Abenteuer im Odenwald 1+2

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Aus der Reihe: Odenwaldliebe #1
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Abenteuer im Odenwald 1+2
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Birgid Windisch

Abenteuer im Odenwald 1+2

Eine Liebe zwischen den Zeiten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Impressum neobooks

Kapitel 1

Birgid Windisch

Abenteuer im Odenwald

Eine Liebe zwischen den Zeiten

Doppelband

(1 + 2)

In Abenteuer im Odenwald, sind die beiden ersten Bände meiner Odenwaldbücher, Verloren im Odenwald, auf der Suche im Odenwald, vereint.

Band 1

Verloren im Odenwald

zwischen gestern und heute

Band 1

Wie alles begann:

Lene, die ihren Sommerurlaub bei ihrer Oma in Mömlingen verbringt, fällt in eine Grube, als sie im Wald einem alten Weg folgt. Unten trifft sie auf Wernher, einen Mann, aus dem 15. Jahrhundert, der durch Heimtücke in seine missliche Lage geriet. Nachdem sie es anfangs nicht glauben konnten und wollten, fügen sie sich in ihr Schicksal und suchen zusammen, einen Ausweg aus ihrer gefährlichen Lage. So beginnt ein Abenteuer, das sie in gefährliche Zeiten und spannende Orte bringt. Zusammen schaffen sie Dinge, die ihnen vorher unmöglich erschienen und finden das Glück, das an keine Zeit gebunden ist.

Prolog:

Schwer atmend kämpfte sich Lene weiter den Hügel hinauf. Das war aber auch steil. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie sie vor einigen Jahren mit dem Familienhund, der leider inzwischen gestorben war, hier hochgeklettert war. Links waren Markierungssteine in regelmäßigem Abstand. Was stand denn da? Interessiert blieb sie stehen, um von nahem besser lesen zu können und zu verschnaufen. Stirnrunzelnd studierte sie die eingeritzte Zahl – 1370 könnte das heißen, und ein H. Ein H? Für Hausen? Sie erinnerte sich, in der Schule gelernt zu haben, dass es einmal ein Dorf hier in der Nähe gegeben hatte – Hausen, hinter der Sonne, weil es auf dem Hügel lag, hinter der Sonne. Sie stieg ein Stück weiter und entdeckte noch einen Stein, ebenso beschriftet und etwas besser lesbar. Ja, das war eindeutig ein H! Lene kletterte weiter, bis ganz nach oben und folgte den Steinen weiter, die in regelmäßigen Abständen den kaum sichtbaren Pfad säumten. Neugierig geworden umrundete sie einige Bäume, die um eine Lichtung standen. Ein schöner Platz und eine ganz besondere Atmosphäre. Trotzdem -sie schauderte. Trotz aller Schönheit spürte sie unerklärliches Unbehagen. Was war denn da auf dem Boden, in der Mitte? Sie scharrte mit ihrem Fuß ein paar uralte Bretter beiseite. Das sah ja komisch aus - hier sollte ein altes Basaltbergwerk in der Nähe sein, erinnerte sie sich. Vielleicht gehörten die alten Bretter dazu und es war ein alter Schacht. Aber das hier sah anders aus, nein, das war es ganz sicher nicht. Sie bückte sich neugierig, von einem drängenden Gefühl getrieben und löste ein paar Flechten Efeu, die sich darum rankten. Ah, da war eine Latte lose. Mit aller Kraft zerrte sie daran, bis sie spürte, dass sie sich löste. Noch einmal fest ziehen, dachte sie und tat es – die Latte löste sich und Lene flog mit ihr in der Hand hintenüber auf eine weiteres morsches Stück Holz - dann verlor sie urplötzlich den Halt und die Orientierung und rutschte blitzschnell durch ein Loch in einen Schacht - doch ein Schacht? „Au!“ schrie sie erschrocken. Sie war sich nicht sicher, was da gerade passiert war. Es war stockdunkel hier drinnen und sie hatte Angst. Wer weiß was noch alles hier unten war. Sie hatte eine Gänsehaut und schrie panisch auf – denn da war eindeutig ein Stöhnen!

