Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath

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Bärbel Mechler

Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath

Wege aus der Opferfalle

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bärbel Mechler

Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath

Wege aus der Opferfalle

E-Book (epub): ISBN 978-3-86374-376-5

(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-374-1, 1. Auflage 2017)

Mankau Verlag GmbH

Postfach 13 22, D-82413 Murnau a. Staffelsee

Im Netz: www.mankau-verlag.de

Internetforum: www.mankau-verlag.de/forum

Lektorat: Martin Stiefenhofer, Nürnberg

Endkorrektorat: Susanne Langer M. A., Germering

Umschlag: Andrea Barth, Guter Punkt GmbH & Co. KG, München

Gestaltung Innenteil: Mankau Verlag GmbH

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Bilder: Can Stock Photo / astrozombie (8); Colourbox.de (12/13, 206/207, 322/323); Can Stock Photo / Netfalls (48/49); Can Stock Photo / ruslangrumble (122/123); Can Stock Photo / nathings (158/159); Can Stock Photo / JanPietruszka (234/235); Can Stock Photo / ruslangrumble (374/375)

Energ. Beratung: Gerhard Albustin, Raum & Form, Winhöring

Wichtiger Hinweis des Verlags:

Die Autorin hat bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr; Verlag und Autorin können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch dargestellten Inhalte ergeben.

Dieses Buch ist für alle Frauen und Männer, die den Glauben in ihre Kraft und ihre Möglichkeiten verloren haben.

Ihnen allen wünsche ich aus tiefstem Herzen, dass Sie Ihren eigenen, wunderbaren Wert erkennen und die Entschlossenheit entwickeln, stark und stolz Ihre Herausforderung zu meistern.

Psychopathische Partner sind gnadenlos.

Aber sie sind keine Götter!

Inhalt

Vorwort

Beziehung mit einem Psychopathen

Ich halte an dem Menschen fest, der mich zerstört

Früher hat er mich geliebt

Das psychopathische Beuteschema

Die Eroberungsphase

Der Partner als ewiger Sündenbock

Das Spiel mit Nähe und Distanz

Affären mit verheirateten Partnern

Sexualität und Fremdgehen

Wie gehen Angehörige mit extremen Situationen um?

Die psychopathische Wesensstruktur

Entstehung psychopathischen Verhaltens

Das psychopathische Instrumentarium

Psychopathische Besonderheiten

Psychopathische Schwachstellen

Was Betroffene berücksichtigen sollten

Hoffen Sie nie auf Mitgefühl

Aussichtslose Bemühungen

Als Opfer allein auf weiter Flur

Die Tropffolter

Die verhängnisvolle Erziehung zum Erdulden

Gegen Schuldgefühle ankämpfen

Ihre Aufgaben

Schützen Sie Ihre Gefühle

Setzen Sie Grenzen

Stellen Sie sich der Angst

Lernen Sie, Nein zu sagen

So kommunizieren Sie mit Psychopathen

Trennungen von psychopathischen Partnern

Sie beabsichtigen die Trennung

Der Psychopath trennt sich

Gemeinsame Kinder

Trennung mit gemeinsamen Kindern

Der Kampf mit Institutionen

Gerichtsverhandlungen

Das alleinige Sorgerecht

Sind immer beide schuld?

Kosten produzieren

Psychopathische Strategien vor Gericht

Ihre Gegenstrategien vor Gericht

Mediation

Das Jugendamt

Die Wahl des Rechtsanwalts

Ein Paradebeispiel mit gutem Ende

Wegweiser in eine neue, erfüllende Beziehung

Die ersten Schritte zueinander

Die Beziehung mit Bedacht entwickeln

Erkennen und würdigen Sie Ihre Qualitäten

Blicken Sie den Fährnissen ins Auge

Die Beziehung regelmäßig aktualisieren

Unterschiede beleben die Beziehung

Zu guter Letzt: Vergebung

Zur Autorin

Quellenangaben

Stichwortregister


Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser!

Dieser Ratgeber ist ein Arbeitsbuch aus der Praxis für die Praxis. Es soll Sie durch die schwere Zeit mit Ihrem Partner/Ex-Partner begleiten: einem Menschen mit einer psychopathischen Struktur, der keine Wertschätzung oder Empathie aufbringt, dem jedwedes Werteverständnis fehlt und der von Rachegedanken und Vernichtungswillen getrieben ist.

