Verteidigervergütung

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Aus der Reihe: Praxis der Strafverteidigung #39
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II. Umsatzsteuer

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Die Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV zählt zu den Auslagen, deren Abrechnung ebenfalls gesondert zu vereinbaren ist. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, ist im Zweifel von einer Brutto-Vergütung auszugehen, so dass die Umsatzsteuer im vereinbarten Honorar enthalten ist.[4] Die ausdrückliche Aufnahme der Erstattung der Umsatzsteuer sei daher dringend angeraten. Betont sei, dass die Umsatzsteuer des Rechtsanwalts selbst dann 19 % beträgt, wenn bspw. auf bestimmte Auslagen nur der ermäßigte Steuersatz anfiel. Denn die Nebenleistung teilt das Schicksal der steuerlichen Hauptleistung.[5]

Hinweis

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass anstelle des aktuellen Steuersatzes besser auf den „jeweils gültigen Steuersatz, zur Zeit in Höhe von 19 %“ zu verweisen ist.[6]

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › C. Weitere Bestandteile der Vergütungsvereinbarung › III. Hinweise

III. Hinweise

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Weitere Hinweise können bzw. müssen in die Vergütungsvereinbarung aufgenommen werden:

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Verpflichtend ist es gem. § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss. Das kann in mehrerer Hinsicht relevant werden: Im Fall des Freispruchs erfolgt bspw. eine Kostenerstattung durch die Staatskasse; ferner können einem Verurteilten die Kosten der Nebenklage – indes nur in gesetzlicher Höhe – auferlegt werden. Schließlich ist dieser Umstand bei Kostendeckung durch die Rechtsschutzversicherung von Bedeutung (sofern kein Spezialstrafrechtsschutz[7] besteht). Die Hinweispflicht dient als Warn- und Schutzfunktion für den Auftraggeber, dass er Honorare oberhalb der gesetzlichen Gebühren grundsätzlich selbst tragen muss.[8]

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Zwar führt ein Verstoß gegen diese Hinweispflicht im Umkehrschluss zu § 4b Satz 1 RVG nicht dazu, dass der Rechtsanwalt nur die gesetzlichen Gebühren verlangen kann. Mittelbar ist indes denkbar, dass sich der Rechtsanwalt durch das Unterlassen schadensersatzpflichtig macht, wenn sich der Auftraggeber überzeugend darauf berufen kann, er hätte bei Kenntnis der beschränkten Kostenerstattung diese Vergütungsvereinbarung mit diesem Rechtsanwalt nicht abgeschlossen.[9] Ein entsprechender Hinweis ist also stets dringend anzuraten.

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Demgegenüber gibt es keine grundsätzliche Verpflichtung in der Vergütungsvereinbarung darauf hinzuweisen, dass die vereinbarte Vergütung höher ist als es die gesetzliche Vergütung wäre. Eine solches ergibt sich auch nicht aus anwaltlichem Berufsrecht.[10] Erst recht muss der Verteidiger nicht ungefragt die Differenz zwischen gesetzlicher und vereinbarter Vergütung vorrechnen,[11] was ohnehin nur selten möglich wäre. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass sich aus § 242 BGB eine zivilrechtliche Aufklärungspflicht ergeben kann, wenn bspw. der rechtsschutzversicherte Mandant erkennbar nicht versteht, dass sich die Kostenübernahmepflicht auf die niedrigeren gesetzlichen Gebühren beschränkt.[12]Hierfür ist indes der vorgenannte Hinweis auf die beschränkte Kostenerstattung ausreichend.

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Schließlich kann der Verteidiger den Hinweis dahingehend ergänzen, dass jedenfalls die gesetzliche Vergütung geschuldet wird, wenn sie höher ist als die vereinbarte. Im normalen Strafverfahren wird sich diese Konstellation zugegebenermaßen nur selten ergeben.

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Möchte der Rechtsanwalt für verschiedene Verfahrensabschnitte jeweils eigene Vergütungsvereinbarung abschließen, da er den weiteren Verfahrensgang und den Umfang seines Tätigkeitsaufwandes noch nicht ausreichend absehen kann, bietet sich ein weiterer Hinweis dahingehend an, dass für die weiteren Verfahrensabschnitte oder Instanzen eine weitere Vergütungsvereinbarung vorbehalten bleibt.

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Muster 11 Pauschalvereinbarung mit weiteren Hinweisen


Vergütungsvereinbarung
zwischen
Herrn Ralf Müller, Bahnhofsstraße 1, Köln,
im Folgenden: Auftraggeber,
und
Rechtsanwalt …,
im Folgenden: Rechtsanwalt,
1. Der Auftraggeber verpflichtet sich, die nachfolgend aufgeführten Kosten der Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Köln zum Aktenzeichen: (…) sowie der sonstigen im Zusammenhang mit diesem Strafverfahren stehenden anwaltlichen Beratung zu übernehmen. Die vereinbarte Vergütung tritt an die Stelle der gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). 2. Der Auftraggeber verpflichtet sich, dem Rechtsanwalt für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren sowie die sonstige im Zusammenhang mit dieser Strafsache stehende anwaltliche Beratung ein Pauschalhonorar in Höhe von netto 2.500 € (in Worten: zweitausendfünfhundert Euro) zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer zu bezahlen. 3. Auslagen des Verteidigers – insbesondere für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Schreibauslagen, Reisekosten sowie die Umsatzsteuer in der jeweils gültigen Höhe – sind mit der vereinbarten Vergütung nicht abgegolten und werden gesondert auf der Grundlage des RVG berechnet. 4. Dem Auftraggeber ist bekannt, dass die vereinbarte Vergütung und Nebenkosten die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG überschreiten, sowie dass im Falle eines Freispruchs oder eines sonstigen Obsiegens im gerichtlich anhängigen Verfahren eine Erstattungspflicht des Staates, eines Gegners, einer Rechtsschutzversicherung oder eines sonstigen Kostenträgers nur im Rahmen der gesetzlichen Gebühren gegeben ist. 5. Vertragsdauer: Dieser Vertrag beginnt mit sofortiger Wirkung und kann von jeder Partei zu jedem Zeitpunkt gekündigt werden. Im Übrigen gelten für die Kündigung der Vergütungsvereinbarung die Bestimmungen der §§ 626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Falle vorzeitiger Beendigung des Vertrages sind mindestens diejenigen Gebührentatbestände gem. dem RVG zu vergüten, die bis zu diesem Zeitpunkt angefallen sind. 6. Der Rechtsanwalt kann von dem Auftraggeber jederzeit einen angemessenen Vorschuss verlangen. 7. Die vereinbarte Pauschale und die Auslagen weden fällig, wenn… 8. Für das etwaige weitere Verfahren bleibt der Abschluss einer neuen Vergütungsvereinbarung vorbehalten.

