Buch lesen: «Der Tote auf dem Spielesplatz»
Der Tote auf auf dem Spielesplatz
Über die Autorin
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Epilog
Informationen
Anna-Lena Hees
Der Tote auf auf dem Spielesplatz
Tatort Pfalzel 2
Krimi
XOXO Verlag
Über die Autorin
Anna-Lena Hees wurde 1994 in Bernkastel-Kues geboren und studiert derzeit Germanistik und Anglistik an der Universität Trier - das Ganze mit dem Ziel, einmal als Lektorin, Redakteurin oder Texterin zu arbeiten. Die Autorin begann bereits im Alter von sieben Jahren, ihre eigenen Geschichten zu schreiben. Später verfasste sie nebenbei Gedichte, von denen einige bereits in bedeutenden Anthologien veröffentlicht wurden.
Im Jahr 2008 nahm die Autorin beim Literaturwettbewerb der Oppenheimer Festspiele teil und belegte mit dem deutsch-englischen Freiheitsgedicht »I wish I was a bird« den ersten Platz in ihrer Altersgruppe. 2012 verfasste sie ihren ersten Roman »Wer bin ich wirklich?«.
Impressum
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.
Print-ISBN: 978-3-96752-126-9
E-Book-ISBN: 978-3-96752-626-4
Copyright (2020) XOXO Verlag
Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag
unter Verwendung der Bilder:
Stockfoto-Nummer: 656127976
Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag
Hergestellt in Bremen, Germany (EU)
XOXO Verlagein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH
Gröpelinger Heerstr. 149, 28237 Bremen
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Kapitel 1
Es donnerte. Immer wieder zuckten Blitze am Himmel auf. Dazu regnete es so stark, dass man schnell den Eindruck bekam, es würde sich ein Wolkenbruch ereignen. Auf dem Asphalt hatte sich ein einziger See gebildet. Zudem jagten heftige Windböen durch die Nacht und ließen den Regen umso stärker wirken. Von dem Unwetter bekamen die meisten Anwohner nichts mit. Sie schliefen. Nur ein Liebespaar war noch unterwegs, auf der Suche nach einer Unterkunft. Isabel Weiß und Stefan Werner waren schon seit knapp drei Jahren zusammen. Sie waren beide Ende 20 und hatten bisher schon viele Abenteuer erlebt. Isabel war eine schlanke Frau, mittelgroß, mit langen, braunen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Stefan war hingegen etwas kräftiger. Rotbraune Haare hatte er, und ein charmanter Bart in derselben Farbe zierte sein rundliches Gesicht, in dem zwei braungrüne Augen saßen und voller Freude in die Welt schauten. Das Pärchen war gerade noch auf dem Festplatz gewesen, als das Gewitter losging. Nun näherten sich die beiden dem Spielesplatz. Dort gab es allerdings weitgehend nur Wohnhäuser.
»Warum sind wir nicht in die Klosterschenke gegangen? Da hätten wir noch ein Zimmer bekommen«, machte Stefan seiner Freundin Vorwürfe. Er ärgerte sich mittlerweile darüber, dass sie zu Fuß von Schweich nach Pfalzel gekommen waren und nun nicht mehr zurückkehren konnten, weil es zu stark regnete. Schon vor der Klosterschenke hatte er seiner Freundin vorgeschlagen, dort nach einem Zimmer zu fragen. Doch Isabel hatte davon nichts wissen wollen. »Es ist zu teuer. Wir können uns das nicht leisten«, hatte sie gesagt. Daher waren die beiden immer noch in den Straßen des malerischen Ortes unterwegs. Auf Stefans wiederholte Nachfrage schüttelte sie nur den Kopf und beeilte sich, möglichst schnell unter ein Dach zu kommen. Wieder zuckte ein Blitz am Himmel auf und erhellte das Moseltal, in dem der idyllische Trierer Stadtteil Pfalzel lag.
»Du glaubst also echt, dass du es mal wieder besser weißt? Willst du wirklich jetzt Geld einsparen und dafür in Kauf nehmen, dass wir womöglich noch vom Blitz erschlagen werden, wenn wir länger hier unterwegs sind? Mann, Isabel! Manchmal verstehe ich dich wirklich nicht. Ich will doch nur ein Dach über dem Kopf!« Stefan schüttelte den Kopf und lief seiner Freundin geschwind hinterher. Schließlich hatten sie den Spielesplatz erreicht. Im dortigen Vereinslokal brannte noch Licht. »Da können wir reingehen. Wer sagt‘s denn?«, rief Isabel triumphierend und lief auf die Gaststätte zu. Dann blieb sie plötzlich stehen, noch bevor sie den gepflasterten Bereich erreicht hatte.