Die Empfehlungen, die Sie in diesem Buch finden, basieren auf jahrelangen erfolgreichen Beratungen und der Begleitung von Opfern dieser besonderen Spezies. Die vielen Erfahrungen und Fallbeispiele der Betroffenen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Strategien sollen als Arbeitshypothese dienen und Orientierung schenken. Es geht also nicht darum, diese Menschen herabzusetzen, sondern vielmehr um das Erkennen psychopathischer Merkmale und letztendlich darum, die erforderlichen Handlungskompetenzen zu erhalten. Nehmen Sie sich beim Lesen einen Marker zur Hand und markieren Sie die für Sie relevanten Stellen. Was die empfohlenen Reflexionen betrifft, so empfehle ich, zunächst das ganze Buch zu lesen und sich danach gezielt und intensiv mit ihnen zu beschäftigen.

Bedenken Sie beim Lesen, dass psychopathisches Verhalten in vielen Abstufungen auftritt. Ebenso sind auch die Opfer unterschiedlich stark, unterschiedlich mutig und sehr verschieden in ihrer Herangehensweise. Meine Anregungen sind deshalb als Möglichkeiten zu verstehen, von denen in Abhängigkeit der persönlichen Umstände abgewichen werden kann. Meine Klienten sind überwiegend Frauen, was sich im Inhalt dieses Buchs widerspiegelt. Das mag daran liegen, dass psychopathisches Verhalten vorwiegend bei Männern auftritt. Möglicherweise sind aber auch Frauen viel eher bereit, in Konfliktsituationen Hilfe zu suchen und sich beraten zu lassen. Ich möchte ganz bewusst auch die männlichen Leser ansprechen und einladen, sich ohne Vorbehalte auf diese Thematik einzulassen. Denn vor Psychopathen zu kapitulieren, hat nichts mit Schwäche zu tun.


Beziehung mit einem Psychopathen

Eine Beziehung mit einem psychopathischen Menschen könnte man treffend mit einer Analogie beschreiben: Sie erinnert mich an eine fleischfressende Pflanze, die einen verlockenden Duft verströmt und vorgibt, eine köstliche Nahrungsquelle zu sein. Doch jede Berührung zieht ihre Beute unweigerlich in eine schreckliche Falle.

Sie glaubten anfangs sicher, dass er fühle und denke wie Sie, und es schien, als würden Sie sich schon seit Ewigkeiten kennen, als hätten zwei füreinander bestimmte Seelen zusammengefunden.

Doch die Realität zeichnet ein anderes Bild. Die Wirklichkeit dieser Menschen ist, dass sie immer und zu jedem Zeitpunkt ihr eigenes Leben leben. Sie teilen es nicht mit ihren jeweiligen Beziehungspartnern, sie binden diese lediglich in ihren bestehenden Alltag und in ihr erbarmungsloses Konzept ein. Sie sollen sie bereichern und begleiten, gehören aber nie wirklich zu ihnen dazu und sind damit verurteilt, zum Zuschauer ihres eigenen Schicksals zu werden. Der Psychopath fühlt sich dabei ganz zufrieden, hat er doch alles, wessen er bedarf.

Die Opfer – anfangs wissen sie noch nichts von ihrem bevorstehenden Leidensweg – bringen gern und im Übermaß Liebe, Vertrauen und all ihre herrlichen Eigenschaften, die sie ausmachen, in die Beziehung ein. Auf diese Weise können sich die Psychopathen ganz nebenbei ihre schweren Defizite schönreden und sich selbst als liebesfähig und bereichernd empfinden.

Doch dauert es meistens nicht sehr lange, bis sie ihre vermeintlich liebevolle und selbstlose Haltung wieder ablegen. Die Funktion ihrer Partner wird dann unverhohlen auf die eigenen Bedürfnisse reduziert. Und damit beginnt für die Opfer ihr Martyrium. Selbstverständlich verstehen sich die Psychopathen darauf, ihren Missbrauch so geschickt zu dosieren, dass die Partner sich schleichend daran gewöhnen, und dass die sorgfältig erzeugten Abhängigkeiten dabei nicht gefährdet werden. Sie kennen vielleicht die Redewendung, dass wer langsam in die Hölle absteigt, sich unmerklich an die zunehmende Hitze gewöhnt. So schleichen sich mehr und mehr Indoktrinationen, verbale Misshandlungen, permanente Abwertung, emotionale Erpressungen, der Anspruch nach Unterwerfung und vieles mehr ein. Die Negativspirale beginnt sich zu drehen und die Betroffenen leiden bald unter Dauerstress bis hin zu sehr schweren körperlichen Erkrankungen. Daran kann weder ein defensives Verhalten noch Überanpassung langfristig etwas ändern. Trotz dieser Not finden die allerwenigsten an diesem Punkt den Absprung, da sie noch nicht bereit sind, ihre anfänglichen Träume aufzugeben. Ihnen wird erst am Ende eines langen und schmerzhaften Leidenswegs bewusst, dass ihr Partner im Grunde von Anfang an ihre Erniedrigung und Ausbeutung angestrebt hat.

