Wie ein leises Berühren

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Wie ein leises Berühren
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Benno Elbs

Wie
ein leises
Berühren

Gottes Spuren im Alltag

Ein spiritueller Begleiter durch das Jahr


Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Redaktion: Reinhard Maier

Fotos: Reinhard Maier

Umschlaggestaltung: stadthaus 38, Innsbruck

Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag, Innsbruck

Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal

ISBN 978-3-7022-3398-3 (gedrucktes Buch)

ISBN 978-3-7022-3399-0 (E-Book)

E-Mail: buchverlag@tyrolia.at

Internet: www.tyrolia-verlag.at

Inhaltsverzeichnis

Wie ein leises Berühren

Januar: In einen neuen Morgen

Der Blick in den Himmel

Ein kleiner Schritt rückwärts

Da öffnet sich der Himmel

Ich besuche mich

Februar: Die Freude teilen

Binde deinen Karren an einen Stern

Ich will es – werde rein!

„Dir wird der Humor wohl auch langsam vergehen?“

Die Zeit des Lachens

März: Himmlische Stunden

Der Kompass des Herzens

Tabor – der Weg zum Glück, der Weg zu Gott

Olympia-Gold

Wunden in Perlen verwandeln

Berührt-Sein

April: Wunden heilen

Wenn Seelen sich berühren

Im Suchen liegt das Paradies

Ostern, ein Weg

Die Wunden der Welt

Die Zusage

Mai: Wasser und Feuer

Der Geist des Dialogs

Das Angesicht der Erde erneuern

Glück im Herzen finden

„Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“

Juni: Die Herzen wärmen

Gott schreibt uns eine SMS

Mein Lebenstraum

Die Zeit der Wunder

Wege zur Ausgeglichenheit

Juli: Tief atmet die Stille

Wir kommen, wohin wir schauen

Nicht halbherzig

Gelassenheit – Quelle der Kraft

Die Kraft der Stille

August: Achtsam leben

Für wen hältst du mich?

Lausche dem Lied des Lebens

Das kann er gar nicht so ernst gemeint haben

Reisen, um bei uns anzukommen

September: Dass Früchte reifen

Wer der Erste sein will

Selig, die Frieden stiften

Darf ich Ihnen eine Frage stellen?

Einer, der dich unendlich sanft in seinen Händen hält

Oktober: Ein dankbares Herz

Alles beginnt mit der Sehnsucht

Sagt Dank allezeit und für alles

Die Welt im Gleichgewicht

Unsere Mission

November: Im Geheimnis Gottes zuhause

Wofür lebst du?

Immer nach Hause

Der Bogen des Vertrauens

Vom Leben in Heiligkeit

40 Jahre und eine Ewigkeit

Dezember: Einer wird kommen

Das adventliche Verkehrsschild

Ein Nachmittag im Advent

Heile Familie?

Schlüssel des Verstehens

Anmerkungen

Bildlegenden

Wie ein leises Berühren

In einer Spezialklinik für Frühgeborene. Die Babys sind so winzig klein und zart und zerbrechlich – sie haben oft nur 700 bis 800 Gramm –, dass sie im Brutkasten besonders geschützt werden müssen. Eine Krankenschwester erzählt mir von der kleinen Barbara, entbunden im siebten Schwangerschaftsmonat. Und ihre Mutter liegt mit einer schweren Vergiftung auf der Intensivstation. Die Situation ist äußerst kritisch. Wird sie überleben? Der Vater kommt mit dieser Situation nicht mehr zurande, verfällt in eine schwere Depression: Seine so geliebte Frau sterbenskrank, auch beim neugeborenen Baby die bange Frage: Kommt es durch? Er war nicht einmal fähig, sein Kind zu besuchen. Er hat das einfach nicht geschafft. Die Schwestern sorgten sich sehr um das Kleine. Trotz allem Bemühen, ihm Nähe zu schenken, spürten sie, wie sehr die kleine Barbara gerade jetzt die Geborgenheit der Eltern gebraucht hätte. Dann endlich, nach ein paar Tagen, kam Licht ins Dunkel. Es ging wieder aufwärts. Der Vater schaffte es wieder, seine Tochter und seine Frau zu besuchen. Die schlimmste Krise war überstanden. Beiden ging es schon wieder etwas besser. Und als die Eltern das Kleine in den Arm genommen haben, es an sich drückten, wie es die Nähe und Wärme seiner Eltern gespürt hat, da hat es gelächelt. Es ist aufgeblüht wie eine Blume.

