Sicher als Frau. Kompakt-Ratgeber

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Sicher als Frau. Kompakt-Ratgeber
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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Barbara Reik

Sicher als Frau

So schützen Sie sich vor Übergriffen

Kompakt-Ratgeber

E-Book (epub): ISBN 978-3-86374-301-7

(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-299-7, 1. Auflage 2016)

Mankau Verlag GmbH

Postfach 13 22, D-82413 Murnau a. Staffelsee

Im Netz: www.mankau-verlag.de

Internetforum: www.mankau-verlag.de/forum

Redaktion: Julia Feldbaum, Augsburg

Endkorrektorat: Susanne Langer M. A., Traunstein

Cover/Umschlag: Andrea Barth, Guter Punkt GmbH & Co. KG, München

Satz und Gestaltung: Lydia Kühn, Aix-en-Provence, Frankreich

Layout: X-Design, München

Energ. Beratung: Gerhard Albustin, Raum & Form, Winhöring

Abbildungen/Fotos: Syda Productions - shutterstock (1); Colourbox.de (4, (5o, (8/9,12, 16,17, 43, 47, 51, 56, 57, 102, 116, 118, 121); pix4U - Fotolia.com (5u, 98/99); Alekss - Fotolia.com (6/7); Barbara Reik (22, 53, 94, 95); Lena Sommer, Augsburg (23, 25–27, 29, 30, 33, 64–68, 72–74, 76, 77, 80, 83); Smileus - Fotolia.com (41); gkrphoto - Fotolia.com (50); Oliver Preißner - Fotolia.com (54); fotopro - Fotolia.com (78); Jacob Lund - Fotolia.com (79); Adam Opel AG, Rüsselsheim (84); kasto - Fotolia.com (91); Photographee.eu - Fotolia.com (94); britta60 - Fotolia.com (105); Kzenon - Fotolia.com (108); pixelrobot - Fotolia.com (113); M.studio - Fotolia.com (123); beeboys - Fotolia.com (124)

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Hinweis für die Leser:

Die Autorin hat bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Verlag und Autorin können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch vorgestellten Inhalte ergeben.

Vorwort

Dieses Buch will nicht gegen etwas sein: gegen Gewalt oder gegen Angst.

Es will für etwas sein: für Sicherheit und Lebensfreude. Das klingt bei so einem sensiblen Thema recht eigenartig – aber nur so lässt sich Aggression vermindern oder verhindern.

Keine Sorge, ich male jetzt keine heile Welt für Sie. Denn heil ist an Gewaltaktionen gar nichts. Sie verändern unser Leben negativ, wenn wir es nicht schaffen, die Spirale aus Aggression und Wut zu durchbrechen.

Der beste Weg aus der Gewalt ist, sie nicht zuzulassen, ihr aus dem Weg zu gehen. Wenn dies nicht möglich ist, dann ist es wichtig, gut darauf vorbereitet zu sein.

Auch wenn sie geschehen ist, geht das Leben weiter, und es soll gut weitergehen.

Also sorgen wir dafür!

Ihre Barbara Reik

Inhalt

Vorwort

Eine Widmung

DAVOR – Was kann ich präventiv tun?

Was ist Sicherheit?

Die Sicherheit von Frauen

Selbstsicherheit

Checkliste – Selbstwahrnehmung

Was verstehen wir unter Angst?

»Angst essen Seele auf …«

Angst vor dem großen Unbekannten

Wenn es schon einmal passiert ist

Übungen für Körper und Seele

Innere Ruhe finden

Vorübung: Sicherer Stand

Übung 1: Den Atem beruhigen

Übung 2: Ruhig werden und Kraft tanken

Übung 3: Das Schlechte wegboxen und Gutes herholen

Übung 4: Mit den Füßen treten Die ultimative Anti-Stress-Übung: Die liegende Acht

Checkliste – Körperübungen

Fingergriffe

Wissen kontra Panik

Anmache und angedrohte Vergewaltigung

Vergewaltigung und Gewaltdemonstration

Wissen ist Macht

Von Frau zu Frau

Katrins Anti-Panik-Tipps

Prävention – ein wichtiges Thema

Beweglichkeit und Fitness

Selbstverteidigungskurse

Die Körpersprache

Ihre Stimme

Wichtige Hilfsmittel

Checkliste – Handtasche u .Auto

Checkliste – Prävention für den Fall der Fälle

Checkliste – Hilfe aus dem Arzneischrank

 

DER AKUTFALL – Was tun, wenn etwas passiert?