 

Für Werner, der mich immer unterstützt und an mich glaubt

Gerechtigkeit ist ein Traum. Hoffentlich sterben die Träumer nie aus.

Die Neugier wird geweckt

Im Wohnzimmer herrschten Temperaturen, fast wie in einer Sauna. Diese Hitze war kaum noch zu ertragen. Es war viel zu warm und zudem noch trocken. Die Natur litt zusehends darunter. Es war zwar schön, in ihrem Urlaub, den sie bei ihrer Oma verbrachte, die passenden Temperaturen für das richtige Urlaubsgefühl zu haben, doch was zu viel war, war zu viel. Lene seufzte und stand auf, um in Omas Wohnzimmer, die Bücherregale zu durchforsten. Oma hatte immer ein paar neue Bücher im Regal und Lene hoffte, ein spannendes Buch könnte sie von der Hitze etwas ablenken. Zudem hatten sie meistens den gleichen Lesegeschmack, wie Lene wusste. Im Garten neben dem Haus stand ein stattlicher Nussbaum, der ihr Schatten spenden würde. Sie studierte die Buchrücken sorgfältig und sortierte in Gedanken Thriller und Liebesromane aus. Ein Krimi, nicht allzu blutig, wäre genau das Richtige heute, dachte sie bei sich. Doch die Bücher, die sie noch nicht kannte, sprachen sie alle nicht an. Da fiel ihr, ganz am Rand noch ein Bändchen ins Auge, das ihre Oma richtiggehend hineingequetscht hatte. Interessant!

Sofort war ihre Neugier geweckt und sie zog vorsichtig daran. Es bewegte sich keinen Millimeter. Sie hielt die Bücher daneben mit der linken Hand beiseite, um das Büchlein fester packen zu können und nach einem letzten Ruck hielt sie es in der Hand. Gespannt las sie den Titel:

