Buch lesen: «Gesicht der Angst»
G E S I C H T
D E R
A N G S T
(Ein Zoe Prime Fall—Buch Drei)
B L A K E P I E R C E
AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT VON
DÖRTHE RUSSEK
Blake Pierce
Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn Bücher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs Bücher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die fünf Bücher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSIE HUNT, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der neuen Krimireihe ADELE SHARP; sowie der neuen und heimeligen Mystery-Serie EUROPEAN VOYAGE.
Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
Copyright © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Acts von 1976 darf kein Teil dieser Veröffentlichung ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen, in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist ausschließlich für Ihre persönliche Nutzung lizensiert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer weiteren Person teilen möchten, erwerben Sie bitte eine zusätzliche Ausgabe für jeden Empfänger. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht erworben haben, oder es nicht ausschließlich für Ihren Gebrauch erworben wurde, geben Sie es bitte zurück und erwerben Ihre eigene Ausgabe. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Es handelt sich hier um eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle beruhen entweder auf der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebend oder tot, ist völlig zufällig. Titelbild Copyright Tavarius, verwendet mit Lizenz von Shuitterstock.com.
BÜCHER VON BLAKE PIERCE
ADELE SHARP MYSTERY-SERIE
NICHTS ALS STERBEN (Buch #1)
NICHTS ALS RENNEN (Buch #2)
NICHTS ALS VERSTECKEN (Buch #3)
DAS AU-PAIR
SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)
SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)
SO GUT WIE TOT (Band #3)
ZOE PRIME KRIMIREIHE
GESICHT DES TODES (Band #1)
GESICHT DES MORDES (Band #2)
GESICHT DER ANGST (Band #3)
JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE
DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)
DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)
DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)
DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)
DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)
DER PERFEKTE LOOK (Band #6)
DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)
DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)
CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE
NEBENAN (Band #1)
DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)
SACKGASSE (Band #3)
STUMMER NACHBAR (Band #4)
HEIMKEHR (Band #5)
GETÖNTE FENSTER (Band #6)
KATE WISE MYSTERY-SERIE
WENN SIE WÜSSTE (Band #1)
WENN SIE SÄHE (Band #2)
WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)
WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)
WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)
WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)
WENN SIE HÖRTE (Band #7)
DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
BEOBACHTET (Band #1)
WARTET (Band #2)
LOCKT (Band #3)
NIMMT (Band #4)
LAUERT (Band #5)
TÖTET (Band #6)
RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
VERSCHWUNDEN (Band #1)
GEFESSELT (Band #2)
ERSEHNT (Band #3)
GEKÖDERT (Band #4)
GEJAGT (Band #5)
VERZEHRT (Band #6)
VERLASSEN (Band #7)
ERKALTET (Band #8)
VERFOLGT (Band #9)
VERLOREN (Band #10)
BEGRABEN (Band #11)
ÜBERFAHREN (Band #12)
GEFANGEN (Band #13)
RUHEND (Band #14)
GEMIEDEN (Band #15)
VERMISST (Band #16)
AUSERWÄHLT (Band #17)
EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE
EINST GELÖST
MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE
BEVOR ER TÖTET (Band #1)
BEVOR ER SIEHT (Band #2)
BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)
BEVOR ER NIMMT (Band #4)
BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)
EHE ER FÜHLT (Band #6)
EHE ER SÜNDIGT (Band #7)
BEVOR ER JAGT (Band #8)
VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)
VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)
VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)
VORHER NEIDET ER (Band #12)
VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)
VORHER SCHADET ER (Band #14)
AVERY BLACK MYSTERY-SERIE
DAS MOTIV (Band #1)
LAUF (Band #2)
VERBORGEN (Band #3)
GRÜNDE DER ANGST (Band #4)
RETTE MICH (Band #5)
ANGST (Band #6)
KERI LOCKE MYSTERY-SERIE
EINE SPUR VON TOD (Band #1)
EINE SPUR VON MORD (Band #2)
EINE SPUR VON SCHWÄCHE (Band #3)
EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4)
EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5)
KAPITEL EINS
Callie schob ihre Hände tiefer in die Taschen und hakte ihren Ellenbogen so ein, dass die Handtasche über ihrer Schulter enger gegen ihre Seite gedrückt wurde. Es war die Art von Vorsichtsmaßnahme, die sie immer traf, wenn sie Javier besuchte, einen Freund von ihr, der ein großes Talent für Kunst hatte.
