"Die Handwerker-Fibel", Band 2

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2.1.2Wirtschaftliche Bedeutung

a)Aufgaben des Handwerks

Früher war es wesentliche wirtschaftliche Aufgabe des Handwerks, Güter herzustellen, die der Mensch zur Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse – Nahrung, Wohnung und Bekleidung – benötigte.

Haushandwerk Berufshandwerk

Mit einfachen Hilfsmitteln, aus der Verbindung von Geist und manueller Geschicklichkeit, erfüllte zunächst das Haushandwerk und später das Berufshandwerk seine wirtschaftliche Aufgabe als Träger der gesamten Produktion von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern.

Kulturelle Leistungen

Dank seiner wirtschaftlichen Leistungskraft hat sich das Handwerk im Laufe der Zeit zu Leistungen weiterentwickelt, die in den kulturellen Bauleistungen und im Städtebau des Mittel- und Spätmittelalters einen Höhepunkt fanden.

Technisierung

Die Technisierung und der daraus folgende Wandel in den Arten des Wirtschaftens ließen aus dem Handwerk heraus die industrielle Gütererzeugung entstehen, die heute überwiegt. Dabei wurde das Handwerk aus einigen Bereichen der gewerblichen Produktion verdrängt.

Die Nachfrage nach individueller Befriedigung der Bedürfnisse und somit nach Qualität, Maßarbeit und kreativen Leistungen ist allerdings nach wie vor groß.

In der Deckung des gehobenen Bedarfs und der persönlichen Dienstleistungen sowie der individuellen Problemlösungen liegen die Stärke und die Chancen eines großen Teils der handwerklichen Leistungen und Produkte.

Insgesamt liegen die Aufgabenschwerpunkte des Handwerks in:


Heute kommen dem Handwerk durch das Entstehen neuer Werkstoffe, neuer Erfindungen, neuer Technologien und neuer Industriezweige zusätzliche volkswirtschaftliche Aufgaben zu.

Viele industrielle Erzeugnisse (z. B. sanitäre Einrichtungsgegenstände, Heizungsanlagen, Erzeugnisse der Elektroindustrie und andere) werden erst durch Leistungen des Handwerks (Montage) zu einem gebrauchsfähigen Wirtschaftsgut für den Endverbraucher.

Arbeitsteilung

Abgesehen von einigen Arbeitsgebieten, bei denen die industrielle Massenproduktion und die handwerklichen Erzeugnisse im Wettbewerb stehen (z. B. Bekleidungshandwerk – Bekleidungsindustrie), hat sich in unserer Volkswirtschaft zwischen Handwerk, Industrie und Dienstleistern eine weitgehende, volkswirtschaftlich wünschenswerte Arbeitsteilung vollzogen.


Die Industrie erhält vom Handwerk insbesondere:

> Bau- und Reparaturleistungen

> Dienstleistungen aller Art

> Spezialmaschinen und Werkzeuge

> Modelle, Mess- und Prüfgeräte

> Einzelteile.


Das Handwerk erhält von der Industrie unter anderem:

> Rohstoffe und Halbfabrikate

> Maschinen und Fahrzeuge.

Industrie und Handwerk schließen sich also nicht aus, vielmehr lassen neue Industriezweige auch neue Handwerkszweige entstehen (z. B. Kfz-Industrie/Kfz-Handwerk).

Neue Technologien

Auch bei den neuen Technologien liegen die Chancen und Schwerpunkte für die Handwerksbetriebe in der Zulieferung an die Industrie sowie bei Montage, Installation und Wartung.

Durch Auslagerung ist das Handwerk zudem stärker in die industrielle Wertschöpfung eingebunden.

b)Strukturwandel und Zukunftsperspektiven des Handwerks

Hauptprobleme des Strukturwandels

Das deutsche Handwerk hat ständig einen umfassenden technisch und wirtschaftlich bedingten Strukturwandel zu bewältigen.

