Dunkle Geschichten aus dem Alten Österreich

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Pinkafeld bekommt einen neuen Galgen

Diesmal beeilte man sich mit der Verhandlung. Zunächst kamen Josef Koller, Johann Niesner und Joseph Michael Freyberger, die als Deserteure behandelt wurden, in Güns4) vor ein Kriegsgericht. Reumütig sollen sie ihre Verbrechen gestanden haben. Alle drei wurden zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Magistrat hatte schon Vorsorge getroffen und vom Maurermeister Lang einen neuen Galgen entwerfen lassen. Der Platz am Hochgericht wurde feinsäuberlich gekehrt; Pfarrer Weinhofer brachte den Delinquenten die letzte Wegzehrung, die Schuljugend begleitete ihn hingebungsvoll singend und betend. Nach dem Eintreffen der angeblich rund 8.000 „Gäste“ wurde die Hinrichtung schließlich vollzogen.

Am selben Tag, dem 1. August, wurden noch einige Komplizen für schuldig erklärt. Der Pottendorfer Lehrer Franz Eichleutner und der Wirt und Hehler Matthias Krodatsch wurden ebenfalls zum Tode durch den Strang verurteilt. Magdalena Witzelsberger, die Geliebte des „gekrausten Seppl“, sollte durch das Schwert getötet werden. Der Wirt Simon Laschober fasste drei Jahre Arrest aus, seine Geliebte Maria Drawenschak nur eineinhalb Jahre.

Der Holzknechtseppl überlebte seine drei Wegbegleiter um 16 Monate, die er im Gefängnis verbringen musste. Dann war es auch für ihn so weit – die Hinrichtung wurde für den 20. November 1828 angesetzt. Über die Jahre hatte sich ein beträchtliches Register an Straftaten angesammelt, was allein mit der Exekution des Schwerverbrechers gesühnt werden konnte:

Fast nach zweijähriger Kerkerhaft erfolgte 1828 die Hinrichtung des Holzknechtseppls. Seine Verurteilung war erfolgt auf Grund von 14 Raubmorden, 2 Brandlegungen, 54 Rauben, viermaliger Notzucht, 48 Diebstählen, 2 öffentlichen Gewalttätigkeiten, einer feuergefährlichen Handlung. Der Schaden, den er angerichtet, belief sich auf 23.844 Gulden. In den letzten Tagen kehrte er in sich, betete fast ununterbrochen und sah ruhig dem Ende entgegen. Auf dem Weg zur Richtstätte küßte er den wachehabenden Soldaten, dankte für die Mühe und fuhr mit niedergeschlagenen Augen, das Kreuz in den Händen, der Richtstätte zu. Noch im Hinaufziehen auf den Galgen bat er die Anwesenden um Vergebung und mahnte die Jugend, sich an ihm ein abschreckendes Beispiel zu nehmen.

Ohne im mindesten zu zittern oder seine Gesichtsfarbe verändert zu haben, ließ er sich die Hände zusammenbinden und soll einen tiefen Eindruck auf das häufig versammelte Volk hinterlassen haben – der Holzknechtseppl wurde drei Tage lang „ausgesetzt“, das heißt, er wurde zur Schau gestellt.

In Pfarrer Weinhofers Schulbericht ist weiters zu lesen, dass Nikolaus Schmidhofer in seiner Vorbereitung zum Tode wirklich auferbaulich und rührend gewesen sei. Er ließ sich von dem ihm geschenkten Gelde, weiße feine Leinwäsch machen, bethete während der 3 Tägen, als er ausgesetzt war, fast ununterbrochen fort, empfing die hl. Sakramente mit vieler Erbauung, und sah seinem gewaltsamen Ende mit vieler Ruhe entgegen.

Der Pinkafelder Friedhof musste in diesem Jahr um die Hälfte erweitert werden und es kehrte endlich wieder Ruhe ein. Pfarrer Joseph Michael Weinhofer schließt seinen Bericht mit folgenden Betrachtungen:

Lieber Leser!

