Schulzeit ohne Stress

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Schulzeit ohne Stress
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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Andreas Winter

Schulzeit ohne Stress!

So stärken Sie Ihr Kind in drei Schritten

E-Book (Epub): ISBN 978-3-86374-582-0

(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-580-6, 1. Auflage 2020)

Mankau Verlag GmbH

D-82418 Murnau a. Staffelsee

Im Netz: www.mankau-verlag.de

Internetforum: www.mankau-verlag.de/forum

Lektorat: Redaktionsbüro Julia Feldbaum, Augsburg

Endkorrektorat: Susanne Langer-Joffroy M. A., Germering

Cover/Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Layout und Satz: Lydia Kühn, Aix-en-Provence, Frankreich

Energ. Beratung: Gerhard Albustin, Raum & Form, Winhöring

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Wichtiger Hinweis: Verlag und Autor haben bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr; Verlag und Autor können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch dargestellten Inhalte ergeben. Bitte respektieren Sie die Grenzen der Selbstbehandlung, und suchen Sie bei Erkrankungen einen erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker auf.

Inhalt

Neue Ideen braucht die Schule

Let’s change it! Aber wie? Ein Beitrag über die Änderungsresistenz unseres Bildungssystems

Vorwort des Autors

Wer hat etwas von der Schule?

Schritt 1

Metapädagogik – verstehen, was Schule ist

Das sagen die Experten

Beschützen Sie Ihr Kind vor der Schule!

Die erste Sechs ist die schlimmste

Lass den Frosch wieder hopsen!

Lehrer sind keine schülerquälenden Sadisten

Schüler, motiviert eure Lehrer!

Hierarchie in der Schule

Was ist Stress, und wie wird man ihn wieder los?

Lernen müssen macht müde

Erinnern, was einem nie bewusst war

Lernen und Fühlen im Mutterleib

Relevante Reize: Grundvoraussetzung fürs Denken

Gedanken und Gefühle – eine Unterscheidung

Angst blockiert

Schritt 2

Familiensoziologie – Eltern–Kind–Rollenmanagement

Ihr Kind glaubt Ihnen leider alles

Ihr Kind merkt sich leider auch alles

Falsche Erziehung durch Projektion

Die Jugend von heute – das Ende der Welt!

Erziehen Sie nicht – seien Sie Ihren Kindern ein erwachsenes Vorbild

Der Algorithmus der Psyche

Die »Eimerkette« der kulturellen Altlasten

Sie programmieren Seelen!

Bitten Sie Ihr Kind um Entschuldigung

Was bedeutet das fürs Schülercoaching?

Den Perfektionismus überwinden

Auch »liebe« Eltern können schaden

Lernfeind Nummer eins: Trotz!

Die Motivationsfalle: Belohnung macht abhängig!

Übernehmen Sie nur Verantwortung für Ihr Kind, wo Sie sie wirklich haben

In einer Burg herrscht Frieden

Belohnen Sie Ihre Kinder nicht fürs Kranksein

Keine Angst vor Fehlern!

Kommunizieren Sie Ihre Strategie-Änderung

Schritt 3

Schülercoaching–einfache, aber wirksame Strategien

Mein erstes Schülercoaching – ein Volltreffer durch Zufall

Der gute Grund, das Leben zu ändern!

Zurück zur Verantwortung (Mirko, 14)

Chatten statt sprechen (Jasmin, 16)

Lernen durch Begeisterung

Mündliche Strafnoten

Schülertipp

Schulaufgaben, Klausuren und Co

Herunterzählen von drei bis null (Kai, 16)

Abiturklausuren in Hypnose

Blitztherapie gegen Prüfungsangst

Mobbing

Lese-Rechtschreib-Schwäche/Legasthenie

Dyskalkulie – wer rechnet denn mit so was?

ADHS – zu gewollt ist auch daneben

Tipp für dich: Gehe ein paar Schritte in den Schuhen deiner Eltern

Abschließend ein paar Tipps für Lehrer

Wie es nach der Schule weitergehen kann

Nachwort des Autors

Gedanken von Imke Rosiejka

Endnoten

Neue Ideen braucht die Schule

Bei den Recherchen zu meinem Buch stieß ich auf einen brandneuen Aufsatz von Gerald Hüther, der wie maßgeschneidert zu dem Anliegen in meinem Buch passt. Professor Hüther war so freundlich und stellte mir den Text, quasi als Einstimmung auf das Thema, anstelle eines Vorwortes zur Verfügung.

