Der traurige Eisbär

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Der traurige Eisbär
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Der traurige Eisbär

und 7 andere bitterböse Gutenachtgeschichten

für alte Leute und Kinder bis zu 12 Monaten

von

Andrzej Czybulsky

Was den Leser erwartet:

Natürlich Eisbären, davon aber zwei Tote; sodann erschossene, weil anders denkende Krähen; ein Insekt, das gerade so mit dem Leben davon kommt; genusssüchtige Delikatessen mit menschlichen Schwächen; des weiteren ein weibliches Wesen mit ungewaschenen Füßen, das zudem noch schlecht riecht; ein fieser Charakter, der seinen Meister findet; dann noch ein Politiker, der in Ehren scheidet, wenn auch nicht ganz freiwillig und schlussendlich eine kleine politische Betrachtung der Umwelt bzw. der Natur bis hin zu den Gehältern der überbezahlten Fußballspieler, dabei kommen auch kleine Steuertricks nicht zu kurz.

Diese Kurzgeschichten des Autors sind erst nach Erscheinen seines Romans „Die China-Maus“ aufgetaucht und konnten deshalb, obwohl älteren Datums, erst danach veröffentlicht werden.

Allein zum „Eisbären“ bleibt folgender Begleittext überliefert:

Eine nach einer Zwangseheschließung schwanger gewordene Eisbärin verstößt ihr leibliches Kind, bringt es zu einer Babyklappe und gibt es zur Adoption frei. Die weitere Erziehung des kleinen Eisbären durch seinen neuen Vater Thomas war natürlich ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse, brachte aber auch dem Berliner Zoo Zuschauerrekorde ein. Deshalb liegt auch der Verdacht nahe, dass vielleicht die KoZ, also die Kommunale Zooverwaltung bei der ganzen Zeremonie etwas nachgeholfen hat. Natürlich sind das alles nur Spekulationen böswilliger Elemente.

Der Autor

Andrzej Czybulsky wurde am 11.3.1972 in Chorzów (Königshütte), Polen, geboren. Kurz nach seiner Geburt starb sein Vater an den Folgen eines Motorradunfalles, woraufhin seine Mutter in die Bundesrepublik übersiedelte. In Worms verbrachte er die ersten 16 Jahre seines Lebens. Als auch seine Mutter starb, ging er nach West-Berlin und studierte dort nach dem Abitur an der Technischen Universität Informatik.

Er starb am 11.3.2016, am Tage seines 44. Geburtstages in Berlin.

Inhalt

Der traurige Eisbär Die Krähe Grete Die kleine Hummel Martha Gutenachtgeschichte von der Olive Die barfüßige Gräfin P ist schlecht Vom Volkszorn schlechthin Hurra, wir sind schon tot

Der traurige Eisbär

Es war war einmal ein Eisbär. Das heißt, es war eigentlich eine Eisbärin. Und die hieß Tosca.

Aber sie wohnte nicht am Nordpol, wo Eisbären normalerweise hingehören. Auch nicht in Italien, was man vielleicht bei dem schönen Namen vermuten könnte.

Nein, unsere Eisbärin wohnte in Berlin. In Berlin-Tiergarten. Daran wäre ja auch nichts Ungewöhnliches, schließlich ist der Bär auch das Wahrzeichen Berlins. Aber trotzdem gab es mit dem Wohnort so einige Schwierigkeiten. Erstens war es in Berlin nicht kalt genug, obwohl ein großer Teil der Bevölkerung da ganz anderer Meinung war. Und zweitens bestand der überwiegende Teil der Bevölkerung eben nicht aus Eisbären, sondern aus Menschen oder zumindest aus Kreaturen, die sich für solche hielten. Die aber wollten nicht unbedingt in friedlicher Koexistenz mit unserer lieben Eisbärin leben. Deshalb ergab es sich, dass die arme Eisbärin in ein großes Lager gesperrt wurde, welches sie nicht verlassen durfte, auch nicht, wenn sie etwas brauchte, zum Beispiel Zahnpasta. Sie durfte nicht einmal ins KaDeWe gehen, um sich welche zu kaufen, obwohl das Kaufhaus nur wenige Meter entfernt war.