Hilfreiche Abwehrtechniken

Sich mit Worten wehren

Sich körperlich wehren

Der Wechsel vom Stand zum Boden

Abwehr am Boden

Mit dem Rücken an der Wand

Ein Angriff von hinten

Angriff durch mehrere Personen

Angriff auf Wertsachen

Gewalttätiger Angriff mit Waffen

Übergriffe im häuslichen Umfeld

Ausweichen oder aus dem Weg gehen

Ausnahme: im Auto

Checklisten im Akutfall

Checkliste – Den Anfängen wehren

Checkliste – Abwehr

Der sichere Weg

Bei Nacht

Unterwegs zu Fuß

Unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Checkliste – Sicher zu Fuß

Checkliste – Wenn es ungemütlich wird

Checkliste – Wenn es brenzlig wird

Checkliste – Sicher im öffentlichen Verkehrsmittel

Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Angst

Checkliste – Vermeidung

DANACH – Wie kann ich mir helfen lassen?

Es ist passiert

Ein Netzwerk hilft

Zeuge eines Übergriffes

Polizei? Ja oder Nein danke?

Haben Sie Vertrauen

Hier bekommen Sie Hilfe

Der WEISSE RING e. V

TelefonSeelsorge

Muslimisches Seelsorge-Telefon

Weitere Wichtige Telefonnummern

Checkliste – Telefonnummern

Ihr gutes Recht

Was kommt dann? Der Alltag!

Übung: Wegpacken, loslassen und frei werden

Übung: Löschen der Festplatte

Ein Gedanke zum Angreifer

Danke

Register


»Tochter,

ich war

kein Held.«

Eine Widmung

Mein Vater erzählte mir oft, dass er in brenzligen Situationen während des Zweiten Weltkrieges, bei Partisanen- und Strafgefangenenüberfällen, immer das Glück hatte, entscheiden zu können: »Möchte ich wie ein Held kämpfen und Gefahr laufen, diesen Kampf zu verlieren, oder ganz einfach mein Leben retten – also davonlaufen? Ich habe mich immer für das Leben entschieden.«

Das Buch, das Sie gerade in Händen halten, widme ich meinem Vater Rudolf Uhlig, ohne dessen Lebenseinstellung es nicht von mir geschrieben worden wäre – weil es höchstwahrscheinlich mich nicht geben würde.

Er starb als zufriedener Mann im Alter von 94 Jahren.


DAVOR –

Was kann ich präventiv tun?

Was ist Sicherheit?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Jeder Mensch hat seine ganz eigene, seine ganz individuelle Vorstellung von Sicherheit. Aber für alle Menschen ist Sicherheit ein tiefes Grundbedürfnis.

ZITAT

Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Früchte derselben zu genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.

Alexander von Humboldt

Das Wort Sicherheit kommt vom Lateinischen »securus« und bedeutet so viel wie »sorglos« oder »gefahrenfrei«. Es beschreibt den Zustand des Geschütztseins vor Gefahr und Schaden. Oder auch das höchstmögliche Freisein von Gefahren. Da wir alle ja aus dem Gefühl des Angenommenseins, aus der Wärme und der Sicherheit des Mutterleibs kommen, kennen wir dieses Gefühl der Geborgenheit und wollen es im Leben »außerhalb« wieder spüren – ja, wir brauchen es, um innerlich ruhig und stabil durchs Leben zu gehen.

Für unsere Sicherheit wurde in der Vergangenheit und wird heute auch noch viel getan: die eigene Familie, verschiedene Institutionen, unser Staat, die diversen Versicherungen, alle sind um unsere Sicherheit bemüht.

