The Wrong/Right Man

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Ich wippe mit dem Fuß hin und her, während sich der Fahrer des Taxis, das mich zu meinem Blinddate bringen soll, durch den Verkehr kämpft. Nach meiner ersten Arbeitswoche ist Ausgehen nicht gerade das, wonach mir der Sinn steht. Maggie hat mich jedoch heute Morgen angerufen, um sicherzugehen, dass ich mein Date noch immer am Plan habe, und ich konnte es ihr nicht abschlagen.

»Es ist ja nur auf einen Kaffee.«

»Was?«, fragt der Fahrer, und ich schüttle den Kopf.

»Entschuldigen Sie, ich habe nur mit mir selbst gesprochen.« Ich sehe auf mein Handy. Zu spät zu kommen und zugleich auch noch hungrig und erschöpft zu sein, sorgt dafür, dass ich mich viel angespannter fühle, als es normalerweise der Fall wäre. Meine erste Woche bei IMG war toll, aber ich hatte unendlich viel zu lernen, und das hat mir mitunter den Schlaf geraubt.

Darüber hinaus muss ich mich daran gewöhnen, wieder allein zu leben. Ich liebe es, mein eigenes Zuhause und ein eigenes Bett zu haben, aber ich vermisse es, mich am Ende des Tages mit jemandem austauschen zu können.

»Verdammt.« Der Fahrer tritt so heftig auf die Bremse, dass ich nach vorn rutsche und mich mit der Hand an der Zwischenscheibe abstützen muss, um mir nicht den Kopf anzuschlagen. Ich lehne mich wieder auf der Rückbank zurück und erkenne durch die Windschutzscheibe, dass vor uns zwei Autos zusammengestoßen sind und beide Fahrspuren blockieren. Der Fahrer rollt das Fenster auf seiner Seite hinunter, streckt den Kopf nach draußen und wedelt aufgebracht mit der Hand. »Ihr Idioten, macht gefälligst die Straße frei.«

»Fick dich. Fahr doch drum rum!«, brüllt ein massiger Typ, der aussieht, als würde er kleine Kinder zum Frühstück verspeisen, und macht eine rüde Geste in Richtung des Taxifahrers.

»Ich kann nicht drum rumfahren. Niemand kann das!«, schnauzt mein Fahrer, was den großen Kerl noch wütender macht. Eine Ader an seiner Stirn beginnt, deutlich sichtbar zu pochen, als er auf das Taxi zumarschiert.

»Ich werde den Rest des Weges einfach zu Fuß zurücklegen«, stoße ich hervor, was meinen Fahrer dazu veranlasst, sich zu mir umzudrehen. Ich werfe einen Blick auf das Taxameter und reiche ihm einen Zwanziger.

»Sie sind noch immer vier Blocks von ihrem Ziel entfernt.«

»Es macht mir nichts aus, zu gehen.« Ich lächle ihn an, steige aus dem Taxi und husche auf den Bürgersteig. In meiner GPS-App gebe ich die Adresse des Coffeeshops ein und stöhne innerlich, als ich sehe, dass es nahezu fünfzehn Minuten Fußweg bis dorthin sind. Was nur halb so schlimm wäre, würde ich keine High Heels tragen.

Da ich keine andere Wahl habe, hänge ich mir meine Handtasche über die Schulter und eile los. Das ist jedenfalls eine gute Möglichkeit, meiner täglich angestrebten Schrittmenge näherzukommen. Außerdem werde ich mir so definitiv das Recht erarbeiten, mir im Anschluss an das Date die Double Chocolate Brownie Eiscreme zu genehmigen, die ich vor ein paar Tagen gekauft habe.

Fünfzehn Minuten später erreiche ich die Kreuzung vor dem Coffeeshop und warte wie alle anderen an der Ampel auf das Grünzeichen.

Und dann entdecke ich ihn. Mein Herz beginnt, aufgeregt zu pochen, meine Kehle wird eng und mein Puls beschleunigt sich, während ich die beeindruckende männliche Gestalt auf der anderen Straßenseite betrachte. Ich denke nicht, dass ich jemals einen attraktiveren Mann gesehen habe.