Hauptprobleme

Die Hauptprobleme des Handwerks sind aktuell:

> Deckung des Nachwuchs- und Fachkräftebedarfs

> steigende Arbeitskosten

> steigende Rohstoff- und Energiepreise

> hohe Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit

> Verknappung von Gewerbeflächen in Ballungsräumen

> Verdrängungswettbewerb durch Verbraucher- und Baumärkte

> Verdrängungswettbewerb durch Industrie und Handel

> mangelnde Berücksichtigung der Belange der Kleinbetriebe in der Steuer- und Sozialpolitik

> rasante technologische Entwicklungen wie die Digitalisierung, die neue Produktionsverfahren (z. B. 3-D-Drucker) und geänderte Wertschöpfungsketten mit sich bringt

> Wandel des Absatzmarktes für zahlreiche Handwerksbetriebe von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt

> Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur (demografischer Wandel)

> hoher Sättigungsgrad bei Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs

> Konkurrenz aus Niedriglohnländern.

Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen

Zur Lösung der Hauptprobleme des Handwerks im technischen und wirtschaftlichen Strukturwandel und zur Bewältigung der Herausforderungen sind vor allem in drei Bereichen Maßnahmen notwendig:


Betriebe

Die Handwerksbetriebe müssen stets bereit sein,

> neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten,

> bestehende Leistungsangebote ständig an sich ändernde Marktbedingungen und Zielgruppen anzupassen und zu erweitern,

> neue Absatzwege und Absatzgebiete zu erschließen,

> EDV sowie Informations- und Kommunikationstechnologien konsequent in Werkstatt, Büro und auf Baustellen einzusetzen,

> Kooperationen auftragsbezogen einzugehen,

> sich noch stärker an den Anforderungen der Kunden und deren Bedarf zu orientieren.

Die Handwerksorganisationen (Handwerkskammern, Fachverbände, Innungen) müssen ihre Förderungsmaßnahmen, insbesondere Beratung, Informationsvermittlung, Nachwuchssicherung sowie Aus- und Fortbildung, ausweiten. Zur Stärkung des Handwerks in der EU und zur Verstärkung der Exportaktivitäten generell sind außenwirtschaftliche Kontaktstellen und Messebeteiligungen wichtig.

Rahmenbedingungen

Von besonderer Bedeutung ist die Schaffung handwerks- und mittelstandsfreundlicher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen durch den Staat, vor allem in der Steuer-, Wettbewerbs-, Sozial- und Bildungspolitik.

Entwicklungschancen

Zukunftsperspektiven und Entwicklungschancen des Handwerks

Günstige Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen sich bei entsprechenden Rahmenbedingungen vor allem:

> bei der Befriedigung des individuellen Bedarfs

> bei Reparatur- und Dienstleistungen

> bei der fachkundigen Beratung

> bei Leistungen im Freizeit-, Gesundheits- und Wellnessbereich

> bei der Qualität der Produkte

> durch den technischen Fortschritt

> bei der Umsetzung der Energiewende, z. B. durch energetische Gebäudesanierung

> durch Innovationen, wie z. B. Elektromobilität und LED-Beleuchtung; ferner Smart Home (= Vernetzung von Haustechnik und Haushaltsgeräten sowie Unterhaltungselektronik) und Smart Grid (= intelligente Stromnetze, die Erzeugung, Speicherung und Verbrauch kombinieren)

> bei Umweltschutz und Steigerung der Energieeffizienz

> durch das Entstehen neuer Marktnischen

> durch Kundennähe und Kundenorientierung

> durch Kooperationen zum Angebot von Komplettleistungen.

Aufgrund der neuen Technologien ändern sich allerdings die Marktgegebenheiten wie Leistungsangebot, Produktionsstruktur und Maschinen sowie das damit verbundene Wissen sehr rasch. Die Mikroelektronik sowie die Neu- und Weiterentwicklung von Informations-, Nachrichten-, Datenverarbeitungs-, Regelungs- und Steuerungstechnik, die Telekommunikation, Pneumatik, Hydraulik und die neuen Werkstoffe ersetzen vielfach herkömmliche Produkte und Dienstleistungen, öffnen den Weg zur Entwicklung flexibler Fertigungs- und Leistungssysteme und führen zu Rationalisierung und Automation. Große Herausforderungen und Chancen stellen sich mit Wirtschaft 4.0, geprägt durch umfassende Vernetzung unter anderem über das sogenannte Internet der Dinge.