Sie hatten sich an der Universität kennengelernt, und während Callie bereits gezwungenermaßen ihren Bürojob ausübte, versuchte Javier zumindest, seine Träume zu verwirklichen. Natürlich bedeutete das Leben als Künstler mit Studentenschulden, dass er nicht im allerbesten Viertel lebte. Es gab Zeiten, in denen sich auch Callie, die eine attraktive junge Frau war, hier nicht sicher fühlte.
Das war der Grund dafür, warum sie immer Pfefferspray bei sich trug. Beruhigend glitten ihre Finger über die kühle Außenseite des Behälters in ihrer Tasche.
Sie hatte sogar einen Fluchtplan: sprühen und rennen, je nachdem, wo sie gerade war. Es gab eine kleine Gasse, die sie durchqueren musste, um zu Javis Atelierwohnung zu gelangen, und sie stellte ebenfalls den Wendepunkt dar. Bevor sie diese erreichte, wusste sie, dass der schnellste Weg, der Weg zurück zur Hauptstraße war, dort konnte sie sich in Sicherheit bringen. Hatte sie bereits mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt, musste sie zu Javis Tür rennen und so lange in die Gegensprechanlage schreien, bis er sie hereinließ.
Es war nicht so, dass sie sich den ganzen Weg lang nur Sorgen über potenzielle Gefahren machte. Tatsächlich war es eher das Gegenteil. Callie hatte sich diesen Plan ausgedacht, als sie Javi dort zum zweiten Mal besuchte, und seitdem konnte sie auf dem Weg zu seinem Haus ihren Gedanken nachhängen. Sie träumte zum Beispiel von ihrem neuen Tattoo, das er für sie gezeichnet hatte, und wie es aussehen würde.
Bereits seit einigen Jahren arbeiteten sie gemeinsam an Entwürfen. Eigentlich seit ihrem ersten Tattoo. Sie liebte es so sehr, dass sie ihn anflehte, ihr noch ein anderes zu zeichnen. Es wäre bereits das Dritte seiner Designs, das ihren Körper schmücken würde. Es hatte etwas seltsam Intimes an sich, obwohl sie nie ein Liebespaar gewesen waren. Etwas an der Art und Weise, wie seine Arbeit eine Spur auf ihrer Haut hinterließ, eine kleine Geste der Rebellion gegen den spießigen Lebensstil, den sie zweifellos noch jahrzehntelang ertragen musste.
Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht würde sie einen Ausweg finden, um den Dingen nachzugehen, die sie wirklich liebte. Ihr eigenes Unternehmen gründen zum Beispiel, auch wenn sie noch nicht wusste, was genau das sein würde. Callie konnte immer noch hoffen.
Sie ging die Gasse hinunter, vorbei an einer umgestürzten Mülltonne und einem Graffiti Wandgemälde, das inzwischen von Kindern mit Spraydosen besprüht worden war. Kunst, bedeckt von der Art Schmiererei, die die Städte überhaupt erst dazu brachte, generell gegen Graffiti vorzugehen. Es war eine Schande. Die kalifornische Sonne, die ihr eben noch ins Gesicht geschienen hatte, verschwand und wurde durch den kühlen Schatten der hohen Gebäude ersetzt, sodass sich ihre Augen erst an die neue Dunkelheit gewöhnen mussten.
Am anderen Ende der Gasse erschien ein Mann, der in ihre Richtung kam. Callie merkte, wie sich ihr Körper versteifte, und sie beobachtete ihn, während sie versuchte, neben ihn auf den Boden schaute. Er hatte die Kapuze seines Pullovers über den Kopf gezogen, das Gesicht im Schatten, die Hände tief in die Taschen gesteckt, genau wie sie.
Sie konnte nicht viel von ihm erkennen. Das war an einem solchen Ort ein schlechtes Zeichen. Er schien nicht erkannt werden zu wollen. Ein wirklich schlechtes Zeichen.
Callies Finger schlossen sich um das Pfefferspray in ihrer Tasche, ihre Armmuskeln verkrampften sich, als sie daran dachte, es zu benutzen. Sie könnte das Spray mit einer schnellen Bewegung herausziehen und auf sein Gesicht zielen und sprühen. Mit ihrem Zeigefinger fand sie die Düse und brachte es in ihrer Tasche bereits in die richtige Position. Sprühen und rennen.
Sie beschleunigte ihr Tempo. Je schneller sie an ihm vorbeikam, desto weniger Chancen hätte er, die Oberhand zu gewinnen, dachte sie. Sie blickte auf den Abstand zwischen ihnen und überlegte. Ein Blick in den Himmel. War sie schon auf halber Strecke? Wäre es schneller, vorwärts oder zurückzulaufen? Javi erwartete sie. Wenn sie zu ihm lief, würde er sie vielleicht schneller hereinlassen. Ja, sie würde zu Javi rennen.