„Kein Zutritt für Tiere“, stand es dort geschrieben, in großen Lettern.

Da wurde die Eisbärin richtig traurig. Wenn man nämlich Mundgeruch hat, kriegt man auch keinen Ehepartner. Aber die Eisbärin hätte schon gerne einen schönen großen Eisbären zum Mann gehabt.

Als die Menschen, die die arme Eisbärin in dieses Lager eingesperrt hatten, sich schließlich darauf konzentrierten, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen, da war es schon fast zu spät. Ach, was heißt fast. Es war zu spät, denn alle Bemühungen, der Bärin nun einen Mann zu besorgen, waren erfolglos. Vom Nordpol wollte keiner mehr die weite Reise nach Deutschland antreten, seitdem die Berlin-Zulage gestrichen wurde. Also musste man sich in anderen Lagern umschauen. Aber die Bären dort waren zumeist alt und bequem, wollten nur auf der faulen Haut liegen und verschwendeten keinen Gedanken daran, einmal einer richtigen Eisbärin schöne Augen zu machen. Also kam es wie es kommen musste: Unsere Eisbärin wurde schließlich zwangsverheiratet mit einem alten Eisbärknacker, der darüber auch nicht unbedingt begeistert war und abgesehen davon, schon kurz nach der Hochzeit wieder das Weite suchte. Jetzt aber war die Eisbärin nicht nur so eine Art Witwe, sondern auch noch schwanger, d. h. sie erwartete Zwillinge.

Die Eisbärin war wieder sehr traurig. Und die Traurigkeit hielt etwa zehn Monate an, bis zur Geburt ihrer Kinder. Aber als die beiden jungen Eisbären dann endlich auf die Welt kamen, da wurde die Eisbärenmama noch trauriger, denn sie wurde durch ihre beiden kleinen Jungen an ihren Mann und damit an ihre Zwangsheirat erinnert.

„Die sehen ja aus wie dieser alte Sack“, waren ihre ersten Worte, als die beiden Kleinen das Licht der Welt erblickten.

Die Verwandten und auch die KoZ-Wärter (KoZ bedeutet soviel wie Kommunale Zooverwaltung) waren natürlich angetan von dem Nachwuchs.

„Wie süß!“, sagte eine Wärterin.

„Darf ich sie mal streicheln?“, fragte eine andere Bärin.

„Macht doch, was ihr wollt“, sagte die Bärenmama. Sie war nun nicht nur traurig, sondern auch böse. Böse auf alles! Deshalb wollte sie auch von ihren Kindern nichts mehr wissen.

„Oh – oh!“, sagte einer der KoZ-Wärter. Das wird kein gutes Ende nehmen.

Und er sollte Recht behalten, denn schon nach vier Tagen starb eines der jungen Bärenkinder, die von der Mutter verstoßen wurden.

Das andere aber wurde von dem Wärter, der Thomas hieß, adoptiert und mit der Flasche großgezogen. Tag und Nacht kümmerte er sich um seinen neuen kleinen Sohn, der den Namen „Knut“ bekam. Und so wuchs Knut zu einem großen Eisbären heran. Bei seiner Geburt wog der kleine Bär noch nicht einmal 1000 Gramm. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass ein Menschenjunges, wenn es stark ist, fünfmal so schwer ist. Dafür nahm er aber schnell an Gewicht zu und wurde bald größer und schwerer als sein Ziehvater.

Deshalb kam der Tag, an dem beide nicht mehr zusammen spielen durften, denn die KoZ hatte Angst, dass der nun halbstarke Bär so aus Spaß dem Wärter beim Spielen etwas zuleide tun könnte. Deshalb wurde Knut nun woanders weggesperrt und durfte von seinem Ziehvater nicht mehr gestreichelt werden.

Darüber war der Ziehvater natürlich am meisten traurig und ist deshalb kurz darauf gestorben. Als Knut das erfahren hat, wurde er auch sehr traurig und ist daraufhin ebenfalls vor Kummer gestorben.

Und nun ist der kleine Eisbär Knut im Himmel. Aber wenn schönes Wetter ist, und der Himmel blau, dann kann man ihn noch manchmal zwischen den Wolken erkennen.

