zum Opfer gefallen sein. Blutspuren waren weiter um sie herum nicht zu sehen, also wurde sie weder mitgeschleppt, noch aufgefressen. Plätzlich verdunkelte etwas die Sonne und ein riesiger Schatten kreiste über uns. Blitzschnell schoss der Greif herab und bohrte seine Krallen in das erlegte Tier. Ehe ich mich versah, zückte ich mein blutbeflecktes Schwert und sprang mit letzter Kraft auf ihn. Mit einem mächtigen Hieb trennte ich seinen Kopf vom Rest des Körpers. Der Vogel, der halb Tier war, stieß einen Todesschrei aus und sank neben der Wölfin zu Boden. Gierig schnitt ich Stücke aus seinem Fleisch und verschlang sie roh. Dass ich so geschwächt war, habe ich erst bemerkt, als der Kampfwahn nachließ und ich Teile des Vogels verspeiste. Das Blut des Greifens vermischte sich mit dem der Wölfin und ich trank es gierig, direkt aus der kalten, matschigen Erde. Das letzte was ich sah waren die gelben Augen eines einsamen Wolfes, dann umhüllte mich ein todesartiger, tiefer Schlaf.

Das Zelt roch nach frischem Leder und Blut. Ich versuchte aufzustehen, merkte aber, dass ich bandagiert und gefesselt auf einer Pritsche lag. „Meine Waffen!“ schoss es mir durch den Kopf. „Wo sind meine Waffen?!?“. Obwohl ich im Delirium, in dem ich mich befand, am liebsten die Augen geschlossen und abgewartet hätte, regte sich eine Stimme in mir. Ich fühlte mich ohne mein Schwert schutzlos wie ein kleines Kind. Habe ich mir das nur eingebildet, oder ist der Teil des Zeltes, der als Tür dient, wirklich aufgegangen? „Si Tanka“ hörte ich immer wieder eine Stimme, die mir leise ins Ohr flüsterte. Es war so, als ob ein älterer Mann mit Federn auf dem Kopf zu mir trat. Er sprach in einer sonderbaren Sprache. Seine Worte klangen ruhig und melodiös. Obwohl ich kein Wort von dem verstand, was er da sagte, fühlte ich mich kein bisschen bedroht. Ein schwarzes, intelligentes Augenpaar schaute mich hinter dem Kopfschmuck aus den Federn des erlegten geflügelten Monstrums neugierig an. Die Gestalt führte eine Schüssel an meine Lippen und ich trank eine bittere Flüssigkeit. Dann wurden Kräuter auf meine Wunden gelegt und wieder bandagiert. So verbrachte ich mein Dasein, gefangen zwischen Traum und Realität, ein willenloser Sklave, verwundet, ans Bett gefesselt, mit Gott weiß was für Zeug in meinem Blut.

Wie lange habe ich geschlafen? Die letzten Ereignisse waren wieder langsam in meinem Gedächtnis gekommen. Zuerst das Schlachtfeld... dann der Greif... und dann das Zelt in dem ich mich jetzt befand. Ich lag jetzt mit nur wenigen Bandagen da. Die Fesseln waren weg. Meine Augen spähten in den halbdunklen Raum und ich merkte, dass all meine Sachen da waren... nur trug ich sie nicht mehr. Die zerfetzte Rüstung, der Ledermantel und sogar mein Schwert... Das war also doch kein Traum. Nach all der Zeit, in der ich ohnmächtig war, lag ich da und war bei vollem Bewusstsein. Bin ich gestorben? Hat mich irgendetwas wieder zum Leben erweckt? Oder wurde dieser Zustand durch die Pflanzengifte hervorgerufen, die ich in letzter Zeit gegen meinen Willen zu mir nahm? Ich stand auf, musste mich aber festhalten. Die unerträglichen Kopfschmerzen, die von mir Besitz ergriffen, warfen mich nieder.

Wenn ich Schmerzen spürte, würde das heißen, dass ich noch immer am Leben war. Ich beschloss, meine körperliche Verfassung zu ignorieren, stand auf und fiel aus dem Bett. Ich war noch zu schwach. Lauthals fing ich an das Leben zu verfluchen und zu verwünschen. Jetzt habe ich, wie ich mich erinnerte, einen großen Feldherrn zur Strecke gebracht und ich lebe immer noch. Meine Augen fielen auf die Rüstung, die nur noch ein unbrauchbares Stück Eisen war. „Ich habe Wunden davongetragen, die jeden normalen Menschen töten mussten... und ich lebe Immer noch!“ dachte ich und fluchte weiter. War ich verflucht? Ein alter Fluch der mich ans Leben band? War ich ein Mensch? Und wenn nicht... was war ich? In diesem Augenblick empfand ich nur Hass. Ich verfluchte alles was ich bisher gelernt und erlebt hatte, ich verfluchte mein Leben und ich verfluchte den Tod. Aber der größte Hass richtete sich gegen mich selbst. Tränen durchfluteten meine Augen, als ich an den Tag meiner Geburt dachte. Meine Mutter habe ich nie gekannt, sie hat mich gleich nach meiner Geburt in einem Kloster ausgesetzt. Dort lernte ich auch die Kunst des Schwertkampfs. Nur einem Zufall war es zu verdanken, dass ich Stratege wurde. Meine Schnelligkeit und Geschicklichkeit mit dieser Waffe hatte mich ins Blickfeld des Grafen von Tränenfels gebracht, der mich zu dem machte, was ich bis heute war. Heerführer und nach dessen Tod, der neue Graf jener Ländereien.

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