Sie hielt den Atem an, als der Mann näherkam, und versuchte, weiterzugehen, ohne sich etwas anmerken zu lassen, das Pfefferspray weiterhin fest umklammert. Sie war vorbereitet, bereit zu sprühen.
Der Mann ging einfach an ihr vorbei.
Callie atmete wieder auf und ärgerte sich darüber, wie paranoid sie war. So erging es Menschen, die über vorbereitet waren. Die zu viel darüber nachdachten, möglicherweise in Gassen angegriffen zu werden.
Javi würde bestimmt darüber lachen. Sie würde es ihm erzählen, auch wenn es peinlich war. Er würde lachen und ihr sagen, dass er sie vor großen, furchterregenden Männern beschützen würde. Es würde ihre Beziehung nur noch verstärken.
Plötzlich wurde Callie aus dem Gleichgewicht gebracht, gerade als sie wieder normal atmen konnte. Es kam von hinten. Er, dachte sie. Es musste der Mann sein. Er hatte sie an den Schultern gepackt, einen seiner Arme um sie gelegt und zog sie zu sich. Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Ihre Schulterblätter kollidierten mit seiner Brust, und etwas zog an ihrem Hals, etwas Scharfes.
Sie wollte um Hilfe schreien, nach Javi schreien, überhaupt schreien, aber als sie es versuchte, sprudelte die Luft nur durch ihren Hals, durch die neue Öffnung, für die er verantwortlich war. Er hatte ihr die Kehle durchgeschnitten. Etwas Heißes strömte über ihre Brust – sie wusste, was es war – ihr eigenes Blut.
In diesem Moment wusste Callie Everard, dass sie sterben würde. Noch nie zuvor war ihr etwas so klar gewesen.
Sie starb. Es geschah jetzt, in diesem Moment. Sie würde Javi nie wieder sehen, um das neue Tattoo-Design zu bekommen, sie würde nie ihrem Traum folgen, ihr eigener Chef zu sein, und sie würde nie den Mercedes besitzen, den sie sich erträumt hatte, seitdem sie gelesen hatte, dass ein berühmter Moderedakteur ebenso einen Mercedes fuhr. Callies Hände umklammerten ihre Kehle, konnten sich aber aufgrund des vielen Blutes nicht wirklich festhalten.
Sie fühlte die Ränder der neuen Öffnung, deren Position für ihre suchenden Finger keinen Sinn ergab.
Callie fiel, ohne zu wissen, dass sie es tat, bis sie registrierte, dass sie in den Himmel schaute und deshalb auf dem Rücken liegen musste. Sie strengte sich ein letztes Mal an, um ein Geräusch zu machen, saugte verzweifelt Luft durch ihren offenen Mund ein und versuchte, sie mit einem Schrei wieder auszustoßen. Alles, was sie hörte, war ein weiterer Schwall von Blut aus ihrer Wunde, durch die der Sauerstoff heraussprudelte, der nicht einmal mehr ihre Lungen erreichte.
Es dauerte nur noch einen Augenblick, bis Callie überhaupt nichts mehr sah und aufhörte zu atmen, und dann war es nur noch ihr Körper, der verlassen in der Gasse lag. Eine Hülle. Ihre Seele oder ihr Bewusstsein oder was auch immer es war, das Callie ausgemacht hatte, war längst weg.
KAPITEL ZWEI
Zoe stellte ihr Glas auf den Tisch und versuchte, nicht die Wassermenge zu berechnen, die noch darin war. Sie hatte den Kampf natürlich bereits verloren. Sie sah immer, überall Zahlen, ob sie wollte oder nicht.
„Woran denkst du?“
„Hm?“ Zoe blickte schuldbewusst auf und sah in Johns wartende, braune Augen.
Sie erwartete, dass er die Geduld verlieren würde, aber sie hatte es noch nie geschafft, ihn so weit zu treiben. Stattdessen schenkte er ihr ein sanftes Lächeln. Es war ein schiefes Lächeln, das auf der rechten Seite seines Gesichts höher war als auf der linken. Er schien sie immer auf diese Art und Weise anzulächeln und ihr schien es, als würde er ihr damit für das eine oder andere vergeben. Zoe war sich nicht sicher, ob sie es verdiente.
„Worüber denkst du nach?“, fragte John.