Umweltschutz

Zusätzliche Chancen bieten auch Umweltschutz, Klimaschutz, Energieeinsparung und Elektromobilität. Gerade die Klein- und Mittelbetriebe des Handwerks sind hier bewährte Problemlöser und Innovatoren.

Das Handwerk hat gute Voraussetzungen, in Zukunft zu bestehen. Damit verbunden ist jedoch auch ein ständiger Wandel in weiten Teilen des Handwerks, der zu neuen Berufen und Tätigkeitsschwerpunkten sowie teilweise auch zu anderen Betriebsgrößen führen wird.

c) Leistungsstruktur des Handwerks

Das Handwerk erwirtschaftet rund 9 % der Umsätze aller deutschen Unternehmen. Die Leistungsstruktur ist vielseitig. Es sind dies insbesondere:

> verarbeitendes Gewerbe

> Baugewerbe

> Handel

> Handel, Instandsetzen und Reparatur von Kfz

> Gebäudebetreuung

> sonstige, überwiegend persönliche Dienstleistungen.

Deshalb bezeichnet man das Handwerk auch als Deutschlands vielseitigsten Wirtschaftsbereich.

Abnehmergruppen

Vom Gesamtumsatz des Handwerks entfallen nach den wichtigsten Abnehmergruppen auf


> private Haushalte 41 %
> gewerbliche Wirtschaft 45 %
> öffentliche Auftraggeber 14 %.

Die amtliche Statistik teilt die Aktivitäten des Handwerks nach Leistungsbereichen und wirtschaftlichen Funktionen wie folgt ein:

 

Konsumgüterhandwerke


Lebensmittelhandwerke

Bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln deckt das Handwerk trotz zunehmender Zahl an Brotfabriken, Wurstfabriken, Großbrauereien und Verbrauchermärkten nach wie vor einen erheblichen Teil des Bedarfs.

Beispielsweise hat das Bäckerhandwerk bei den Brot- und Backwaren einen Marktanteil von mehr als der Hälfte. Vom gesamten Umsatz an Fleisch- und Wurstwaren entfällt nach wie vor ebenfalls ein merklicher Anteil auf das Fleischer-/Metzgerhandwerk. Dem Handwerk kommt zugute, dass hier die individuellen Verzehrs- und Geschmackswünsche berücksichtigt werden und vor allem frische Ware aus der Region von hoher Qualität angeboten wird.

Bekleidung, Textil, Leder

Zum individuellen Bekleidungsangebot tragen nach wie vor die Bekleidungshandwerke bei. Aus der Verbindung von handwerklicher Verarbeitung des Materials und schöpferischer Fantasie prägt diese Berufsgruppe die modische Linie unserer Zeit und kann daher von der Massenproduktion der Bekleidungsindustrie nie ganz verdrängt werden.

Haushalts- und Wohnbedarf

Die Innenraumgestaltung und -ausstattung bietet ein weites handwerkliches Betätigungsfeld. Die hohen Ansprüche breiter Kreise der Bevölkerung an verbesserte Wohnverhältnisse lassen den Bedarf weiter steigen.

Verkehrsbedarf

Mobilität

Die in dieser Gruppe zusammengefassten Handwerke rund um das Kraftfahrzeug haben innerhalb der Konsumgüterhandwerke eine herausragende Stellung.

Das hohe Mobilitätsbedürfnis unserer Wirtschaft und Gesellschaft ist dafür die wesentliche Ursache. Allerdings stehen diese Handwerke durch Diskussionen über Fahrverbote sowie durch die Elektromobilität und autonomes Fahren vor einem beträchtlichen Wandel.

Körper- und Gesundheitspflege

Den Handwerken dieses Bereiches eröffnen sich in der Regel gute Zukunftschancen. Der Bedarf an derart personenbezogenen Dienstleistungen wächst mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung.

Unterhaltungs- und Freizeitbedarf, persönlicher Bedarf

Die in dieser Gruppe zusammengefassten Handwerke sind sehr stark auf den privaten Verbrauch ausgerichtet.