Let’s change it! Aber wie? Ein Beitrag über die Änderungsresistenz unseres Bildungssystems

Das menschliche Gehirn ist zeitlebens in der Lage, einmal entstandene Vernetzungen seiner Nervenzellen wieder umzubauen. Deshalb können bis ins hohe Alter sogar sehr eingefahrene Bahnen und Verschaltungsmuster, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen, auch wieder verändert und an neue Gegebenheiten angepasst werden. Diese lebenslange Lernfähigkeit zeichnet uns als Menschen gegenüber allen ebenfalls mehr oder weniger lernfähigen Tieren aus. Deshalb sollte es uns eigentlich nicht allzu schwerfallen, die Art und Weise, wie wir etwas bisher betrachtet, bewertet, empfunden und gemacht haben, so zu verändern, dass eine veränderte Betrachtungsweise, Vorstellung, Empfindung und damit auch ein anderes Vorgehen entsteht. Aber ganz so leicht scheint so ein Veränderungsprozess nicht abzulaufen. Allzu oft bleiben wir in den alten Mustern hängen, die unser bisheriges Denken, Fühlen und Handeln bestimmt haben.

Es ist deshalb sehr leicht daher gesagt, eine Veränderung zu fordern. Die Bereifung eines Autos ist schnell zu ändern. Aber nicht das, was sich in den Köpfen der Menschen an Vorstellungen über »optimale« Erziehung und Bildung einmal eingegraben hat. Und ebenso wenig das, was eine Gesellschaft im Verlauf der Zeit alles an Strukturen, Zuständigkeiten, Ämtern, Vorschriften oder Einrichtungen zur Gewährleistung von Erziehung und Bildung herausgeformt hat.

 

Allen Beteiligten ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Viele verantwortungsbewusste Eltern versuchen, zu Hause oder mit Nachhilfestunden auszugleichen, was in der Schule nicht geklappt hat. Manche Eltern suchen nach Alternativen, schicken ihre Kinder auf Privatschulen oder in Schulen, die reformpädagogische Ansätze umzusetzen versuchen. Manche gründen gemeinsam mit Gleichgesinnten eigene sogenannte Freie Schulen, und manche ziehen mit ihren Kindern in Länder, wo es keine gesetzlich geregelte Schulbesuchspflicht gibt. All das sind individuell gesuchte, aber nicht auf eine grundsätzliche Veränderung unseres gegenwärtigen Bildungssystems ausgerichtete Notlösungen.

Auch die Pädagoginnen und Pädagogen leiden unter den in ihren Bildungseinrichtungen herrschenden Bedingungen. Bezeichnend dafür ist die in dieser Berufsgruppe auffallende Häufigkeit psychosomatischer Erkrankungen.

Viele Lehrer versuchen, ihren Idealen treu zu bleiben und die Schüler so gut wie möglich auf ihrem Weg zu begleiten. Aber bei vielen führt das ständige Anrennen gegen kultusministerielle Vorgaben, gegen Forderungen und Ansprüche von Eltern und gegen das sich ausbreitende Desinteresse der Schüler zu fortschreitender Entmutigung und Resignation. In manchen Schulen gelingt es der Lehrerschaft, ein starkes Team gegenseitiger Unterstützung zu bilden, das sich dann gemeinsam mit den Eltern auf den Weg macht, um neue Unterrichtsformen und Lernmethoden an ihrer Schule einzuführen. Aber selbst dann, wenn das in einer Schule klappt, werden der neue Ansatz und die gefundenen Lösungen selten von anderen, noch nicht einmal von benachbarten Schulen übernommen.