Du schauderst vor den Greuelthaten, welcher sich diese Unglücklichen schuldig machten, allein, wenn du bedenkest das Wort der ewigen Wahrheit, daß der Sünder, wenn er einmal in die Tiefe seiner Versunkenheit gekommen, alles verachte, wenn du bedenkest, daß gewöhnlich mit dem ersten Schritte zum Laster, schon alle übrigen mitgethan sind, wenn du bedenkest, daß das Böse, das diese Unglücklichen gethan, ich und du eben so gut begehen könnten, wenn wir von den nähmlichen Versuchungen gereitzet, von den nähmlichen Gewohnheiten gefesselt, von den nähmlichen Täuschungen geteuschet würden, so wirst du statt zu schaudern über andere, vielmehr mißtrauisch über dein eigenes Herz werden, und dabey noch preisen die allmächtige Gnade Jesu Christi, die das versunkenste Sünderherz umändern, und in Reue das Felsenherz auflösen kann. Der Schnellgalgen, auf welchen diese Missethäter ihr Leben vor mehr als achttausend Zuschauer schaudervoll endeten, hatte ihnen zur Leiter dienen können, auf welcher sie hinaufstiegen zu dem Gott der Erbarmungen. – Die Welt nennet die unter den Galgen verscharrten, arme Sünder, und wie soll man denn diejenigen nennen, welche vielleicht als größere Verbrecher im Seidengewande, unangefochten auf Gottes Erdboden umher gehen, kein Gebot achten, keinen Gott fürchten, keine Ewigkeit glauben, Ehre und Wohllust nach Fülle genießen, und verschlossen gegen alles Gute und Göttliche am Rande des ewigen Verderbens herumtaumeln? O! dieser Zustand ist elender als der, der Hingerichteten, diese sind nicht nur arme, sondern auch blinde Sünder.

1)

Jenisch: eine Sondersprache der „fahrenden“ Bevölkerungsgruppen

2)

Schöberl: gebackene Suppeneinlage

3)

Volkstümlicher Ausdruck für Klappmesser

4)

Güns/​Köszeg: ungarische Kleinstadt


Darstellung des Mordes an Magdalena Angerer auf dem Herzlfresser-Marterl in Kindberg

DER HERZLFRESSER

Eine grausame Mordserie aus dem Mürztal

Als Joseph II. 1787 die Todesstrafe gänzlich abschaffen ließ, war die Habsburgermonarchie einer der ersten Staaten der Welt, in denen das der Fall war. Für Paul Reininger, den Serienmörder von Kindberg, kam diese Rechtsreform allerdings zu spät. Nicht nur die Folter, schönfärberisch als „peinliche Befragung“ tituliert, sondern auch der für seine ungemein grausamen Verbrechen verhängte Strafvollzug wären ein Jahr später Geschichte gewesen.

Die Taten Reiningers sind in Sagen erhalten geblieben, weshalb auch einer der Wege in der zum Wandern einladenden Landschaft rund um Kindberg noch an sie erinnert.

Wanderer kommst du nach Kindberg …

Für den Besucher der Gegend am eindrucksvollsten ist wohl der Herzogberg im Mürztal. Von Kindberg aus führt der Weg vorbei am Schloss Oberkindberg, ein um 1680 vom Grafen Inzaghi als zweigeschoßiger Dreiflügelbau mit vier Ecktürmen in Auftrag gegebener eindrucksvoller Barockbau. Danach geht man eine ansteigende Straße hinauf und gelangt nach ungefähr 20 Minuten auf einen Hohlweg, der oben auf der Kreutzerwiese rechts abzweigt. Der Weg wird nun immer steiler und führt hinauf bis zu einem aufgelassenen Bauernhof, dem ehemaligen Grüblbauern. Der Steig trägt einen ungewöhnlichen Namen, der nichts Gutes ahnen lässt und bei den Ausflüglern sofortiges Interesse erweckt: Es handelt sich um den „Herzlfresserweg“. Wo der Hohlweg dann wieder flacher wird, öffnet sich eine Lichtung, auf der die Kindberger ein Marterl aufgestellt haben, das an eine grauenhafte Begebenheit aus dem 18. Jahrhundert gemahnt. Auf dem „Herzlfressermarterl“ ist in alter Schrift zu lesen, dass sich in dieser Gegend einst ein Serienmörder herumtrieb, der auf unvorstellbar grausame Weise wütete. Eine wahre Geschichte, die dem Besucher heute noch kalte Schauer über den Rücken laufen lässt.