 

In guten Beziehungen lebt man innig miteinander, in weniger guten nebeneinander und in psychopathischen gegeneinander. Und dabei gibt es kein Entrinnen. Für die Gewalt, die Psychopathen in ihrer frühen Kindheit erlitten haben, müssen stellvertretend ihre jetzigen Opfer büßen. Diese unbewussten Bestrafungsrituale lösen in dem Täter ein Gefühl lang ersehnter Gerechtigkeit aus. In solch einer Beziehung kann es für den Partner nie ein Happy End geben.

Aber es gibt viele Ansätze, sich der Aussichtslosigkeit der Situation bewusst zu werden und entsprechende maßgeschneiderte Prozesse zu generieren, um sich daraus zu retten. Spätestens jetzt, beim Lesen dieses Buchs, sollte Ihnen klar werden, dass Sie die Situation schaffen sollten, bevor sie Sie schaffen wird. Lassen Sie sich auf die wesentlichsten Merkmale und Absichten dieser Spezies ein und haben Sie teil an den vielen Erfahrungen und Bewältigungsstrategien meiner Klientinnen, die sich wie Sie Ihrer Wirklichkeit stellen mussten oder es immer noch tun. Sie sind mit Ihrem Schicksal nicht allein. Ich möchte Sie dazu einladen, Mut zu schöpfen, Ihren Sehnsüchten zu folgen und Ihr Leben vor dem Zugriff Ihres destruktiven Partners zu befreien oder zumindest angemessen zu schützen.

Dieses Buch ist keine wissenschaftliche Aufarbeitung und soll es auch nicht sein. Ich verzichte bewusst auf die Präsentation von Statistiken und empirischen Untersuchungen. Es gibt bereits zahlreiche wissenschaftliche Literatur, die sich jedoch vorwiegend auf die Beschreibung dieses Phänomens beschränkt.

Was Sie aber benötigen, sind auf Ihren Alltag zugeschnittene Handlungsstrategien, wie Sie sich konkret Ihrem Partner stellen, wie Sie Ihre Ohnmacht bekämpfen können und wie Sie sich bei Auseinandersetzungen mit Gerichten, Gutachtern usw. verhalten müssen, um nicht ein weiteres Mal zum Opfer zu werden.

Und dafür benötigen Sie klare Vorstellungen und Vorbilder, die genauso wie Sie selbst einmal in der Opferfalle gefangen waren. Sie sind ein Teil dieses Systems, und als solcher müssen Sie Ihre eigene Funktion ebenso begreifen und nutzen wie Ihr Gegenüber es tut.

Fazit:

Der Mensch, auf den ich warte, dass er mich erlöst, bin ich selbst.

Wir werden auf den folgenden Seiten viele verschiedene Ebenen beleuchten, die eine Rolle in dieser verhängnisvollen Dynamik spielen. Beginnen wir mit dem Thema Abhängigkeiten.

Ich halte an dem Menschen fest, der mich zerstört

Es gibt nur wenige Menschen, die dem Charme eines Psychopathen widerstehen können oder die von ihm ausgehende Gefahr ahnen und unverzüglich das Weite suchen. Wer jedoch mit ihm eine Liaison eingegangen ist, wird bald nicht mehr Herr seiner Gefühle sein. Das Bild der Fliege am Fliegenfänger kommt der Sache sehr nahe. Die Betroffenen können nur noch benommen feststellen, wie ihr Verstand an dieser Herausforderung kläglich scheitert und geben sich nicht selten selbst die Schuld an ihrer Verzweiflung. Viele Klientinnen berichten mir weinend, dass sie wissen, dass sie nur benutzt und gedemütigt werden, aber dennoch glauben, ohne ihren Psychopathen nicht leben zu können. Es gibt für sie einfach kein Entrinnen. Und für diese vermeintliche Schwäche schämen sie sich vor sich selbst und vor anderen. Sollte es Ihnen ebenso ergehen, so möchte ich Sie zu einhundert Prozent entlasten und Ihnen sagen, dass Sie keine Schuld an dieser Dynamik tragen.