Nur ein leises Berühren hat das Kind zum Blühen gebracht. Das leise, zärtliche Berühren – durch andere Menschen, durch Gott – bringt uns Menschen zum Blühen, zur Entfaltung.

Die Glücksforschung und die Ergebnisse der modernen Gehirnforschung belegen es wissenschaftlich: Zum Glück gehört ganz wesentlich das Gefühl des Dazugehörens. Zuwendung, Liebe sind ganz wichtige „Lebens-Mittel“ für uns Menschen. Sie sind wie das Grundwasser für unsere Seele.

 

Die Texte dieses Buches möchten ein klein wenig dabei helfen, dem leisen Berühren Gottes in unserem Leben und in unserem Alltag nachzuspüren. Die meisten Beiträge sind im Laufe vieler Jahre als „Gedanken zum Sonntag“ in den Vorarlberger Nachrichten erschienen und wurden für die Veröffentlichung leicht überarbeitet. Die Meditationen laden ein zum Innehalten, zum Hinhorchen auf das Zusammenklingen von Leben und Gottes Wort in der Bibel und zum Atemholen für die Seele.

Ich wünsche Ihnen beim Lesen, dass es Ihnen gelingt, die Ermunterung von Papst Franziskus ernst zu nehmen: „Habt keine Angst vor der zärtlichen Liebe Gottes.“1 Auch in seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“ spricht der Papst vom Revolutionären der Zärtlichkeit und der Liebe. Demut und Zärtlichkeit sind nicht Tugenden der Schwachen, sondern der Starken.2 Die zärtliche Liebe Gottes ist es, die die Menschen zum Aufblühen bringt.

JANUAR
IN EINEN
NEUEN MORGEN
Der Blick in den Himmel

Wir alle haben in unserem Leben Sternstunden erlebt: eine bestandene Prüfung, ein Studienabschluss, ein schöner Ausflug mit der Familie, eine Hochzeit, die Geburt eines Kindes. Persönliche Begegnungen, tragende Freundschaften oder schöne Erfahrungen und Erlebnisse können uns da in den Sinn kommen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Sternenhimmel, seinen persönlichen Stern, der Halt und Orientierung gibt.

Der große Philosoph Immanuel Kant meinte einmal, „die Weite des Sternenhimmels über uns und die Tiefe des moralischen Gesetzes in uns sind überzeugende Gottesbeweise“3. Die Weisen aus dem Morgenland, die den neugeborenen König der Juden suchen und ein Kind in der Krippe finden, wie die Bibel berichtet (Matthäus 2,1–12), haben in den Sternenhimmel geschaut. Sie laden uns ein, den Sternenhimmel über uns zu sehen und unseren Blick zu weiten.

Richte dich auf

Ein adventlicher Kehrvers beschreibt, was einen religiösen Menschen ausmacht: „Richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung ist nahe“4. Der Mensch, der den Bezug zum Sternenhimmel verloren hat, ist in sich selbst gefangen und nur mit sich beschäftigt. Er unterliegt der Gefahr der Gottesferne. Religion bedeutet, aus den Gewohnheiten des Alltags aufzustehen, den eigenen Horizont zu weiten und dort die Gegenwart Gottes wahrzunehmen.

Solche aufgeschlossenen Menschen, die den Horizont im Blick haben, sind die drei Weisen. Sie folgen einer Vision, einer Hoffnung, für die es sich lohnt, das eigene und vertraute Land zu verlassen und aufzubrechen. Sie folgen dem Stern. In der Bibel werden sie nicht als Könige, sondern als weise Sterndeuter, als Menschen beschrieben, die über die Grenzen des eigenen Lebens hinausschauen und offen sind für die Zeichen der Natur, für die Zeichen des Lebens und für die Zeichen Gottes.

Gold – Weihrauch – Myrrhe

Und ihre Geschenke haben großen symbolischen Charakter. Gold steht für den materiellen Wohlstand, ein Recht eines jeden Menschen. Jeder hat Anspruch auf Arbeit, auf gerechten Lohn und das tägliche Brot. An der Krippe ertönt so symbolisch der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit.