Aberglaube und Irrsinn

Nach dem österreichischen Wortschatz, der um 1900 zusammengestellt wurde, ist ein Herzenfresser ein Mensch, der Menschenherzen in abergläubischem Wahne isst, schreibt die Germanistin Christa Tuczay. Vor allem in Verbrecherkreisen glaubte man, dass jemand, der einem frisch getöteten Menschen sein noch zuckendes Herz entreißt und Teile davon verspeist, stets Glück im Spiel haben, von Frauen umschwärmt sein, auf der Folter keine Schmerzen spüren und sich vor allem unsichtbar machen können wird. Die Herzen von Jungfrauen würden sich zum Verzehr besonders eignen, wobei eines keineswegs genügen würde. Je nach okkultistischem Hintergrundwissen variierte die notwendige Anzahl zwischen drei und neun. Der finstere Auswuchs des Volksglaubens war auch in der Steiermark lange Zeit weit verbreitet und hat sich derart in das Hirn eines gewissen Paul Reininger eingeprägt, dass dieser regelrecht besessen war von dem Wahn, sieben noch warme Mädchenherzen verschlingen zu müssen, um glücklich im Spielen und Kegelscheiben zu seyn und unsichtbar sein zu können.


Auf dem Weg zum Herzlfressermarterl: Schloss Oberkindberg

Geschafft hat er es nicht ganz. Reininger, der sich in der steirischen Rechtsgeschichte als „Herzlfresser“ einen Namen gemacht hat, konnte nach dem sechsten Mord endlich das Handwerk gelegt werden.

Herangewachsen ist der Serienmörder in der Turnauer Gegend, am Fuße des Hochschwabs. Bereits im Alter von drei Jahren verlor er seinen Vater, einen Mürztaler Hirten, und wurde von der Mutter weggegeben. Er kam zu seinem Taufpaten, doch die Erziehung des Buben oblag den Dienstboten. Früh musste er schon für sich selbst sorgen. Seinen ersten Lebensunterhalt verdiente er als Hirte, mit 13 Jahren kam er in den Dienst eines anderen Bauern. Dann wechselte er laufend seine Arbeitsplätze, weil er es nirgends lange aushielt. Es mangelte ihm ständig an Geld, und er neigte besonders zur Trunksucht. Sein Alkoholismus war es auch, der die letzten Schranken der Moral durchbrach und die Bestie in ihm zu Tage förderte. So wie es auch am 15. Jänner 1786 geschehen ist. Als er nach Kindberg gieng, um dort seine Andacht zu verrichten, vorher aber mit einem Gespann im Wirtshause zwey halbe Wein getrunken, kehrte er nach vollendetem Gottesdienst wieder in das Wirtshaus zurück, wo er mit einem anderen Knechte vier halbe Wein verzehrte, dabey gespielet, und er ungefehr einen Taler verloren. Anschließend torkelte Reininger heimwärts, legte sich, rauschig wie er war, auf eine Wiese und gönnte sich ein Schläfchen. Bei Anbruch der Dämmerung kam ein Mädchen des Weges und weckte den Schlafenden. Es war eine Dienstmagd, die sich erbötig machte, ihn nach Hause zu begleiten, damit er nicht in der Kälte schlafen müsse.

 

Magdalena Angerer, so ihr Name, war zuvor in der Kindberger Kirche beim Gottesdienst gewesen. Nach der Messe war sie mit ihrem Bräutigam im Wirtshaus eingekehrt, dann hatte sie noch schnell eine Schachtel mit ihrem Brautkranz abgeholt und sich auf den Heimweg zur Möstlmühle gemacht. Das war das letzte Mal, dass die junge Frau gesehen wurde. Ihr Verschwinden konnte sich so kurz vor der Hochzeit niemand erklären.

