Noch so eine Weihnachtsgeschichte

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Barbara E. Euler

Noch so eine Weihnachtsgeschichte

Kurzkrimi

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Noch so eine Weihnachtsgeschichte

Impressum neobooks

Noch so eine Weihnachtsgeschichte

Barbara E. Euler

Heiligabend in einer namenlosen amerikanischen Kleinstadt.

Jack merkte nicht gleich, dass jemand an seinem Mantel zupfte. Der zugige Wind hetzte Schneefetzen um die Blocks; schon stäubte es weiß über den dreckigen Gehweg, dass die Passanten im Drüberhasten Spuren hinterließen – etwas, das bleibt, dachte Jack, wie er so mit gesenktem Kopf durch die Menge stapfte, ein wenig zögerlich, ein wenig zornig, wie immer. Das verdammte Bein.

Jellas Massage hatte gut getan. Die warmen Hände, das warme Öl, das sich noch immer an seine Haut schmiegte; die sachte Musik. Die Kerzen. Klar war das keine Medizin. Klar war Jella kein Ärztin. Jack biss sich auf die Lippen, weil der Schmerz schon wieder zurückkam.

So würde er die Sache nie vergessen können.

Ärzte waren teuer. Pillen auch. Jella machte das umsonst. Also das. Da waren andere Sachen, die sie nicht umsonst machte und mit denen sie das hier finanzierte. So war das eben. Jack dachte an die Praxis am anderen Ende der Stadt, wo echte Ärzte Sonderschichten für Mittellose schoben. Für uns Hungerleider, dachte Jack bitter. Wenn es zu arg wurde, ging er, vielmehr hinkte er dorthin. Sie waren nett da und machten alles, was normale Ärzte auch machten, aber er wollte kein Bittsteller sein. Bei Jella fühlte er sich nicht so.

Jack sog die Dezemberluft ein, die nach Diesel roch und nach den Kohlefeuern der Straßenhändler und nach Schnee. Seine Stadt. Er würde sie aus allen Städten der Welt herausriechen können. Jack blies in die Flocken. Mehr gab es nicht zu sagen über diese Stadt.

Bis auf diese Sache.

Nur einmal war seine Stadt in den Schlagzeilen gewesen und es war eine sehr hässliche Sache gewesen und er mittendrin. Jack lief schneller und grub die Fäuste in die Manteltaschen. Bis zu jenem Tag war er ein Musterbulle gewesen. Er hatte das alles zu vergessen versucht, aber das verdammte Bein hinderte ihn daran.

„Ja-ack“, sagte eine dünne, aber unverkennbare Stimme hinter ihm. Jetzt gewahrte er auch das Zupfen, das heftiger geworden war. Er blieb stehen. „Cathy“, sagte er und drehte sich zu ihr herum.

Cathy war seine Freundin. Also eine Freundin. Zwei Jahre hatte er wie sie auf der Straße gelebt. Er hatte den Absprung geschafft und sie nicht, aber das war nichts, das sie trennte. „Der Professor ist tot“, fiepte Cathy gegen seinen Mantel. Cathy war sehr klein. Dünn war sie auch und er hatte nie herausbekommen, wie alt sie war. Irgendwas zwischen 15 und 50, so ungefähr.

„Was?“ Jack fühlte, wie die Kälte aus den dreckigen Pflastersteinen durch die dünnen Schuhsohlen kroch, von keiner Schneeschicht gebremst.

„Die haben den totgemacht“, krächzte Cathy. Jack legte seine Hände auf ihre spitzigen Schultern, die durch den flusigen Plüschumhang piekten, den sie trug. Er hätte sich jetzt gerne zu ihr gehockt, aber das verdammte Bein hinderte ihn daran. „Cathy“, sagte er sanft. „Was redest Du da?“ Er war es gewohnt, dass sie komische Dinge sagte. Es störte ihn nicht und er verstand sie trotzdem, meistens, jedenfalls. Das war immer eins der Dinge gewesen, das sie verband.

Er erschrak, als die kleine Frau seine Hände wegschlug. „Sie haben den totgemacht“, beharrte sie und er folgte ergeben, als sie ihn jetzt an einem Mantelzipfel durch den Hausgang in einen dunklen Hinterhof zog.

Jack blinzelte in die Dunkelheit. Er kannte das Setting noch. Da hinten war seine Ecke gewesen. Gleich neben dem Professor. Niemand wusste, ob er ein Professor war, aber alle nannten ihn so. Er nannte sich selbst auch so. Er war immer ziemlich klug gewesen. Aber jetzt war er tot, also vielleicht.

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