Die Sicherheit von Frauen

Generationen von Frauen und auch Männern haben dafür gekämpft. So können wir Frauen der westlichen Welt uns in der Regel sicher im Alltag bewegen. Wir haben die Freiheit, dorthin zu gehen, wo wir hinwollen, und wann wir es wollen. Wir können das allein und eigenverantwortlich tun. Das ist noch nicht allzu lange möglich, aber wir haben es geschafft.

Nun hat sich in der letzten Zeit eine allgemeine Unsicherheit verbreitet, die auch durch die Medien unterstützt wird. Wir lesen von körperlichen Übergriffen auf Frauen. Das ist nichts Neues. Schon immer gab es Übergriffe auf das weibliche Geschlecht. »Verflucht sei, wer Frauen Leid zufügt, denn dies ist weder männlich noch gut«, schrieb vor über 800 Jahren Hartmann von der Aue. Wir Frauen dachten uns im 21. Jahrhundert in der Entwicklung von Freiheit und Sicherheit schon etwas weiter, und nun werden wir erneut mit alten Überzeugungen konfrontiert: die Frau als minderwertiges Geschöpf, mit dem der Mann machen kann, was er will. Dabei spielen bei einer körperlichen Attacke auf eine Frau weder die Herkunft noch die Religion, noch das Alter des Angreifers eine Rolle. Ein solcher Angriff verletzt Körper und Seele eines Menschen und ist nicht zu akzeptieren.

Eine gute Idee, wie wir zu mehr Sicherheit kommen können, stammt von Herbert Spencer: »Die tiefste Sicherheit einer Gesellschaft hängt von der Natur und dem Verhalten ihrer Bürger ab.«

Fangen wir Frauen also an, an unserem Verhalten zu arbeiten, denn dies ist einfacher und Erfolg versprechen der, als auf das gute Verhalten anderer zu hoffen. Je mehr Menschen an ihrer eigenen Sicherheit arbeiten und je mehr an sich selbst und ihre Kraft glauben, desto sicherer und freier wird unser Umfeld. Denn dann können Sie:

im Ernstfall mit Hilfe rechnen und nicht mit Ignoranz und dem typischen »Wegsehen«,

einem Konflikt aus dem Weg gehen – ohne das Gefühl zu haben, Verlierer und schwach zu sein,

nach einem körperlichen Angriff wieder am Leben teilnehmen – und sich nicht aus Angst und Selbstzweifel vom Leben abschotten.

INFO

VERLASSEN SIE SICH AUF SICH!


Was ganz wichtig ist:

Sie werden durch Ihr selbstsicheres Verhalten Stärke und Stabilität vermitteln und keine Aggression hervorrufen, denn Sie wirken ohne große Worte mit einem gesunden Selbstvertrauen beruhigend und friedvoll.

Selbstsicherheit

Wenn wir uns rundum sicher fühlen, dann sind wir »selbst-sicher«. Nun stellt sich die Frage: Wie komme ich in diesen Zustand? Wie werde ich selbstsicher? Selbstsicherheit setzt ein gutes Selbstbewusstsein voraus.

Das heißt: Ich muss mir erst meiner selbst bewusst sein! Dieses Selbstbewusstsein ist nicht angeboren, sondern hat sich von Kindheit an entwickelt und bildet sich auch noch im Erwachsenenalter weiter aus, wenn Sie es wollen und offen für Veränderung sind. Das ist die gute Nachricht. Denn im Laufe des Lebens können Verletzungen, Gewalt, Angst und Enttäuschungen dem Selbstbewusstsein zusetzen, es sogar in Unsicherheit und Ängstlichkeit umwandeln. Das ist die schlechte Nachricht.