>Ortsgeschichte zu Momlingen – anno 1860 – von Georg Morschhäuser< stand auf dem fleckigen, zerknitterten Einband. Momlingen? Frühere Ortsnamen wiesen oft kleine Änderungen auf und wenn es manchmal nur ein einziger Buchstabe war, der anders war. Nachdenklich wog sie es in der Hand und schlug es auf. Da segelte ihr ein Blatt Papier, schon ganz vergilbt und zerknittert, entgegen. Als sie es aufhob, sah sie, dass es ein Brief war, den eben dieser Georg Morschhäuser, an eine Familie Bach geschrieben hatte. In ihrer Schulklasse war damals auch ein Junge mit Namen Morschhäuser gewesen. Vielleicht war das ein Vorfahre von ihm? Sie lächelte versonnen. Dann legte sie den Brief ins Büchlein, machte sich eine Tasse Kaffee und setzte sich mit Buch und Tasse, auf die Bank unter den großen Nussbaum im Garten, der seine Äste schattenspendend über ihr ausbreitete. Tief atmete sie ein. Unter diesem Baum roch es immer irgendwie besonders – die Luft war würziger, fand sie. Sie hatte halt ein feines Näschen, wie Oma immer sagte. „Ortsgeschichte zu Mömlingen - anno 1860 –von Georg Morschhäuser“ las sie leise. Sie nahm den Brief wieder heraus und begann, aufgeregt zu lesen: „Verbotenes Wissen“ Schon die Überschrift wirkte verheißungsvoll und Lene las mit leuchtenden Augen weiter. „In meiner Eigenschaft als Schulmeister hatte ich Zugang zu alten Akten und fand dabei eine verblichene Urkunde über Grundbesitz in der Nähe des Buchberges. Darin stand, dass den Herren von Breuberg, die alleinigen Besitzrechte über eine Gemarkung, namens Schlothecke zustünden. Ein Mann namens Wernher von Bache habe zwar Einspruch erhoben, sei aber kurz darauf spurlos verschwunden. „Verwirrt ließ Lene das Büchlein sinken. Was bedeutete denn das? Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Sicher war alles längst geklärt nach dieser langen Zeit, aber es war doch sonderbar, dass in ihrem ruhigen Heimatdorf solche unrechtmäßigen Dinge vorgekommen waren. Sonderbar, dass dieser Brief ausgerechnet in einem Büchlein ihrer Oma lag! Sie nahm ihn wieder hoch. „Ich habe diese Urkunde meinem Vorgesetzten, dem Herrn Pfarrer gezeigt, der mir sofort streng verbot, irgendjemandem davon zu erzählen. Also schreibe ich dies auf, um es den Nachfahren der Familie zu übergeben und der Gerechtigkeit Genüge zu tun - wohl wissend, dass es gefährlich für mich sein kann, wenn mein Tagebuch in falsche Hände gerät. Ich werde es gut verstecken müssen. In dieser Urkunde aus dem Jahr 1441 steht, dass der Pfaffenguthof, sowie der Grafenwald aus der ehemaligen Hausener Gemarkung, beim Ableben seines Ziehvaters, Jörg von Bache - einem Ritter und Herr der kleinen Wasserburg bei Nuwenstat - an jenen Wernher von Bache übergehen sollten. Da er jedoch verschwand, ebenso wie seine Besitzurkunde, wurden den Breuberger Herren dessen Besitzrechte, von seinen Ziehbrüdern übertragen. Den Breubergern ging es hauptsächlich um die Fischerei an der Mümling und den Waidgang. Wahrscheinlich hatte jemand diese Urkunde mit Absicht versteckt, damit besagter Wernher von Bache keinerlei urkundliche Rechte nachweisen konnte. Möglicherweise wurde sie sogar vernichtet.“ Sie runzelte die Stirn. Da war anscheinend schweres Unrecht geschehen damals. Warum stand dieses Büchlein eigentlich bei den Büchern ihrer Oma? Sie beschloss, diese beim Abendessen zu fragen. Wo war sie überhaupt? Sicher wieder unterwegs mit einer ihrer Freundinnen, oder auf dem Kirchhof. Oma war eine umtriebige Frau und hatte immer viel zu tun. Lene trank von ihrem Kaffee und beschloss, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Irgendwie beschäftigte sie das Gelesene sehr und ließ ihr keine Ruhe. Sie hasste Ungerechtigkeit und hatte sich schon immer dagegen eingesetzt. Ihre Gedanken schweiften zu der im Büchlein genannten Gegend am Buchberg, den sie gut kannte, weil sie dort immer mit dem, inzwischen verstorbenen, Familienhund spazieren gegangen war. Es konnte nicht schaden, eigene Nachforschungen anzustellen. Schließlich hatte sie Urlaub und Zeit dafür.

Außerdem war es im Wald kühler und das Vorhaben würde sie ein wenig von der Hitze ablenken. Sie hörte, wie das Tor ging und kurz darauf erschien die Oma, schwer atmend im Garten. Keuchend ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. „Mensch, bin ich erledigt“, schnaufte sie. Die Hitze macht mich ganz kaputt!“ Lene sah sie missbilligend an. Omas Frisur hatte sich in ihre Bestandteile aufgelöst – ja, die ganze Frau befand sich in Auflösung, war verschwitzt und sah völlig fertig aus! „Oma, in deinem Alter macht man bei der Wärme nicht so viel Action!“ schimpfte Lene mit ihr. „Ja, mein Lenchen, aber manchmal muss man eben trotzdem raus und Dinge erledigen, ohne Rücksicht auf Verluste!“ Lene sprang auf. „Du weißt doch, ich hab nur noch dich!“ Sie legte die Arme um sie. Die Oma legte ihre verschwitzte Wange an Lene, die ungefähr gleich groß war. Sie maßen beide etwa165 cm, waren schlank und beweglich. Nur, dass Oma eine weiße Kurzhaarfrisur hatte und Lene eine wilde, braune Mähne bis über den Rücken fiel. „Es ging nicht anders, mein Lenchen. Ich musste zur Bank, auf den Friedhof und zum Bäcker. Dabei habe ich meine Freundin Margret getroffen und du weißt ja, wenn wir zwei uns sehen, kann das etwas länger dauern.“ Lene schüttelte den Kopf: „Aber die Hitze, Oma! Dabei die Zeit zu vergessen kann gefährlich sein! Du solltest bei den tropischen Temperaturen lieber im kühlen Haus bleiben!“ Sie sah sie mit blitzenden Augen an. „Nächstes Mal sagst du mir was zu tun ist - dann erledige ich die Einkäufe, oder komme wenigstens mit!“