Die Krähe Grete

„Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, heißt es im Volksmund.

Nun ist das, wie so vieles, was so daher gesagt wird, bisher nirgendwo belegt. Aber wenn es wirklich stimmt, dann trifft aber sicherlich zu, dass eine Krähe der anderen irgendwie Schaden zufügen möchte, und wenn es nur dem Zwecke des eigenen Vorteils dient.

Krähen haben nämlich so einige schlechte Charaktereigenschaften, bzw. hässliche Angewohnheiten. Das liegt an ihrer Erziehung. Die junge Krähe, nachdem sie dem Ei entschlüpft ist, lernt nämlich alles von ihren Eltern, und das ist nicht viel, jedenfalls nicht viel Gutes.

Nun ist die vornehmste Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, das Fressen.

Also das Fressen – moderne Tierschützer reden auch von „Essen“, aber bei den schlechten Manieren, die Krähen so beim Essen an den Tag legen (man denke dabei nur an das rücksichtslose und unkultivierte Plündern der innerstädtischen Papierkörbe), können wir ruhig bei der Vokabel „Fressen“ bleiben – das Fressen also, ist das erste was diese angehenden Halunken als Erstes lernen und dann auch perfekt beherrschen.

In der zweiten Unterrichtseinheit gibt es dann Sozialkunde oder besser: Sozialverhalten. Hier lernen die kleinen Krähen miteinander umzugehen. Also wie gehe ich mit einer anderen Krähe um, die ein rohes, angegammeltes Stück Fleisch im Schnabel trägt?

Um es zu verdeutlichen: Die Krähe Grete besitzt also einen Leckerbissen, die Krähe Alfons aber nicht. Und so etwas nennt man … nun, Müller in der letzten Reihe?

Richtig: „Unsozial!“

Das ist die wichtigste Vokabel im Leben aller Krähen.

Was bedeutet unsozial?

Unsozial ist, wenn jemand benachteiligt ist. Benachteiligt ist jeder, der weniger hat als andere.

So einfach ist das!

Nun nehmen wir beispielsweise den Fall eines Geleges, sagen wir, das einer Amsel. Mutter Amsel möchte hier also ihre Eier ausbrüten, und weil sie sich schon so auf ihre kleinen Kinderchen freut, denkt sie auch nicht im Traum daran, diesen wohlschmeckenden, kalorienreichen und für das Wohl der Krähen äußerst wichtigen Grundstoff – nämlich Ei – für einen guten Zweck zu spenden.

 

So etwas ist hochgradig unsozial und wird auch schon einmal mit dem Tode bestraft. Derart unsozial eingestellte Amseln müssen also auf der Hut sein.

Deshalb musste Alfons frühzeitig lernen, sich sozial zu verhalten, d. h. irgendwie an Gretes Fleischklumpen heranzukommen. Und das gelang auch, denn, obwohl Grete höchst unsozial eingestellt, so war sie doch kleiner und schwächer als Alfons und musste schließlich den sauer verdienten Schatz herausrücken.

Damit hatte der Sozialismus gesiegt!

Jedenfalls zuerst einmal. Denn ob Alfons es auch letztendlich schaffte, sich die ihm gesetzlich zustehende Mahlzeit auch einzuverleiben, steht auf einem anderen Blatt. Schließlich sind die weitreichenden Gesetze des Sozialismus auch anderen, eventuell noch größeren Krähen bekannt.

Sollte nun der seltene Fall einmal eintreten, dass zwei gleichstarke, also eine soziale und eine unsoziale Krähe aufeinander treffen, dann werden auch schon einmal die Schnäbel gewetzt und es fliegen womöglich die Federn. Aber wenn es dem Sozialismus dienlich ist, müssen eben kleine Opfer gebracht werden. Das ist aber eher selten, denn merkwürdigerweise finden die sozial eingestellten Krähen immer wieder unsoziale, die etwas schwächer sind. Und das ist gut so. Man stelle sich vor, es würden ständig die Federn fliegen und die auf Dauer gebeutelten und zerschundenen Krähen womöglich auf den Gedanken kommen, dass es mit dem modernen Sozialismus doch nicht so weit her ist – nicht auszudenken!