Er hat breite Schultern, die in einem feinen Jackett stecken, und schmale Hüften. Seine Beine sind lang und kräftige Muskeln zeichnen sich unter einer zum Jackett passenden dunkelgrauen Anzugshose ab. Sein dunkelblaues Hemd steht am Kragen offen und legt seinen sehnigen Hals frei. Er fährt sich mit den Fingern durch das Haar, schaut auf die Uhr und presst angespannt die Zähne aufeinander. Ich frage mich, ob er sauer ist, weil ich zu spät bin.

Jemand stößt von hinten gegen mich und reißt mich aus meiner Starre. Ich versuche, mich zusammenzunehmen, und überquere im Pulk der anderen Passanten die Straße. Als sich die Menschentraube um mich herum aufzulösen beginnt, bleibt der mintgrüne Blick des Mannes an mir hängen. Ich bemerke ein Funkeln darin, das mir eine wohlige Gänsehaut über den ganzen Körper jagt. Während er mir in die Augen sieht, zwinge ich mich zu einem nervösen Lächeln und spüre, wie mir die Hitze den Hals hinaufklettert. Dann verfängt sich plötzlich mein Absatz in einer Furche des Gehwegs und ich stolpere vorwärts. Auf wundersame Weise schafft er es, rechtzeitig einen Schritt nach vorn zu machen und meinen Sturz aufzuhalten, indem er meine Hüften umschließt.

»Adam«, hauche ich und stütze mich mit den Händen leicht an seiner Brust ab. Sein Blick wandert von meinen Lippen hinauf zu meinen Augen. »Ich bin Dakota.« Rasch löse ich meine Hände von seiner harten Brust und trete einen Schritt zurück, was einen verstimmten Ausdruck über sein attraktives Gesicht huschen lässt. »Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Der Verkehr war ziemlich verrückt, und dann gab es noch einen Unfall. Ehe sich mein Taxifahrer in einen Streit verwickelt hat, bin ich das letzte Stück zu Fuß gelaufen«, sprudelt es aus mir heraus, während ich auf seine Reaktion warte. Als diese ausbleibt, macht sich Unsicherheit in mir breit.

Oh Gott, was ist, wenn es sich bei diesem Mann gar nicht um mein Date handelt? Nervös geworden lege ich den Kopf schief, wobei mir mein Haar über die Schulter fällt. »Bitte sag mir, dass du Adam und nicht irgendein zufällig getroffener Typ bist, den ich auf der Straße belästige.«

Er mustert mich weiter unverhohlen, ehe sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln verziehen. »Ich bin Adam.«

Erleichterung erfüllt mich und die Anspannung in meinem Körper lässt nach. »Gott sei Dank.« Ich lächle ihn an, was ihm ein Grinsen entlockt. Heiliger, dieser Mann ist gefährlich. »Mag hat sich geweigert, mir ein Foto von dir zu zeigen. Sie hat mir nur gesagt, dass du hier warten, einen Anzug anhaben und eine Uhr tragen würdest.«

»Das sind nicht sonderlich viele Informationen.« Der missmutige Unterton in seiner Stimme überrascht mich.

»Du kennst Maggie. Sie ist ...« Ich presse die Lippen aufeinander und zucke entschuldigend mit den Schultern. »Sie ist eben Maggie.«

»Ja«, stimmt er zu, und ich wundere mich, warum mich Maggie nicht vor seiner intensiven Ausstrahlung gewarnt hat.

»Also gut.« Ich atme hörbar aus und betrachte ihn noch einmal, ehe ich zum Coffeeshop hinübersehe. Er wiederum erstarrt plötzlich, als er einen Blick über meinen Kopf hinweg wirft. »Ähm ... Ich weiß, ich habe gesagt, das hier wäre nur ein Treffen auf einen Kaffee, aber ich bin am Verhungern. Würde es dir etwas ausmachen, mit mir zum Pizzarestaurant unten an der Straße zu gehen?«

»Ich habe eine bessere Idee.« Ich stutze, als er seine Finger meinen Unterarm entlangwandern lässt, um meine Hand zu umfassen. »Ich kenne ein tolles italienisches Restaurant, das nicht allzu weit von hier entfernt ist.«

»Oh.« Ich sehe auf unsere miteinander verbundenen Hände und spüre, wie meine Handfläche zu kribbeln beginnt.