Zu tief sind die alten, in den Köpfen von Eltern und Lehrern einst herausgebildeten Vorstellungen, Haltungen und Einstellungen verankert. Zu sehr ist der überwiegende Teil der Bevölkerung der Meinung, die Schule sei dazu da, Kindern und Jugendlichen das aus ihrer Sicht benötigte Wissen beizubringen, sie zu unterrichten, sie gegebenenfalls auch zu disziplinieren, sie in leistungsstarke und leistungsschwache Schüler einzuordnen und ihre Leistungen durch die Vergabe von Zensuren zu bewerten. Und solange diese Vorstellung von einer Mehrheit der Bevölkerung, von weiterführenden Ausbildungseinrichtungen und von führenden Vertretern der Wirtschaft geteilt und sogar eingefordert wird, können auch Politiker – wenn sie wiedergewählt werden wollen – nichts anderes tun, als ihre Entscheidungen und die zur Umsetzung dieser Vorstellungen dienenden Verwaltungsstrukturen an dieser alten Denkweise auszurichten. So bleibt dann zwangsläufig alles beim Alten, nicht weil es gut ist, sondern weil es so schwer veränderbar ist. Bereits kleinere Reformversuche scheitern am Widerstand all jener, die ihre Überzeugungen oder ihre Positionen dadurch bedroht fühlen. Es reicht also nicht, gute Ideen hervorzubringen, wie unser gegenwärtiges Bildungssystem verändert werden müsste. Und es wird auch nicht gelingen, diese Ideen praktisch umzusetzen, solange dieses enorme Beharrungsvermögen, diese bemerkenswerte Änderungsresistenz in den Gehirnen und in den bereits existierenden Verwaltungs- und Organisationsstrukturen aufrechterhalten wird. Was also für die notwendigen, tief greifenden Veränderungen gebraucht wird, sind Ideen, wie sich diese einmal entstandenen Denkmuster und Organisationsstrukturen infrage stellen und durch neue Ansätze ersetzen lassen (aus Education for Future, 2020, Goldmann Verlag).

»Andreas Winter liefert mit seinem vorliegenden Buch eine solche Idee. Er zeigt den Beteiligten eine Möglichkeit, aus der Schulzeit, so wie sie ist, das Beste zu machen, um dann vielleicht ›von innen heraus‹ das Bewusstsein für einen Wandel herbeizuführen.«

Prof. Dr. Gerald Hüther, Neurobiologe, Hirnforscher und Autor Göttingen, im Februar 2020

Vorwort des Autors

Ich habe als Schüler keine Hausaufgaben gemacht, oft den Unterricht geschwänzt (ganz ohne Klimaschutz-Ambitionen), nie für Klassenarbeiten geübt und hatte zwischenzeitlich die schlechtesten Noten, die das deutsche Schulsystem hergibt. Ich hatte sogar in einem Zeugnis neben Mathe auch eine Sechs in Sport und in Kunst – so ein Chaos muss man erst einmal hinbekommen! Dennoch habe ich letztlich – ohne sitzen zu bleiben – ein Zweier-Abitur gemacht und mit Erfolg mein wissenschaftliches Studium abgeschlossen. Ich bin kein Wunderknabe und ich habe auch keine einflussreiche Mafia-Familie. Dennoch kann man stressfrei durch die Schulzeit kommen. Wie das geht, möchte ich hier erläutern. Dieses Buch richtet sich an Schüler aller Jahrgangsstufen. Da Schüler jedoch erfahrungsgemäß gar keine Ratgeber zum Überwinden von Schulproblemen lesen, schreibe ich es also für Sie, die Eltern, in der Hoffnung, dass Sie damit Ihren Kindern helfen können, die Schule gelassen und erfolgreich zu meistern. Erwähnen Sie Ihrem Kind gegenüber beiläufig, dass Sie ein Buch gelesen haben, von dem Sie nicht möchten, dass es dieses jemals in die Finger bekommt. Und wenn es Sie nach dem Warum fragt, sagen Sie: »Weil du danach die Schule nicht mehr ernst nehmen würdest. Weil der Autor schreibt, dass er selbst als Schüler miese Noten gehabt, keine Hausaufgaben gemacht, manchmal den Unterricht geschwänzt und sein Abi mit Selbsthypnose gemacht hat. Und deswegen habe ich etwas Angst, dass du das Buch liest und dann gar nichts mehr machst.« Das müsste eigentlich ausreichen, um Ihr Kind wie einen Flitzebogen zu spannen und darauf neugierig zu machen, was denn wohl in diesem ominösen Buch stehen mag. Und wenn du, lieber Schüler, das Buch nun aus lauter Neugier doch bis hierhin gelesen hast und somit auf meinen Trick hereingefallen bist, dann kannst du jetzt auch einfach weiterlesen ;-).