Um mir meiner selbst bewusst sein zu können, muss ich erst einmal wissen, wer ich bin. Dazu brauche ich Selbsterfahrung. Ich muss erfahren, wer ich und wie ich bin. Körperlich ist das relativ einfach: Ob ich groß, klein, dick oder dünn bin, das sagt mir der Spiegel. Wenn ich mit meinem Spiegelbild zufrieden bin, dann ist mein Selbstwertgefühl gut. Wenn nicht, dann ist dies kein Beinbruch, nichts Endgültiges, denn ich kann – zumindest in Maßen – daran arbeiten. Am Bild, also an meinem Aussehen oder an meiner Einstellung zu mir, an meiner Selbstwahrnehmung (siehe Checkliste, Seite 15).

Mich »selbst zu erfahren«, meine Einstellung mir selbst gegenüber weiterzuentwickeln – das, was ich mir wert bin und wie ich mich empfinde –, kann Spaß machen.

Ich lerne mich kennen, wenn ich die Erfahrung mache,

wie ich mich fühle, wenn es mir gut geht, wenn ich meine Lieblingsspeise genieße oder mit Freunden unterwegs bin. Es kann aber ebenso wehtun, denn es ist wichtig, auch Gefühle wie Trauer, Wut, Neid oder Angst zu spüren und zu erfahren. Sie nicht zu ignorieren oder unter den Teppich zu kehren, sondern sie anzuschauen und wahrzunehmen. Nur so kann ich erfahren, wer und wie ich bin. Wenn ich die Erfahrung gemacht habe, wie ich in schwierigen Situationen reagiere, dann fällt eine gute Portion Unsicherheit von mir ab, und ich werde sicher: selbstsicher. Personen oder Dingen, die ich kenne und die mir Sicherheit geben, kann ich vertrauen. Ergo: Ich kann mir jetzt, wo ich mich kenne und mir meiner selbst sicher bin, auch selbst vertrauen. Ich habe Selbstvertrauen.

 

INFO

… UND DAS LEBEN WIRD LEICHTER .

Sie nehmen sich nicht mehr jedes böse Wort zu Herzen, können eine Beleidigung überhören und auf Aggressionen gelassen reagieren: Sie vertrauen auf sich und sind sich Ihrer selbst bewusst. Somit ist die Meinung der anderen nur noch deren Meinung und nicht die Ihre!

So können Sie sich rundum wohl und sicher fühlen – eben »selbstsicher«.

Checkliste – Selbstwahrnehmung

Trainieren Sie Ihre Selbstsicherheit und Ihr Selbstwertgefühl, leben Sie Ihre Talente, und tragen Sie hier in die Liste selbst ein, was Ihnen wichtig ist. Machen Sie sich Ihre Stärken und die Gründe, Ihr Leben in vollen Zügen genießen zu können, bewusst. Nehmen Sie sich auch Zeit für Ihre »ungeliebten Emotionen«. Und ganz wichtig: Üben Sie, das zu tun, was für SIE richtig ist – nicht für die anderen.

Zum Beispiel:

Ich male wunderschön und kann toll Geige spielen.

Ich kleide mich sehr geschmackvoll.

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Vielleicht möchten Sie auch einfach Ihre Gefühle leben:

Ich bin voller Mitgefühl.

Ich bin großzügig.

Ich genieße die Wertschätzung meiner Freunde.

Ich sage Ja, wenn ich Ja meine, und Nein, wenn ich Nein meine.

Ich nehme Gefühle wie Angst, Wut oder Trauer an und finde einen Weg aus dieser belastenden Emotion.

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Sprechen Sie über Ihre Gefühle und Bedürfnisse, Sie sprechen ja auch über Ihre Arbeit und Ihren Schnupfen!

Was verstehen wir unter Angst?