»Wir nehmen mein Auto.« Er drückt liebevoll meine Finger, was meinen Puls für einen Schlag aussetzen lässt.

»Okay.« Ich lasse mich von ihm den Bürgersteig entlangführen und stolpere beinah ein zweites Mal, als die Lichter eines Benz aufleuchten. Und zwar nicht irgendeines Benz, sondern die eines dieser SUVs, die mehr kosten, als ich innerhalb der nächsten zwei Jahre verdienen werde.

Adam bleibt an der Beifahrerseite stehen, öffnet mir die Wagentür und wirft sie hinter mir ins Schloss, nachdem ich auf dem Beifahrersitz Platz genommen habe. Dann geht er um die Motorhaube herum und setzt sich hinters Steuer.

Herrgott im Himmel, ein Mann sollte nicht dermaßen gut im Profil aussehen dürfen.

»Bereit?« Er dreht sich mir zu, während er den Motor startet.

»Klar.« Ich atme einmal tief durch und zwinge mich dazu, mich zu beruhigen.

»Also, erzähl mir ein bisschen von dir«, verlangt er, als er sich in den Verkehr einfädelt.

»Nun, Maggie hat bestimmt schon erwähnt, dass ich erst vor ein paar Monaten nach Seattle gezogen bin.« Ich rutsche ein wenig unruhig auf meinem Sitz hin und her und bemerke, wie er kurz meine Beine betrachtet. Sofort fühlen sie sich unter seinem Blick warm an.

»Von woher?«

»Tacoma.« Ganz automatisch beginne ich, im gleichen Rhythmus seiner auf dem Lenkrad trommelnden Finger mit den Beinen zu wippen.

»Warum Seattle?«

»Mein Bruder lebt schon seit Ewigkeiten hier und hat mich überzeugt, bei ihm zu bleiben, als ...« Abrupt halte ich inne. »Nun, ich brauchte eine Veränderung.«

»Du und dein Bruder, ihr steht euch also nah.«

Obwohl dieser Satz keine Frage war, antworte ich dennoch mit einem Ja und umklammere die Handtasche in meinem Schoß ein wenig fester. »Maggie sagte, du seist hier aufgewachsen.«

»Genau.« Seine Finger schließen sich fester um das Lenkrad, als er den Wagen beschleunigt, um auf den Highway zu fahren. »Wie hast du Maggie kennengelernt?«

»Über meinen Bruder.« Ich streiche an dem Riemen meiner Handtasche entlang, als er die nächste Ausfahrt nimmt. »Seine Band spielt jeden Freitag und Samstag in ihrem Club.« Er biegt in eine versteckte Einfahrt und reiht sich in die Schlange des Parkservices vor einem Restaurant mit dem Namen Altura ein.

»Sind sie gut?«

»Wie bitte?«

»Die Band deines Bruders, ist sie gut?«

»Sie ist die beste Band überhaupt.« Das ist keine Lüge. Die Band zählt zu den bekanntesten in Seattle. Wenn alles nach Plan läuft, werden sie schon bald von einem Plattenlabel unter Vertrag genommen werden und auf Tour gehen.

 

»Dann würde ich sie gern einmal spielen hören.« Er bedenkt mich mit einem Lächeln, ehe er die Autotür öffnet. Den Motor lässt er laufen und umrundet die Motorhaube. Ich sehe, wie er in Richtung des Parkdieners den Kopf schüttelt, der an die Beifahrerseite herangetreten ist, um mir beim Aussteigen behilflich zu sein. Mein Magen macht einen Satz, als er mir stattdessen selbst die Tür aufhält und mir seine Hand reicht.