»Was ist los?«, wollte Stefan wissen.
»Da! Da liegt jemand«, machte Isabel ihren Freund auf die am Boden liegende Gestalt aufmerksam. In der Dunkelheit sah man nur deren Umrisse. Durch das spärliche Licht der Laterne erkannte man nicht, ob die Gestalt eine Frau oder ein Mann war. Isabel deutete mit dem Finger auf die Person.
»Ja. Merkwürdig! Das ist doch viel zu gefährlich … bei dem Wetter! Lass uns mal hingehen und nachschauen. Kommst du, Isa?« Stefan ging auf die reglose Person zu, die sich als ein junger Mann mit dunklem, kurzem Haar entpuppte. Er kniete neben ihm nieder. »Hallo? Junger Mann? Du kannst doch nicht bei diesem Wetter auf dem Boden liegen. Komm, steh auf!«, sprach Stefan auf den Jungen ein. Doch dieser reagierte nicht.
»Ich verstehe das nicht.« Isabel schüttelte den Kopf. Sie näherte sich der Eingangstür des Lokals, das nur unweit von der Fundstelle entfernt lag, und rüttelte am Türknauf. »Es ist abgesperrt. Aber es muss doch jemand hier sein«, sagte sie. »Hallo? Ist da jemand?«, rief sie schließlich ein wenig lauter. »Wir brauchen Hilfe. Schnell!« Eine Weile tat sich nichts. Stefan kniete währenddessen immer noch neben dem jungen Mann und versuchte, ihn zu wecken.
»Er reagiert nicht. Ich glaube, er ist ohnmächtig oder so. Tut sich in dem Lokal mal was?«, rief er seiner Freundin zu. Isabel schüttelte erneut den Kopf. Dann schien sich aber doch etwas zu tun. Ein kräftiger Mann mit breiten Schultern und Halbglatze öffnete die Tür. In seinem Gesicht war ein wildwüchsiger Bart zu sehen, dazu grüne Augen, die in tiefen Höhlen lagen. Der Mann war etwa 55 Jahre alt. Ihm gehörte das Lokal. »Wir haben geschlossen«, brummte er mit seiner tiefen Bassstimme. »Ist doch schon so spät!«
»Sorry, es tut mir leid, Sie zu stören. Aber wir brauchen dringend Hilfe!«, versuchte Isabel den Mann milder zu stimmen. »Schauen Sie doch mal! Mein Freund kniet dort neben einer Person, die sich nicht bewegt. Dabei regnet es doch so heftig. Mal davon abgesehen, bräuchten wir dringend ein Dach über dem Kopf.«
»Hm?« Der Mann blickte sich zaghaft um und sah Stefan, der immer noch neben der am Baum liegenden Person kniete. »Wartet mal«, sagte er und zog sich für einen Moment zurück. Dann kam er wieder. Er hatte einen Anorak angezogen, und die Kapuze rutschte immerzu in sein rundes Gesicht. Der Mann eilte auf Stefan zu und schaute die reglose Person an, die nach wie vor auf dem Boden lag. Rasch fühlte er nach dem Puls, dann nickte er. »Ich hätte es mir denken können. Es ist kein Puls zu spüren. Ich rufe den Krankenwagen.«
»Ich spüre ihn auch nicht mehr«, erwiderte Stefan daraufhin und beobachtete den kräftigen Mann, wie er zurück ins Lokal marschierte. Es dauerte keine fünf Minuten, dann stand er wieder im Türrahmen und winkte das Pärchen zu sich. »Kommt doch rein! Bis der Rettungsdienst da ist, dauert es noch eine Weile. So lange könnt ihr euch bei mir aufwärmen.«
»Oh, vielen Dank. Das ist lieb von Ihnen!« Isabel lächelte dankbar und zog ihren Freund hinter sich her ins Lokal. Sie setzten sich an den nächstbesten Tisch und waren einfach froh, wieder im Trockenen zu sein. Der Mann brachte den beiden einen heißen Tee, denn er wusste, dass sich die beiden unbedingt aufwärmen sollten.