Ich möchte Sie an dieser Stelle im Übrigen darauf hinweisen, dass ich mit diesem Buch nicht das Schulsystem verändern will, obwohl das sicherlich sinnvoll wäre. Auch suche ich die Ursache für Schulschwierigkeiten nicht bei den Lehrern und Eltern, sondern setze an einer ganz anderen Stelle an: bei der sogenannten Leistungsgesellschaft. Diese macht den Druck auf Lehrer, Schulleiter, Eltern und letztendlich auf die Schüler! Es geht um die Bedingungen des Unterrichtens und die Strukturen, in denen Lehrer arbeiten müssen. Selbst die engagiertesten Lehrer – und es gibt sehr viele davon (!) – stehen teilweise vor der Kapitulation aufgrund dieser Umstände.

Das Tragische: Bei Ihrem Kind wirkt sich dieser Druck am stärksten aus, seelisch und gesundheitlich.

Das Gute: Genau dort können Sie direkten und sofortigen Einfluss ausüben. Und es empfiehlt sich auch, denn wenn Ihr Kind eines Tages ganz gelassen die Schule rockt und mühelos gute Noten kassiert, dann haben Sie ein Problem weniger.

Wer hat etwas von der Schule?

»Nicht für die Schule lernen wir, sondern für das Leben« – mit diesem Satz versuchten Generationen von Lehrern und Eltern, ihre Schützlinge davon zu überzeugen, dass sie selbst einen Nutzen vom Lerninhalt hätten. Mal ehrlich: Hat das bei Ihnen damals geklappt, haben Sie das je geglaubt? Oder lernen wir nicht alle eher aus Angst, Ärger zu kriegen oder keine Arbeit zu bekommen?

Wer hat mehr Angst vor dem nächsten Zeugnis, Ihr Kind oder eher Sie? Graut es Ihnen nicht schon angesichts der üblichen Moralpredigt, die Sie pflichtbewusst, aber verzweifelt Ihrem Kind demnächst halten müssen, nur weil es wieder in den wichtigsten Fächern schlecht benotet wurde? Oder nehmen Sie sich vor, den Lehrern mal ganz gründlich Ihre Meinung zu sagen und sie auf ihre pädagogischen Pflichten hinzuweisen? Vielleicht bereiten Sie sich auch schon innerlich darauf vor, einem schlecht gelaunten, wütenden Teenager zu erklären, dass er mehr Disziplin aufbringen muss, dass er sich anstrengen soll und dass andere Schüler ja schließlich auch irgendwie gute Noten bekommen würden. Doch insgeheim fragen Sie sich, ob Sie als Eltern nicht vielleicht auch etwas falsch gemacht haben. Vielleicht. Aber was?

Sie wissen doch, dass Ihr Kind nicht dumm ist. Sie wissen selbst, dass die Schule einen enormen Druck auf Ihr Kind ausübt. Vielleicht fühlt sich Ihr Kind einfach entmutigt, überfordert, missverstanden, unterfordert oder gar bedroht?