Private Kunden

Entsprechend kommt dem privaten Kunden als Abnehmer eine große Bedeutung zu. Die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich hängen sehr stark von den verfügbaren Einkommen, dem Wohlstandsniveau, dem Wertewandel sowie der wachsenden Freizeit und deren Gestaltung ab.

Investitionsgüterhandwerke


Bau- und Ausbauhandwerk

Das Bau- und Ausbauhandwerk stellt nach wie vor eine der stärksten Gruppen (rund 45 % des Gesamthandwerksumsatzes) mit einer Vielzahl von Berufen dar. Es beweist damit, dass das produzierende Handwerk noch eine verhältnismäßig große Rolle in unserer Wirtschaft spielt.

Der Anteil des Handwerks am Umsatz im Bauhauptgewerbe beträgt gut 70 %.

Bautätigkeiten

Im Wohnungsbau wie im gewerblichen Bau und im öffentlichen Hoch- und Tiefbau liegen die Stärken des Handwerks. In erheblichem Umfang ist das Bau- und Ausbauhandwerk im Bereich der Stadtsanierung, der Denkmalpflege sowie der Sanierung und Modernisierung von Gebäuden aller Art tätig.

Technische Investitionsgüterhandwerke

Die technischen Investitionsgüterhandwerke liefern den Investitionsgüterproduzenten zu, produzieren eigene maschinelle Ausrüstungen und führen auch Montage-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Maschinen und Anlagen aus.

Chancen

Auf dem Sektor der Zulieferungen ist ein großer struktureller Umbruch im Gange. In den zurückliegenden Jahren war dieser dadurch geprägt, dass die Industrie Produktionsbetriebe ins Ausland verlagert und/oder Zulieferungen teilweise ins preisgünstigere Ausland ausgelagert hat. Sie will eine kleinere Zahl an Zulieferern. Ferner verlangt sie Qualitätsmanagement und Zertifizierung von den handwerklichen Zulieferern. Die Industrie legt immer mehr Wert darauf, dass nicht nur Produkte, sondern in Kombination auch Dienstleistungen und Komplettlösungen angeboten werden. Schließlich will die Industrie von den Zulieferern größere Betriebseinheiten. Aktuell findet durch die Vernetzung im Zuge von Industrie 4.0 bzw. Wirtschaft 4.0 ein rasanter Wandel statt. Trotz dieser großen Herausforderungen für die Zulieferer aus dem Handwerk haben diese auch in der Zukunft wirtschaftliche Chancen. Sie liegen vor allem in Qualität, Spezialwissen, Preiswürdigkeit, Flexibilität, Kooperationsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Termintreue.

Dienstleistungen für die gewerbliche Wirtschaft

Diejenigen Handwerksberufe, die als Dienstleister für die gewerbliche Wirtschaft tätig sind, haben sich in den letzten Jahren expansiv entwickelt, sind allerdings auch sehr stark von der Entwicklung ihrer Abnehmer abhängig.

d) Betriebe, Unternehmen, Beschäftigte, Umsätze

Handwerksbetriebe, Handwerksunternehmen

Zurzeit gibt es in der gesamten Bundesrepublik etwas über 1.000.000 Handwerks- und handwerksähnliche Betriebe, die in den Verzeichnissen der Handwerkskammern eingetragen sind. Die amtliche Statistik erfasst Handwerksunternehmen. Dabei werden Betriebe ohne Beschäftigte und mit wenig Umsatz sowie das handwerksähnliche Gewerbe nicht erfasst. Die Zahl der Handwerksunternehmen in Deutschland betrug im Jahr 2017 (letzte amtliche Zahl) rund 554.000.

Tätige Personen

Über die Unternehmensgröße informiert die nachstehende Abbildung.


Nach den Erhebungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks kennzeichnen folgende Daten (2018) das Handwerk:

> Erwerbstätige: 5,53 Millionen

> Umsatz: 612 Milliarden Euro.

2.1.3Gesellschaftliche Bedeutung

Die Betätigung im Handwerk bildet die Grundlage vieler selbstständiger Existenzen. Eine Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn es davon eine große Zahl gibt.