»Vielen Dank, den Tee können wir jetzt gut gebrauchen«, sagte Stefan. Er nahm die Teetassen dankbar an und reichte seiner Freundin eine davon. Isabel lächelte und nippte am Tee. Dabei ging sie aber sehr vorsichtig vor, um sich nicht die Lippen zu verbrennen. Dann rührte sie eine Weile mit dem Löffel in der Tasse herum und ließ die Geschehnisse des Tages noch einmal Revue passieren. Ganz normal hatte der Tag angefangen und bis zum Abend seinen gewohnten Lauf genommen. Dann waren Isabel und Stefan zur Pfalzeler Kirmes aufgebrochen und hatten dort, auf dem Oktoberfest, ewig gefeiert. Freunde der beiden waren ebenfalls gekommen. Gemeinsam hatten sie im Zelt gesessen und sich zugeprostet. Viel Spaß hatten die Freunde gehabt. Als es spät wurde, löste sich die Gruppe auf, und Isabel war mit Stefan allein. Als sie gerade den Heimweg antreten wollten, zog das Gewitter auf. Sie mussten durch den strömenden Regen laufen und waren keine fünf Minuten später klatschnass. Nun waren sie froh, in dem kleinen Lokal zu sitzen und sich bei der Tasse Tee aufzuwärmen.
»Wieso waren Sie eigentlich so spät noch unterwegs?«, wollte der Mann wissen, dem der Laden gehörte.
»Wir kamen gerade vom Oktoberfest. Waren mit die Letzten gewesen. Unsere Freunde gingen früher. Wir wollten gerade losgehen, da fing es an zu regnen, und der erste Blitz zuckte auf«, antwortete Stefan und blickte nachdenklich in den Tee.
»Hm, und kein Auto dabeigehabt? Oder wohnen Sie in Pfalzel?«
»Nein, wir wohnen hier nicht. Wir sind gerne zu Fuß unterwegs«, erklärte Isabel. »Heute Mittag war es ja noch schön, das Wetter. Wir hatten auch vor, zu Fuß zurückzulaufen. Aber das hat sich ja fürs Erste erledigt. Wir sind nämlich von Schweich gekommen, und bis dahin ist es ja doch ein gutes Stück zu laufen.«
»Hm.« Der Mann wollte zu einer weiteren Antwort ansetzen, da hörten alle Drei die Sirenen des Krankenwagens. »Da kommen sie ja«, murmelte er nur und lief auf den Platz vor dem Lokal. Mit quietschenden Rädern kamen Rettungsdienst und Notarztwagen auf dem Platz zum Stehen, und dann ging alles ganz schnell. Die Rettungssanitäter und der Notarzt eilten mit dem Notarztkoffer herbei und schauten sich den reglosen Mann ganz genau an.
»Die zwei, die ihn gefunden haben, sitzen im Lokal«, sagte der Kneipenbesitzer. »Ich glaube, dieser Mann ist tot.«
»Ja, er ist tot«, antwortete der Notarzt. »Wir können hier nichts mehr machen. Da muss gegebenenfalls die Polizei ermitteln.«
»Hm, dann werde ich unsere Freunde und Helfer alarmieren«, gab der Kneipenbesitzer zurück und stapfte zurück ins Lokal, wo Isabel und Stefan immer noch an ihren Tees nippten. »Und?«, fragte Stefan.
»Tot! Mausetot! Ich rufe die Polizei!« Mit diesen Worten griff der Mann zum Telefon und wählte die Notrufnummer der Polizei Trier.
Stefan schaute seiner Freundin derweil tief in die Augen. »Was glaubst du? Vom Blitz erschlagen? Selbstmord? Oder ging das von Dritten aus?«
»Keine Ahnung!« Isabel zuckte die Schultern. »Tot ist tot. Egal, wie der umgekommen ist.«
»Ja, aber … der war doch noch so jung. Was schätzt du? Doch sicher noch keine 30?«
»Was weiß denn ich? Interessiert mich auch nicht. Ich kann nichts dafür. Ich will mich jetzt nur noch erholen.« Isabel verschränkte die Arme und schaute in die Teetasse. Das Getränk hatte sie inzwischen ausgetrunken.
»Ja, tut mir leid«, erwiderte Stefan und klopfte seiner Freundin auf die Schulter. »Ich stehe doch auch unter Schock.« Kaum hatte er das gesagt, setzte sich der Mann, dem das Lokal gehörte, an den Tisch. »War der Tee gut? Geht aufs Haus. Ist schon so spät. Hoffe, ihr konntet euch aufwärmen ...«
»Ja, danke. Uns ist schon viel wärmer. Wie geht es denn jetzt weiter? Mit dem Toten da draußen?« Stefan schaute den Mann an.