Wenn schon eine ganz normale Saatkrähe mit ihrem primitiven Vogelhirn es schafft, Nüsse auf die Straße fallen zu lassen, damit sie von überrollenden Autos geknackt werden, um sie anschließend bei einer roten Ampel aufzusammeln, dann wird ein Kind der Spezies Homo sapiens doch wohl auch das Plusquamperfekt, die binomischen Formeln oder die Zusammenhänge der Weimarer Republik verstehen können, oder? Doch fragt sich ein jeder Schüler zu Recht: »Wozu brauche ich das? Warum soll ich das lernen?« Die elterliche Standardantwort ist stereotyp: »Du musst das einfach lernen! Wenn du nicht gut in der Schule bist, dann wirst du es im Leben sehr schwer haben!« Und genau hier setze ich an: Sie möchten, dass es Ihrem Kind gut geht? Prima! Dass es eines Tages mit einer guten Arbeit sicheren Wohlstand erlangt und Zugang zu den Annehmlichkeiten dieser Gesellschaft hat? Wunderbar! Glauben Sie denn, dass Ihr Kind das nicht ebenso will: in Wohlstand und in Freiheit leben? Ganz bestimmt will es das! Sind Sie gerade dabei, Ihrem Kind den Zugang zu diesem leichten Leben wirklich zu eröffnen? Sind Sie dafür überhaupt ein glaubwürdiges Vorbild? Wie lange soll Ihr Kind warten, bis es glücklich ist? Bis achtzehn? Bis fünfundsechzig? Oder soll es ihm vielleicht ab heute besser gehen?

Ab heute? Gut! Fangen wir damit an! Ich zeige Ihnen in drei einfachen, aber etwas ungewöhnlichen Schritten, wie Sie Ihr Kind vor dem Schulstress retten können:

Schritt 1:

Metapädagogik – verstehen, was Schule ist

Wir werfen einen Blick darauf, welche Aufgabe Schule hat und wofür sie nicht zuständig ist. Dadurch wird Schule als Lebensthema des Kindes überschaubarer.

Schritt 2:

Familiensoziologie – Eltern-Kind-Rollenmanagement

In jeder zwischenmenschlichen Beziehung verhält man sich anders. Sobald man Klarheit über seine Rolle hat, kann man diese auch bewusst verändern.

Schritt 3:

Schülercoaching – einfache, aber wirksame Strategien

Wenn ein Erwachsener noch einmal in die Grundschule ginge, würde er sie sicherlich anders erleben. Daraus kann man lernen.

Sie werden sehen, innerhalb eines Halbjahres erholt sich Ihr Kind wieder vom Schulstress und wird auch meist eine deutliche Notensteigerung erwirken. Das langfristige und nachhaltige Ziel ist, dass Ihr Kind so schnell wie möglich ein zufriedenes und eigenverantwortliches Leben lebt, der Familienfrieden wieder einkehrt und Sie auch wieder beruhigt schlafen können. Also schauen wir jetzt einmal ganz genau hin: Was ist Schule, und wer hat etwas davon?

Schritt 1

Metapädagogik – verstehen, was Schule ist

Angenommen, Sie wären von Anfang an in allem, wofür Sie sich interessieren, von Eltern und Lehrern gefördert und bestärkt worden. Dadurch ermutigt und gebildet, würden Sie stets die Erfahrung machen, dass alles, was Sie sich vornehmen, irgendwann gelingt und Sie Expertise entwickeln. Dann hätten Sie automatisch das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit, Ihren Interessenshorizont nach Belieben zu erweitern. Nichts könnte Sie dauerhaft frustrieren oder entmutigen, weil Sie keine chronischen Selbstzweifel hätten. Sie würden weder angeben noch nach Anerkennung lechzen noch wären Sie arrogant oder leicht zu kränken. Die Leistungen anderer könnten Sie neidlos würdigen und wären auf genau den Gebieten, die Sie interessieren, erfolgreich und sicher. Aber was glauben Sie, hätten Sie dann die Bereitschaft, für eine unwürdige Bezahlung eine unwürdige Arbeit zu machen, und wären zudem noch drüber froh, dass Sie das überhaupt dürfen? Wohl kaum! Und Sie würden sehr wahrscheinlich auch nicht mehrere Hundert Bewerbungen schreiben (wie es heute fast normal ist), auf die Sie ohnehin nur Absagen bekommen, sondern mit dem, was Sie können, einen erfolgreichen Beruf ausüben. Sie wären kein Mindestlohnsklave, der sich für einen Versager hält und im Rentenalter Pfandflaschen sammeln muss, um sein Existenzminimum zu sichern. Und sehen Sie, genau dafür ist Schule da, die Selbstsicherheit Ihrer Kinder zu brechen, damit sie zu leicht manipulierbaren, systemkonformen und billigen Arbeitskräften werden. Und Sie als Eltern machen da sogar noch mit. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie mal hier.

