Amokdrohungen und School Shootings

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1.2Amok, School-Shooting, Attentat – Viele Begriffe für eine Tat

Delinquenz nennt man das Verhalten, das einer schweren Gewalthandlung zugrunde liegt. Gemeint ist damit sozial abweichendes, nicht der Norm entsprechendes Verhalten und insbesondere der Teilausschnitt, der strafrechtlich relevant ist. „Der Begriff ist wertneutraler als der der Kriminalität. Kriminalität ist die Gesamtheit aller Straftaten.”1 Jeder gezielte Angriff auf mehrere Opfer, bei dem ein schulisches Umfeld oder eine ähnliche Einrichtung wie ein Ausbildungszentrum, eine Hochschule oder ein Sportverein bewusst als Tatort ausgewählt wird, ist solch eine schwere zielgerichtete Gewalt, der ein hohes Maß an Delinquenz zugrunde liegt. Insbesondere bei Anschlägen im schulischen Bereich und mit hohen Opferzahlen wird auf Begriffe wie Amoklauf, Durchdrehen und wahllos um sich schießende Täter zurückgegriffen. Damit entsteht häufig das Bild eines planlos handelnden, nicht berechenbaren Täters – ein Trugschluss. Im Gegenteil haben schwere Gewalttaten an Schulen, die in der Öffentlichkeit in der Regel als Amokläufe bezeichnet werden, häufig ein berechenbares Grundmuster.

Deshalb wird auch die Bezeichnung Amoklauf zahlreichen Taten mit schwerer zielgerichteter Gewalt an Schulen nicht gerecht, da sie sich oftmals dadurch auszeichnen, Resultat klarer Planung und bestimmten Entwicklungsvorgängen zu sein. Die Öffentlichkeit und die Medien werden von den Tätern dabei in erster Linie als Publikum gesehen, um Rache und Aufmerksamkeitstaten entsprechend zu inszenieren. Da es sich vorwiegend um jugendliche Täter handelt, wird die Schule oft zum Ort des Geschehens.

In den vergangenen Jahren wurde in der Wissenschaft eine neue Begrifflichkeit eingeführt, wodurch Amoklauf an Schulen ersetzt wurde: School-Shooting. Dieser Begriff beinhaltet den Ankündigungscharakter, der typisch für diese Art des Amoks ist. Er schließt den Aspekt, spontan zu handeln und blind vor Wut zu sein, aus. Treffender ist es, von einer kalten Wut zu sprechen, die aus einer inneren Rationalität heraus mit gnadenloser Konsequenz exekutiert wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass es während der Tat nicht zu Raserei oder zu einem Blutrausch kommen kann. Möglicherweise ist deswegen die Bezeichnung Amoklauf auch bei School-Shootings in westlichen Industrienationen im allgemeinen Sprachgebrauch immer noch präsent – vor allem deshalb, weil es sich dabei um Personen handelt, die schwere Gewalttaten scheinbar wahllos gegen andere Personen richten. Wegen dieser nicht ausreichend eindeutigen Begrifflichkeit werden im Folgenden die Bezeichnungen Amok, Amoklauf und School-Shooting weitgehend synonym verwendet. Weiterhin wird, da es bisher keine klare deutschsprachige Bezeichnung für solche Taten gibt, der Begriff Schulanschlag eingeführt.


Schulanschlag beschreibt Taten, bei denen ein Täter gegenüber aktuellen oder früheren Angehörigen einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung gezielt und am Ort seiner empfundenen Demütigung schwere Gewalttaten plant und umsetzt.

Dabei darf ein Aspekt nicht außer Acht gelassen werden: Der Terror und die Angst, die hinter Schulanschlägen stecken, sind nicht nur Strategie des direkten Täters, sondern auch der zahlreichen Trittbrettfahrer, die mit dem Grauen eines zuvor stattgefundenen School-Shootings spielen und damit ihre eigene Welt und ihr Umfeld, die Schule und die dort agierenden Personen, unter Druck setzen. Wer es als wütender Schüler oder frustrierte Schülerin den anderen mal so richtig zeigen will, wer eigene Machtgefühle durch Angsteinjagen ausleben möchte, der muss nur ein paar anonyme Drohungen machen. Bei geschätzt 45.000 Schulen in Deutschland, über 6.000 in Österreich und rund 6.500 in der Schweiz ist nicht nur die Zahl möglicher Drohziele enorm, sondern eine maximale öffentliche Aufmerksamkeit ist garantiert. Schulen gelten als Schon- und Rückzugsraum für Kinder und Jugendliche. Wer massiv in diese Welt einbricht, beispielsweise mit einer Todesdrohung, begeht damit eine maximale Grenzüberschreitung.