»Na ja, ich hoffe, der Notarzt bleibt noch so lange, bis die Polizei eintrifft. Ihr müsst auch bleiben, weil ich denke, dass die Polizisten euch befragen werden. Immerhin habt ihr den Mann gefunden.«
»Hm, stimmt. Regnet es noch?«
»Ähm, ein bisschen.« Der Mann stand auf und wandte sich zum Gehen. »Hans-Dieter heiß‘ ich übrigens. Und ihr?«
»Stefan. Und das ist Isabel.« Stefan lächelte und deutete auf seine Freundin.
»Angenehm, Stefan.« Hans-Dieter zwinkerte dem Pärchen zu und verließ die Stube. Draußen warteten der Notarzt und die Sanitäter. Inzwischen hatte der Notarzt den Totenschein ausgestellt.
»Ich habe die Polizei gerufen.«
»Sehr gut, aber das hätten wir auch machen können. Dann werden die ja bald eintreffen.« Notarzt Gregor schaute erst Hans-Dieter und dann den toten Mann an.
»Haben Sie denn schon einen Verdacht, wie der Mann da zu Tode kommen konnte?«, wollte Hans-Dieter wissen. In dem Moment hörten alle Beteiligten das Martinshorn, und rasend schnell bog ein Polizeiwagen um die Ecke.
»Mein Gott, ham‘ die mich jetzt erschreckt ...« Hans-Dieter fasste sich ans Herz.
»So schreckhaft?« Rettungssanitäter Hannes war es, der darüber lachte, sogleich aber wieder ernst wurde, als das Polizistenduo Bruno Schmidt und Dietfried Schwartz auf die Männer zusteuerte. Schon von weitem hatten die beiden Polizisten die Leiche sehen können.
»Nicht einmal ein Blutbad scheint es gegeben zu haben. Hallo, die Herrschaften«, grüßte Bruno, während Dietfried den Sanitätern, Notarzt Gregor und Hans-Dieter einfach nur zunickte.
Gregor ergriff das Wort: »Ich habe ihn im Beisein meiner Assistenten untersucht. Also, den Toten. Er weist keinerlei Verletzungen auf. Zumindest nicht äußerlich. Ich konnte nichts erkennen.«
»So?« Bruno ging in die Hocke und begutachtete die Leiche. Auch er konnte nichts feststellen. »Wer hat ihn denn gefunden? Den Toten?«
Hans-Dieter meldete sich. »Ich habe angerufen. Aber selbst gefunden hatte ich den Mann nicht. Das waren Isabel und Stefan, das Pärchen bei mir im Lokal. Die beiden kamen und haben wild an die Tür geklopft. Ich hatte ja eigentlich schon geschlossen, aber als die beiden mir erzählt haben, was los ist, musste ich sie ja reinlassen und ihnen helfen.«
»Ja, schön, nun mal langsam«, versuchte Bruno den aufgeregten Lokalbesitzer zu beruhigen. »Also, zum Mitschreiben: Ein Pärchen hat den Toten gefunden, sagten Sie? Und die beiden sitzen bei Ihnen im Lokal, ja?«
»Genau!« Hans-Dieter nickte.
»Okay, könnten Sie mich dann reinbringen? Ich würde gern mit den beiden sprechen. Mein Kollege wird inzwischen die Kripo benachrichtigen. Wir wissen zwar nicht, was hier tatsächlich geschehen ist, aber falls wir es mit einem Mord zu tun haben, ist es am sichersten, dass die Kripo die Ermittlungen übernimmt.« Bruno nickte seinem Kollegen Dietfried daraufhin zu und ließ sich von Hans-Dieter ins Lokal bringen. Isabel und Stefan warteten bereits.
»Guten Abend, die Herrschaften«, grüßte der Polizist. »Wie ich gehört habe, haben Sie die Leiche draußen gefunden?«
»Ja!« Stefan nickte. »Eigentlich war es sogar meine Partnerin. Ihr ist der reglose Mann als erstes aufgefallen. Dann mir. Wir dachten, er schläft oder so, aber als ich versucht habe, ihn aufzuwecken, reagierte er nicht. Umso tragischer ist es nun, zu wissen, dass er tot ist.«
»Hm, könnte ich Ihre Personalausweise haben? Das ist reine Routine. Wir müssen von jedem die Personalien aufnehmen.« Bruno musterte das Pärchen und schaute dann hinüber zu Hans-Dieter, während Stefan und Isabel nach ihren Ausweisen kramten.