Wir müssen uns die Frage stellen, warum diese Menschen trotz aller sichtbaren Regelverletzungen, Unverschämtheiten und Selbstverliebtheit immer noch in der Lage sind, ihre Opfer an sich zu binden. Für mich liegt die Antwort darin:

Psychopathische Charaktere haben die Begabung, in anderen Menschen wie in einem aufgeschlagenen Buch zu lesen. Sie können die tiefsten Sehnsüchte und Bedürfnisse ihres Partners mühelos erfassen und zu ihrem Vorteil nutzen. Und jeder von uns trägt genügend dieser unbefriedigten Sehnsüchte und Bedürfnisse in sich, die ausgenutzt werden können. Wenn eine Beziehung beginnt, dann schleichen sich diese Individuen tief in die Seelen ihrer Opfer und festigen die Illusion, dass sie endlich aus tiefstem Herzen geliebt, erstmals ganzheitlich wahrgenommen werden und ihnen nun die Wertschätzung zukommt, die sie verdienen.

Da wir in einer Gesellschaft leben, in der die meisten darauf ausgerichtet sind, selbst gesehen zu werden anstatt andere zu sehen, selbst zu reden anstatt zuzuhören und lieber selbst im Mittelpunkt zu stehen anstatt andere bitten hervorzutreten, ist es nicht verwunderlich, dass Defizite auch im Erwachsenenalter in uns allen ungestillt bleiben.

Verstärkt wird die Problematik dadurch, dass sich nicht jeder seines emotionalen Mangels bewusst ist. Ich erlebe immer wieder, dass mir Frauen berichten, dass sie gar keine unerfüllten Sehnsüchte in sich trügen, die ausgenutzt werden könnten. Wenn wir uns dann aber mit ihrer Kindheit beschäftigen und ansehen, welchen Stellenwert sie in ihrer Familie eingenommen hatten, spätestens dann kommt die Erkenntnis, dass doch sehr viel Unerfülltes in ihnen schlummert. Schnell fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen, dass das, was ihnen als Kind versagt geblieben ist, heute immer noch fehlt und dass ihr Partner zu Beginn der Beziehung für kurze Zeit diesen Mangel aufgehoben hatte.

Dieser Menschenschlag weiß sehr genau um seine Begabung. Und da Psychopathen von keinen hinderlichen Gewissensbissen eingeschränkt werden, spielen sie ihre Fertigkeiten mit grausamer Berechnung aus. Sie können ihre Partnerinnen bis zur absoluten Verzweiflung erniedrigen und schaffen es dennoch in wenigen Minuten, mit Blicken, einfühlsamer Stimme und anderen Schmeicheleien ihre Sehnsüchte erneut aufzurufen und sie so wieder auf sich zu fixieren.

Ich möchte auch hierzu zwei Betroffenen die Gelegenheit geben, von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten.

Im ersten Bericht wird deutlich, wie wir uns zuweilen selbst im Weg stehen – gerade dann, wenn es um das Spannungsfeld zwischen Vernunft und Gefühlen geht. Andrea war gerne bereit, ihre Erfahrung mit Ihnen zu teilen, um Ihnen in ähnlichen Situationen Mut zu machen, sodass Sie nicht an sich selbst verzweifeln, so wie sie es lange Zeit getan hat.

„Ich bin alleinerziehende Mutter, 38 Jahre alt, und lebe mit meiner Tochter (17 Jahre) und meinem Sohn (14 Jahre) in einem kleinen Häuschen am Stadtrand. Beruflich bin ich in leitender Position in einem großen Unternehmen tätig.

Wenn Sie meine Geschichte lesen, dann denken Sie vielleicht, dass ich nicht ganz zurechnungsfähig bin. Leider haben Sie damit in gewisser Weise recht.

Es fing damit an, dass mich der Chef einer anderen Abteilung in seinen Bereich holte. Anfangs klappte alles wunderbar, ich hatte Erfolg und war bei meinen Kollegen beliebt. Nach einiger Zeit merkte ich allerdings, dass irgendetwas schieflief: Er kritisierte meine Arbeit, unterstellte mir Fehler und nahm mir Aufgabengebiete weg. Hinter vorgehaltener Hand erfuhr ich, dass er mich auch bei der Geschäftsführung in Misskredit brachte.