Eigenverantwortung

Ehrenamtliche Aktivitäten

Gesellschaftspolitisch betrachtet ist es von großer Bedeutung, dass eine beachtliche Anzahl der im Handwerk beschäftigten Personen tätige Inhaber und Familienangehörige sind und ein erheblicher Teil aller Handwerker auf eigenem Grund und Boden arbeitet. Jährlich machen sich Tausende im Handwerk selbstständig und sichern bestehende bzw. schaffen neue Arbeitsplätze. Sie zeigen damit ein erhebliches Maß an Initiative, Eigenverantwortung und Risikofreudigkeit. Die breite Streuung der Betriebe auf Stadt und Land führt zu einer gesunden und sozial ausgewogenen Struktur unserer Volkswirtschaft. Zahlreiche Handwerker engagieren sich ehrenamtlich nicht nur im Handwerk selbst, sondern in nahezu allen Lebensbereichen unserer Gesellschaft.

Das Handwerk leistet so über seine ökonomischen Aufgaben hinaus einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und Weiterentwicklung der demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung.

2.1.4Kulturelle Bedeutung

Handwerk gestaltet Kultur und kulturelle Lebensräume und trägt zur Sicherung der kulturellen Identität einer Region genauso bei wie zur kulturellen Vielfalt in der Formgebung.

Bedeutende Künstler sind aus dem Handwerk hervorgegangen. Handwerker waren die Erbauer der Dome oder berühmter Schlösser, Patrizierhäuser oder Gemeinschaftsbauten. Sie formten Fassaden und Giebel, schmiedeten kunstvolle Gitter, schufen formschöne Luxusmöbel, schlugen aus Stein oder gossen aus Erz unvergessliche Denkmäler.

Künstler und Handwerker

Auch wenn Idee und Entwurf vielfach von Künstlerhand stammten, waren es dennoch Handwerker, welche der Idee unvergängliche Formen zu geben vermochten. Die Blütezeit des Handwerks war auch stets eine Blütezeit der Kultur.

Handwerklich technisches Können und künstlerische Betätigung gehen vielfach ineinander über. Alle Kultur setzt Arbeit voraus. Die Arbeitswerte werden dadurch zu Kulturgütern, sodass sie zum Ausdruck ihrer Zeit werden.

Schöpferisch gestaltende Kraft

Nur schöpferisch gestaltende Arbeit kann Kulturgüter erzeugen. Gerade aber der Handwerker ist mit der Planung, Vertiefung und Vollendung seines Werkes persönlich sehr eng verbunden. Seine Werke sind nicht Serien- oder Massenartikel, sondern persönliche Qualitätsarbeiten, an denen vielfach ein Stück seines Lebens hängt. Der Handwerker vermag jedoch nur das in sein Werk zu legen, was er selbst in sich trägt. Daher sind das hohe Niveau seiner handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnisse (Gesellenprüfung, Meisterprüfung) und die schöpferisch gestaltende Kraft seiner Persönlichkeit entscheidend.

Formgebung

Zweifellos hat sich durch die Fortentwicklung der Technik auch manches in der Formgebung des Handwerks wesentlich geändert. Die Formgebung des gestaltenden Handwerks und dessen kulturelle Bedeutung hat aber gerade beim heutigen Zug zur industrialisierten Technik und zum industriellen Design nach wie vor hohe Bedeutung.

Besondere Leistungen erbringt das Handwerk ferner in der Denkmalpflege und in der Restaurierung und trägt damit zur Bewahrung des bauhistorischen Erbes bei.

2.2Handwerksorganisationen
2.2.1Strukturen und Aufgaben

a) Aufbau der Handwerksorganisationen

Die Handwerksorganisation wird in zwei Gruppen eingeteilt.


Fachlich ist die Handwerksorganisation aufgebaut in:

> Innungen

> Landesinnungsverbände

> Bundesinnungsverbände.

Der regionale Aufbau erfolgt nach:

> Kreishandwerkerschaften

> Handwerkskammern.

Dachorganisationen

Zur Interessenvertretung gemeinsamer Belange auf Landes- und Bundesebene haben Handwerkskammern und Fachverbände Arbeitsgemeinschaften bzw. gemeinsame Dachorganisationen gebildet.