1.3Schulanschläge und Drohungen als kommunikativer Akt

Schulanschläge und Drohungen mit einem Amoklauf müssen als kommunikativer Akt begriffen werden, wie es bereits der Soziologe Lorenz Graitl in seinem Buch Sterben als Spektakel 2 beschreibt. Er geht zwar nur am Rande und aus Gründen der Abgrenzung spezifisch auf Amokläufer ein, dennoch lassen sich viele seiner kommunikationsbezogenen Erkenntnisse auf die Motivation von Schulattentätern übertragen. Tatsächlich sind die Medien das erste Hilfsmittel zur Verbreitung der Tat, wenn es in einem solchen Fall um kommunikative Aufmerksamkeit geht. Schulanschläge und ihre Androhung erfüllen alle journalistischen Kriterien, die solche Ereignisse zu einem Topthema machen: Eine hohe Dramatik und Aktualität, die persönliche Betroffenheit vieler Leser, Hörer und Zuschauer, eine große emotionale Tiefe des Themas und außergewöhnliche kriminelle Energie kommen hier zusammen. Die Medien sind zur Berichterstattung gezwungen und müssen permanent darauf achten, dass die Weitergabe der Informationen trotz des aktuellen Drucks angemessen bleibt. Die Berichterstattung in Winnenden konnte dem nicht immer standhalten, wie die folgende Abbildung zeigt.


Abb. 1: Medienschlagzeilen zum Schulanschlag von Winnenden (2009)

Eine reißerische Aufmachung der Berichterstattung kann vom Täter auch als Gratifikation aufgefasst werden. Auf der einen Seite besteht ein großes öffentliches Interesse an derart weitreichenden Ereignissen, gleichzeitig erfüllt ein Journalist, der über einen angedrohten oder durchgeführten Schulanschlag berichtet, aber auch die Handlungserwartungen des Täters und trägt damit zur Faszination des Terrors bei.

1.4Werther- und Copycat-Effekt

Diese Problematik gab und gibt es auch bei anderen Themen, die im Fokus der medialen Aufmerksamkeit stehen. So löste Johann Wolfgang von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers mit seinem Erscheinen 1774 eine regelrechte Nachahmungswelle von Selbsttötungen aus. Fachleute sprechen deshalb bis heute vom Werther-Effekt, wenn mediale Berichterstattung über ein (Tötungs-)Ereignis zu entsprechenden Nachahmungstaten führen. In der englischsprachigen Medienwirkungsforschung ist in diesem Zusammenhang auch vom Copycat-Effekt die Rede: Was medial ausführlich dargestellt wird, regt Nachahmer an. Dass es sich keineswegs um einen antiquierten Effekt handelt, wurde 1981 auf tragische Weise belegt: Das ZDF strahlte die sechsteilige Fernsehserie Tod eines Schülers aus. Der Selbstmord des 19-jährigen Schülers Claus Wagner, der sich vor einen Zug wirft, steht im Mittelpunkt der Serie. In der Folgezeit stieg die Suizidrate unter 15- bis 19-jährigen männlichen Schülern um 175%. Bestätigt wurde dieser Effekt, als die Staffel 1983 trotz der Warnungen von Psychologen noch einmal gesendet wurde. Die Zahl der Nachahmer-Selbstmorde stieg erneut auf über das Doppelte an. Obwohl das ZDF anschließend Studien vorlegte, nach denen die Serie und die gestiegene Zahl der Selbstmorde auf Bahngleisen nicht ursächlich miteinander zu tun hatten, ließen die Fernsehverantwortlichen die sechs Folgen dennoch bis vor wenigen Jahren für die Videoauswertung sperren.

Wichtige Aspekte für die Nachahmung solcher Taten ist die Anzahl der konkreten Identifikationspunkte. Je mehr sich ein Leser oder Zuschauer mit der dargestellten Figur identifizieren kann und je mehr Einzelheiten über das Umfeld, aber auch über die Tat selbst geschildert werden, umso leichter wird es potenziellen Nachahmern gemacht.

Der Arzt und Psychiater Volker Faust3 warnt vor diesen möglichen Identifikationspunkten und bittet die Medien bei der Suizidberichterstattung ausdrücklich um die Einhaltung folgender Punkte:

•Angaben zur biologischen und sozialen Identität vermeiden.

•Angaben zur Suizidmethode und zum Ort des Selbstmords vermeiden.