Zoe versuchte, so zu auszusehen, als wäre alles in Ordnung. „Ach, nichts“, sagte sie, und hatte dann das Gefühl, dass dies vielleicht nicht die beste Antwort war: „Nur Arbeitskram.“
„Du kannst mir ruhig davon erzählen“, sagte John und legte seine Hand auf ihre, die auf dem Tisch lag. Sie fühlte seinen gleichmäßigen Herzschlag durch seinen Daumen, an der Stelle, an der er auf ihre Haut drückte. Er war langsamer als ihrer. Bei weitem langsamer.
Großartig. Zoe hatte sich eine schnelle Ausrede ausgedacht, und nun fragte er nach Einzelheiten. Was sollte sie jetzt tun? „Es ist ein offener Fall“, sagte sie, zuckte die Achseln und hoffte, dass er es ihr abkaufen würde. „Ich kann nicht wirklich über die Details sprechen, bevor es zur Verhandlung kommt.“
John nickte und schien sich damit abzufinden. Zoe atmete innerlich erleichtert auf. Sie musste sich konzentrieren, nicht die viermal, die sein Kopf in einem Winkel von dreißig Grad nach vorne gekippt war, mitzuzählen, oder wie sehr sein gepflegtes braunes Haar im Licht glänzte, oder die sechs Gläser, die die eins siebzig große Kellnerin auf einem Tablett an ihnen vorbeitrug, oder die …
Zoe blinzelte und versuchte, ihre Augen und Ohren wieder auf John zu richten und zuzuhören, was er sagte.
„Also musste ich ihm sagen: ‚Tut mir leid, Mike, aber ich habe heute Abend schon ein Date‘“, lachte er.
Zoe runzelte die Stirn. „Du hättest das Date auch verschieben können, falls du was Besseres vorgehabt hättest“, sagte sie. „Hätte mir nichts ausgemacht.“
„Was? Nein!“, sagte John, lehnte sich kurz zurück und griff dann wieder nach ihrer Hand. „Oh Gott, nein, Zoe. Ich habe mich so darauf gefreut, dich wiederzusehen. Das war nur – ich war nur sarkastisch. Oder ironisch, oder so. Ich vergesse immer, was was ist. Ehrlich, ich würde ein Date mit dir immer der Arbeit vorziehen.“
Zoe sah auf ihren Teller hinunter, der inzwischen leer war von den ausgezeichneten Lachsrouladen in Zitronenbutter, die ihr Hauptgericht gewesen waren. Dies war einer der beliebtesten Orte in Washington, D.C. für eine Verabredung zum Essen, und sie konnte sich kaum daran erinnern, überhaupt etwas gegessen zu haben.
Sie war sich nicht sicher, ob John jemals an erster Stelle bei ihr stehen würde. Schließlich war sie FBI-Agentin. Man erwartete von ihr, dass sie ihr Leben aufgab, um einen Fall zu verfolgen, nicht andersherum. Sie strich sich eine Strähne ihres kurzen braunen Haares hinters Ohr und fühlte dabei, dass es einen Zentimeter länger war, als sie es gerne hätte. In letzter Zeit war alles sehr hektisch gewesen. Keine Zeit für die alltäglichen Aufgaben des Lebens.
„Ich verstehe es natürlich, dass du manchmal absagen musst“, sagte John und nippte nonchalant an seinem Wein, als hätte er gerade ihre Gedanken gelesen. „Du musst Serienmörder davon abhalten, sich auszuleben. Dein Job ist wichtig. Niemand wird sich aufregen, wenn ich nicht die ganze Nacht im Büro bleibe und versuche, herauszufinden, ob es Gemeinsamkeiten in drei verschiedenen Gutachten aus dem 19. Jahrhundert gibt, die sich auf den Fall meines Klienten auswirken könnten. Außer vielleicht mein Klient, und er wird nur von der ausgezeichneten Stimmung profitieren, in der ich morgen aufwachen werde, weil ich heute meinen Abend mit dir verbracht habe.“
„Du bist so nett zu mir“, sagte Zoe zu ihm. „Immer. Ich verstehe nicht, warum.“
Es stimmte, das tat sie wirklich nicht. Ihre erste Verabredung hatte sie völlig vermasselt, und bei der zweiten hatte sie ihn in ein Krankenhaus geschleppt, um zu versuchen, die Akten eines potenziellen Mörders zurückzuverfolgen. Er hatte in der Kälte auf sie gewartet, weil sie, völlig in Gedanken, vergessen hatte, ihm zu sagen, dass sie den Weg nach Hause selbst finden würde. Nicht viele Männer hätten sich überhaupt auf ein drittes Date eingelassen und dies war bereits ihr fünftes.