Beispiele für die Landesebene

> Zusammenschluss der bayerischen Landesinnungsverbände im „Unternehmerverband Bayerisches Handwerk“

> Zusammenschluss der bayerischen Handwerkskammern in der „Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern“

> Zusammenschluss der Landesfachverbände und der Handwerkskammern Bayerns im „Bayerischen Handwerkstag“.

Landeshandwerksvertretung

Gleiche oder ähnliche „Landeshandwerksvertretungen“ gibt es auch in den anderen Bundesländern.

Bundesebene

> Alle deutschen Handwerkskammern bilden den „Deutschen Handwerkskammertag“ (DHKT).

> Die Bundesinnungsverbände sind im „Unternehmerverband Deutsches Handwerk“ (UDH) zusammengeschlossen.

ZDH

> Die Spitzenorganisation des gesamten deutschen Handwerks ist der „Zentralverband des Deutschen Handwerks“ (ZDH). Dem ZDH gehören die im Unternehmerverband Deutsches Handwerk organisierten Bundesinnungsverbände und die im Deutschen Handwerkskammertag zusammengeschlossenen Handwerkskammern an.

Die Handwerksorganisation in Deutschland


b) Strukturen und Aufgaben der einzelnen Organisationen

Innung

Die Innung ist der freiwillige Zusammenschluss von Inhabern von Betrieben des gleichen zulassungspflichtigen Handwerks oder des gleichen zulassungsfreien Handwerks oder solcher Handwerke oder handwerksähnlicher Gewerbe, die sich fachlich oder wirtschaftlich nahestehen. Voraussetzung ist, dass für das jeweilige Gewerbe eine Ausbildungsordnung erlassen worden ist.

 

Körperschaft öffentlichen Rechts

Die Innung ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Auch Gewerbetreibende, die ein dem Gewerbe, für welches die Innung gebildet ist, fachlich oder wirtschaftlich nahestehendes handwerksähnliches Gewerbe ausüben, für das keine Ausbildungsordnung erlassen ist, können bei entsprechender Satzung Innungsmitglied werden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen darf der Innungsbeitritt nicht versagt werden.

Ihre Aufgaben sind:


Für jedes Gewerbe kann in dem gleichen Bezirk nur eine Innung gebildet werden.

Das oberste Organ der Innung ist die Innungsversammlung.

Aufgaben der Innungsversammlung

Ihr sind insbesondere vorbehalten

> alle Beschlüsse von vermögensrechtlicher Bedeutung (Beitragsordnung, Haushaltsplan, Jahresrechnung, Anlage des Innungsvermögens, Mietverträge, Anstellungsverträge usw.),

> die Wahlen der Mitglieder des Vorstandes, der Ausschüsse, der Vertreter bei der Kreishandwerkerschaft und beim Landesinnungsverband sowie

> die Beschlüsse über Satzungsänderung und Auflösung der Innung.

Jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Beschlüsse werden in der Regel mit einfacher Mehrheit gefasst.

Dem Vorstand obliegen die Ausführung der Beschlüsse der Innungsversammlung sowie die Vertretung der Innung nach außen.

Er setzt sich zusammen aus dem meist als Obermeister bezeichneten Vorsitzenden des Vorstands und so vielen weiteren Mitgliedern, wie die Satzung bestimmt.

Die Innung kann für die Beratung und Erledigung wichtiger Angelegenheiten besondere Ausschüsse einsetzen. Die nachfolgend aufgeführten fünf Ausschüsse hat in der Regel jede Innung:

Ausschüsse

> Der Ausschuss für Berufsbildung hat die Berufsausbildung der Lehrlinge zu fördern. Er soll insbesondere Vorschriften für die Berufsausbildung erarbeiten und zu Verfahren zur Untersagung des Einstellens und Ausbildens von Lehrlingen Stellung nehmen, soweit die Innung damit befasst ist. Der Vorsitzende des Ausschusses ist der Lehrlingswart.

> Der Ausschuss zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden hat in Streitfällen einen Schiedsspruch zu erlassen, sofern solche Verfahren keine anderweitige Erledigung finden.