Eines Tages, bei unserer morgendlichen Besprechung, machte er mich endgültig fertig. Er warf mir vor, durch meine schlampige Arbeit die Abteilung heruntergewirtschaftet zu haben. Dann rief er zwei Kollegen aus seinem engsten Umfeld, die ihm blinden Gehorsam leisteten, hinzu und eröffnete mit ihnen eine regelrechte Treibjagd auf mich. Zeitweise schrien sie alle gleichzeitig auf mich ein und warfen mir die schlimmsten Beleidigungen und Lügen an den Kopf. Ich selbst konnte plötzlich nicht mehr sprechen. Mein Mund war vollkommen ausgetrocknet und mein ganzer Körper erstarrt. Irgendwann gelang es mir, weinend und zitternd den Raum zu verlassen.

Und jetzt kommt es: Eine Minute später kam mein Chef in mein Zimmer, legte seinen Arm um mich und sagte mit wohlwollender und einfühlsamer Stimme, dass er immer für mich da sei. Ich solle die Sache nicht persönlich nehmen, schließlich müsse er als Chef Zeichen setzen, wenn es nicht optimal liefe, damit die anderen wüssten, wo es langgehe.

In diesem Augenblick setzte etwas bei mir aus. Und ich wusste, dass er es wusste. Ich verliebte mich in dieses ekelhafte Scheusal. Ich wusste damals nicht, was die Chemie in meinem Kopf anstellte, dass ich in diesen irrationalen Zustand kam und auch lange darin verharrte. Wahrscheinlich konnte es deshalb geschehen, weil ich emotional so ungeschützt und verletzlich war und mich deshalb gegen diese ‚Herzlichkeit‘ und diese innigen Blicke nicht wehren konnte.

Ich hatte den Eindruck, ohne ihn nicht mehr leben zu können. Dabei gingen die Demütigungen und die Versuche, mich und meine Karriere zu ruinieren, weiter. Gott sei Dank war wenigstens noch ein kleiner Zipfel meines Verstandes intakt. So schaffte ich mit Hilfe des Betriebsrates, dass ich in einen andern Bereich versetzt wurde. Doch das war noch lange keine Befreiung. Ich hasste diesen Menschen einerseits und andererseits schrie unablässig mein Herz nach ihm. Und dieser ambivalenten Gefühle konnte ich nicht mehr Herr werden.

Wenn Frau Mechler sich in dieser Thematik nicht so gut ausgekannt und mich hindurch geführt hätte, weiß ich nicht, ob oder wann ich den inneren Absprung geschafft hätte. Durch ihre Hilfe konnte ich wieder mit kleinen Schritten beginnen, meine beschädigte Persönlichkeit zu stabilisieren.“

Ähnlich ging es auch einer weiteren Klientin:

„Mein Name ist Luisa, ich bin 42 Jahre alt und von Beruf Krankenschwester. Ich war zwei Jahre mit Till, einem durch und durch psychopathischen Mann, liiert. Begonnen hatte das Trauerspiel auf einem Fest meiner Freundin. Es sah so aus, als hätte ich ihm von Anfang an gefallen, denn er war unglaublich charmant und ungeheuer aufmerksam. Kaum hatte ich an meinem Glas genippt, hatte er nachgegossen. Habe ich gesprochen, war er augenblicklich still und hing an meinen Lippen. Nun muss ich vielleicht noch sagen, dass ich geschieden bin und in meiner Ehe nicht wertschätzend behandelt wurde. Deshalb war ich auch besonders anfällig für solche Schmeicheleien.

Gleich am Tag nach unserer ersten Begegnung kam eine SMS, dass er mich unbedingt wiedersehen wolle. Am Tag darauf gestand er mir, dass er an nichts anderes mehr denken konnte als an mich. Am dritten Tag sagte er, dass er mich liebe. Und schon nach einer Woche wollte er bei mir einziehen. Er sagte, dass jeder Tag, den wir beide nicht gemeinsam verbringen könnten, ein verschenkter Tag sei. Heute weiß ich im Rückblick, dass er mich nur deshalb ausgesucht hatte, weil er wieder einen neuen Unterschlupf brauchte, wo er sich aushalten lassen konnte.