„Du musst es nicht verstehen“, sagte John und glättete zum elften Mal in dieser Nacht seine Krawatte, eine Geste, die ihr schon öfter aufgefallen war. „Du musst nur meine Meinung darüber akzeptieren, dass du es verdient hast. Ich bin gar nicht zu nett. Ich bin nur nett genug. Eigentlich könnte ich sogar noch netter sein.“
„Du könntest nicht noch netter sein. Das wäre gegen alle Gesetze der Physik und der Natur.“
„Na ja, wer braucht die denn schon?“ John schenkte ihr wieder sein strahlendes Lächeln und lehnte sich zurück, als der Kellner ihre leeren Teller einsammelte.
„Woran arbeitest du denn gerade?“, fragte sie und wollte versuchen, sich mehr für sein Leben zu interessieren. Er war immer so aufmerksam und fragte nach ihrem Leben. Vermasselte sie jetzt wieder alles? Sie vermasselte es, oder?
„Wie gesagt, es geht um vererbte Grundstücksgrenzen“, sagte John und runzelte verwirrt die Stirn. „Bist du sicher, dass es dir gut geht?“
Zoe schaute ihn an, sah, dass die Pupillen in seinen Augen im gedämpften Licht des Restaurants nur leicht geweitet waren, und hörte den Viervierteltakt der sanften Klaviermusik im Hintergrund und wie sich jede Note, eine aufwärts, eine abwärts, eine aufwärts, eine halbe Note aufwärts, eine abwärts, bewegte. Wenn sie doch nur die Zahlen ausschalten oder zumindest ihre Lautstärke dämpfen könnte. Sie musste sich auf John konzentrieren und auf das, was er ihr erzählte, aber ihr Gehirn hörte einfach nicht auf. Aber sie wollte, dass es aufhörte. Alles drehte sich und sie war sich nicht mehr sicher, ob sie die Kontrolle zurückgewinnen konnte.
„Ich bin wohl ein wenig müde“, sagte sie. Diese Ausrede schien ihr halbwegs akzeptabel zu sein. Falls es überhaupt eine angemessene Entschuldigung dafür gab, ihm nicht ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Er hatte keine Ahnung davon, dass sie überall und in allem Zahlen sehen konnte, und sie hatte nicht vor, es ihm zu sagen. Nicht für die vierzehnhundertdreiundfünfzig Dollar und neunzehn Cent an Speisen und Getränken, die in den Händen des Personals an ihrem Tisch vorbeigetragen wurden, seit sie sich vor einer Stunde und dreizehn Minuten hingesetzt hatten.
„Ich hatte einen wunderbaren Abend“, sagte sie. Das Schlimmste daran war, dass sie es ernst meinte. Wenn John die ganze Zeit damit verbrachte, ihr entgegenzukommen und ihr ein gutes Gefühl zu geben, warum konnte sie ihm dann nicht wenigstens zuhören?
„Ich hatte eine schreckliche Zeit. Sollen wir das nächste Woche wiederholen?“, sagte er und wischte sich sein Lächeln mit einer Serviette ab. Obwohl er sie ansah und seine Augen dabei verschmitzt funkelten, was irgendwie zu seinem schiefen Mund passte, brauchte sie einen Moment, um zu erkennen, dass er scherzte. Die Worte trafen sie bis ins Mark und kurz dachte sie, dass sie wieder alles ruiniert hatte.
„Das wäre sehr schön“, sagte Zoe, nickte und verbarg ihr Gefühlschaos. „Nächste Woche also.“
Sie stand auf, um zu gehen, da sie inzwischen wusste, dass er es nicht zuließ, dass sie ihre achtundneunzig Dollar und zweiunddreißig Cent plus Trinkgeld, selbst bezahlte.
Obwohl es ihr durch den Kopf schoss, sagte sie nicht laut, dass sie ihr nächstes Date nur mit Glück einhalten konnte. Ein aktiver Agent zu sein bedeutete, dass man nie wusste, wann der nächste Fall kam oder wohin man als Nächstes gehen musste.
Wer wusste schon, wo sie nächste Woche um diese Zeit sein würde?
In genau diesem Moment machte ihr nächster Mörder wahrscheinlich schon seine Arbeit, stellte ihnen ein Rätsel, und es bestand immer die Möglichkeit, dass der nächste Fall derjenige sein würde, den sie nicht lösen konnte. Zoe kämpfte gegen das ungute Gefühl in ihrem Bauch an, das sie davon überzeugen wollte, was sie eigentlich schon wusste: Nächste Woche um diese Zeit würde sie tief in einen Fall verwickelt sein, der alle anderen zuvor wie ein Kinderspiel aussehen ließe.