Hans-Dieter erwiderte den Blick des Polizisten und schaute diesen fragend an. »Brauchen Sie meinen Ausweis dann auch noch?«
»Natürlich! Immerhin müssen wir wissen, mit wem wir es tun haben.« Bruno lächelte und schaute wieder zu Stefan und Isabel, die ihm ihre Ausweise bereits entgegenhielten. »Vielen Dank!«, sagte er und nahm die Ausweise in die Hand. Kritisch überprüfte er sie und gab sie dann wieder zurück.
»Alles in Ordnung?«, wollte Stefan wissen. Der Polizist nickte ihm zu. Dann wandte er sich an Hans-Dieter: »Ihren Ausweis dann auch bitte.«
»Sofort!« Hans-Dieter eilte hinter den Tresen und verschwand in einem kleinen Räumchen, in dem er seine Wertsachen gelagert hatte. Dort suchte er nach seinem Personalausweis, den er ganz tief in seinem Geldbeutel fand. Mit dem Ausweis in der Hand eilte er zurück zu Isabel, Stefan und dem Polizisten. »Hier ist mein Ausweis«, sagte er.
Bruno beäugte ihn, dann nickte er knapp. Bevor er jedoch noch etwas anderes machen konnte, kam sein Kollege ins Lokal gelaufen. »Bruno!«, rief er. »Die Kollegen von der Spurensicherung sind da. Die Kriminalpolizei kommt auch gleich. Kommst du?«
»Ja, sofort. Moment!« Bruno schaute nochmals kurz in die Runde, dann machte er auf dem Absatz kehrt und folgte seinem Kollegen aus dem Lokal. Draußen warteten schon Manuel Frey und Elias Schneider, die Kollegen der Spurensicherung.
»Schön, dass ihr da seid«, grüßte Bruno die beiden.
»Nun, ob man es tatsächlich schön nennen kann, wage ich zu bezweifeln. Aber wir wissen ja nur, dass es diese Leiche gibt. Scheint ein Rätsel zu sein, wie der Mann umkam«, gab Manuel zurück.
»Das wird später die Rechtsmedizin hoffentlich herausfinden. Sollte dieser Mann an inneren Verletzungen gestorben sein, wird dies auf jeden Fall entdeckt werden. Da bin ich sicher.« Bruno nickte bekräftigend. Dann fügte er noch hinzu: »Wir müssen auf jeden Fall noch warten, bis der Rechtsmediziner kommt. Wir haben ihn ebenfalls herbestellt. Fangt ihr beiden schon einmal mit der Spurensicherung an?«
»Klar, sicher doch.« Elias nickte und schaute seinen Kollegen Manuel vielsagend von der Seite an. Dieser erwiderte Elias‘ Blick, und die beiden machten sich an die Arbeit. Die Fundstelle wurde mit Sperrband abgesperrt. Elias ließ den Toten von der Polizei fotografieren, dann zog er mit einem Stück Kreide den Umriss der Leiche nach. Nachdenklich beäugte er den Toten zusammen mit Manuel. Nicht einmal Fingerabdrücke konnten die Spurensicherer feststellen. Was war also mit dem jungen Mann geschehen?
»Ich würde sagen, ein Gewaltverbrechen ist auszuschließen«, erklärte Elias gerade, als zwei weitere Autos auf dem Spielesplatz hielten. Der Rechtsmediziner und die Beamten der Kriminalpolizei waren es, die da ausstiegen und sich der Gruppe näherten.
»Ein Toter?«, fragten Rechtsmediziner und Kriminalhauptkommissar im Chor, dann sahen sie die regungslose Person schon. Der Rechtsmediziner, Herbert Meyer, kniete nieder, tastete nach dem Puls, prüfte die Beweglichkeit und drehte den Toten um. Nachdenklich legte er den Finger an seine Lippen. »Kein Blutbad. Keine äußeren Verletzungen. Die Autopsie sollte nicht allzu lange warten, da es auch noch möglich sein muss, den genauen Todeszeitpunkt zu bestimmen«, sagte er entschlossen.
»Sicher«, erwiderte Bruno. »Die Staatsanwaltschaft wird euch so schnell wie möglich mit der Obduktion beauftragen. Es ist eine schwierige Sache.«
Ottfried Braun und Hermann Zinn von der Kripo konnten diese Aussage nur bestätigen.