Ich nehme sie und lasse mir von ihm aus dem Wagen helfen, ehe wir Seite an Seite das Restaurant betreten. »Es ist schön hier.« Ich lasse die dunkle Innenausstattung auf mich wirken, die in warmen Braun- und Goldtönen gehalten ist. Die Tische, die alle viel Privatsphäre und Raum für vertraute Gespräche zu bieten scheinen, werden jeweils nur von Kerzenlicht erhellt. »Sehr schön.« Ich lege den Kopf in den Nacken, um zu meiner Begleitung aufzusehen. Verlangen funkelt in seinen Augen.

»Guten Abend, haben Sie eine Reservierung?«, fragt der Oberkellner, als wir das Empfangspodest erreichen.

»Wir haben keine Reservierung«, flüstere ich.

Adam schmunzelt, ehe er sich zu dem älteren Herrn mit Glatze umwendet, der einen Anzug und eine rote Fliege trägt. Dieser erkennt ihn offenkundig und räuspert sich verlegen. »Entschuldigen Sie, Mr Adams, natürlich.« Er neigt respektvoll den Kopf in Adams Richtung – oder ist Adam sein Nachname? Dann sieht er mich freundlich an. »Wenn Sie mir beide bitte folgen würden.«

»Du hast für heute Abend eine Reservierung gemacht?«, frage ich, während Adam meine Hand nimmt und mit mir durch den großen Raum zu einer Treppe geht, die vermutlich ins obere Stockwerk führt.

»Ich habe hier eine Dauerreservierung.« Er hebt meine Finger an seinen Mund und küsst jeden einzelnen, was mich für einen Moment aus der Fassung bringt. Sein Gesichtsausdruck lässt mich schließen, dass er das nicht beabsichtigt hat.

»Du hast hier eine Dauerreservierung?« Ich bin ernsthaft überrascht. Wer verfügt bitte sehr über eine Dauerreservierung in einem Restaurant wie diesem?

»Ich mag das Essen hier.« Er schüttelt den Kopf in Richtung des Oberkellners, als dieser meinen Stuhl für mich hervorziehen möchte, und übernimmt es stattdessen selbst.

Als er mir mit einem Nicken bedeutet, Platz zu nehmen, folge ich seiner Aufforderung und lasse mir eine Speisekarte reichen. Ich halte sie vor mein Gesicht und knabbere an meiner Unterlippe herum, mich fragend, wer dieser Mann genau ist. Mir ist bewusst, dass ich etwas betrunken war, als Maggie mir von ihm erzählt hat. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mich daran erinnern würde, hätte sie erwähnt, dass er reich ist. Okay, ich weiß nicht wirklich, ob das zutrifft, aber seinem Auto und dem Preis einer Vorspeise in diesem Restaurant nach zu urteilen, ist das anzunehmen.

Dazu kommt noch der Umstand, dass ihn der Oberkellner als Mr Adams angesprochen hat, was darauf schließen lässt, dass es sich bei Adam um seinen Nach- und nicht seinen Vornamen handelt. Warum sollte mir Maggie dann sagen, sein Name sei Adam?

»Ist Adam dein Nachname?«, platze ich mit der Frage heraus und sehe ihn über den Rand der Speisekarte hinweg an.

»Ja«, bestätigt er, und ich studiere ihn eingehend, während er seine Serviette auf seinem Schoß ausbreitet.

»Wie lautet dann dein Vorname?«

»Braxton.« Dieser Name passt definitiv besser zu ihm, dennoch ergibt das alles keinen Sinn. »Viele Leute nennen mich aber Adam, Maggie ist eine von ihnen.«

Okay, vermutlich ist das eine plausible Erklärung. »Und du bist im Bankgeschäft tätig?« Ich bin mir ziemlich sicher, dass Maggie etwas in dieser Richtung erwähnt hat.

Braxton lehnt sich vor und stützt sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab, ohne meine Frage zu beantworten. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja.« Mit der Zunge befeuchte ich meine Lippen, mich etwas bange umsehend. Ich habe das Gefühl, dass es eine Nummer zu groß für mich ist, mich in seiner Gegenwart in diesem gehobenen Restaurant zu befinden.