 

Das sagen die Experten

Befragt man einige der bekanntesten Lern-, Schul- und Gehirnforscher zu ihrer Meinung über die Schule, so sind die Antworten so erschütternd wie eindeutig:

Prof. Dr. Gerald Hüther

Mit zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema Lernen und Schule gehört der Neurobiologe Hüther zu den derzeit gefragtesten Wissenschaftlern auf seinem Gebiet. In einem Interview vom Deutschlandfunk sagte er:

»Das Riesenproblem, was wir haben, ist nicht, dass wir schlechte Schulen haben oder schlechte Lehrer, sondern dass wir ein Schulsystem haben, was so aufgebaut ist, dass man dort hinmuss. Wir haben ein Schulgesetz, ein Schulanwesenheitspflicht-Gesetz, und solange das so ist, dass ein Schüler, wenn er aus der Schule kommt und gefragt wird, warum gehst du in die Schule, nichts anderes sagt als, weil er muss, dann ist da was grundlegend falsch. Das mag vielleicht im vorigen Jahrhundert oder im Kaiserreich noch sinnvoll gewesen sein, Schüler zwangsweise in die Schule zu schicken, aber das ist im 21. Jahrhundert einfach nicht mehr die richtige Art. Es führt dann dazu, dass die Schüler in der Schule, wie wir das sagen, unmotiviert sind. Das heißt, die wissen gar nicht, warum sie dorthin sollen, oder die gehen nur dorthin, weil sie müssen, und unter solchen Umständen kann man nicht viel lernen. Das Ergebnis ist, dass auch nicht viel hängen bleibt, und das führt dazu, dass dann so viel mit Nachhilfe versucht wird. Und zwei Jahre nach dem Abitur – da gibt es ja wunderbare Untersuchungen dazu – ist 90 Prozent von all dem, was die da in den 13 oder 12 Jahren gelernt haben, wieder weg. Das ist doch einfach völlig uneffektiv. So kann man im Grunde genommen nicht weitermachen. […] Es gibt drei Gründe oder drei Möglichkeiten, den Lernstoff emotional aufzuladen. So heißt das wissenschaftlich. Das heißt, das muss unter die Haut gehen. Der erste ist, dass es einen wirklich interessiert, und dann will man es auch und dann lernt man auch alles. So beginnt ja auch in der Zeit, bevor wir die Kinder in die Schule schicken, der Lernprozess und so ist er ja auch richtig.

Dann, wenn das nicht möglich ist, geht es noch, dass man jemand anders zuliebe lernt. Das ist dann die berühmte Grundschullehrerin oder der tolle Lehrer, den man hat. Dann lernt man eigentlich nicht gerne Mathe, sondern man will jemanden glücklich machen. Manchmal auch die Mama.

Die dritte und ungünstigste Form, den Lernstoff emotional aufzuladen, besteht darin, dass man ihn mit Belohnung oder mit Bestrafung koppelt, mit guten oder schlechten Zensuren. Das ist im Grunde genommen kein Lernen, was da stattfindet; das ist Dressur. Das war im vorigen Jahrhundert vielleicht okay. Da hat man ja auch viele Leute gebraucht, die den ganzen Tag immer dieselben Bewegungen an ihren Maschinen gemacht haben und fast genauso funktioniert haben wie die Maschinen. Aber im 21. Jahrhundert ist das völlig daneben. Da braucht man keine gut abgerichteten, gut funktionierenden Leute, sondern welche, die irgendwie Freude am Lernen haben und die das Wichtigste, was sie in die Schule mit hineinnehmen, nämlich diese Entdeckerfreude und Gestaltungslust, hinten auch zumindest in gleicher Stärke wieder mit rausbringen.« 1

Soweit Gerald Hüther, ein nahezu unumstrittener und sehr populärer Experte in Sachen Lernforschung. Das, was er sagt, ist umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass er seine Forschung und Lehre seit vielen Jahrzehnten publiziert und diese eigentlich längst eine politische Umsetzung hätte erfahren haben müssen.

Übrigens, warum Sie Ihr Kind für seine schulischen Leistungen weder belohnen noch bestrafen sollten und wie Sie stattdessen damit umgehen können, erläutere ich noch später im Buch. Lassen wir einen weiteren Fachmann zu Wort kommen.