Der Rechtsmediziner nickte und überlegte weiter, während Elias und Manuel weiterhin den Spuren nachgingen, solange sie denn welche feststellen konnten, und das war mehr als schwierig. Schließlich hatten sie sich im Bereich der Leiche fertig durchgearbeitet und konnten sie zum Transport freigeben. Bevor der Tote in einen Plastiksarg gelegt und anschließend im Wagen des Rechtsmediziners verstaut wurde, musterten Ottfried und Hermann ihn lange. Sie wechselten noch ein paar Worte mit den Kollegen der Schutzpolizei. Ihnen war jetzt schon klar, dass sie sich auf einen schwierigen Fall einstellen mussten und ihre Kollegin Sabrina Fass davon eher wenig begeistert sein würde.
Kapitel 2
Während der Spurensicherung hatten Isabel und Stefan das Lokal nicht verlassen. Auch Hans-Dieter war nicht herausgegangen, sondern hatte seinen Gästen Beistand geleistet. Er ahnte, dass sie sehr geschockt sein mussten, angesichts des Fundes, den sie gemacht hatten. So hatte er ihnen auch angeboten, die Nacht wegen des starken Regens in seinem Lokal zu verbringen. Isabel und Stefan hatten dieses Angebot gerne angenommen und sich auf den Sitzbänken ausgebreitet. Bequem war dieses Lager zwar nicht, aber die beiden konnten immer noch stundenweise ihren Schlaf bekommen.
So wachten sie am nächsten Morgen sehr früh auf und schauten sich zunächst verwundert um. Isabel klagte beim Aufsetzen über Rückenschmerzen und blickte ihren Partner mit schmerzverzerrtem Gesicht an.
»Wir hatten es diese Nacht wirklich nicht bequem«, sagte Stefan daraufhin. »Aber wenigstens hatten wir ein Dach über dem Kopf.«
»Das ist richtig!« Mit einem Mal tauchte Hans-Dieters Kopf über dem Pärchen auf. »Habt ihr soweit gut geschlafen? Ich habe beim Bäcker noch Brötchen geholt. Wollen wir alle zusammen frühstücken?«
»Gerne!« Isabel nickte und streckte sich ein wenig. Noch wirkte sie recht verschlafen, aber das legte sich bei ihr immer schnell. Sie stand auf und wanderte umher.
Währenddessen kümmerte sich Hans-Dieter ums Frühstück. Er stellte Butter, Marmelade, Käse und Wurst auf den Tisch. Stefan ging ihm dabei zur Hand und unterhielt sich mit ihm über den grausigen Fund in der Nacht.
»Es ist schlimm. Wenn es nicht mal eine Blutlache gab, können wir ein Gewaltverbrechen sicher ausschließen. Aber da müssen wir abwarten, was die Polizei ans Licht bringt. Ich bin ziemlich gespannt. Vielleicht hat der Mann auch Drogen genommen. Weiß man nicht«, sagte Hans-Dieter.
»Oder der junge Mann wurde vom Blitz getroffen«, warf Isabel da ein. »Kommt aber auch darauf an, wie lange der da schon lag. Vielleicht war er auch schon Stunden vor dem Gewitter tot.«
»Ich weiß nicht. War ja sicher schon dunkel, als er hier vorbeikam. Die Sache ist auch einfach zu merkwürdig. Als die letzten Gäste mein Lokal verlassen haben, muss der junge Mann noch gelebt haben. Ich wäre doch sicher informiert worden. Oder?« Hans-Dieter wurde plötzlich sehr unsicher. Er wusste aber auch nicht, woran das lag. Vielleicht wollten seine vorigen Gäste ihn auch nicht darüber informieren, dass da jemand reglos am Boden lag. Zu wenig Vertrauen in den Inhaber? Hans-Dieter konnte es sich nicht erklären, und so blieb allen dreien nichts anderes übrig, als nur darüber zu mutmaßen, wie es wohl gewesen sein könnte.
Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen eingeleitet. In diesem Fall ermittelte wieder das Trio um Kommissar Ottfried Braun, Hermann Zinn und Sabrina Fass. Alle Drei konnten sich noch an den damaligen Fall Krausmann erinnern, damit verbunden der Mord an Jan Kruse und die schwerwiegende Körperverletzung an der jungen Hannah Berg. Es war beinahe unglaublich, dass der Fund dieser Leiche, die des jungen Mannes, wieder in Pfalzel stattgefunden hatte. Ottfried und Hermann waren zwar in der Nacht ausgerückt und hatten den Toten gesehen, aber so richtig fassen konnten sie es immer noch nicht. Die drei Ermittler saßen gerade im Büro der Polizeiwache Trier-Kürenz und arbeiteten sich in den neuen Fall ein.