Noch warme Herzen aus der Brust gerissen

Zwei Wochen lang blieb Magdalena Angerer spurlos verschwunden. Am 2. Februar, zu Lichtmess, wurde ein Bauer auf dem Heimweg von der Kirche durch lautstarkes Rabengeschrei irritiert. Neugierig näherte er sich der Tierversammlung, um nachzusehen, was die Aasfresser so aufgestört hatte. Was er dann entdeckte, wird er wohl nie wieder aus seinem Gedächtnis bekommen haben. Vor ihm lag eine entblößte, verstümmelte und schon stark verweste Mädchenleiche mit abgetrenntem rechtem Arm und linkem Fuß, daneben ihr Kopf. Der Oberkörper war vom Bauch bis zum Hals aufgeschnitten, die Eingeweide herausgenommen, doch es fehlte das Herz. Da noch einige Kleidungsstücke herumlagen, erkannte der Bauer sofort, dass es sich bei der fürchterlich zugerichteten Leiche um die seit zwei Wochen vermisste Magdalena Angerer handelte, und erstattete am Landesgericht Wieden bei Kapfenberg Anzeige.


Kindberg um 1830, aus: „Lithografirte Ansichten der Steiermark“, J. F. Kaiser

Es vergingen fünf Wochen, dann wurden von zwei Bauern entscheidende Hinweise zur Aufklärung der Gräueltat erbracht. Paul Reininger, ein Knecht und Kartenspieler, sei der Mörder, waren sich die beiden sicher. An jenem Tag, an dem Magdalena Angerer verschwand, haben sie ihn in einem Gasthaus angetroffen, wo er sehr viel getrunken und sein ganzes Geld verspielt hat, erzählten die Bauern am Gericht. Am Nachmittag wurde Reininger dann an jener Stelle gesehen, wo später die Tote gefunden wurde. Es folgte eine genaue Untersuchung, bei der die Habseligkeiten des Beschuldigten überprüft wurden. Dabei wurden in einer Truhe blutige Kleider der ermordeten Braut, ihr Kranz und die Hälfte eines kleinen menschlichen Herzens gefunden. Zur Rede gestellt, gestand er nicht nur diese Tat, sondern enthüllte gleich die ganze Bandbreite seiner Verbrechen, die er in den letzten sieben Jahren verübt hatte: Paul Reininger hatte sechs Frauen im Alter zwischen 25 und 32 Jahren getötet. Der irre Mörder wurde im Juli 1786 im Schloss Wieden bei Kapfenberg einem peinlichen Verhör unterzogen. Kaltblütig soll er die weiteren fünf Morde geschildert haben.


Blätter zur Geschichte und Heimatkunde der Alpenländer, Beilage zum „Grazer Tagblatt“ vom 29. Jänner 1911

Am Fronleichnamstag 1779 sei er zum ersten Mal mit einem Messer auf eine Dienstmagd losgegangen. Er habe eine gewisse Konstanzia P. in einen Wald gezerrt und konnte sie noch zu einem Liebesspiel überreden, teilte er dem Gericht ungerührt mit. Die Vorwürfe, die sie ihm wegen seiner Trunksucht machte, wollte er sich aber nicht anhören. Nachdem er sie erstochen hatte, bedeckte er ihre Leiche mit Gesträuch und ging nach Hause.

Drei Jahre später verübte er seinen zweiten Mord. Nach einer Tanzunterhaltung erwürgte er ein Badstubenweib, nachdem er wieder einmal sein ganzes Geld verspielt und versoffen hatte. Die paar Gulden, die sie bei sich hatte, steckte er in seine Tasche.

