Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden

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Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden
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Anne Neunzig

Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden

Hitlerjugend/​Bund Deutscher Mädchen

und Freie Deutsche Jugend im Vergleich

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

ISBN 9783954885916

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

1. Herausbildung der Jugendverbände vor 1933

1.1 Jugendverbände im Kaiserreich

1.2 Jugendverbände in der Weimarer Republik

2. Abriss über die historische Entwicklung der Gesamt-Hitlerjugend - im Zeitstrahl

3. Die Staatsparteidoktrin des 'Dritten Reiches'

3.1 Die Ideologie des Staatssystems

3.2 Die Grundsätze der Anthropologie

3.3 Bild der Frauen im Nationalsozialismus

3.4 Bild der Männer im Nationalsozialismus

3.5 Bild der Mädchen im Nationalsozialismus

3.6 Bild der Jungen im Nationalsozialismus

4. Struktureller Aufbau der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädchen

4.1 Aufbau und Gliederung

4.2 Die Hierarchie, Struktur und das Führungsprinzip der Gesamt-Hitlerjugend als zentralistisches Prinzip des Machtsystems

5. Erziehung in der Staatsjugendorganisation

5.1 Erziehungsziele im 'Dritten Reich'

5.2 Erziehungsziele im Bund Deutscher Mädchen

5.3 Erziehungsziele in der Hitlerjugend

5.4 Weltanschauliche Schulung und Heimabende

5.5 Kulturarbeit

Kurzer Exkurs: Kunst im Nationalsozialismus

5.6 Feste und Feierlichkeiten

5.7 Fahrten und Lager

5.8 Körperliche Ertüchtigung/Sport

5.9 Die Funktion der Medien

5.10 Sonder- und kriegsunterstützende Dienste in der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädchen

5.11 Bundestracht/Uniformierung und Symbolik

5.12 Die Leitung der Jugendgruppen durch die HJ- und BDM-Führer/innen

5.13 Totalitätsanspruch

6. Reichsarbeitsdienst und Landjahr

6.1 Der Reichsarbeitsdienst

6.2 Das Landjahr, Pflichtjahr und der Landdienst

7. Widerstand und oppositionelle Jugendgruppen im National sozialismus

7.1 Gesellschaftliche Tendenzen bezüglich der Entwicklung und Entstehung des Jugendwiderstands

7.2 Arten des Widerstandes

7.3 Staatliche Reaktionen auf die Jugendopposition

7.4 Sozialistische und kommunistische Arbeiterjugendverbände

7.5 Konfessionell gebundene Jugendgruppen

7.6 Bündische Jugend

7.7 Wilde Jugendgruppen

7.8 Edelweißpiraten

7.9 Swing-Jugend

7.10 Weiße Rose

8. Das Ende der Hitlerjugend gemeinsam mit dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft

9. Abriss der historischen Entwicklung der Freien Deutschen Jugend - im Zeitstrahl

10. Die Staatsparteidoktrin der DDR

10.1 Die Ideologie des Staatssystems

10.2 Die Anthropologie des Marxismus-Leninismus

10.3 Frauen- und Männerbild in Sozialismus

10.4 Bild des Kindes im Marxismus- Leninismus in der DDR

11. Struktureller Aufbau der Freien Deutschen Jugend

11.1 Aufbau und Gliederung

11.2 Die Hierarchie und Struktur der Freien Deutschen Jugend

12. Erziehung in der Freien Deutschen Jugend

12.1 Die Erziehungsziele der DDR und ihre Umsetzung in der Staatsjugendorganisation

12.2 Die FDJ in Schulen, Universitäten und Betrieben

12.3 Jugendbrigaden und Jugendobjekte

12.4 Die FDJ im Freizeitbereich

12.5 Sportbereich

12.6 Feriengestaltung und Touristik

12.7 Die Jugendweihe als Akt ritueller Bindung

12.8 Kultureller Bereich

Kurzer Exkurs zum 11. Plenum des ZK der SED

12.9 Feste und Feierlichkeiten

12.10 Die Funktion der Medien

12.11 Uniformierung und Symbolik

12.12 Militarisierung in der FDJ

12.13 Die Leitung der Jugendgruppen der FDJ durch Funktionäre

12.14 Der Totalitätsanspruch

13. DDR-Jugend auf der Suche nach einem selbstbestimmten Leben

13.1 Einführende Betrachtung

13.2 Der Werwolf

 

13.3 Der Demokratie Verpflichtete

13.4 Junge Gemeinden

13.5 Jazz

13.6 Rock’n’Roll und Beat

13.7 Die Tramper und Blueser

13.8 Disco und Punk

13.9 Punk et cetera

13.10 Proteste gegen die Niederschlagung des 'Prager Frühlings' 1968

13.11 Boheme & Diktatur

13.12 Von Hausbesetzern zu Landkommunarden

13.13 Die Krishnas als Beispiel religiösen Suchens außerhalb der europäischen Kulturen – und andere Gruppen

13.14 Wehrdienstverweigerer

13.15 Die staatlich unabhängige Friedensbewegung

14. Das Ende der staatlichen Illusionen, der Weg zu einem Anfang

15. Gegenüberstellung der Staatsjugendorganisationen beider Regime

15.1 Die Schwierigkeiten einer Gegenüberstellung

15.2 Die Bedeutung der Staatsjugendorganisation in den jeweiligen Systemen

15.3 Staatsparteidoktrin (Ideologie und Anthropologie)

15.4 Organisationsstruktur

15.5 Erziehungsziele

15.6 Erziehungsarbeit

15.7 Leitung der Jugendorganisationen

15.8 Totalitätsanspruch

15.9 Jugendlicher Widerstand und/oder die Suche nach einem jugendlichen Eigenleben

Nachwort

Quellenverzeichnis

Literatur

Internetquellen

Personenregister

Über die Autorin

Danksagung

Anmerkungen

Vorwort

Gegenstand vorliegender Arbeit ist die vergleichende Darstellung der Erziehungsmodelle in den Staatsjugendorganisationen des 'Dritten Reiches' und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)1. Dabei wird dem Aspekt der Vermittlung der jeweiligen Staatsideologie an die heranwachsenden Generationen besonderer Raum zugestanden, bildeten doch die politischen Doktrinen der staatsführenden Parteien die Grundlagen für Erziehungsprogramme und Statuten beider Jugendorganisationen. Eine Erziehung im humanistischen Sinne, mit dem Ziel einer freien individuellen Persönlichkeitsentfaltung eines jeden Menschen, war in beiden Systemen nicht erwünscht. Ohne Rücksicht auf Individualität wurden die Kinder und Jugendlichen durch eine staatlich gelenkte Fremdbestimmung weitgehend zu Objekten ihres eigenen Entwicklungsverlaufs degradiert. Durch diese Indoktrination der Heranwachsenden sollte langfristig der totalitäre Herrschaftsanspruch beider Systeme und ihrer führenden Parteien gesichert werden. Im Folgenden wird darum der Frage nachgegangen, ob es trotz stark differierender Ideologien im Nationalsozialismus und Sozialismus Übereinstimmungen in den Strukturen und Programmen beider Jugendorganisationen gab und ob es einem von beiden Systemen effektiver gelang, ihre Jugend zur Staatskonformität zu erziehen.

Aufgrund der recht umfangreichen Thematik erfolgt in vorliegender Untersuchung eine Eingrenzung auf bestimmte Altersgruppen. Für die Hitlerjugend2 und den Bund Deutscher Mädchen liegt der Schwerpunkt auf den 14 bis 18 -Jährigen. Da die Mitgliedschaft der FDJ im Allgemeinen erst im Alter von 25 Jahren endete, wird in jenem Bereich die untersuchte Altersgruppe weiter gefasst. Allerdings muss erwähnt werden, dass ohnehin ein Großteil der jungen Erwachsenen bereits früher aus dieser Organisation austrat.

Des Weiteren beschränkt sich die Abhandlung zur HJ und zum BDM im Großteil auf die Zeit zwischen 1933 und 1941, da sich die Praxisarbeit innerhalb der Verbände während des II. Weltkriegs gravierend änderte und eine gesonderte Darstellung benötigte.

Bestimmte Themenbereiche, wie die der oppositionellen Jugendgruppen, die sich in beiden Systemen illegal als Gegenpositionen zur Staatsjugendorganisation formierten und eigene Interessen vertraten, wie auch die Suche vieler Jugendlicher nach einem selbstbestimmten Leben, werden in dieser Arbeit in einem gesonderten Kapitel betrachtet, können jedoch in diesem Rahmen nur angerissen, nicht aber in ihrer ganzen Dimension abgehandelt werden.

Abschließend noch ein paar Bemerkungen zum Forschungsstand. Sowohl in der älteren, als auch der jüngeren Literatur sind die jeweiligen Jugendorganisationen unter dem Anspruch der Objektivität oft verallgemeinernd und idealisiert dargestellt. Die Wirklichkeit aber, die strukturellen und regionalen Unterschieden unterworfen war, im zeitlichen Wandel starke Veränderungen erfuhr und subjektiv von den einzelnen Betroffenen wahrgenommen wurde, wich in vielerlei Hinsicht davon ab. Es werden darum in einzelnen Fällen Berichte von Zeitzeugen und Auszüge aus Interviews eingeflochten, um die Vielschichtigkeit der Thematik andeuten zu können.

Das vorliegende Buch entstand auf der Grundlage der im Jahr 2011 gefertigten Diplomarbeit „'Jugend für den Staat erzogen' - Erziehung in den Staatsjugendorganisationen des 'Dritten Reiches' und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Hinblick auf die Umsetzung der jeweiligen Staatsparteidoktrin“ an der Universität zu Köln, unter der Betreuung von Prof. Dr. Hans-Joachim Roth.

Abkürzungsverzeichnis


AO - Abteilungsorganisation
AWA - Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik (DDR)
BDM - Bund Deutscher Mädchen
BSG - Betriebssportgemeinschaft/​en
BStU - Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
DFD - Demokratischer Frauenbund Deutschlands
DDR - Deutsche Demokratische Republik
DT 64 - Deutschlandradio 64
DTSB - Deutscher Turn- und Sportbund
EOS - Erweiterte Oberschule, (mit Abiturabschluss), vgl. POS
FDGB - Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
FDJ - Freie Deutsche Jugend
GEMA - Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (BRD)
GO - Grundorganisation
GST - Gesellschaft für Sport und Technik
HJ - Hitlerjugend 1. Gesamtverband aller weiblichen und männlichen Mitglieder 2. Organisation der 14 – 18jährigen männlichen Jugend
ISKON - International Society For Krishna Consciousness
JM - Jungmädel
JV - Jungvolk
KHD - Kriegshilfsdienst
KJVD - Kommunistischer Jugendverband (Deutschlands)
KSZE - Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
KvU - Kirche von Unten
LDPD - Liberal-Demokratische Partei Deutschlands
MfS - Ministerium für Staatssicherheit
MMM - Messe der Meister von Morgen
ML - Marxismus-Leninismus
ND - Neues Deutschland (Tageszeitung der SED)
N.P.E.A. - National-Politische-Erziehungs-Anstalt (volkstümlich auch NAPOLA)
NS - Nationalsozialismus/​nationalsozialistisch/​e
NSDAP - Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NSV - Nationalsozialistische Volkswohlfahrt
NVA - Nationale Volksarme (der DDR)
POS - Polytechnische Oberschule (der DDR), zehnklassig
RAD - Reichsarbeitsdienst
RADmJ - Reichsarbeitsdienst der männlichen Jugend
RADwJ - Reichsarbeitsdienst der weiblichen Jugend
RIAS - Rundfunk im amerikanischen Sektor (Radiosender)
RJF - Reichsjugendführung, Reichsjugendführer
SA - Sturmabteilung
SAJ - Sozialistische Arbeiterjugend (Deutschlands)
SBZ - Sowjetische Besatzungszone
SED - Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SFB - Sender Freies Berlin (Radiosender)
SFP - Sender Freies Paunsdorf (Radiosender)
SMAD - Sowjetische Militäradministration (in der SBZ)
SPU - Schallplattenunterhalter
SS - Schutzstaffel
Stasi - Staatssicherheitsdienst, Staatssicherheit
SU - Sowjetunion
WHW - Winterhilfswerk
ZK - Zentralkomitee
ZR - Zentralrat

1. Herausbildung der Jugendverbände vor 1933

1.1 Jugendverbände im Kaiserreich

Die historische Entwicklung der Jugendverbände und Jugendbewegung reicht weit in die Geschichte des 19. Jahrhunderts zurück und damit in eine Zeit, als auf Grund veränderter Arbeits- und Lebensbedingungen erstmals überhaupt die Lebensphasen von 'Kindheit' und 'Jugend' ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt waren. 1839 wurde per Gesetz in Preußen die Arbeitszeit für Jugendliche unter 16 Jahren auf 10 Stunden begrenzt, Kinderarbeit unter 9 Jahren gänzlich verboten. Damit erhielten Kinder und Jugendliche erstmals einen gewissen Freiraum, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur verstärkten pädagogischen Wahrnehmung dieser entscheidenden Lebensphase führte und „[…] entsprechende Institutionalisierungsformen nach sich zog.“3

 