Der Weihrauch steht für das geistliche und religiöse Leben. Zum Menschsein im tiefsten Sinn gehört das Leben in der Gegenwart Gottes. Dort ist die Quelle der Freude. Die heilige Teresa von Avila ist überzeugt, dass Beten bedeutet, „bei einem Freund zu verweilen, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt“5. An der Krippe finden die Sterndeuter – und auch wir heute – diesen Ort.

Und Myrrhe ist ein altes Heilmittel. Das Grundthema des Lebens Jesu war die heilende Zuwendung zu den Menschen, besonders zu jenen, die nicht in der Aufmerksamkeit der Welt, der Medien und der Menschen stehen.

Melodie der Hoffnung

Der Text über den Besuch der Sterndeuter in Bethlehem zeigt uns die Melodie der frohen Botschaft Jesu. Die Kinder und Jugendlichen, die nach Weihnachten als Könige verkleidet unsere Häuser besuchen, angefangen bei der Hofburg in Wien bis zur einfachen Wohnung in einer Stadtsiedlung, erinnern uns an den tiefsten Sinn unseres menschlichen Weges: Richte dich auf und erhebe dein Haupt, denn deine Erlösung ist nahe. Und wo das Licht des Himmels durch einen Menschen hindurchscheint, wird er zum Segen für andere und zu einer Sternstunde für unsere Zeit. Er bringt den Menschen auch heute die symbolischen Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe in ihrer hoffnungsvollen Bedeutung.


Ein kleiner Schritt rückwärts

Wie sich die Einstellung doch ändert. Wenn vor Jahren jemand ein Plädoyer für den Verzicht gehalten hätte, hätte er sich dem Vorwurf ausgesetzt, den Menschen die Freude im Leben nehmen zu wollen. Aber heute, angesichts des Klimawandels, sprechen viele von Verzicht. Verzicht, das bezeichnet kein Fehlen, Verzicht kann vielmehr zum ganz großen Gewinn werden.

Ja zur Zukunft der Erde

Nicht erst seit die Folgen des Klimawandels immer spürbarer werden, gehört das Wort „Verzicht“ zu den Kennworten einer zukunftsweisenden Haltung, die immer notwendiger wird. Der Klimawandel ist eine Realität, der sich kein Mensch auf dieser Welt entziehen kann. Es gibt viele Strategien zur Rettung der Erde, etwa neue Technologien im Bereich der Energiewirtschaft. Doch letztendlich entscheidend ist eine Veränderung der Lebenseinstellung. Besonders bei uns, in der sogenannten industrialisierten Welt. Klima- und Zukunftsforscher weisen darauf hin, dass die Welt ohne Verzicht keine Zukunft hat. Der Lebensstil in den Industrienationen raubt bereits jetzt vielen Menschen die Lebensgrundlage. Unsere Verantwortung liegt darin, unseren Kindeskindern keine restlos ausgebeutete Erde zu hinterlassen.

Ja zur Lebensqualität

Der dankbare und zufriedene Mensch stellt eine Gefahr für die Wirtschaft dar. Daher entwickeln Werbefachleute und Marketingprofis Strategien gegen die Zufriedenheit. Nur wer begehrt, ist ein Glück für den Markt.

Die Hauptstraßen zum Sinn, zum Glück des Lebens gehen aber in eine andere Richtung. Es sind die Werte des Erlebens: Freundschaft, Geliebt-Sein, Schönheit, Kunst. Es ist die Straße, die gepflastert ist mit schöpferischen Werten. Es sind sinnstiftende und zugleich verantwortungsvolle Aufgaben, beispielsweise das Begleiten eines Kindes in sein Leben. Nicht zuletzt sind es Einstellungswerte: In einer schweren Krankheit Hoffnung erleben zu dürfen, in einem unabwendbaren Unglück nicht verzweifeln zu müssen, sondern Trost zu spüren, dem Schicksal als freier Mensch zu begegnen und Sinn darin zu finden.

Ja zur Begegnung

Oft genügt ein kleiner Schritt rückwärts. Dieser führt uns zu einer Haltung der Aufmerksamkeit. Und der kürzeste Weg zu uns selbst führt immer über einen anderen Menschen. Nur ein kleiner Schritt rückwärts, hinein in die Achtsamkeit: Plötzlich kann ich die versteckte Träne sehen, die über die Wange eines einsamen Menschen rinnt. Ich höre das Zittern in der Stimme eines verzweifelten Menschen, der keinen Ausweg findet. Ich spüre die Beklemmung im Händedruck eines Menschen, der Angst hat, den das Leben überfordert. Plötzlich sehe ich das Du und kann, ja darf über dieses Du zum Ich werden.