Die nächste grausame Tat, die der Knecht beging, geschah noch im selben Jahr. Wieder war es der Fronleichnamstag und wieder befand er sich in stark alkoholisiertem Zustand. Besonders tragisch war in diesem Falle, dass das Opfer ein erst sieben- oder achtjähriges Mädchen war. Die kleine Elisabeth Leitner traf er beim Schafe- und Ziegenhüten auf einer Wiese an und luchste ihr einen Ziegenbock ab, den er an Ort und Stelle schlachten wollte. Die Kleine fragte nach dem Grund des überstürzten Vorhabens, da packte er sie und stach ihr mit seinem Messer in den Hals. Dann schnitt er dem Mädchen das Herz aus dem Leib und verspeiste es zur Hälfte. Die andere Hälfte des kleinen Herzens wurde Jahre später bei seiner Verhaftung in erwähnter Truhe gefunden. Der Mord an dem Kind ereignete sich nahe dem Weg zum Herzogsberg, welcher später den Namen „Herzlfresserweg“ erhalten sollte.

1783, am 6. November, lockte Reininger laut Gerichtsakten eine unbekannte Weibsperson in den Wald und ermordete sie ihres Geldes willen. Es handelte sich um eine geistesschwache, 50-jährige Bauernmagd, die gerade einmal 45 Kreuzer bei sich hatte. Gleich ein paar Tage darauf amüsierte er sich bei einer Tanzveranstaltung in seinem Heimatort Turnau, wo er der 17-jährigen Barbara Lammer begegnete. Die junge Frau reagierte abweisend auf sein Liebeswerben, und so kam auch sie unters Messer. Ihren malträtierten Leichnam fand man erst nach einem halben Jahr auf einer Weide bei Göriach.

„Ein übernatürlicher Antrieb“

Von den sechs ermordeten Weibspersonen habe Paul Reininger, wie er dem Landesgericht mitteilte, nur zwei Herzen aus dem Leibe geschnitten. Jenes des kleinen Mädchens, das er sich auch zur Hälfte einverleibt habe, und jenes der Braut, vor dem ihm aber so fürchterlich geekelt habe, dass er es wegwerfen musste. Weiters sagte er aus, dass ihn Bosheit und ein übernatürlicher Antrieb an Körpern, so lange welche noch warm zu fühlen gewesen seien, herumzumetzgern zu den Taten getrieben hätten. Seine Aussage schloss der Besessene mit der Einsicht, dass er wohl gewusst habe, wie schwer seine Verbrechen gewesen wären, allein da er Gott verlassen hätte, habe ihn der böse Feind dazu verleitet, denn er habe nichts gebetet, selten gebeichtet, seine Sünden nicht aufrichtig, einen Todschlag aber gar niemals bekennet, und sein Unglück komme von der Hurerei her, welcher er neun Jahre ergeben gewesen wäre. Nach dreitägiger Bedenkzeit stand er nach wie vor zu seinen Worten: Was werde ich zu meiner Entschuldigung sagen? Ich lasse alles Gott dem Allerhöchsten über, was er mit mir machen wird, weil ich wenig gebetet und Gott nicht vor Augen gehabt habe, bin ich in die Dienstbarkeit des Satans verfallen, und hierdurch zu diesen Lastertaten verleitet worden.


Zum Gedenken an eine schaurige Tat: die Weihe des Herzlfresser-Marterls in Kindberg, 1912

Ein beeideter Wundarzt verfasste Mitte April 1786 einen Konstitutions- und Temperamentbefund über den Gewaltverbrecher, der dem Kriminalakt angeschlossen war. Er beschrieb Reininger als einen muskulösen Mann mit schwarzen Haaren und Bart, einem fetten, braunen Körper und starken Gliedmaßen. Ferner soll er weißgraue Augen mit falschem Blicke gehabt haben und dem Anscheine nach furchtsamen Gemüts, ziemlich guter Vernunft, kollerisch sanguinischen Temperaments, zur Wollust und Fröhlichkeit geneigt.

Das Urteil, das über Paul Reininger am 24. April 1786 gefällt wurde, gehörte zum schwersten, das in dieser Zeit verhängt wurde:

Paul Reininger soll wegen an sechs Personen auf die grausamste Art verübten Straßen- und Meuchelmorden an die gewöhnliche Richtstätte geführt, am ersten Viertelweg ihm ein Zwick mit glühender Zange in die rechte Brust, am halben Weg ihm ein Riemen aus der linken Seite am Rücken geschnitten, am dritten Viertel, wiederum ein Zwick in die linke Brust, an der Richtstätte selbst abermals ein Riemen aus der rechten Seite geschnitten, hernach ihm all dort seine Glieder durch den ganzen Leib von unten auf mit dem Rade abgestoßen und also soll er dem Leben zum Tode gerichtet, folgens der Tote in das Rad geflochten und ein Galgen mit herabhängendem Strang aufgerichtet werden.