»Was ist los?«

Ich konzentriere mich wieder auf ihn, und ehe ich es verhindern kann, sprudelt die Wahrheit aus mir heraus. »Maggie hat angekündigt, du würdest gut aussehen, aber auf das volle Ausmaß hat sie mich nicht vorbereitet. Und dann dein Auto und dieses Restaurant hier ...« Ich wedle mit der Hand durch den Raum. »Ich denke, sie hätte mich vorwarnen sollen.«

»Du magst mein Auto nicht?« Er lehnt sich sichtlich amüsiert zurück und zieht eine Braue nach oben.

»Das habe ich nicht gesagt.« Ich schüttle den Kopf. »Es ist nur offensichtlich, dass es teuer ist, und die Gerichte auf der Speisekarte kosten mehr, als ich in einer Woche für Lebensmittel ausgebe.« Erneut lasse ich meinen Blick durch den leeren Raum schweifen und frage mich, ob Braxton bei jedem seiner Besuche an diesem Tisch sitzt, fern von allen anderen Gästen. Das hier wirkt wie ein Ambiente, wo sich ein CEO mit potenziellen Kunden treffen würde. Es ist kein Platz, den ein Mann aufsucht, wenn er einfach eine warme Mahlzeit genießen möchte.

Meine Begleitung zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er meine Hand ergreift. Seine Miene ist weich geworden. »Was hältst du von günstigem chinesischem Essen?«

»Würdest du schlecht von mir denken, wenn ich dir sagen würde, dass ich es liebe?«

»Nein.«

»Ich liebe es.« Seufzend lege ich meine Speisekarte auf den Tisch.

»Lass uns gehen.« Er steht auf und wirft seine Serviette auf den Tisch, was dafür sorgt, dass ich die Brauen zusammenziehe.

»Wohin gehen wir?«, frage ich und schließe meine Finger um seine, bevor er mich in die Höhe zieht.

»Chinesisch essen.«

Ich blinzle ihn ungläubig an, aber er ignoriert meine Reaktion und führt mich einfach wieder die Treppe runter, durch das Restaurant und dann ins Freie. Sein Auto wartet noch immer darauf, von einem Parkdiener auf einem Parkplatz abgestellt zu werden. Braxton öffnet mir die Beifahrertür und einen Augenblick später sitzt er wieder hinter dem Steuer.

»Ich meinte damit nicht, dass wir das Restaurant verlassen müssen«, erkläre ich und wende mich ihm in meinem Sitz zu.

»Das weiß ich.« Er startet den Motor und tippt etwas auf seinem Handy.

Einige Sekunden später erfüllt das Läuten eines Telefons die Stille im Wagen. »Was möchtest du essen?«

»Ist das dein Ernst?«

»Immer.«

Daran habe ich keinen Zweifel. Absolut und definitiv.

»Möchtest du mich weiter anstarren oder mir mitteilen, was du essen möchtest?«, fragt er, als sich eine Stimme mit asiatischem Akzent über die Lautsprecher des Wagens meldet.

»Chicken Lo Mein«, antworte ich leise. Ich höre Braxton dabei zu, wie er seine und meine Bestellung aufgibt, ehe er den Anruf beendet. »Werden die Mitarbeiter des Restaurants wütend darüber sein, dass wir einfach ohne ein Wort gegangen sind?«, frage ich, als er losfährt und den Parkbereich des Restaurants verlässt.

»Darüber mache ich mir keine Gedanken.« Er hält an einer roten Ampel. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen, während ich auf meiner Unterlippe herumkaue und versuche, das eben Geschehene zu verarbeiten. »Worüber denkst du nach?«

»Maggie hat nicht erwähnt, wie einschüchternd du sein kannst.«

»Ich schüchtere dich ein?«

Ich will laut loslachen. Wahrscheinlich schüchtert er jeden Menschen ein, der ihm über den Weg läuft. »Du bist ein wenig überwältigend.«

»Überwältigend?«, wiederholt er und klingt dabei, als würde er mich nicht ganz verstehen.