Doch damals war ich nur selig, dass ich so begehrenswert war, von diesem tollen und attraktiven Mann geliebt zu werden. So zog er ein. Er hatte nur wenige eigene Möbelstücke, was mich im Nachhinein betrachtet hätte stutzig machen müssen. Die richtete er nach seinem Geschmack in meiner Wohnung ein und stellte dafür meine Sachen in das Gästezimmer, das von dem Moment an nur noch als Rumpelkammer zu gebrauchen war. Und so ging es weiter. Ich habe die Einkäufe erledigt, gekocht, ich habe die Miete gezahlt. Ich habe die Hausarbeit gemacht. Er selbst machte nichts, kam und ging aber dafür, wie es ihm beliebte. Ich hingegen sollte zu Hause sein, wann immer er kam.

Ich bin mir sicher, dass er mindestens eine Frau neben mir hatte, denn ständig bekam er auf dem Handy Nachrichten, die ich nicht lesen durfte. Genau genommen durfte ich mich seinem Handy nicht einmal nähern. Sprach ich ihn darauf an, dass er Geheimnisse habe und dass er mich nur ausnütze, wurde er laut und verletzend oder lachte mich aus, weil ich so armselig wäre und das Wenige, das ich geben könne, noch aufrechnen würde. Er könnte jede Frau haben, die er wollte. Deshalb sollte ich froh sein, dass er überhaupt bleiben würde. In solchen Momenten war ich total am Boden. Ich verlor jede Selbstachtung und lag stundenlang mit Heulkrämpfen im Bett. Ich wusste, dass ich ihn mit Sack und Pack hätte rauswerfen müssen, aber das konnte ich nicht. Bei dem bloßen Gedanken hatte ich schon das Gefühl, als würde ich den Boden unter den Füßen verlieren. Ich war in einem Teufelskreis gefangen. Und er wusste, dass er nichts zu befürchten hatte. Aber trotzdem gab er sich Mühe, mich nach einem Zusammenbruch wieder auf die Reihe zu bringen. Natürlich nicht wegen mir, sondern weil er keine Spannungen wollte und ich wieder funktionieren sollte. Das habe ich aber erst im Nachhinein erkannt. Er ließ sich dann irgendeine List einfallen, um mich wieder umzustimmen und zu verunsichern.

 

Ich wurde zunehmend verwirrter und letztendlich krank. Ich litt unter Panikattacken, Angstzuständen und hatte große Angst, mich selbst zu verlieren. Auch an meinem Arbeitsplatz fiel ich immer öfter aus, was meine Kolleginnen letztlich ausbaden mussten. Ich begann mich für meine Schwäche regelrecht zu hassen, was nicht weniger schmerzhaft war. Erst als ich professionelle Hilfe bekam, lernte ich mich schrittweise zu wehren und ihm seinen ‚Hotelaufenthalt‘ zu kündigen. Notfalls auch mit Polizeigewalt, wie ich ihm versicherte, falls er nicht freiwillig verschwinden würde. Seine Reaktion darauf war überraschend kurz: ‚Gib mir noch zwei Wochen Zeit. Bis dahin habe ich wieder eine andere gefunden, bei der ich unterkommen kann. Dann hast du wieder deine Ruhe.‘ Am besten kann man ihn wohl mit einem Schwarm Wanderheuschrecken vergleichen, der ein ganzes Gebiet verwüstet und ungerührt zum nächsten zieht. Es ist nun drei Monate her, dass ich wieder allein lebe. Und doch bin ich noch immer nicht annähernd gesund. Wer weiß, wie lange ich an den Folgen dieser Beziehung noch leiden werde. Machen Sie es besser, und warten Sie nicht wie ich so lange, bis alles über Ihnen zusammenbricht.“

Selbstverständlich ist jede Geschichte anders. Doch so, wie es diesen beiden Frauen ergangen ist, erleben unzählige andere Menschen die gleichen inneren Widersprüche und entwickeln eine starke Sehnsucht gerade nach jenen Menschen, die sie letztendlich zerstören. So ist das Menschsein eben auch. Deshalb ist es wichtig, zwischen unserer tiefsten Sehnsucht und dem Objekt, auf welches wir sie projizieren, differenzieren zu lernen.

Fazit:

Geben Sie sich keine Schuld an Ihrem Verhalten. Sie sind das Opfer, nicht der Täter. Sie haben dessen Abnormitäten nicht erschaffen. Sie bekommen sie lediglich zu spüren.