•Keine Spekulationen über Hintergründe und Motive anstellen.

Damit könne, so Faust, wirksame Prävention im Hinblick auf Nachahmungstäter betrieben werden, um den Werther-Effekt nicht erst entstehen zu lassen.


Ausgiebige Hintergrundinformationen zum Werther-Effekt vermittelt der Arzt und Neurologie-/Psychiatrieprofessor Volker Faust auf der Webseite http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/werther.html.

Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, Suizidberichterstattung zu unterlassen, wäre aus psychiatrischer Sicht sinnvoll, aus journalistischer Perspektive aber kaum umzusetzen. Ein generelles Themenverbot käme einer Zensur nahe. Der Verzicht auf ethisch reflektierte Grenzen der Berichterstattung wäre allerdings auch keine Lösung. „Eine suizidpräventive Berichterstattung steht im krassen Gegensatz zu journalistischen Grundregeln“4, beschreiben auch die Psychiater Walther Ziegler und Ulrich Hegerl in ihrem Artikel Der Werther-Effekt das journalistische Dilemma in dieser Situation. Wie aber können und wie sollten Medien über Ereignisse wie Suizide, Schulanschläge oder deren Androhung berichten, von denen ein hohes Nachahmungspotenzial ausgeht?

 

Die Debatte darüber ist nicht neu. „Beschreibe den Suizidenten, die Methode, den Ort, die Lebensverhältnisse und die Gründe so abstrakt, dass sie kein Anschauungsmaterial mehr enthalten, das einer möglichen Identifikation und Enthemmung Vorschub leisten könnte“5, formuliert Volker Faust sein Credo an Journalisten. Mit anderen Worten: Gefordert ist eine ethisch-moralische Abwägung zwischen Selbstbeschränkung und Informationsvermittlung. Wie schwer diese Abwägung fällt und wie groß die Herausforderung an die berichterstattenden Journalistinnen und Journalisten im Einzelfall sein kann, zeigt der Blick in die deutschsprachigen Pressekodizes. „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen, die Veröffentlichung von Fotos und die Schilderung näherer Begleitumstände“6, heißt es etwa in den Richtlinien zum Deutschen Pressekodex. „Journalistinnen und Journalisten üben bei Suizidfällen größte Zurückhaltung“7, formulieren es die Richtlinien des schweizerischen Presserats, „um das Risiko von Nachahmungstaten zu vermeiden, verzichten Journalistinnen und Journalisten auf detaillierte, präzise Angaben über angewandte Methoden und Mittel.“8 Im Ehrenkodex des österreichischen Presserats wird formuliert:

»Berichterstattung über Suizide und Selbstverstümmelung sowie Suizidversuche und Selbstverstümmelungsversuche gebietet im Allgemeinen große Zurückhaltung. Verantwortungsvoller Journalismus wägt – auch wegen der Gefahr der Nachahmung – ab, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, und verzichtet auf überschießende Berichterstattung.9 «

Volker Faust verweist in seinen Ausführungen außerdem auf die in den BBC-Producer-Guidelines festgelegten Vorgaben: „Die Berichterstattung über Suizide könnte andere ermutigen. Berichte sollten Details der Suizidmethode vermeiden. Seien Sie besonders vorsichtig mit Details, wenn die Methode ungewöhnlich ist.“10

Was als journalistische Ethik für den Bereich der Suizidberichterstattung formuliert wird, lässt sich in seinen Überlegungen problemlos auf die Darstellung von angedrohten oder tatsächlich durchgeführten Schulanschlägen übertragen. Viele Amokläufer planen ihre Tat letztlich als erweiterten Selbstmord. Zahlreiche Jugendliche, die drohen oder zum Täter werden, beziehen sich bei der Rechtfertigung ihres Handelns immer wieder auf andere Schulattentäter und die Berichte in den Medien über deren Taten. Daher häuft sich sowohl im Anschluss an konkrete Fälle als auch zu Jahrestagen bestimmter Schulanschläge (etwa des Massakers in der Columbine High School im US-Bundesstaat Colorado am 20. April 1999) die Zahl der Drohungen durch Trittbrettfahrer.