»Ich find‘s ziemlich komisch, dieser Fall jetzt«, meinte Sabrina. »Ein Toter, von dem man nicht weiß, wie er zu Tode kam. Kein Gewaltverbrechen. Warum ermitteln wir?«
»Weil wir dafür einfach zuständig sind. Die Kollegen Bruno und Dietfried sind lediglich von der Schutzpolizei. Die kümmern sich um kleinere Delikte wie Diebstahl und ähnliches. Aber wir haben hier einen eventuellen Mord aufzuklären. Wir wissen es nicht. Es kann ja sein, dass er erdrosselt wurde. Da müssen wir jetzt die Ergebnisse der Autopsie abwarten. Irgendwie wird die Untersuchung schon Licht ins Dunkel bringen«, antwortete Ottfried und nickte seiner Kollegin zu.
Bevor Sabrina etwas sagen konnte, kam ihr Hermann zuvor: »So wie es aussieht, werden wir da wohl in alle Richtungen ermitteln müssen. Entweder war es ein Mord oder der Tod des jungen Mannes hat andere Gründe. Drogen zum Beispiel. Vielleicht ein Blitzschlag? Irgendwas muss es ja gewesen sein. Aber eins sage ich euch jetzt schon: Es kann kein natürlicher Tod gewesen sein. Das schließe ich jetzt schon einmal aus!«
»Warum?« Sabrina starrte ihren Kollegen fassungslos an.
»Weil es einfach nicht sein kann. Wie alt war der? Haben wir Fotos? Glauben wir der Staatsanwaltschaft, war er noch sehr jung. Da stirbt man doch nicht auf natürliche Art und Weise. Ich bin der Überzeugung, dass etwas anderes dahintersteckt.« Hermann nickte daraufhin bekräftigend. Von seiner Überzeugung würde ihn so schnell niemand abbringen können. Nicht einmal Ottfried und Sabrina, die das Ganze natürlich anders sahen.
»Ich denke, da wir so oder so in alle Richtungen ermitteln müssen, wird es das Beste sein, einen Ausflug nach Pfalzel zu wagen, um die Anwohner auf dem Spielesplatz zu befragen. Immerhin wurde dort von diesem Pärchen die Leiche gefunden«, sagte Ottfried. Seine Kollegen waren einverstanden.
»Wer bleibt dann hier und erledigt die Papierarbeit?«, vergewisserte sich Sabrina vorsichtshalber noch. »Reicht ja, wenn nur zwei Leute hinfahren und nach dem Rechten sehen.«
»Recht hast du!« Ottfried lächelte. »Würde es dir was ausmachen, wenn du dich durch die Papiere arbeitest und ich mit dem Hermann fahre?«
»Macht nur. Ich kenne mich mit dem Papierkram ja inzwischen bestens aus.« Sabrina lachte und schickte die Kollegen fort. Ottfried und Hermann machten sich auf den Weg zum Streifenwagen und waren kurz darauf unterwegs nach Pfalzel.
Eine Viertelstunde später kamen sie an. Das Auto wurde direkt auf dem Spielesplatz geparkt, und die Polizisten stiegen aus. »Wo fangen wir an?«, wollte Hermann wissen und beäugte seinen Kollegen kritisch.
»Hm, dort. Gelbes Haus. Wir befragen hier jeden«, gab Ottfried zurück und steuerte bereits auf das nächste Haus zu. Hermann folgte ihm eilig, um überhaupt hinterher zu kommen. Nur wenige Minuten später sahen sie einen der Anwohner vor sich. Es handelte sich um einen großen Mann im mittleren Alter. Er hatte strohblondes Haar und trug eine Brille. Seine braunen Augen starrten die Kriminalkommissare fragend an. »Ja? Kann ich helfen?«
»Bestimmt. Ottfried Braun ist mein Name, von der Kriminalpolizei Trier. Das ist mein Kollege Hermann Zinn. Können wir Ihnen ein paar Fragen stellen?« Ottfried wies mit der Hand auf seinen Kollegen, dann zeigte er dem Anwohner seinen Ausweis. Der Mann nickte. »Nur zu, kommen Sie herein. Herbert Alt heiß‘ ich.« Er ließ die Polizisten eintreten und führte sie in sein Wohnzimmer. Sie setzten sich auf das große Ledersofa. Herbert schaute seine Besucher fragend an. »Was ist nun?«
»Ja, es geht um Folgendes: Wir haben hier in der Nacht die Leiche eines jungen Mannes aufgefunden. Sie lag vor einer Sitzgruppe, gerade gegenüber dem Vereinslokal. Nun wollen wir wissen: Ist Ihnen etwas aufgefallen?«, fragte Ottfried direkt.