Aber kehren wir zurück zu Grete, der unsozialen Krähe. Grete war unsozial aus Überzeugung. Ja, so etwas gibt es eben auch. Das ist nicht nur verabscheuenswürdig, sondern auch noch anstrengend. Schließlich wäre es doch für Grete viel bequemer gewesen, sich sozial zu verhalten, d. h. eine noch kleinere Krähe ausfindig zu machen und deren Lunchpaket dann mit dieser schwesterlich zu teilen, etwa im Verhältnis zehn zu eins oder zu null – zugunsten Gretes natürlich.

Aber Grete tickte eben anders. Das lag daran, dass Grete einem aristokratischen Hause abstammte. Schon bei dem Gedanken an Sozialismus bekam Grete einen Schreikrampf. Und weil Grete noch dazu auch noch etwas in der Birne hatte, hielt sie sich vorzugsweise an der Autobahn auf. Dort trafen täglich rund um die Uhr und vorzugsweise nachts neue Fleischlieferungen ein. Natürlich bereitete das immer noch genug Arbeit, denn diese Fleischlieferungen mussten fachgerecht zerteilt werden. Und so ganz ungefährlich war das auch nicht, denn ständig näherten sich neue Produktionsgefährte und man musste höllisch aufpassen, wenn man nicht selbst im Kochtopf der anderen landen wollte. Und diese Gefährte wurden täglich schneller. Das war aus Sicht der Fleischproduktion zwar gut, für einen selbst aber eher nicht.

Gerade neulich erst hätte es beinahe unsere Grete bei der Arbeit erwischt. Sie war gerade damit beschäftigt, einen Waschbären nach Waidmannsart aufzubrechen, als so ein teurer Angeberwagen mit gefühlten 300 Kilometern pro Stunde angebraust kam und beinahe die arme Grete überfahren hätte. Nur ihrer übergroßen Vorsicht und ihrer Routine verdankte sie noch ihr Leben. Dagegen ist ein nach sozialistischen Gesetzen konfiszierter Fleischklumpen Kinderkacke.

Grete war vom Wesen her aber gutmütig. Sie gab auch gerne einmal einen Bissen ab, dann aber freiwillig und unter der Voraussetzung, dass für alle genug da ist, und mit „alle“ meinte sie natürlich in erster Linie sich selbst und vielleicht noch ihren Freund Whisky. Eigentlich hieß er früher einmal Schneider. Zu diesem merkwürdigen Namen kam er aber, weil er einmal beinahe an einer Alkoholvergiftung gestorben wäre, als er vor einer Kneipe in St. Pauli sich über einen auf der Erde liegenden Haufen leckeren Ragouts hergemacht hatte, dessen Hauptzutaten nicht nur aus Currywurst und Pommes bestanden, sondern eben zum großen Teil aus diesem speziellen alkoholischen Getränk. Nur der anschließende reichliche Genuss des Wassers aus der nahe gelegenen Elbe verhütete Schlimmeres. Seitdem heißt Schneider also Whisky und hat auch selbigen nie wieder angerührt.

Und weil Grete so gutmütig war, konnte sie auch alle gut leiden. Soziale Krähen einmal ausgenommen. Und Elstern!

Also Elstern konnte unsere Grete ja nun überhaupt nicht ab!

Schon deren albernes, auffälliges Kleid mit den langen Federn war Grete ein Dorn im Auge. Dazu noch deren widerliches Geschnatter. Will man einmal nach getaner Arbeit seine Ruhe haben oder vielleicht selbst einmal ein paar liebliche Töne von sich geben, dann fallen diese fliegenden Scheusale ein und verderben einem mit ihrem Gekrächze den ganzen Nachmittag. Und dann sind die Elstern erwiesenermaßen ganz üble Nesträuber. Letzten Sonntag wollte sich Grete, sozusagen zur Feier des Tages, ein leckeres Frühstücksei besorgen, und sie hatte auch den passenden Laden ausgekundschaftet, da sie dort eine Woche zuvor schon einmal eingekauft hatte, aber was musste Grete erfahren? Ausgeraubt der gesamte Laden! Vollkommen leer! Nicht ein einziges Ei war zu bekommen. Die traurige Ladenbesitzerin Frau Drossel erzählte ihr, dass einige Halbstarke von der Elster-Mafia sie überfallen und alles mitgenommen hätten. Und in Zukunft wollten sie nun auch noch ein Schutzgeld erpressen in Höhe von 30 % der Eier.