Die Oma nickte lächelnd und klopfte ihr liebevoll auf den Rücken. „Ich weiß Kind, ich verspreche dir, dass ich auf mich aufpasse und mich nicht übernehme – und dir ein paar Aufgaben übertrage, aber mach nicht so ein Gedöns, ich bin ja noch keine alte Frau, mit meinen 65 Jahren. Das Alt sein fängt erst mit 80 oder 90 Jahren an.“ Sie schob Lene zärtlich von sich. „Ich schwitze“ Achselzuckend setzte die sich wieder hin und kniff die Augen zusammen. „Du Oma“, begann sie zögerlich. „Ja Lene, was ist denn?“ Oma hob fragend den Kopf. „Was ist das eigentlich für ein seltsames Büchlein in deinem Regal? Da ist von alten Urkunden die Rede, die verschollen sind und Ungerechtigkeiten, was den Besitz eines Gutes und des Grafenwaldes am Buchberg betrifft. Ich habe es vorher noch nie bei dir gesehen!“, erkundigte sich Lene. „Ach das! Das lag auf dem Boden und ich habe es vor kurzem wiedergefunden, als ich oben ein wenig aufgeräumt habe. Ich fand es nach dem Tod meiner Mutter, bei ihren Habseligkeiten. Sie hat es mir aber als Kind gezeigt und wir haben darüber manches Mal spekuliert und uns ein spannendes Leben zurechtgeträumt mit Reichtum und Grund und Boden, der uns zustünde.“ „Das klingt ja spannend!“ Lenes Wangen leuchteten vor Aufregung rot. „Irgendein Vorfahre meines Vaters, muss darin eine Rolle gespielt haben, möglicherweise, ohne dass er es wusste.“ Die Oma zuckte die Achseln. „Und worum ging es da?“ Lene runzelte aufgeregt die Stirn. Die Oma räusperte sich. „Es soll einmal vor vielen Jahren, Streitigkeiten um eine kleine Wasserburg am Neustädter Hof und andere Besitztümer der Nachkommen des Ritters Jorg von Bache, gegeben haben. Die Überreste dieser Wasserburg sind heute noch zu sehen, nahe der kleinen Kapelle, in Richtung Mümling. Vorfahren meines Vaters, sollen einmal Rechte daran gehabt haben, laut diesem Tagebuch, was aber nicht beweisbar ist.“ Die Oma seufzte und hob den Kopf. „Die Nachkommen des Verfassers, dieses Morschhäusers, der einmal Schullehrer in Mömlingen war, haben uns sein Tagebuch übergeben, als sie es in seinem Nachlass fanden. Daraus geht eindeutig hervor, dass Jorg von Bache einer der Vorfahren meines Stiefvaters gewesen sein muss. Anscheinend musste der Verfasser es verstecken und konnte es meinen Vorfahren nicht, wie er es geplant hatte, übergeben.“ „Aha!“, machte Lene gedehnt - das klingt interessant!“ „Ja, das stimmt, Lenchen. Als ich in deinem Alter war, hatte es mich auch gepackt und ich habe Nachforschungen angestellt. Hinten auf den leeren Seiten haben diverse Vorfahren ihre Rechercheergebnisse hineingeschrieben. Ich habe auch noch etwas dazu beigetragen!“ Oma grinste verschämt. „Aha“, lachte Lene. „So kenne ich meine Oma. Für alles zu haben, was verspricht, spannend zu werden - oder lustig - obwohl das wohl eher in die erste Kategorie gehört!“ Oma meinte vorsichtig: „Ja, lustig ist es wirklich nicht. Da sind schlimme Dinge passiert und es waren keine armen Leute die anderen Böses angetan haben.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wie so oft waren es die feinen Herrschaften, die anderen das Leben schwergemacht haben und sich auf deren Kosten bereicherten – und damals manchmal leider auch die Kirche“, Lene schwenkte das Büchlein in der Hand. „Kann ich es eine Zeitlang behalten und darin lesen? Vielleicht finde ich ja auch noch ein paar Anhaltspunkte dazu!“ „Tu das Lene, aber denk daran, es ist alles längst vorbei und spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir sind auch so glücklich und es ist alles gut, wie es ist“, meinte die Oma. „Ich geh jetzt erst einmal duschen!“ „Gut, Oma, alles klar“, meinte Lene lächelnd. Der Urlaub war gerettet und versprach, spannend zu werden. Sie setzte sich wieder bequem zurecht und las weiter. Sie war derart gefesselt, dass es ihr keine Ruhe ließ. Sie musste einfach weiterlesen.