»Rechtzeitige und vorsorgliche Angst ist die Mutter der Sicherheit.« Eduard Burke

Angst ist ein sogenanntes Grundgefühl, das jedes Säugetier kennt, nicht aber Reptilien. Der Grund dafür ist, dass dieses Gefühl der Angst in einem Bereich des Gehirns verarbeitet wird, der in der Entwicklungsgeschichte erst bei den Säugetieren entstanden ist: dem limbischen System. Die Funktion der Angst besteht darin, das Überleben zu sichern, indem sie frühzeitig vor Gefahren warnt. Ist »Angst« aktiviert, dann werden die sogenannten Stresshormone ausgeschüttet: Man ist wachsamer, und der Körper wird entweder auf »Flucht« oder auf »Totstellen« vorbereitet. Im Falle einer Flucht wird z. B. die Sauerstoffversorgung verbessert, indem der Herzschlag und der Blutdruck erhöht werden. Im anderen Fall fährt das ganze System herunter, die Atmung wird flach und der Blutdruck sinkt ab, wenn der Körper auf diese Weise in den »Totstell-Modus« gebracht werden soll. Das Totstellen bringt uns für unser heutiges Leben nicht viel. Nicht mal mehr dem Igel, der diese Praxis perfektioniert hat, indem er sich bei Gefahr zusammenrollt und den Angreifer mit seinen Stacheln sticht – aber mit dieser Aktion leider keinen Autoreifen davon abhalten kann, ihn zu überrollen.


INFO

WAS ANGST TUT …

Wenn es uns nicht gelingt, aus diesem Alarmzustand herauszukommen, ergreift das Gehirn Anpassungsmaßnahmen, wie z. B. eine eingeengte Wahrnehmung, um uns vor weiteren Reizen zu schützen. Oder das Gehirn schottet die Angstgefühle ab, sodass diese nicht mehr bewusst wahrgenommen werden können. Beide Maßnahmen führen jedoch dazu, dass die Bereitschaft, auf angstauslö-sende Reize zu reagieren, erhöht wird. Die Angst ist somit im Körper gespeichert und verändert unbewusst unser Verhalten.

Hat man sich dann in Sicherheit gebracht, und das limbische System erkennt, dass die Gefahr vorbei ist, dann beruhigt es sich, und alle Körpersysteme erhalten das Signal, in den »Normalzustand« zurückzukehren. Wir Menschen müssen jedoch oft Ängste ausstehen, ohne die Möglichkeit zu haben, davonzulaufen oder uns tot zu stellen. Das führt dazu, dass das limbische System den Körper in einen Daueralarmzustand versetzt. Dann kann sich die Angst verselbstständigen und ohne aktuell realen Grund weiterhin vorhanden sein. Gleichzeitig können dann auch verschiedene Regulationssysteme, wie eben der Blutdruck, dauerhaft aktiviert sein.

»Angst essen Seele auf …«

… heißt der wohl bekannteste Film von Rainer Werner Fassbinder. Lassen wir es nicht so weit kommen, denn Angst ist keine Schwäche – nur zu viel Angst macht schwach! Da wir nun wissen, wofür sie gut ist und weshalb sie uns schaden kann, schauen wir unsere eigene Angst einmal an. Ist es die Angst vor etwas Unbekanntem, oder habe ich Angst vor etwas, das ich kenne und wovor ich mich konkret fürchte, weil ich die Auswirkungen auf mein ganz individuelles Leben kenne?

Angst vor dem großen Unbekannten

Von dieser Angst höre ich vor allem in meinen Abendkursen. Verunsichert durch Presseberichte, Erzählungen von Bekannten und mangelnder Selbstsicherheit, läuft bei vielen Frauen täglich ein energiefressendes Kopfkino ab. Sie stellen sich vor, wo, was und wie es passieren könnte. Tatorte für angsteinflößende Situationen wie gewalttätige Übergriffe gibt es viele: im Parkhaus, auf der Straße, im Park, in einer Seitengasse, auf einem dunklen Parkplatz … Und sicher fallen Ihnen im Augenblick noch viele andere »gefährliche« Orte ein. Je länger Sie darüber nachdenken, desto mehr werden es. Wenn Sie dann noch die Art und Weise eines möglichen Angriffs bedenken, dann kann dies bereits zu Schweißausbrüchen, Zittern, Schlafstörungen und vielen anderen Unpässlichkeiten führen. Sie merken, wie sehr schon allein diese Gedanken an Ihrer Kraft zehren. Ohne, dass Ihnen wirklich etwas passiert ist. Vielleicht möchten Sie aus lauter Angst eines Tages gar nicht mehr aus dem Haus gehen und verzichten auf alles, was man so gemeinhin »Lebensfreude« nennt.