„Was soll ich denn nur machen?“, jammerte Frau Drossel. „Soviel habe ich doch gar nicht!“

Den letzten Satz hat Grete zwar nicht ganz verstanden, aber die Geschichte der Frau Drossel stimmte sie schon traurig, mehr noch aber, dass sie nun am Sonntag auf ihr Frühstücksei verzichten sollte.

„Hier muss etwas geschehen!“, sagte Grete zu Whisky, worauf dieser Kontakt zu seinen Vereinskameraden, den „Hells Corbies“ aufnahm. Diese Truppe war unter den Rabenvögeln so bekannt wie gefürchtet. Man erkannte sie am besonders auffällig kurzen Federschmuck auf dem Kopf, der anfänglich eine Folge der ständigen Straßen- und Revierkämpfe war, später dann aber in Mode kam und künstlich beigebracht wurde. In den Medien wurden sie auch unter dem Namen „Neokrähen“ bekannt.

Die Hells Corbies trafen sich also am Sonntagnachmittag auf dem Feld des Bauern Klappholz, bei dem sie immer ihr Getreide einkauften, und das sie als ihre Vereins-Räumlichkeiten betrachteten. Ihr momentan amtierender Präsident und damit Vereinsvorsitzender war übrigens der uns schon bekannte Alfons. Alfons war zwar erst 33 Tage im Amt, erfreute sich aber trotzdem schon großer Beliebtheit, weil er einerseits schlau war und andererseits nicht zimperlich im Umgang mit seinen Gegnern. Das verschaffte dem Verein Respekt und neues Ansehen.

„Geschätzte Vereinskameraden!“, begann Alfons die Eröffnungsrede dieser Sondersitzung, „was einem unserer Mitglieder widerfährt, widerfährt uns allen!“

Starker Beifall.

„Was der Lebensgefährtin eines unserer Mitglieder widerfährt, das widerfährt auch uns!“

Sehr starker Beifall.

„Was mir heute vom Kameraden Whisky zugetragen wurde, ist skandalös und verbietet jegliche Duldung. Wir sehen uns gezwungen, zu reagieren, um unseren Lebensraum zu erhalten.“

Ganz, ganz starker Beifall.

„Um 5.45 Uhr wird zurückgehackt!“

Frenetischer, nicht enden wollender Beifall.

Aufgeschreckt vom Lärm auf seinem Feld stand Bauer Klappholz am Fenster und beobachtete das Treiben der Vögel. Wie bei jeder Vereinssitzung, so fand auch hier nach der Aufarbeitung der Tagesordnungspunkte, ein großes Gelage statt, in diesem Fall kein Sauf-, sondern ein Fressgelage.

Klappholz war natürlich darüber alles andere als amüsiert. Er betrachtete das ganze als eine Kriegserklärung, obwohl er ja gar nicht gemeint war, im Gegenteil, die Krähen hatten in ihm bisher immer einen Freund gesehen, was sich nun aber als Irrtum herausstellte. Der falsche Freund nahm also seine doppelläufige Schrotflinte, schritt zum Feld und feuerte zweimal mitten in die Versammlung hinein. Bei diesem Überraschungsangriff wurde ein beträchtlicher Teil der Vereinsmitglieder getötet, unter ihnen auch der erste Vorsitzende, seine beiden Stellvertreter und auch der arme Whisky, der sich in deren Nähe aufgehalten hatte. Grete aber, die sich am äußeren Rand der Versammlung befand, weil sie ja kein offizielles Mitglied war, kam mit dem Schrecken davon.

Einige Tage später, als die Trauer um die gefallenen Kameraden verebbte, wurde ein neuer Vereinspräsident gewählt, der dann veranlasste, dass das Unternehmen „Elsterfeldzug“ endgültig abgeblasen wurde.

Und so kam es, dass die bösen Elstern bis zum heutigen Tage immer noch die Nester der armen Singvögel ausräubern dürfen.

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