> Der Gesellenausschuss wird von den bei den Innungsmitgliedern beschäftigten Gesellen gewählt und ist an der Innungsversammlung zu beteiligen, wenn es sich um berufsständische Angelegenheiten handelt.

> Der Gesellenprüfungsausschuss hat die Gesellenprüfungen durchzuführen, sofern die Handwerkskammer der Innung die Ermächtigung hierzu erteilt hat.

> Der Rechnungsprüfungsausschuss hat die Kassenführung und die Jahresrechnung zu prüfen und über das Ergebnis der Innungsversammlung zu berichten, in der dem Vorstand Entlastung erteilt werden soll.

Zur Finanzierung der Aufgaben ist jedes Mitglied der Innung verpflichtet, den von der Innungsversammlung festgesetzten Beitrag zu bezahlen.

Haushaltsplan, Jahresrechnung

Vor Beginn des Rechnungsjahres hat der Vorstand einen Haushaltsplan aufzustellen und der Innungsversammlung zur Annahme vorzulegen. Im Haushaltsplan wird angegeben, welche Einnahmen die Innung im kommenden Geschäftsjahr erwartet und wie sie diese zu verwenden beabsichtigt. Nach Ablauf des Geschäftsjahres ist dann die Jahresrechnung aufzustellen und nachzuweisen, wie hoch die Einnahmen der Innung wirklich waren und ob sie entsprechend dem Haushaltsplan verwendet wurden.

Die Aufsicht über die Innung führt die Handwerkskammer.

Kreishandwerkerschaft

Die Kreishandwerkerschaft setzt sich zusammen aus den Innungen, die im Bereich der Kreishandwerkerschaft (Stadt- und Landkreis) ihren Sitz haben. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Ihre Aufgaben sind:


Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft setzt sich aus den Vertretern der Mitgliedsinnungen zusammen. Jede Innung hat eine Stimme. Die Satzung kann bestimmen, dass den Handwerksinnungen entsprechend der Zahl ihrer Mitglieder bis zu höchstens zwei Zusatzstimmen zuerkannt werden.

Kreishandwerksmeister

Den Vorstand bilden der Kreishandwerksmeister, sein Stellvertreter und so viele weitere Mitglieder, wie die Satzung bestimmt.

Ausschüsse können nach Bedarf von der Mitgliederversammlung eingesetzt werden.

Die Beiträge zur Kreishandwerkerschaft werden von den Mitgliedsinnungen nach dem von der Mitgliederversammlung festgelegten Berechnungsmodus entrichtet. Die Aufsicht über die Kreishandwerkerschaft führt die Handwerkskammer.

Handwerkskammer

Die Handwerkskammer ist die gesetzliche Berufsstandsvertretung des Gesamthandwerks im Kammerbezirk (z. B. Regierungsbezirk).

Mitglieder

Ihr gehören kraft Gesetzes Inhaber eines Handwerksbetriebes und eines handwerksähnlichen Gewerbes des Handwerkskammerbezirks sowie deren Gesellen, andere Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und Lehrlinge an. Zur Handwerkskammer gehören auch Personen, die eine unwesentliche Teiltätigkeit eines zulassungspflichtigen Handwerks ausüben und diese nach dem 31.12.2003 angemeldet haben. Voraussetzung ist, dass sie die Gesellenprüfung in einem zulassungspflichtigen Handwerk erfolgreich abgelegt haben, die betreffende Tätigkeit Bestandteil der Erstausbildung in diesem zulassungspflichtigen Handwerk war und die Tätigkeit den überwiegenden Teil der gewerblichen Tätigkeit ausmacht.

Die Handwerkskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Die Vielfalt der einzelnen Aufgaben der Handwerkskammer lässt sich in drei Hauptaufgabenbereiche zusammenfassen:


Erste wichtige Aufgabe der Handwerkskammer ist die Vertretung und Förderung der wirtschaftlichen Interessen des Gesamthandwerks im Kammerbezirk.

Aufgaben

Im Einzelnen sind unter anderem zu nennen:

> Mitwirkung an Gesetzesinitiativen zur Schaffung handwerks- und mittelstandsgerechter Rahmenbedingungen.