Ich versuche es erneut. »Du wirkst, als hättest du eine sehr einnehmende Persönlichkeit.«

»Wie kommst du darauf?«

»Hm.« Ich lecke mir über die Lippen. »Das versuche ich noch herauszufinden.«

»Sag mir Bescheid, wenn du es herausgefunden hast.« Er zwinkert mir zu und ein Flattern breitet sich in meinem Magen aus.

Den Rest der Fahrt zum chinesischen Restaurant verbringen wir schweigend. Als wir dort ankommen, parkt Braxton in zweiter Reihe. »Ich bin gleich zurück«, informiert er mich und steigt aus.

»Ich warte hier«, versichere ich ihm, bevor er die Autotür schließt. Als er das Lokal betritt, erkenne ich die lange Schlange am Eingangsbereich. Ich krame gerade nach meinem Handy, als plötzlich rotblaue Lichter hinter dem Wagen aufblitzen. »Verdammt«, entfährt es mir, nachdem ich einen Blick in den Rückspiegel geworfen habe. Rasch schnalle ich mich ab und stürze förmlich über die Mittelkonsole. Gerade als ich mich hinter dem Steuer positioniert habe, klopft jemand gegen die Fahrerscheibe. Es dauert einen Moment, bis ich den Knopf gefunden habe, der das Fenster hinunterfährt.

Ein Polizeibeamter beugt sich kopfschüttelnd zu mir runter. »Ma’am, Sie können hier nicht parken.«

»Ich stehe nur eine Minute hier. Mein ... ähm ... Freund holt nur rasch unser Essen ab.« Ich werfe einen schnellen Blick in den Innenraum des Restaurants und erkenne Braxton daran, dass er alle anderen Menschen um einen Kopf überragt. Er wartet noch immer in der Schlange.

»Tut mir leid, Sie müssen den Wagen woanders parken.«

»Aber ...«

»Fahren Sie ihn weg oder ich werde Ihnen einen Strafzettel ausstellen.«

»Okay«, gebe ich nach, und er nickt einmal, ehe er zu seinem Fahrzeug zurückkehrt und einsteigt.

Mein Herz beginnt, wie wild zu hämmern, als mir nach einigen Momenten klar wird, dass er darauf wartet, dass ich Braxtons Wagen wegbewege. Da ich keine andere Wahl habe, schiebe ich den Sitz nach vorn, sodass ich Gaspedal und Bremse erreichen kann, und starte den Motor. Mit angehaltenem Atem betätige ich den Blinker und fädle mich in den Verkehr ein. Am nächsten Stoppzeichen biege ich rechts ab und fluche, da die nächste Straße gesperrt ist.

Erst nach einem erheblichen Umweg kann ich mich wieder in Richtung Restaurant einordnen. Wie eine alte Oma biege ich schließlich in die Straße ein, wo mein Ziel liegt, um ein paar Momente später das leuchtend gelbe Vordach von Number 1 Chinese, aber auch den noch immer am Straßenrand parkenden Polizeiwagen zu erblicken. Braxton hat inzwischen die Restauranttheke erreicht, was mich veranlasst, wieder an der gleichen Stelle zu halten. Gerade als ich dabei bin, zurück auf den Beifahrersitz zu klettern, lässt der Polizist sein rotblaues Signallicht aufleuchten, um mir zu signalisieren, dass ich besser weiterfahre.

Verdammt.

Ich stoße ein paar wenig damenhafte Flüche aus und drehe eine weitere Runde um den Block, wohlwissend, dass Braxton denken wird, ich hätte sein Auto entwendet. Ich habe keine Möglichkeit, ihn zu informieren, dass ich ihm nur einen Gefallen tue. Als ich erneut im Schneckentempo die Straße entlangrolle, in der das Restaurant liegt, sehe ich Braxton an der Kante des Bürgersteigs stehen. In der einen Hand hat er eine Tüte voll chinesischem Essen, in der anderen sein Handy, das er angestrengt fixiert. Auf mein Hupen hin hebt er den Kopf, bevor ich die Scheibe auf der Beifahrerseite herunterlasse. »Ein Cop hat mich angewiesen, das Auto wegzufahren. Er hat damit gedroht, einen Strafzettel auszustellen.«

»Ich habe angenommen, du hättest meinen Wagen gestohlen«, sagt er halb ernst, halb amüsiert. Er tritt auf die Straße, öffnet die Beifahrertür und macht es sich neben mir bequem.