»Hm, ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Ich war zwar zu Hause, aber gesehen habe ich nichts. Tut mir leid.«
»Gut, dann lässt sich nichts machen.«
»Ja, aber eine Frage noch, Herr Kommissar. Können Sie ein Zeitfenster angeben?«
»Also, wir wurden hinzugerufen, da ging es auf ein Uhr zu. Wir wissen allerdings nicht, wie lange der Mann dort schon tot lag. Deswegen befragen wir hier ja auch jeden, der auf dem Spielesplatz wohnt.«
»Okay, ich verstehe. Zumindest kann ich Ihnen sagen, dass die Person noch nicht da war, als ich kurz vor die Tür getreten bin. Es wird zwischen 21 und 22 Uhr gewesen sein. Ich meine, ich hätte den jungen Mann doch gesehen, wenn er da gelegen hätte.« Herbert dachte noch ein wenig nach, dann nickte er kräftig. Mehr konnte er den Polizisten beim besten Willen nicht sagen.
»Das ist in Ordnung. Wir werden uns weiter umhören. Besten Dank für Ihre Bereitschaft«, sagte Ottfried und nickte Herbert kurz zu. Dann wandte er sich an seinen Kollegen: »Lass uns gehen, Hermann.«
»Ja, sofort.«
Die Polizisten verabschiedeten sich und gingen direkt zum nächsten Haus. Doch auch dessen Bewohner wollten nichts von dem toten, jungen Mann, der vor dem Vereinslokal gelegen hatte, gehört oder gesehen haben. So ging es Haus für Haus weiter. Ottfried und Hermann brauchten für die komplette Befragung knapp drei Stunden; bei manchen Anwohnern hatten sie sich deutlich länger aufgehalten. Nun standen beide am Streifenwagen und beratschlagten die weitere Vorgehensweise.
»Wir könnten doch auch zunächst eine Pause machen«, schlug Hermann vor. »Die Fragerei kann auf Dauer echt anstrengend sein. Was halten Sie von einem Glas Wein in der Klosterschenke?«
»Ach, die haben doch noch gar nicht geöffnet, Hermann. Dann lieber ein kühles Getränk im Präsidium. Ich habe ohnehin keine Lust, mich jetzt irgendwo hinzusetzen, wo viele Leute sind und man sich nicht anständig unterhalten kann.« Ottfried schüttelte den Kopf.
»Meinen Sie? Wir könnten auch hoch zur Dönerbude gehen. Die in der Steinbrückstraße. Auch keine Lust?«
»Nein, und in der Dönerbude stinkt es so entsetzlich. Ich war schon oft genug dort.«
»Kann ich Sie wirklich nicht locken? Schade ...« Hermann senkte den Blick und ließ die Augen am Boden entlang kreisen.
»Du hast keine Chance, Hermann. Lass uns zurückfahren.«
»Na, gut.« Hermann gab sich geschlagen. Er stieg ins Auto und ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen. Kurz darauf lenkte Kommissar Ottfried Braun den Wagen durch den Pfalzeler Ortskern und zurück nach Trier-Kürenz.
»Und? Wart ihr erfolgreich?«, fragte Sabrina, als ihre Kollegen das Büro betraten. Sie selbst saß über einen dicken Papierstapel gebeugt.
»Nicht wirklich«, antwortete Hermann. »Von den Anwohnern will niemand etwas bemerkt haben.«
»Das ist blöd. Wenn es keine Zeugen gibt, die zumindest beobachtet haben könnten, wie der junge Mann zusammengebrochen ist, dann wird es ein verdammt schwieriger Fall. Irgendwie muss er ja dahin gekommen sein.« Sabrina dachte angestrengt nach. Sie erinnerte sich an den Fall mit dem Selbstmörder, damit zusammenhängend der Mord im Pavillon auf der Wallmauer, und das schwerverletzte junge Mädchen, das ebenfalls auf der Befestigungsanlage aufgefunden worden war. Sie wollte nicht schon wieder solch einen Fall zu bearbeiten haben. Das ließ sie ihre Kollegen auch wissen.