1.5Verschweigen chancenlos

Betrachtet man das Verhalten der Drohenden aus aufmerksamkeitsökonomischer Sicht, so handeln sie hochgradig rational und zumeist erfolgreich. Sie wissen, dass ein angekündigter Schulanschlag sich auch ohne Berücksichtigung in den klassischen Medien wie Zeitung, Radio oder Fernsehen schnell herumspricht. Und weil die kommunikative Vernetzung durch Online-Medien und soziale Netzwerke so groß ist, wird ein Totschweigen wegen der hohen Zahl der Beteiligten und Betroffenen schlicht unmöglich. Wird eine Klasse oder eine Schule evakuiert, gibt es garantiert Schüler, die das sofort kommunizieren. Die Tatsache, dass auf Facebook und Twitter, per WhatsApp und SMS solche Gerüchte oder Berichte verbreitet werden, setzt auch die professionellen Medien unter Druck: Sie wollen und sollen schließlich über das berichten, was die Leserinnen und Leser bewegt. Taucht das Ereignis in professionellen Medien auf, wirkt sich das auch verstärkend auf die Aktivität in den sozialen Netzwerken aus. Die Kommunikation nährt sich gewissermaßen gegenseitig, ohne dass der Amokdrohende weiter aktiv sein muss. Kurz gesagt: Das Verhältnis zwischen eigenem Handeln und öffentlicher Aufmerksamkeit geht so weit auseinander, dass eine Amokdrohung schnell als leicht durchzuführende Aktion mit maximaler Wirkung und Resonanz empfunden wird.

Der Täter will der Schule beziehungsweise konkreten Personen drohen und Angst machen. Er will seine Macht gegenüber der Institution oder bestimmten Individuen zeigen. Durch eine entsprechende Drohung – von der Wandschmiererei bis zum ­Facebook-Eintrag, vom Drohbrief bis zur persönlichen Äußerung im Gespräch oder im Chat – kann er dafür sorgen, dass eine Kommunikationskette in Gang gesetzt wird, die er nach dem Anfangsimpuls letztlich ohne weitere Aktivitäten beobachten kann und die sich bis zur Berichterstattung über das Thema in den professionellen Medien immer weiter hochschaukelt. Je nachdem, ob er die Drohung anonym oder namentlich veröffentlicht, wird er sich für eine solche Amokankündigung rechtfertigen müssen. Doch zuvor kann er mit einem einzigen Satz ein Gewirr aus Informationen und Gerüchten, Angst und Schutzmaßnahmen, Untersuchungen und anderen Reaktionen in Gang setzen und damit zeigen, wie viel Macht er über die Schulgemeinschaft hat. Schematisch lässt sich das anhand der folgenden Grafik verdeutlichen.


Abb. 2: Aufmerksamkeitsökonomie einer Amokdrohung

Sollte es bei Lehrern oder Schulleitungen die Hoffnung gegeben haben, die Drohung eines Schulanschlags verschweigen zu können und damit dem Täter durch Entzug der öffentlichen Aufmerksamkeit die Belohnung für seine Drohung vorzuenthalten, so dürfte sich diese Hoffnung spätestens seit der Rund-um-die-Uhr-Vernetzung der Schülerinnen und Schüler durch Smartphones zerschlagen haben. Das Gerücht über eine Anschlagsdrohung kann sich in weniger als einer Schulstunde unter den Schülerinnen und Schülern verbreiten. Bei mehreren hundert oder tausend potenziellen Betroffenen an einer Schule ist es eine Illusion der Schulleitung, wenn sie glaubt, ein Informationsmonopol bei von außen herangetragenen Kommunikationsinhalten zu haben. Die geschilderte Situation lässt deshalb nur einen logischen Schluss zu: einem massiven Eingriff in den alltäglichen Schulfrieden, den eine Amokdrohung darstellt, sollte vonseiten der Bildungseinrichtung mit Entschlossenheit und mit zuvor entwickelten Kriterien und Handlungsoptionen entgegengetreten werden. Im Idealfall werden diese Handlungsroutinen von einem Präventionsprogramm begleitet, das frühzeitig greift und sich mehr auf das Schulklima an der eigenen Institution als auf die Identifikation potenziell gefährlicher Schülerinnen und Schüler konzentriert. Um Amokläufe und Amokdrohungen frühzeitig erkennen und präventive Maßnahmen ergreifen zu können, müssen sich Lehrkräfte wirksam mit dem Klima des Miteinanders an der eigenen Schule oder an der eigenen Bildungsinstitution auseinandersetzen. Gegenseitige Achtsamkeit und ein respektvoller Umgang miteinander sind ursprüngliche Präventionsmaßnahmen, um nicht erst potenzielle Täterpersönlichkeiten entstehen zu lassen. Einige wichtige Bereiche, die ein solches Schulklima prägen, werden im Kapitel 3 genauer vorgestellt, darunter die Themen: der Unterricht mit seinen alltäglichen Demütigungen, mögliche Mobbing-Vorkommnisse, der Bereich des Cyberbullyings und die Feedback-Kultur an der Schule.