> Anhörung und Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen und Gesetzesänderungen, insbesondere auf den Gebieten des Wirtschafts- und Gewerberechts, des Steuer- und Sozialrechts, des Berufsbildungsrechts sowie des Landesplanungs- und Baurechts. Die Handwerkskammer soll in allen wichtigen das Handwerk und das handwerksähnliche Gewerbe berührenden Angelegenheiten gehört werden.

> Vorschläge zur Stadt- und Landesentwicklung, Regionalplanung, Umweltpolitik, Bau- und Auftragsvergabepolitik.

> Kontakte zu Behörden und Parlamenten auf EU-, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.

> Wirtschaftsbeobachtung, Statistik und Konjunkturberichterstattung.

> Öffentlichkeitsarbeit und Information (Verbindung zu Presse, Rundfunk und Fernsehen).

> Vertretung der Interessen in allen das Handwerk berührenden Fragen auf EU-, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.

Die regionale und überfachliche Handwerksförderung ist ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich der Handwerkskammer.

Der Bereich der Handwerksförderung durch Bildung und Beratung nimmt heute bei der Handwerkskammer den breitesten Raum ein. Sie erbringt damit wichtige Dienstleistungen für die Mitgliedsbetriebe. Bedeutende Bereiche sind unter anderem:

Berufliche Bildung

> Förderung der beruflichen Bildung durch allgemeine Nachwuchswerbung unter Berücksichtigung besonderer Zielgruppen wie Migranten und Flüchtlinge

> überbetriebliche Unterweisungsmaßnahmen für Lehrlinge

> Fortbildungslehrgänge

> Meistervorbereitungskurse

> Maßnahmen zur Förderung der Unternehmensführung

> Fachvorträge usw.

> berufliche Bildungszentren, Technologietransferstellen, Akademien des Handwerks, Informationsvermittlungsstellen, Betriebsbörsen, Ausbildungsplatzbörsen, gewerbefördernde Einrichtungen

Beratungsdienste

> allgemeine Beratung/Information der Handwerksbetriebe (Rechtsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, EDV-Beratung, technische Beratung, Innovationsberatung, Digitalisierungsberatung, Umweltschutzberatung, Formgebungsberatung, Exportberatung, EU-Beratung, Ausbildungsberatung)

> Förderung auf dem Gebiet der Finanzierung der Existenzgründung und Betriebsübernahme; Gründeragenturen

> Förderung der Formgebung (Formgestaltung) im Handwerk

Messewesen

> Förderung des Handwerks durch Beteiligungen an Messen und Ausstellungen

> Beteiligung bzw. Unterhaltung wirtschaftsfördernder Einrichtungen, wie Messegesellschaften, (Steuer- und)Buchstellen, Bürgschaftsbanken, Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Handwerkerhof- und Gewerbehofgesellschaften, Technologiezentren

> Förderung der Handwerksbetriebe bei der Nutzung der Möglichkeiten der IT und des gesamten Internets in Werkstatt, Büro und auf Baustellen

> Förderung des Handwerks durch Mitgliedschaft bei wirtschaftsfördernden Einrichtungen

Wissenschaftliche Förderung

> Förderung durch Beteiligung an wissenschaftlichen Einrichtungen (z. B. Deutsches Handwerksinstitut e. V.)

> Förderung des Images des gesamten Handwerks durch geeignete Werbemaßnahmen (Öffentlichkeitsarbeit für das Handwerk) wie die Imagekampagne des deutschen Handwerks.

Die Selbstverwaltung ist das dritte wichtige Aufgabengebiet der Handwerkskammer.

Hoheitliche Aufgaben

Hier sind als wesentliche Bereiche unter anderen zu nennen:

> Führung der Handwerksrolle und des Verzeichnisses der zulassungsfreien Handwerke sowie der handwerksähnlichen Gewerbe

> Führung eines Verzeichnisses von Personen, die eine nicht wesentliche Teiltätigkeit eines zulassungspflichtigen Handwerks ausüben

> Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zur Erstellung von Gutachten über Waren, Leistungen und Preise von Handwerkern

> Aufsicht über Innungen und Kreishandwerkerschaften

> Regelung und Überwachung der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung