Frozen Hearts: Arctic Heat

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Aus der Reihe: Frozen Hearts #3
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Frozen Hearts: Arctic Heat
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Deutsche Erstausgabe (ePub) August 2020

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2019 by Annabeth Albert

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Arctic Heat«

Published by Arrangement with Annabeth Albert

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2020 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Anne Sommerfeld

ISBN-13: 978-3-95823-837-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


Aus dem Englischen von Vanessa Tockner

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die Autorin des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Owen hat gerade erfolgreich seine Krebserkrankung besiegt und sich fest vorgenommen, jetzt die Dinge anzugehen, die er in seinem Leben unbedingt noch machen möchte. Unter anderem freiwillig einen Winter lang in der Wildnis von Alaska als Ranger zu arbeiten. Der grummelige Naturbursche Quill, der ihn unter seine Fittiche nehmen soll, hat es Owen von der ersten Minute an angetan, auch wenn Quill zunächst nicht von den Annäherungsversuchen des Großstadtjungen begeistert zu sein scheint. Aber je länger die verschneiten Nächte werden, desto weniger kann Quill Owens Flirten widerstehen und zwischen den beiden unterschiedlichen Männern funkt es gewaltig. Doch was passiert, wenn der Frühling anbricht? War ihre gemeinsame Zeit nur eine belanglose Affäre oder kann sich daraus etwas viel Tieferes entwickeln?

Kapitel 1

Kommen Sie für den Schnee. Bleiben Sie für den Ranger-Porno. Owen konnte das Lächeln nicht unterdrücken, als er den großen Konferenzraum des Amtes für natürliche Ressourcen und Umweltschutz inspizierte. Er war wirklich hier in Alaska und tat, was so lange nur ein Tagtraum gewesen war. Glückliche Schauer rannen ihm über den Rücken. Die anderen Freiwilligen waren hauptsächlich junge Studenten und Rentner, aber sein Blick verweilte bei den uniformierten Rangern, die vorne standen. Er versuchte, nicht zu starren, scheiterte aber vermutlich kläglich. Denn wow. Diese Kerle ließen das triste Grün und Kaki geradezu sexy aussehen, mit ihren breiten Schultern und großzügigen Muskeln und stoppeligen Kieferpartien.

Die Einweisung war für neue ehrenamtliche Mitarbeiter wie Owen, die für den Winter in den State Park gekommen waren und die Saison an abgeschiedenen Orten verbringen würden, um die Ranger und andere bezahlte Mitarbeiter zu unterstützen. Erfahrene Ranger würden sie über alles, von Lawinengefahr bis hin zur Bedienung von Generatoren und den Nutzungsvorschriften des bundesstaatseigenen Landes, aufklären. Einige wiederkehrende Ehrenamtliche und Ranger waren für die Erste-Hilfe-Auffrischungskurse dabei, gesellige Leute, die sich offensichtlich schon kannten und lachten und scherzten, während sie sich an der Kaffeestation an der Seite des Raums bedienten.

Owen musterte die Leute, denen er zugeteilt werden könnte, und ein Mann, der abseits stand, zog immer wieder seine Aufmerksamkeit auf sich – ein uniformierter Ranger, der bereits einige Jahre hinter sich hatte, wahrscheinlich in den Vierzigern, fast schon ein Silberfuchs und mit seinem strammen Körperbau und klassisch gutem Aussehen eindeutig in der Ja, bitte-Kategorie. Das Amt würde zweifellos dreimal so viele Bewerbungen auf ihre Stellenausschreibungen bekommen, wenn ein Foto von diesem Kerl beigefügt wäre. Ja, wenn ein Winter in Alaska nicht ohnehin auf Owens Wunschliste stehen würde, hätte ein Blick aus diesen stahlblauen Augen dafür gesorgt, dass er auf der Liste landete.

Er hoffte, dass er einigen coolen Leuten zugeteilt werden würde, da er mit nur wenigen Menschen in regelmäßigem, engem Kontakt stehen würde und aus erster Hand wusste, wie wichtig Chemie in einem Team war. Er würde jeden nehmen, der umgänglich war, aber Mann… Chemie war noch untertrieben. Der blauäugige Ranger verwandelte den Funken der Erwartung in Owens Bauch in etwas Wärmeres und Intimeres. Und verdammt, nach all den nagenden Sorgen, dass sie für immer verschwunden sein könnte, war es schön, diese Anziehungskraft wieder zu spüren.

Owen war nicht besonders eingebildet, aber er war verdammt aufmerksam und hatte bemerkt, wie der Blick dieser Augen mehr als einmal in seine Richtung gehuscht war. Klar, zum Teil lag das bestimmt daran, dass Owen die Situation verkannt hatte, mit dem hübschen Hemd und der Stoffhose zu fein gekleidet war und in dem Raum voller Kaki, Flanell und Jeansstoff herausstach. Und vielleicht lag es zum Teil daran, dass er einer der wenigen Asiaten im Raum war. Vielleicht war der Kerl einfach neugierig, aber Owen hatte bereits mehrere Male neugierig in interessiert verwandelt.

Und da Owen ein Mann der Tat war, ging er mit seinem Tee, seiner Einführungsbroschüre und seinem Notizblock näher an den Kerl heran und versuchte, sich spontan einen guten Gesprächsanfang einfallen zu lassen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, klatschte eine Frau mit breitem Gesicht und dunklen Haaren vorne im Raum in die Hände.

»Also gut, setzt euch alle mal. Wir fangen in ein paar Minuten an, also holt euch euren Kaffee jetzt!«

Sein Rangeropfer setzte sich sofort und da war sie, Owens Chance, für die nächsten paar Stunden in dieser heißen Ausstrahlung zu baden. Er war in der perfekten Position, um auf den Stuhl neben seinen Traumkerl zu gleiten, ihm sein bestes Lächeln zu schenken und – fuck – heißen Tee zu verschütten. Der Teil war überhaupt nicht geplant gewesen und dem finsteren Blick des Mannes nach zu schließen war die Störung alles andere als willkommen.

»Ups. Entschuldige! Alles in Ordnung?« Owen reichte ihm eine Serviette und widerstand der Versuchung, die feuchte Uniformhose des Kerls selbst abzutupfen.

»Mir geht's gut.« Der Ranger runzelte weiterhin die Stirn, während er den Tee aufwischte, der sowohl auf seine Hose als auch auf die Schreibfläche seines Stuhls geschwappt war. »Es wird wieder trocknen.«

»Normalerweise bin ich nicht so ungeschickt. Ich heiße Owen. Owen Han.« Nachdem er sorgfältig seinen Kram geordnet hatte, streckte er die Hand aus. »Ich bin neu hier.«

»Dachte ich mir.« Die Hand, mit der der Ranger Owens ergriff, war so warm und fest, wie Owen gehofft hatte. Und das winzige Lächeln, das an seinem Mundwinkel zupfte, war so liebenswert, dass es ihn beinahe schwindeln ließ. »Und ich bin Quill Ramsey. Nicht neu.«

»Dachte ich mir.« Owen versuchte ein weiteres Lächeln, das hoffentlich nicht zu kokett war, aber doch ein weiteres Gespräch anregte. »Netter Name. Bin nicht sicher, ob ich den schon mal gehört habe.«

»Meine Mutter ist exzentrisch.« Die Art, wie Quill exzentrisch sagte, deutete darauf hin, dass seine Beziehung zu seiner Mutter angespannt war. »Anscheinend hat sie all ihre Lieblingsnamen in einem Buch eingekreist und dann den Zufall entscheiden lassen.«

»Eigentlich ist das irgendwie cool. Ich bin nach dem Lehrer benannt, der meine Eltern in der Highschool für ein Unterrichtsprojekt in eine Gruppe gesteckt hat. Mütter, oder?«

»Ja.« Quills Ton lud nicht gerade zu weiterer Konversation ein, aber wenn Owen eins war, dann freundlich. Und beharrlich. Seine Schwester, die Therapeutin, nannte es aggressiv extrovertiert und hatte damit nicht unrecht.

»Also, hilfst du bei den Präsentationen oder bist du hier, um dein Erste-Hilfe-Wissen aufzufrischen?«

»Beides.« Quill verzog den Mund zu einem Ausdruck, der einer Grimasse ähnelte. Owen mochte seine Stimme – leise und tief, mit einem für den Westen typischen Beiklang, aber nicht näselnd. Seine Sprechweise, als würde ihn jedes Wort strapazieren, gab Owen das Gefühl, als hätte er sich ein Geschenk verdient, als Quill fortfuhr: »Hab nicht bemerkt, dass meine Reanimationskenntnisse eingerostet sind. Wir hatten einen Wechsel des Hilfspersonals in unserer Außendienststelle, aber ich hätte es trotzdem wissen sollen. Und ja, da ich sowieso hier bin, hat Hattie mich dazu überredet, die Diskussion über das Lawinenrisiko zu leiten.« Er deutete auf die Frau, die vorne im Raum stand, bevor sein Blick wieder über Owen wanderte. »Nicht, dass ihr alle diesen Vortrag brauchen werdet. Machst du hier in der Zentrale dein Praktikum? Ich hab gehört, sie holen sich ein paar Leute mit Finanz- und Wirtschaftshintergrund dazu.«

Owen musste sich ein Stöhnen verbeißen. Er hätte sich wirklich für ein Outdoor-Outfit entscheiden sollten anstatt für Muss einen guten ersten Eindruck hinterlassen als Motto. Er wusste sehr gut, dass er jung aussah, aber er hatte es gründlich satt, für einen Twink im Studentenalter gehalten zu werden statt für einen Erwachsenen, der mit beiden Beinen im Berufsleben stand. Und er hatte früher zwar im Finanzsektor gearbeitet, aber von diesem Leben hatte er sich verabschiedet. »Ich mache kein Wirtschaftspraktikum. Ich bin sechsunddreißig und für diesen Winter im Chugach State Park eingeteilt.«

 

»Ach ja?« Quill blinzelte und Owen gefiel es irgendwie zu wissen, dass er ihn überrascht hatte. Gut. Vielleicht konnte er ihn auch in anderen Dingen überraschen.

Der Ranger öffnete den Mund, als wollte er mehr sagen, aber Hattie klatschte erneut in die Hände und zog ihre Aufmerksamkeit zum Podium. Während sie ihre Willkommensrede begann, die von fröhlichen PowerPoint-Folien begleitet war, warf Owen unwillkürlich einen weiteren Blick auf Quill. Seine vorschnellen Annahmen waren vielleicht ärgerlich, aber er war genauso, wie Owen sich einen Ranger in Alaska immer vorgestellt hatte. Er musste unbedingt sofort herausfinden, wo er eingesetzt war, denn Owen würde liebend gerne mit diesem Bizeps und diesen intensiven Augen eingeschneit werden. Das wäre wahrhaftig ein Traumwinter.

***

Gott sei Dank würde der allzu redselige Neuling nicht in Quills Zuständigkeit fallen. Ein anderer würde ihn bis zum Frühling am Leben halten müssen, denn dieser Kerl schrie geradezu leichte Beute. Es war nicht nur seine Kleiderwahl, die besser in die Buchhaltung passte – seine sorgfältig gestylten, dunklen Haare und die Hipsterbrille verrieten, dass er anspruchsvoll und süchtig nach Aufmerksamkeit war, was sich nie gut mit der harten, oft mörderischen Arbeit in winterlichen Nationalparks vertrug. Wenigstens hatte er den richtigen Körperbau, um möglicherweise mithalten zu können: überraschend muskulöse Arme und Schultern sowie einen schlanken Oberkörper. Tatsächlich war es seine Figur gewesen, die Quill als Erstes aufgefallen war, seine unheimliche Ähnlichkeit mit einem gewissen Schwimmer, einem Landeschampion im Schmetterlingsstil, dessen Karriere Quill vor einer Million Leben leidenschaftlich verfolgt hatte.

Aber das war damals gewesen, hier und jetzt durfte Quill sich nicht ablenken lassen. Er war hier, um Hattie einen Gefallen zu tun, nicht, um sich mit frischen Augenweiden aufzuhalten. Und ebenso wie der Körperbau des Kerls eine Erinnerung ausgelöst hatte, so hatten seine Stimme und Freundlichkeit eine andere losgetreten und Quill ein wenig zu sehr an JP erinnert, der eine ähnliche Art hatte, mit allen möglichen Leuten zu plaudern, die Quill nie ganz verstanden hatte. Er hatte nie begriffen, warum manche Leute es genossen, angenehme Stille mit sinnlosen Fragen zu füllen. Er selbst konnte zwanzig Jahre lang mit Kollegen zusammenarbeiten, ohne den Drang nach einem tiefsinnigen Gespräch oder persönlichen Details zu verspüren. Er mochte es, mit kompetenten Menschen zu arbeiten, schätzte harte Arbeit und eine positive Grundhaltung, aber vor allem genoss er seine Autonomie, mochte die Tage, die vergingen, ohne dass er Small Talk führen oder soziale Feinheiten begreifen musste, die ihm noch nie leichtgefallen waren. Gott, er hoffte, dass sie ihm für den Winter keine Plaudertasche zuteilten. Das war das Letzte, was er brauchte.

Was ihm ebenfalls nicht leichtfiel, waren lange Meetings. Gott, er fühlte sich, als wäre er wieder auf dem College und säße eine Vorlesung ab, die er nicht brauchte, während er gegen den Drang ankämpfte, etwas anderes zu finden, das seine Aufmerksamkeit fesseln würde. Die leeren Stellen auf seinem Programm riefen nach ihm, das weiße Papier wollte gefüllt werden, aber er war nicht länger zwanzig und würde sich von seinen Kollegen nicht beim Kritzeln erwischen lassen. Er konnte einige langweilige Einweisungen und die Erläuterungen von Sicherheitshinweisen ertragen, die er sich bereits vor langer Zeit eingeprägt hatte. Also ließ er seinen Stift fest geschlossen und versuchte, seine Aufmerksamkeit nicht zu sehr zu dem Neuling wandern zu lassen, der sich vorgelehnt hatte, völlig auf Hattie konzentriert war und gelegentlich mit einem schnittigen, silbernen Stift eine Notiz in sein kleines, rotes Ledernotizbuch schrieb. Sein guter Geschmack in Sachen Schreibwaren deutete auf ein gewisses Einkommensniveau und finanzielle Sicherheit hin, die Quill bei saisonalen Helfern normalerweise nicht beobachten konnte.

Owen hatte eine Art, sich beim Schreiben auf die Lippe zu beißen, die Quills Entschlossenheit, null Ablenkung zuzulassen, heftig herausforderte. Der Eifer des Kerls war seltsam anziehend und Quill musste sich damit behelfen, unauffällige Rautenmuster mit seinem Stift zu zeichnen, um nicht zu starren. Er war mehr als erleichtert, als Hattie eine Pause einläutete, nachdem sie und ein Ranger aus Kenai endlich ihre Präsentation über die Vorschriften und Richtlinien des Amtes beendet hatten.

Quill ging zum Podium nach vorne, denn er war zwar nicht gesellig, aber auch kein so schlechter Freund. »Du machst das toll«, sagte er zu Hattie, während sie auf ihrem Laptop herumklickte und das nächste Thema vorbereitete. »Habt ihr euch gut eingerichtet? Wie geht's Val?«

»Val geht es gut. Sie kämpft immer noch mit Morgenübelkeit, aber wir liegen im Zeitplan für die Geburt im März. Es ist so neu, wieder ein Haus zu haben. Ich glaube, ich treibe sie mit all meinen Plänen für das Kinderzimmer in den Wahnsinn.«

»Gut für euch.« Quill versuchte, es auch so zu meinen. Es war nicht Hatties Schuld, dass ihre Immer-mal-wieder-Partnerin sie alle mit einem Antrag und einem ernsten Anfall von Babyfieber überrascht hatte. Jetzt hatte Hattie einen Bürojob, ein Baby war unterwegs und Quill sah einem Winter ohne seine beste Freundin, seine rechte Hand, entgegen. Sie verstand Quill wie nur wenige andere, gab ihm den Raum, den er brauchte, und war gleichzeitig eine positive, hilfreiche Konstante in seinem Leben. Und anstatt einen anderen Ranger als Ersatz für sie auf die Außenstelle zu schicken, schickte das Amt dank der Budgetkürzungen in all seiner Weisheit nur einen ehrenamtlichen Parkwärter für den Winter in die Gegend um den Hatcher Pass, die Quills Hauptterritorium war.

»Es wird alles gut werden.« Hattie drückte seinen Arm. »Auch für dich. Eine Veränderung ist für uns alle gut.«

Quill schnaubte, denn wenn er eins hasste, dann Veränderung. Wenn er dieselbe Stiefelmarke, dasselbe Territorium für seine Patrouille, dieselbe Speisekarte und dieselben Freunde hatte, war er ein glücklicher Ranger. Schon seit Wochen stresste es ihn, von Hattie zu jemand Neuem zu wechseln und die Sorge, wen sie ihm wohl zuteilen würden und wie sie miteinander klarkommen würden – oder nicht –, machte ihn ganz verspannt.

Aber für Hattie versuchte er, sich heiter zu geben. »Das sagst du. Also, wer von denen ist unsere Person? Oder Personen? Haben sie uns ein Paar gegeben?«

»Ach ja. Was das betrifft.« Hattie ordnete einen Papierstapel neben ihrem Laptop und wandte den Blick ab. »Deine Wärterin hat sich verspätet. Wir versuchen, sie telefonisch zu erreichen, um herauszufinden, wo das Problem liegt. Sie ist College-Absolventin und wirkte sehr vielversprechend. Aber so oder so werden wir bis spätestens morgen eine Lösung für dich haben.«

»Na gut.« Sofort war sein Rücken nicht mehr nur angespannt, sondern steif. Fuck. Noch mehr Unsicherheit. Es gab noch eine Menge, das Quill sagen wollte, vor allem, dass er nicht mit jemandem überwintern wollte, der die Einweisung übersprungen hatte. Und dass eine College-Absolventin so oder so zu grün hinter den Ohren war. Aber sein Gegenüber war Hattie, die nur ihr Bestes in ihrer neuen Stelle gab, und die Budgetkürzungen und unzuverlässigen Leute waren nicht ihre Schuld.

»Du bist als Nächstes dran. Versuch, sie nicht zu sehr mit den Wetterrisiken im Winter zu erschrecken. Lächle.«

»Hey. So furchteinflößend bin ich nicht.« Präsentationen gehörten zur Arbeit eines Rangers, aber normalerweise hatte er Hattie das meiste der Touristenbildung überlassen, denn ja, das war nicht gerade sein liebster Teil. Und wahrscheinlich wirkte er tatsächlich etwas verdrießlich, während er verbarg, wie nervös es ihn machte, vor Publikum über Warnhinweise und wichtige Informationen zu sprechen.

»Doch, irgendwie schon.« Sie schüttelte den Kopf, aber in ihrem Ton schwang auch Zuneigung mit. Sie wandte sich wieder der Menge im Raum zu und rief die Leute auf ihre Plätze zurück. Dann stellte sie Quill vor und lobte ihn dabei in den höchsten Tönen, was er auch nur ihr erlauben würde.

In seinem Magen flatterte es seltsam, wie es vor öffentlichen Ansprachen immer der Fall war, und er versuchte, es mit aller Kraft zu ignorieren. Er war nicht länger der schüchterne Junge, der es hasste, vom Lehrer aufgerufen zu werden, und trotz seines Unbehagens hatte er Fotos von verschiedenen Gefahren vorbereitet. Nach zwanzig Wintern wusste er, was er tat, und versuchte, das im Kopf zu behalten, während er begann.

Dumme Tipps wie Blickkontakt oder sich das Publikum in witzigen Situationen vorzustellen, hatten für ihn nie funktioniert, also konzentrierte er sich auf den hinteren Bereich des Raums, während er die für den Winter in Alaska einzigartigen Risiken erklärte. Allerdings driftete seine Aufmerksamkeit immer wieder zu Owen Han ab, zu seiner ernsten Miene und dem schimmernden Stift, der über seine Seiten flog. Zu seiner Überraschung hatte Owens Konzentration etwas an sich, das Quill beruhigte, seine Stimme sicherer und stärker machte und ihm das Gefühl gab, als würde er direkt zu Owen sprechen anstatt zu allen Anwesenden im Raum.

Natürlich war Owen wie ein guter Teil der Zuhörer schlecht darauf vorbereitet, was vor ihm lag. Selbst Leute aus Gegenden wie Minnesota, die viel Erfahrung mit Schnee hatten, taten sich schwer damit, zu begreifen, dass Lawinen eine allgegenwärtige Gefahr darstellten.

Quill nahm sich Zeit, mit vielen Fotos und geduldigen Erklärungen, während er daran zu denken versuchte, was Hattie darüber gesagt, dass er die Leute nicht verschrecken sollte. Aber sie mussten auch die oft harte Realität verstehen. Es gab selten einen Winter, in dem er nicht mindestens einen Todesfall miterlebte, normalerweise nach einer von Menschen ausgelösten Lawine, und er war entschlossen, sein Bestes zu geben, damit keiner der ehrenamtlichen Helfer als makabre Statistik endete. Je mehr er sprach, desto sicherer fühlte er sich, aber er war trotzdem erleichtert, als er die letzte Folie erreichte.

Aus dem Publikum kamen einige gute Fragen, auch Owen stellte eine über Lawinenverschüttetensuchgeräte. Trotz der Ähnlichkeit mit JP mochte Quill seine Stimme, die eher einen Hauch Kalifornien in sich trug – lockere Vokale und lässige Selbstsicherheit. Eigentlich zu große Selbstsicherheit, da er annahm, dass die Suchgeräte idiotensicher waren.

Quill erklärte ihre Beschränkungen, war aber nicht besonders überrascht, als Owen ihn in der Schlange am Mittagsbüfett noch einmal ansprach.

»Und warum bekommen Urlauber in der Wildnis erzählt, sich Suchgeräte zu besorgen, wenn sie oft überhaupt nicht helfen?«, fragte Owen mit gezücktem Notizbuch, was wirklich ziemlich niedlich war. Und schlau von ihm, die Einführung ernst zu nehmen. Dafür respektierte Quill ihn ein wenig mehr.

»Na ja, sie können Leben retten, aber dazu braucht jeder in der Gruppe eines, nicht nur ein oder zwei Personen, und man muss mit ihnen üben. Die meisten Leute besorgen sich zu wenige Geräte oder üben nie. Wenn dann die Katastrophe hereinbricht, sind sie nicht vorbereitet. Die Suchgeräte sind kein Ersatz für Bereitschaft. Und manche Leute nutzen sie als Ausrede, um übermütig zu werden oder Risiken einzugehen, das ist auch problematisch.«

»Übung ist also das Wichtigste.« Owen machte sich in seiner klaren, präzisen Handschrift Notizen.

»Und ich will nicht zu brutal werden, aber eine gewisse Zahl der Opfer stirbt, weil sie im Sturz gegen Bäume oder Felsen stoßen. Die Suchgeräte funktionieren nur, wenn du den Sturz überlebst.«

»Ah.« Owen wurde blass, als er über diese Tatsache nachdachte. »Ich schätze, das ergibt Sinn. Und du hast eine großartige Übersicht über alle Gefahren gegeben.«

»Danke.« Quills Nacken wurde heiß, da er nicht sicher war, was er von dem Lob halten sollte. Das Mittagessen war ein einfaches Büfett aus Sandwiches, Fritten und Keksen, aber die Schlange vor ihnen bewegte sich nur langsam weiter, da die Leute ewig brauchten, um sich zu entscheiden. Vermutlich wäre es nur höflich, das Gespräch nicht zu beenden. »Hast du selbst viele Erfahrungen mit Schnee gemacht?«

»Na ja, ich bin in der Bay Area aufgewachsen, da gab es also nicht viel Schnee. Aber ich habe im College ein paar Winter in einem Skigebiet am Lake Tahoe gearbeitet. Auch ein paar Sommer. Und ich war ein paar Mal im Skiurlaub. Ich mag Schnee«, sagte Owen mit der Souveränität von jemandem, der sich nie monatelang auf einmal mit dem Zeug hatte herumschlagen müssen.

 

»Das ist gut.« Quill würde nicht derjenige sein, der ihm die Illusionen nahm, aber Ehrenamtliche wie Owen neigten dazu, ihren ersten richtigen Winter nicht durchzustehen. Schnee zu lieben, war nicht dasselbe, wie mit den dunklen, eiskalten Tagen umgehen zu können, die den Winter in Alaska ausmachten. Aber er hatte Hattie versprochen, dass er die Ehrenamtlichen nicht verschrecken würde, also fügte er lediglich lässig hinzu: »Dass du Ski fahren kannst, wird definitiv ein Vorteil für dich sein.«

»Das hoffe ich.« Owen schenkte ihm ein weiteres, fast blendendes, aufrichtiges Lächeln. Und es war Quills Pech, dass der Kerl tiefe Grübchen hatte wie ein Filmstar – die waren schon immer sein Kryptonit gewesen, sogar noch mehr als es Sprechen vor Publikum war. Sie ließen tief in Quills Bauch Hitze aufblühen und den Rest der Schlange im Hintergrund verblassen. Die Grübchen hatten vermutlich eine Rolle dabei gespielt, dass Quill ihn ursprünglich jünger eingeschätzt hatte, aber aus der Nähe konnte er auch leichte Lachfältchen um Owens Augen sehen, die verrieten, dass er die Zwanziger tatsächlich weit hinter sich gelassen hatte.

So nah konnte er außerdem das frische Aftershave des Kerls riechen: ein sauberer, moderner Duft, der vermutlich mehr kostete als Quills Stiefel, aber verdammt, zusammen mit diesen Grübchen war er einfach entwaffnend.

»Die Schlange hat sich bewegt.« Diesmal war Owens Lächeln verschlagener, als hätte er Quill durchschaut und plante, dieses Wissen voll auszunutzen.

»Danke.« Quill nahm einen Teller und die nächsten zwei Scheiben Weizenbrot. Owen war vielleicht nett und verteufelt sexy, aber er war auch eine gefährliche Ablenkung. Und Quill wusste besser als die meisten, wie tödlich auch nur ein paar unaufmerksame Momente sein konnten. Die klügste Strategie wäre, ihn zu meiden und sich bei seinem Glücksstern zu bedanken, dass er nicht zusammen mit diesen Grübchen eingeschneit sein würde.

Hatties Freiwillige würde ihn wenigstens nicht ebenso in Versuchung führen wie Owen. Sein Bauch protestierte wieder. Diese Unsicherheit musste wirklich dringend verschwinden. Und wenn er etwas Reue verspürte, als er sich von Owen entfernte und mit seinem Essen neben Hattie setzte, schob er sie vehement von sich. Er hatte einen Job zu erledigen, der ihm wenig Raum für andere Dinge ließ, und so war es nun einmal.

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