Neben der amtlichen 'Jugendpflege', deren Anliegen darin bestand, die Jugend zu „einer frohen, körperlich leistungsfähigen, sittlich tüchtigen, von Gemeinsinn und Gottesfurcht, Heimat- und Vaterlandsliebe erfüllten“4 Generation zu erziehen, entwickelten sich in kurzer Zeit im Wilhelminischen Kaiserreich eine Vielzahl an Jugendverbänden, die sich in drei Bereiche unterscheiden lassen: christlich geprägte Vereinigungen, bürgerlich-nationale Jugendgruppen und Arbeiterjugendvereine.5 Daneben entwickelte sich als Antwort auf die zunehmende Industrialisierung des beginnenden 20. Jahrhunderts, die einherging mit einer rasanten Verstädterung und „Modernisierung des Lebens“6, eine eigenständige Jugendbewegung. Besonders in bürgerlichen Kreisen lehnten sich die Jugendlichen vermehrt gegen Gehorsam und Drill und somit gegen verkrusteten autoritäre Strukturen in Elternhaus und Schule auf und nutzen die Chancen der Umbruchszeit für das Aufbrechen überkommener Erziehungsmethoden. Studenten und Gymnasiasten fanden in Gruppen zusammen und wanderten gemeinsam an den Wochenenden in die Natur hinaus. Das romantisierende Naturerlebnis, die Rückkehr zum einfachen, asketischen Leben unterwegs auf dem Lande, orientiert an den Wanderungen zunftständiger Handwerksburschen, stand dabei bewusst einer zunehmenden Einbindung des Menschen in das Räderwerk einer die Umwelt dominierenden Industrialisierung entgegen.

Aus dieser anfänglich sporadischen Wanderbewegung gründete sich 1901 in Berlin – Steglitz der erste Wandervogelverein, der sich vor dem ersten Weltkrieg in ganz Deutschland ausbreitete und in viele verschiedene Gruppierungen aufsplitterte.7 Ab 1907 etablierten sich neben dem Wandervogel weitere, meist studentische Gruppierungen wie die Studentischen Akademischen Freischaren und die Akademische Freideutsche Jugend.8

Ein Novum dieser studentischen Jugendbewegungen war ihr struktureller Aufbau aus eigenen Reihen. Die einzelnen Gruppierungen kamen meistens ohne erwachsene Leitungspersonen aus und blieben weitgehend unpolitisch. Auf dem 'Ersten Freideutschen Jugendtag' – einem Treffen verschiedener Bünde am Hohen Meißner bei Kassel im Oktober 1913 - wollten die verschiedenen Gruppierungen eine gemeinsame „Plattform und organisatorische Formen der Zusammenarbeit“9 schaffen. Doch diese Pläne gelangten durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges nicht mehr zur Umsetzung.

Unter den offiziellen Verbänden stellten in der Vorkriegszeit die christlichen Vereinigungen, schon auf Grund ihrer hohen Mitgliederzahlen, die gewichtigsten Bündnisse dar. 1912 existierten „katholische Jünglingsvereine, Gesellenvereine, Burschenvereine und Jungfrauen-Kongregationen“10, daneben Evangelische Jünglingsvereine sowie Christliche Vereine junger Männer. In den folgenden Jahren entstanden auch christliche Vereinigungen, die unabhängiger von kirchlichen Institutionen arbeiteten als die erwähnten.

Im bürgerlich-nationalen Spektrum lag ein deutlicher Schwerpunkt auf der körperlichen Ertüchtigung der jungen, wehrfähigen männlichen Jugend, so dass sich hier zahlreiche wehrsportliche Gruppierungen zusammenfanden, die ab 1899 durch den „Ausschuss zur Förderung der Wehrkraft durch Erziehung“11 vertreten wurden. Zu den vom „wilhelminischen Militarismus“12 geprägten Verbänden gehörten die Deutsche Turnerschaft, die Berliner Jugendwehr und das Deutsche Späherkorps. Auch die in Deutschland nach Baden Powells Vorbild 1911 gegründeten Pfadfinderbünde wurden oft von Offizieren geleitet.

Neben diesen wehrsportlichen Gruppierungen zählten aber auch autonome, sogenannte 'wilde' Jugendvereine zu den bürgerlichen Jugendgruppen, ebenso Vereine mit nationaler und patriotischer oder sozialer Gesinnung, wie beispielsweise der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband und der Deutsche Verband der Jugendgruppen und Gruppen für soziale Hilfsarbeit.13

Ab 1903 etablierten sich in Deutschland erstmals Arbeiterjugendvereine. 1906 gründete sich der Verband junger Arbeiter Deutschlands.14 Weitere proletarische Jugendvereine entstanden mit dem Vorsatz des „Arbeitsschutz[es] und [der] Weiterbildung“15 ihrer Mitglieder. Anfangs distanziert, begannen die Sozialdemokraten um 1908 ihr Interesse an den proletarischen Jugendorganisationen zu bekunden, die sich infolge dessen größtenteils auflösten und mit den Parteien kooperierten. Während die bürgerlichen Jugendorganisationen vom Staat finanziell unterstützt wurden, erhielten die proletarischen Vereine keine diesbezüglichen Subventionen.