Begleiten Sie mich nun auf einem anderen Weg zum gleichen Kopfkino. Sie stellen sich vor, wo Sie gerne wären, in welchem Park es Ihnen besonders gut gefällt, was für ein Traumauto Sie auf einem Parkplatz abstellen möchten, in welcher engen Gasse Sie ein ganz entzückendes kleines Geschäft mit lauter Lieblingssachen finden könnten und in welcher sternenklaren Nacht Sie mal ein besonders kuscheliges Erlebnis mit einem Freund hatten …

Und wie geht es Ihnen jetzt? Zehren diese Gedanken auch an Ihrer Kraft? Sicher nicht.

Sie sehen, ein Großteil Ihrer Angst spielt sich in Ihrem Kopf ab, nur weil etwas sein könnte, das nicht sein muss. Und von diesem »Vielleicht« lassen Sie sich bitte nicht mehr kaputt machen. Gehen Sie wachsam durch Ihr Leben, und bereiten Sie sich aus der Distanz heraus auf Unangenehmes vor. Verabreden Sie sich mit einer Freundin, wenn Sie sich allein unsicher fühlen, achten Sie auf die Passanten, die Ihnen begegnen. Lassen Sie sich bei der Polizei beraten, wo es in Ihrer Stadt am sichersten ist. Erstellen Sie sich Ihr persönliches Sicherheits-Programm: mithilfe dieses Ratgebers, mit Übungen, mit Checklisten und Telefonnummern. Oder holen Sie sich professionelle Hilfe.

Wenn es schon einmal passiert ist …

… dann ist Ihre Angst sehr real, denn dann wissen Sie, was auf Sie zukommen kann. Was passiert ist, hat schlimme Auswirkungen hinterlassen. Nun lauert keine diffuse Vorstellung in der Dunkelheit, sondern das Wissen um die Realität – um das, was kommen kann. Diese Angst lähmt oder macht aggressiv. Das ist schlimm.

Denn Sie wurden aus Ihrer Sicherheit, aus Ihrem Vertrauen ins Leben gerissen!

Wichtig ist, es geschah! Die Tat liegt in der Vergangenheit! Sie darf keinen derart belastenden Einfluss mehr auf Ihr heutiges Denken und Fühlen haben! Lassen Sie diese alte Geschichte los. Sie müssen sie nicht mit sich herumtragen und sich damit belasten. Sicher haben Sie sich mit dem Geschehen bereits auseinandergesetzt – wenn nicht, wird es höchste Zeit dafür.

Zum Glück gibt es mehrere Möglichkeiten, aus dieser Angst herauszukommen. Ganz wichtig: Nehmen Sie Hilfe an!

Von Seite 110 bis Seite 117 finden Sie eine Auswahl an Möglichkeiten und Kontaktadressen.

Denken Sie daran: Es ist nie zu spät, sich helfen zu lassen. Egal, wie lange der Übergriff her ist. Egal, wie lange Sie schon unter Angstzuständen leiden, egal, wie sehr Sie sich verändert haben: Es gibt einen Weg zurück ins Leben, ein Leben in Freude und Vertrauen. Das können Sie mir getrost glauben. Denn auch ich habe ihn gefunden und bin ihn gegangen. Also: Beginnen Sie noch heute, Ihre Festplatte zu löschen.

INFO

EIN DANK AN DIE ANGST …

Gut, dass es so ein ausgeklügeltes Frühwarnsystem wie die Angst gibt. Ein System, das uns auf mögliche Unbill aufmerksam macht. Damit wir dieses zu unserer Sicherheit einsetzen können, trainieren wir unser Selbstbewusstsein und unser Körpergefühl, um dann sicher zu spüren: Hier fühle ich mich unwohl, oder dieser Mensch berührt mich unangenehm. Nun sind wir selbstbewusst genug, um wegzugehen und diesen Menschen einfach stehen zu lassen.

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