Kaiser Josef II. änderte die harte Strafe um und verfügte, dass Paul Reininger auf der Richtstätte lediglich gebrandmarkt werde und drei Tage hintereinander 100 Stockstreiche erhalten solle. Dann sei er nach Graz auf den Schlossberg zu überführen und dort lebenslänglich im Gefängnis anzuschmieden. Seine Nahrung dürfe nur aus Wasser und Brot bestehen, außerdem müsse er alle Vierteljahre coram publico 50 Stockstreiche erhalten.

Im Juli 1786 wurde in Kapfenberg die Züchtigungsstrafe an Paul Reininger vollzogen. Als Strafverschärfung wurde er nicht von Gerichtsdienern, sondern vom Scharfrichter selbst geprügelt: Am ersten Tag schrie der Gezüchtigte bis zum 40. Streich. Dreimal musste er gelabt werden. Am zweiten Tag schrie er nicht so heftig, aber am dritten Tag schrie er bis zum neunzigsten Streich ganz erbärmlich, worauf er ohnmächtig wurde und wieder gelabt werden musste.

Weil man erwartete, dass bei dieser Tortur der Delinquent zu Tode kommen würde, stand sicherheitshalber gleich ein Geistlicher bereit, der den armen Sünder in seiner letzten Stunde mit den Tröstungen der Religion speisen sollte. Doch Reininger überlebte.

Am 12. August 1786 traf er unter einem großen Zulaufe des Volkes auf dem Grazer Schlossberge ein, wo er nach denen in drei Monaten ausgehaltenen 400 Stockstreichen am 11. November 1786 seinen mörderischen Geist aufgab, wie es der Schriftsteller und Gründer des Heimatmuseum Mürzzuschlag, Franz Josef Böhm, in seiner Niederschrift zum Fall „Herzensfresser“ ausdrückte, die wiederum auf die vom Landesgerichtsverwalter Cajetan Wanggo 1816 verfassten Notizen basiert. Und weiter heißt es: Möchte diese Geschichte zugleich auch jeden Abergläubigen die Binde von der Stirne lösen, und von diesem scheußlichen Ungeheuer mit Schauder zurücktreten machen.

Auch heute noch steht das 1912 entstandene und mittlerweile mehrfach restaurierte Marterl am Herzlfresserweg auf das Troiseck nach Turnau an der Mordsstelle der unglücklichen Braut Magdalena, wie damals Fritz Oberndorfer, Regierungsrat aus Graz, schrieb. Die mit Farbe und Pinsel dargestellte Mordsszene zeigt mit folgendem Hinweis auf die Tatgeschichte:

Herzlfresser-Marterl

Herzlfresserweg wird hier genannt

Der Platz von alters her bekannt,

Wo im siebzehnhundertsechsundachtziger Jahr

Eine große Mordtat geschehen war.

Knecht Paul Reininger vom Aberglauben toll besessen,

Der lebte in dem Wahn –

Daß er sich unsichtbar machen kann,

Wenn er sieben Menschenherzen hätt’ gegessen.

Eine Bauernmagd, o großer Gott!

Die stach der Wüterich hier zu Tod

Und riß dann voller Wut und Freud

Das Herz dem Opfer aus dem Leib.

Sechs Menschen mußten unter seinen Händen

So grauenvoll ihr Leben enden.

 

Bis endlich kam auch dann der Tag,

Daß gefesselt er im Kerker lag.

Am Grazer Schloßberg in grimmiger

Haft Hat ihn der Tod hinweggerafft.

Zum Andenken an jene Tat,

Von der der Platz den Namen hat,

Stand hier dies Kreuz seit alter Zeit.