Ja zum Traum Gottes

Jeder Mensch ist reich beschenkt mit Talenten. Sie kommen zur Entfaltung nicht durch das Haben, sondern durch das Sein. Der Weg mit Gott ist ein Weg ins Sein: ins Da-Sein, ins Mit-Sein, ins Gesegnet-Sein, ins Frei-Sein, ins Geliebt-Sein. Wenn es auch erstaunlich klingt, der Weg ins Sein führt niemals über das Haben.

Der kleine Schritt rückwärts, vollzogen in einem sinnvollen Verzicht, erhöht die Zukunftschancen unserer Erde, führt zu mehr Lebensqualität, in die sensible und tiefe Begegnung mit Menschen und damit nicht zuletzt in das Geheimnis Gottes. Oder wie es der Philosoph Martin Heidegger formuliert: „Verzicht nimmt nicht. Verzicht gibt. Er gibt die unerschöpfliche Kraft des Einfachen.“6


Da öffnet sich der Himmel

Die Taufe Jesu am Jordan. Im Evangelium heißt es dazu: „Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ Bemerkenswert: Jesus hat noch nichts gesagt, noch nichts getan. Aber: „Du bist mein geliebter Sohn.“ (Markus 1,10f.)

Es gibt für einen Priester kaum einen berührenderen Augenblick, als wenn Eltern ihr Kind zur Taufe bringen. Ein Lächeln liegt im Gesicht der Mitfeiernden, Tränen der Freude treten in die Augen der Eltern und Großeltern. In der Taufe sagen die Eltern ihrem Kind öffentlich und festlich: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter.“ Und sie geben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass ihr Kind in den vielen Gefahren des Lebens beschützt ist.

Eine Liebeserklärung

Noch viel mehr aber sagt Gott in der Taufe sein tiefstes und schönstes Wort: „Ich liebe dich, du Mensch.“ Durch dieses Wort öffnet sich der Himmel für jeden und jede von uns und niemand kann dieses Wort rückgängig machen. Die Taufe nimmt uns hinein in die Atmosphäre der Liebe Gottes. Andreas Knapp7 beschreibt das sehr treffend in seinem Gedicht „Taufe“:


pränatale diagnose

zeigt von anfang an

die erbliche belastung

verstrahlt durch

die überdosis schuld

der ganzen menschheit

mit letalen folgen

taufe aber

heilwasser

aus gutem grund

die altlasten werden bereinigt

alle angst abgewaschen

du wirst in vertrauen gebadet

gegen den tod geimpft

im wasserzeichen des lebens

Im Alltag sehen wir freilich oft eher die Schatten, die unser Leben umgeben und uns bedrücken. Die Angst vor dem Tag. Die Angst vor Menschen. Die Last, die oft auf unserem Leben liegt. Doch ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.“

Sich dem Licht zuwenden

Taufe heißt, wir dürfen unser Gesicht der Sonne zuwenden, Gott zuwenden. Die Taufe schafft keine schattenfreie Helligkeit um uns. Aber die Schatten müssen nicht mehr auf den Weg fallen, der vor uns liegt. Sie müssen nicht auf unseren Arbeitsplatz fallen und in unsere Familien. Sie dürfen hinter uns bleiben, wenigstens für Augenblicke und Stunden.

In der Taufe geschieht dieses große Wunder, dass Gott sich uns zuwendet. Die Taufe nimmt uns hinein in die große Familie der Töchter und Söhne Gottes. Hier sagt uns Gott, was Rose Ausländer8 so wunderschön zum Ausdruck bringt:

Wir wohnen

Wort an Wort

Sag mir

dein liebstes

Freund

meines heißt

DU


Ich besuche mich

Wüste – bei diesem Wort denken wir an Gefahr, Trockenheit, Hitze, Durst. Dort ist Leere, Einsamkeit, Weglosigkeit, dort haben wir den Tod vor Augen. Wüstenzeiten erleben wir in Existenzängsten, in Momenten des schmerzlichen Abschieds, in zweifelnden oder verzweifelten Stunden.