1.6Was können Lehrerinnen und Lehrer tun?

Um sich auf Amokdrohungen gegenüber der eigenen Schule, den Schülern und Kollegen vorzubereiten, müssen Lehrkräfte weder eine Einzelkämpferausbildung noch jahrelange Fortbildungen etwa in psychologischer Krisendiagnostik absolvieren. Der Schritt hin zu einem präventiv wirksamen Umgang miteinander und zu einer gestiegenen Aufmerksamkeit für kritische Situationen ist weniger kompliziert, als es möglicherweise den Anschein hat.

Natürlich lässt es sich nicht vermeiden, im Sinne einer wirksamen Vorbereitung das unangenehme Thema einer möglichen Amokdrohung und den Umgang damit genauer zu beleuchten. Wie schon zu Beginn dieses Kapitels beschrieben, ist ein Schulanschlag einer der radikalsten und schwerwiegendsten Einbrüche in den Schulalltag – so radikal und Grenzen verletzend, dass schon die Drohung damit Unsicherheiten und Ängste auslösen kann. In einer solchen, emotional aufgeladenen Situation ist Handlungssicherheit ein entscheidender Faktor, um die Krise erfolgreich bewältigen zu können. Diese Handlungssicherheit erreicht man durch das Entwickeln und Einüben bestimmter Prozeduren. Das setzt voraus, dass Lehrerinnen und Lehrer die Bereitschaft entwickeln, realistisch mit dem Thema umzugehen und im Team zu besprechen, was im Falle eines Falles zu tun ist. Ein Schulanschlag tritt nicht erst dann ein, wenn sich ein bewaffneter Täter auf dem Schulgelände bewegt, sondern bereits frühzeitig vor der Tat oder Drohung, wenn sich innerhalb der Schulgemeinde Ausgrenzungen und Spaltungen vollziehen.

Pädagogen können Rahmenbedingungen guten Lernens identifizieren und initiieren – das haben sie in ihrer Ausbildung gelernt und dieser Aufgabe stellen sie sich auch im täglichen Unterricht. Schon heute schauen sie deshalb auch genauer hin, wenn diese Rahmenbedingungen nicht gegeben oder stark und nachhaltig gestört sind. Hier bedarf es nur eines kleinen Gedankenschritts, um an diese ohnehin vorhandene pädagogische Aufmerksamkeit gedanklich anzuknüpfen und gegebenenfalls die Verbindung zum Themenbereich Anschlagsprävention herzustellen. Lehrerinnen und Lehrer können sofort aktiv werden, auch wenn die Forscher verschiedenster Disziplinen noch keinen Prototypen des typischen Attentäters erstellt haben und das Phänomen des Schulanschlags weiterhin untersucht wird. Insbesondere die Drohung mit einem Amoklauf war bisher nur vereinzelt im Fokus der entsprechenden Untersuchungen. Daher werden im nächsten Kapitel solche Drohungen aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet.

1Cornel, H./Kawamura-Reindl, G./Maelicke, B./Sonnen, B. R. (Hrsg.): Resozialisierung. Handbuch. 3. Aufl., Nomos: Baden-Baden 2009, S. 73

2Graitl, L.: Sterben als Spektakel. Zur kommunikativen Dimension des politisch motivierten Suizids. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2012

3Faust beruft sich auf den Artikel: Ziegler, W./Hegerl, U.: Der Werther-Effekt. In: Nervenarzt. Ausg. 1/2002. Springer Verlag: Berlin 2002, S. 41ff. (www.ipsilon.ch/uploads/media/Werther-Effekt_1__01.pdf)

4vgl. Ziegler, W./Hegerl, U.: Der Werther-Effekt. In: Nervenarzt. Ausg. 1/2002. Springer Verlag: Berlin 2002, S. 41ff. (www.ipsilon.ch/uploads/media/Werther-Effekt_1__01.pdf)

5http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/werther.html, (25.11.2013, 14:00 Uhr)

6http://www.presserat.info, (25.11.2013, 13:38 Uhr)

7http://www.presserat.ch, (25.11.2013, 13:40 Uhr)

8http://www.presserat.at, (25.11.2013, 13:42 Uhr)

9http://www.presserat.at/rte/upload/pdfs/grundsaetze_fuer_die_publizistische_arbeit_ehrenkodex_fuer_die_oesterreichische_presse_idf_vom_14.11.2012.pdf., S. 4 (25.11.2013, 13:45 Uhr)

10http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/werther.html, (25.11.2013, 14:00 Uhr)

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