Prof. Dr. Manfred Spitzer

Der Neurobiologe und Psychiater Professor Dr. Manfred Spitzer ist ein international anerkannter Experte für die Erforschung von hirngerechtem Lernen. Es gelingt ihm, komplexe Zusammenhänge populärwissenschaftlich und laienverständlich zu referieren. In zahlreichen Publikationen weist der Ulmer Hirnforscher darauf hin, dass man einen Menschen nicht zum Lernen zu zwingen, sondern nur dazu einzuladen braucht. Seiner Ansicht nach ist Schule kein Ort, in dem diese Einladung geschieht, sondern im Gegenteil, man wider besseres Wissen am Lernen gehindert wird. In einem Interview im Deutschlandfunk sagte Spitzer:

»Ein Kind braucht bestimmte Dinge, ich sage mal, als Input. Es muss die Dinge anfassen, es muss mit den Dingen umgehen lernen. Und wenn heute die Kinder an die Schule kommen und können keinen Griffel mehr halten, weil sie sich nur noch mit Wischen über eine Glasoberfläche beschäftigt haben und ihre Hand damit weder motorisch noch sensorisch in irgendeiner Weise vernünftig trainiert haben, dann haben die einen Nachteil, und zwar einen großen Nachteil. Wir ziehen uns eine Generation von Behinderten heran, ich sage es mal drastisch. Je mehr Fingerspiele sie im Kindergarten machen, desto besser sind sie mit 20 in Mathematik, weil die Zahlen über die Finger und deren komplexen Gebrauch ins Hirn kommen. Wenn sie nur wischen als Kindergartenkind, endet ihre Karriere als Putzfachkraft. Das sollte man einfach nicht machen. […]«2

Die deutsche Ministerin für Digitalisierung Dorothee Bär fordert WLAN in den Schulen. Dazu meint Spitzer:

»Ich sage, dass die Bildung schlechter wird, wenn Sie in der Schule mit digitalen Medien lernen. WLAN im Klassenzimmer macht die Leistung um 18 Prozent schlechter, weil die Kinder mehr abgelenkt sind. Wenn Sie abgelenkteren Unterricht machen, werden die Schüler nicht schlauer. Sie müssen aber schlau sein, da haben Sie völlig recht. Noch ein Beispiel: Wenn Sie googeln, brauchen Sie keine Medienkompetenz. Das ist Unsinn! Sie brauchen Vorwissen in dem Bereich, in dem Sie googeln. Dieses Vorwissen, das müssen Sie schon haben, und dann können Sie googeln.

Nun wissen wir seit 2012, dass Google für die Wissensvermittlung schlechter ist als Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften. Wir wollen also in der Schule nicht googeln, weil wir da Wissen erwerben wollen, wirkliches Wissen, das wir hinterher gebrauchen können. Und wenn wir das wirklich ernst nehmen, dann können die Kinder hinterher auch sogar gut googeln, besser, als wenn sie nichts wissen. Aber wenn Kinder hinterher gut googeln können sollen, dürfen sie in der Schule eines nicht: googeln! Das ist eine Idee, die ist ganz klar und die ist nachweislich da. Das haben Harvard-Professoren herausgefunden, im Science-Magazin publiziert, und ich kann nicht verstehen, wie sich unsere Politiker dieser Idee immer völlig verstellen. Die wollen das gar nicht hören. Die wollen das einfach nicht hören. Das ist kriminell!«3

In einem anderen Interview im Deutschlandradio Kultur äußert der Neurowissenschaftler seinen Unmut über die von der ehemaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka angekündigte Initiative zur digitalen Bildung an Schulen.

»Der Lehrerverband hat vollkommen recht. Solange wir wissen: Das Wichtigste am Unterricht ist ein guter Lehrer – dann kann man mit fünf Milliarden noch ein paar Lehrerstellen schaffen. Und solange bei uns sogar der Unterricht ausfällt, weil kein Lehrer da ist, kann man fünf Milliarden sehr gut für Bildung anlegen. Wenn man dafür Geräte kauft, dann sind die in drei Jahren veraltet oder kaputt. Und das Geld ist vertan. Und diejenigen, die es angewendet haben, sind auch noch dümmer geworden.«4

Das sagt Manfred Spitzer, ein so gut wie unwidersprochener Wissenschaftler, der in seinen Vorträgen anschaulich erläutert, wie schnell und einfach Lernen vonstattengehen kann. Hören wir nun, was ein weiterer Experte über die Schule sagt.