Meine Augen weiten sich. »Möchtest du nicht wieder übernehmen?«

»Wir müssen in etwa zwei Minuten wieder in zweiter Reihe halten. Es ist also besser, wenn du einfach dort sitzenbleibst«, erklärt er, als wäre das selbstredend, und schnallt sich an.

»Ich bezweifle, dass das klug ist. Ich hatte eben beinah einen Herzinfarkt, als ich zweimal um den Block fahren musste«, gestehe ich ehrlich.

Braxton sieht mich an. »Ich vertraue dir.«

»Du vertraust mir, hast aber eben gedacht, ich hätte dein Auto entwendet?« Ich schüttle den Kopf. »Das ergibt nicht wirklich Sinn.«

»Du hast es ja nicht gestohlen, sondern bist aus einem triftigen Grund weggefahren.«

»Ich fange an, zu glauben, dass du ein wenig irre bist.« Ich halte zwei meiner Finger ein Stückchen auseinander, um das Ausmaß zu verdeutlichen.

Sein dunkler Blick heftet sich auf meine Hand. »Kann sein, aber ist das nicht jeder von uns?«

»Vielleicht«, stimme ich zu. »Wohin soll ich uns fahren?«

»Zum Kiosk am Ende des nächsten Blocks.«

Okay. Ich fahre uns zu erwähntem Laden. Braxton steigt aus, nur um eine Minute später mit einer braunen Papiertüte zurückzukommen. Er öffnet die Fahrertür und löst meinen Anschnallgurt. »Ich übernehme ab hier wieder.«

 

Gott sei Dank, denke ich, auch wenn ich die Worte nicht ausspreche. Er muss die Erleichterung an meinem Gesichtsausdruck ablesen, denn er schmunzelt, als er mich um den Wagen zur Beifahrerseite bringt.

»Wohin fahren wir?«, frage ich, als er aufs Gaspedal tritt.

»Zum Freeway Park. Der ist nicht weit von hier entfernt.«

»Nun, das schreit geradezu nach Horrorfilm«, murmle ich kaum hörbar und lächle beim Klang seines vollen Lachens in mich hinein.

Als wir den Park erreichen, hält Braxton am Straßenrand. Er holt die Sachen von der Rückbank, die er besorgt hat. Die Tüte mit dem Essen in der einen Hand, nimmt er mit der anderen meine Hand. Ich bin erstaunt, wie wohl ich mich dabei fühle.

»Warst du hier schon mal?«, will er wissen.

»Nein, aber es ist hinreißend.« Ehrfürchtig nehme ich die Schönheit um uns herum in mich auf. Mit der Sonne, die langsam untergeht und die Gebäude um den Park herum anstrahlt, sieht es aus wie ein Postkartenmotiv.

»Warte nur, bis ich dir das Labyrinth gezeigt habe.« Er führt mich einen von Bäumen gesäumten Weg entlang zu einem von runden Bänken umgebenen großen Brunnen und bedeutet mir, mich auf eine davon zu setzen.

Ich folge seiner Aufforderung und er packt das mitgebrachte Essen aus. Ich tausche meine Gabel gegen ein Paar Stäbchen ein und öffne meinen Essensbehälter. Da ich kurz vor dem Verhungern bin, schaufle ich mir genüsslich meine Nudeln in den Mund. »Danke für das hier«, flüstere ich, als er neben mir Platz nimmt und seine Box aufklappt.

»Wofür?«, möchte er wissen, während ich an meinen Stäbchen herumspiele.

»Es war eine lange Woche.« Ich atme durch. »Ich habe das gebraucht, ein einfaches Essen an einem ruhigen Ort.«

»Was ist diese Woche passiert?«, erkundigt er interessiert, ehe er einen Happen seiner Nudeln nimmt.

»Ich habe eine neue Stelle angetreten.« Ich drehe mich ihm zu. »Bevor ich hierhergezogen bin, habe ich bei einem kleinen Nachrichtensender gearbeitet. Diese Tage habe ich bei IMG angefangen und fühle mich ein wenig, als wäre das Ganze eine Nummer zu groß für mich.« Ich bemerke ein leichtes Aufblitzen in seinen Augen, frage jedoch nicht nach, was es damit auf sich hat. »Die letzte Woche hat einfach viele Veränderungen für mich gebracht. Vermutlich benötige ich einfach noch etwas Zeit, um mich in alles hineinzufinden.«

»Magst du deinen neuen Job?«

»Ja, er ist viel intensiver, als ich es gewohnt bin, aber ich mag meine Chefin und das Team, in dem ich arbeite. Alle scheinen sehr nett zu sein. Es ist einfach nur anders.«

»Manchmal ist anders gut«, sagt er sanft. »Mit der Zeit wirst du dich eingewöhnen. Sie hätten dich nicht eingestellt, wenn sie nicht davon überzeugt wären, dass du die nötigen Fähigkeiten mitbringst.«

»Du hast recht«, stimme ich zu. Katy, meine Chefin, hat mir etwas Ähnliches gesagt, nachdem ich das erste Mal auf Sendung war.

»Ich habe immer recht.« Braxton zwinkert mir zu, und ich kann nicht anders, als zu lachen. Er betrachtet mich für einen Moment, schüttelt dann aber den Kopf und stellt sein Essen beiseite, um sich die Papiertüte zu schnappen, mit der er aus dem Laden gekommen ist. Daraus zieht er einen Pappkarton und zwei rote Plastikbecher hervor. »Um beim Thema zu bleiben.« Er reicht mir einen der Becher. »Wein im Getränkekarton.«

Schmunzelnd halte ich ihm den Becher hin, damit er mir einschenken kann. »Du kennst den Weg zu meinem Herzen.«

»Ich bin nicht traurig darüber, dass du so einfach zufriedenzustellen bist«, erwidert er amüsiert.

»Ich mag billiges Essen und günstigen Wein, aber freu dich nicht zu früh, ich bin definitiv nicht einfach.«

»Ist notiert.« Er hebt den Becher, und ich tue es ihm gleich. »Auf positive Veränderungen und eine erfolgreiche Eingewöhnung.«

»Cheers.« Ich stoße mit meinem Becher gegen seinen, trinke einen Schluck und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie eklig der Wein ist.

»Wow, das schmeckt wirklich so, als hätte ich ihn für vier Dollar am Kiosk gekauft«, sagt er und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund, was mir ein Lachen entlockt.

Gott, wie lange ist es her, dass ich mit einem Mann, der nicht Jamie war, so viel Spaß hatte?

»So schlecht ist er nicht.« Ich probiere einen weiteren Schluck, muss jedoch würgen, als mir der Geruch des Weins in die Nase steigt.

»Oder sogar noch schlimmer?« Braxton steht auf und nimmt mir den Becher aus der Hand. »Ich besorge dir ein Glas echten Wein, wenn wir uns wieder auf den Weg machen«, verspricht er und wirft die beiden Trinkgefäße und den Rest des Kartons in den Müll. Als er zurückkommt, stupst er mich mit seinem Knie an. »Iss auf, damit ich dir das Labyrinth zeigen und dir einen richtigen Traubensaft organisieren kann.«

»Besteht zufälligerweise die Chance, dass du dich, wenn du davon redest, mir das Labyrinth zu zeigen, auf den Film mit David Bowie beziehst? Nimmst du mich mit, um mir Jareth und Hoggle vorzustellen?«

Anerkennung blitzt in seiner Miene auf. »Ich möchte deine Träume ungern zerstören, aber leider werden David und die grummelige Puppe nicht da sein.«

»Verdammt. Und ich hatte schon den Eindruck, es könnte ein erinnerungswürdiger Abend werden.«

»Der Abend ist noch jung«, erwidert er leise, und ich presse meine Oberschenkel zusammen, als ich das Versprechen in seinem Blick sehe.

Gott, ich stecke in ziemlich großen Schwierigkeiten.