Wüstenzeiten sind aber zugleich Augenblicke einer neuen Beurteilung und Sichtweise unseres Lebens. Sie führen uns an Haupt-Orte, an Sinn-Orte unserer Existenz. Sie leiten uns, um mit einem geflügelten Wort des Kabarettisten Karl Valentin (1882–1948) zu reden, nach Hause, werfen uns ganz auf uns selbst zurück: „Heute besuche ich mich, hoffentlich bin ich zu Hause.“

 

Einige Ermutigungen können als Richtschnur dienen, um bei sich zu sein, um neue Wege zum Leben zu entdecken:

Alternativ leben – durch Konzentration auf das Wesentliche

Die Wüste als unbewohntes und einsames, unwirtliches Areal wurde in den ersten Jahrhunderten des Christentums zum bevorzugten Lebensort der Mönche. Dieses Umfeld führte dazu, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrierten, auf ein Leben mit Gott.

Diese Haltung der Mönche können wir uns wieder bewusst machen, ganz im Sinne einer Regel von Taizé: „Bewahre in allem die innere Stille, um in Christus zu bleiben.“ Diese Stille führt uns zur wesentlichen Frage: Wo liegen die entscheidenden Aufgaben in meinem Leben? Wo ist sein Sinn?

Ausgewogen leben – im Spannungsfeld von Rückzug und Öffnung

In den ausgelassenen Festen des Faschings verspüren viele Menschen Einsamkeit, durchleiden Melancholie, wenn sie durch ihr Schicksal nicht an der ungestümen Freude der anderen teilhaben können. Und oft erleben wir uns in einer Spannung zwischen unseren Stärken und Fähigkeiten und den Erwartungen an uns. In vielen Lebensbereichen begegnen wir diesem Spannungsfeld, stehen wir vor der Frage: Wo brauche ich mehr Rückzug, wo wünsche ich mir mehr Öffnung auf andere Menschen hin?

Authentisch leben – durch schützende Grenzen

Eine dritte Ermutigung. Zweifellos sind die neuen Kommunikationsmöglichkeiten wie Handy, Smartphone oder Internet für uns alle eine gute Hilfe, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Wenn es jedoch nicht gelingt, dabei klare Grenzen zu ziehen, dann kann die Außenwelt zu jeder Tages- und Nachtzeit in unsere Innenwelt einbrechen. Rückzugsorte und Kraftquellen werden dadurch ausgetrocknet, liegen brach. Ermutigend können wir uns fragen: Welche Grenzen möchte, ja muss ich setzen, damit die Quellen meines Lebens nicht versiegen?

Maßvoll

In vielen Bereichen unseres Lebens gilt es, Maß zu halten und sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Der Zwang, vieles zu erleben, der Zwang, überall dabei zu sein, „mitten drin“ zu stehen, überfordert uns bisweilen. Körper und Seele brennen aus. Wüste, das ist der bewusste Weg hinein in eine erträgliche Durststrecke, das ist ein Aufruf zu Abgrenzung und Langsamkeit. Ziel soll sein, dass wir sagen können: Ja, ich bin zu Hause, wenn ich mich besuche.

FEBRUAR
DIE FREUDE TEILEN
Binde deinen Karren an einen Stern

„Wer einen Karren fährt, muss gut auf den Weg achten“, das wissen die vielen Bergbauern, die in unserem schönen Land leben, sonst stürzt der Karren um. Es besteht sogar die Gefahr, tödlich zu verunglücken. Wir schieben den Karren vor uns her und blicken voraus, damit wir die Hindernisse sehen, die auf dem Weg liegen.

Leonardo da Vinci9, der berühmte Schöpfer der Mona Lisa, gibt uns einen anderen Rat: Binde deinen Karren an einen Stern. Was bedeutet es, das Alltägliche, das wir tun und tun müssen, wenn es die Lebenssituation von uns erfordert, an einen Stern zu binden?

Dieser große Künstler der Renaissance ist überzeugt: Wir müssen uns an den Sternen orientieren, nicht am Boden, sonst werden wir blind. Wer seinen Karren an einen Stern bindet, der sieht über die Hindernisse hinweg und bleibt nicht an ihnen haften. Er kann seinen Karren auch bei Hindernissen mit Gelassenheit und Freiheit weiterziehen, weil er sein Herz an den Stern geheftet hat.

Das kann auch für das Fasten und Verzichten gelten. Fasten bedeutet nicht nur, sich mit kleinen Dingen abzuquälen, weniger Kaffee, weniger Schokolade, mehr Zeit für dieses oder jenes, Fasten heißt, sein Herz an einen Stern zu binden.

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