Dr. phil. Richard David Precht

Der Philosoph Richard David Precht gilt als überzeugter Kritiker des deutschen Schulsystems. Er bezeichnet Schulen in seinen Büchern als »Lernfabriken, die Kreativität töten«. Einigen Journalisten erscheint diese harsche Kritik überzogen. In einem Interview in der ZEIT nahm er dazu Stellung:

»Meine Hauptkritik zielt vielmehr darauf, dass die Art, wie wir unsere Kinder unterrichten, dem widerspricht, wie nachhaltiges Lernen funktioniert. Unser Schulsystem atmet bis heute den Geist des 19. Jahrhunderts, als nicht Individualität wichtig war, sondern es darauf ankam, dass in einem bestimmten Zeitraum alle das Gleiche zu lernen hatten. Ich nenne es das Fabrikmodell. […]

Kinder wollen lernen. Das weiß jeder, der welche hat. So lernt jedes Kind Sprechen und Laufen, ohne dass man als Eltern viel tun muss. Fast alle Kinder gehen anfangs auch freudig zur Schule. Doch schon nach kurzer Zeit verlieren sich die Neugier und die Lernfreude. Ich glaube, das liegt daran, dass das klassische Unterrichtsmodell sich viel zu wenig die Frage stellt, ob die Schüler in dem, was sie da vorgesetzt bekommen, einen Sinn sehen. Warum auch sollte sich ein 13-Jähriger – von Ausnahmen abgesehen – für eine physikalische Formel interessieren? Warum sollte er wissen wollen, was eine Adverbialphrase ist? Er lernt vielleicht beides, weil er es muss. Doch innerhalb kürzester Zeit hat er den Stoff wieder vergessen.«5

Und erneut hören wir, dass offenbar der Geist des vorletzten Jahrhunderts durch die Klassenzimmer weht. Da Richard David Precht in seinen Aussagen in der Öffentlichkeit manchmal etwas zu radikal empfunden wird, fangen wir also einmal eine Stimme aus dem gemäßigten Lager ein.

Prof. Dr. Harald Lesch

Prof. Dr. Harald Lesch ist Wissenschaftler und Moderator im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Er gilt nicht unbedingt als gesellschaftlicher Umstößler, sondern eher als Mainstream-Vertreter. Dennoch ist der Physiker, Naturphilosoph und Uni-Professor davon überzeugt, dass Kinder durch Schule verunsichert werden und durch falsche schulpolitische Entscheidungen an ihrer Entwicklung gehindert werden.

Er findet im Interview mit der Berliner Morgenpost dafür deutliche Worte und vertritt die Ansicht, dass »die Schulen deshalb ständig reformiert werden, weil die Länder da zeigen können, dass sie auch da sind, weil ja ganz viele Kompetenzen von den Ländern an den Bund gegangen sind«6. Seiner Ansicht nach gäbe es keine inhaltlichen Gründe für den enormen Druck, das »Leben eines Menschen in den ersten 20 Jahren dermaßen zu beschleunigen und zu komprimieren«7.

Harald Lesch sieht eher wirtschaftliche Gründe: »Das hat natürlich auch mit Ökonomisierung zu tun. Ökonomisierung bedeutet ja, Handeln unter eingeschränkter Ressource – und Letztere ist in diesem Fall die Zeit. Man versucht, die Menschen zu ökonomischem Handeln zu treiben, indem man ihnen die Zeit knapp macht. Das ist abartig. Dabei hat jeder Tag nur 24 Stunden. […] Warum gibt man den Kindern nicht einfach Zeit? Warum geben wir so Vollgas? Dass viele unsere Gymnasiasten an die Unis getrieben werden – völliger Unsinn. […] Gebt den Kindern einfach Zeit und lasst sie sich entwickeln.«8