Kapitel 2
Erkundungen

Nach Essen und Duschen wollte Lene nur noch ins Bett. Nicht zum Schlafen, nein, das Büchlein brannte ihr im Säckel und sie wollte unbedingt weiterlesen. Frisch geduscht lag Lene kurz danach im Bett und las, was dieser Georg Morschhäuser noch geschrieben hatte:

"Jedoch stand weiter in dem Schriftstück, dass ein gewisser Jorg von Bache, direkt neben der Kirche zu Nuwenstat, auf elterlichem Besitz eine kleine Wasserburg erbaut habe. Diese bewohnte er mit seiner Frau Agnes zu Erlebach. Er war ein armer Ritter und kam über seine Frau zu Bamberger Lehensgut. Dieser Ritter hat in seiner, für den Ritteradel sehr ungünstigen Zeit, mit allen Anstrengungen versucht, seine kleine Burg zu erhalten, aber er war gezwungen, sie dem Grafen von Wertheim zu Lehen aufzutragen. Seiner Frau ließ er dennoch Rechte daran sichern, da er es als ihren Witwensitz geplant hatte. Diese Grafen von Wertheim waren leider mit den oben erwähnten Herren von Breuberg im Bunde durch Heirat und Verschwägerung und auf die oben erwähnten Fischerei-, Grund- und Waidrechte aus. Der Streit wurde immer wilder, als es um den Besitz des Pfaffstangengutes ging, das auf dem ehemaligen Hausen hinter der Sonne als Fronhof stand und Jorg Bache von seinem Schwiegervater vererbt worden war. Da Ritter von Bache die Pacht (die Gült) nicht bezahlen konnte, wurde es dem Aschaffenburger Stift zugesprochen. Daraus wiederum entbrannte ein ewig schwelender Streit und als Folge wurde Jorg von Bache mit dem Kirchenbann belegt. Niemand weiß, wo er begraben liegt mit seiner holden Gattin - die Gruft war leer. Jedoch ihre beiden leiblichen Söhne hassten daraufhin die Pfaffen und ließen keine Gelegenheit aus, Reisende, die unter Geleitschutz des Erzbischofs zu Mainz standen, zu berauben. Schließlich wurde die Burg niedergebrannt von einer Abordnung des Erzbischofs Dieter von Erbach. Dies alles kommt mir sehr sonderbar vor und da ich erfahren habe, dass es noch Nachfahren der von Bache gibt, habe ich heimlich Nachforschungen angestellt. Die Söhne ließen sich kaufen vom Grafen zu Wertheim, als die Eltern gestorben waren und das Raubrittertum zum Niederbrennen der kleinen Wasserburg führte. Der eine zog auf die Burg Breuberg als Burgmann, der andere zur Veste Otzberg als pfalzgräflicher Dienstmann. Man munkelt jedoch, es habe noch einen dritten Sohn gegeben, wohl nur ein Ziehsohn, doch den beiden anderen Brüdern gleichgestellt. Dieser ist im Jahr 1441 spurlos verschwunden. Somit konnten Hans und Madern mit der Burg nach ihrem Gutdünken verfahren und der dritte Bruder ging leer aus. Ebenso wie seine Nachfahren, so es welche gibt und die nicht ahnen, dass sie Besitzrechte haben an der Ruine der kleinen Wasserburg und den Ländereien rundherum. Wahrscheinlich jedoch ist, dass der dritte Bruder von den beiden anderen heimtückisch ermordet wurde, wenn es ihnen auch nie nachgewiesen werden konnte. Meiner Meinung nach kommen am ehesten die Familie Faust in Betracht die Nachfahren jenes geheimnisvollen Bruders zu sein, weil ihre Vorfahren von Nuwenstat kommen und im Jahr 1450 nach Momlingen gezogen sind. Sie wohnen in einer kleinen Kate am Südrand von Momlingen und sind sehr arm. Da mir der Pfarrer strengstens untersagt hat, weitere Nachforschungen anzustellen, übergebe ich ihnen diesen Brief zu treuen Händen und hoffe, es wird ein wenig Licht in ihren dunklen Alltag bringen und ihre Armut vielleicht wenden können. Mehr kann ich nicht tun, wenn ich mir nicht selbst schaden möchte.“

 

Fassungslos ließ Lene das Büchlein sinken. Wie gemein. Dass so etwas überhaupt passieren konnte. Die Menschen von damals waren anscheinend auch nicht besser als die von heute. Sie war überrascht, wie sehr sie das Gelesene aufbrachte. Eine Weile dachte sie noch darüber nach und fiel schließlich in einen unruhigen Schlaf. Sie war in einem dunklen Gang, einer Art Gewölbe und konnte kaum etwas sehen. Unheimlich war es hier. Fieberhaft suchte Lene im Traum ihre Taschenlampe. Am Handy hatte sie doch eine Taschenlampen-App, da müsste sie nur draufdrücken und schon wäre es hell. Aber sie konnte ihr Handy nicht finden und auch eine Taschenlampe war nicht in Sicht. Stattdessen sah sie jetzt einen schwachen Schein, als sich ihre Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie folgte ihm vorsichtig und streckte dabei ihre Hände aus, damit sie nicht irgendwo anstieß. Eine Kurve - es wurde heller, noch ein Stück geradeaus - noch eine Kurve - und nun sah sie Tageslicht herein schimmern, hinter einem Vorhang aus Efeu. Erleichtert atmete sie auf. Doch nun hörte sie ein Geräusch, eine Art Surren, das beängstigender war als die Dunkelheit vorher und es wurde immer lauter. Sie wollte wieder in den Gang rennen, aber sie war wie gelähmt.

Ruckartig wachte sie auf. Was war das denn? Ihr Herz klopfte schnell und sie atmete schwer, als wäre sie wirklich gerannt. Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und die Treppe hinunter in die Küche. Ein Glück, im Kühlschrank stand eine Fruchtschorle. Durstig trank sie ein paar Schlucke und nahm die Flasche mit hoch in ihr Zimmer. Sie stellte sie neben das Bett, legte sich hin und wollte nachdenken über den Traum, schlief jedoch sofort ein und wachte erst am Morgen vom Krähen der Hähne wieder auf.