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › C. Weitere Bestandteile der Vergütungsvereinbarung › IV. Fälligkeit und Vorschuss

IV. Fälligkeit und Vorschuss

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Die Fälligkeit der vereinbarten Vergütung richtet sich wie bei der gesetzlichen Vergütung nach § 8 RVG. Demnach wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Selbstverständlich kann ein anderer Fälligkeitszeitpunkt vereinbart werden,[13] etwa für ein jeweiliges Pauschalhonorar für jeden Verhandlungstag. Bei Stundenhonorarvereinbarungen kann eine regelmäßige, bspw. monatliche, Fälligkeit des bis dahin entstandenen Honoraranspruchs vereinbart werden. Mit Fälligkeit kann kein Vorschuss nach § 9 RVG mehr verlangt werden, vielmehr muss der Rechtsanwalt nach § 10 RVG abrechnen.[14]

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Nicht ganz geklärt ist demgegenüber die Frage, ob § 9 RVG für die Vorschussforderungen des Rechtsanwalts bei Vergütungsvereinbarungen ebenfalls Anwendung findet. Da der Wortlaut dieser Norm von „Gebühren und Auslagen“ spricht, kommt sogar eine differenzierte Beurteilung in Betracht. Die Anwendung des § 9 RVG liegt näher bei Vergütungsformen, die an die gesetzliche Vergütung angelehnt sind (z.B. Vereinbarung des Dreifachen der gesetzlichen Höchstgebühr), als bei denen, die vollständig von der gesetzlichen Vergütung losgelöst sind.[15]

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Aus diesem Grund ist es zu empfehlen, in die Vereinbarung eine Regelung über Vorschusszahlungen aufzunehmen. Dabei kann der Verteidiger sehr differenziert vorgehen und mit dem Auftraggeber eine Regelung vereinbaren, die allen Interessen im Einzelfall gerecht wird. Es können sowohl ein einzelner als auch regelmäßig wiederkehrende Vorschüsse vereinbart werden, Pauschalbeträge oder bei einer Stundenhonorarvereinbarung die Vergütung für eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden. Schließlich kann festgelegt werden, dass der Rechtsanwalt berechtigt ist, für die bereits angefallene sowie die voraussichtlich noch anfallende Vergütung einen angemessenen Vorschuss zu fordern. Da das der gesetzlichen Regelung entspricht, wird es nicht als unbestimmt angesehen werden können.[16]

 

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Muster 12 Stundensatzvereinbarung mit Vorschussregelung


Vergütungsvereinbarung
zwischen
Herrn Ralf Müller, Bahnhofsstraße 1, Köln,
im Folgenden: Auftraggeber,
und
Rechtsanwalt …,
im Folgenden: Rechtsanwalt,
1. (…) 2. (…) 3. (…) 4. Die Abrechnung angebrochener Stunden erfolgt minutengenau. 5. Der Mandant verpflichtet sich, bis zum 2.8.2015 einen Honorarvorschuss in Höhe von netto 2.000,00 € (in Worten: zweitausend Euro) zuzüglich Umsatzsteuer auf das nachfolgend angegebene Konto zu überweisen. Mit dem Vorschuss werden die sich aus den Abrechnungen nach Nr. 4 ergebenden Rechnungsbeträge verrechnet. Alternativ: Fälligkeit: Die Vergütung wird mit Erteilung und Zugang der Abrechnung fällig. Ferner ist der Rechtsanwalt berechtigt, Zwischenabrechnungen nach eigenem Ermessen zu erstellen, die mit Zugang sofort zur Zahlung fällig werden. (…)

Anmerkungen

[1]

LG Koblenz AnwBl. 1984, 206.

[2]

Zu der Problemstellung der Aktenscans bei Nr. 7000 VV vgl. Rn. 621 ff.

[3]

In den USA kam es diesbezüglich zu wunderlichen Auswüchsen, Hommerich/Kilian S. 118.

[4]

OLG Karlsruhe DB 1979, 447; LG Koblenz AnwBl. 1984, 206.

[5]

Burhoff Anm. zu KG Beschl. v. 24.5.2013 – 1 Ws 28/13, StRR 2014, 78; vgl. Rn. 657 f.

[6]

Schneider/Wolf-Onderka RVG, § 3a Rn. 90.

[7]

Vgl. Rn. 138.

[8]

BT-Drucks. 16/8384, S. 12.

[9]

Hinne/Klees/Müllerschön/Teubel/Winkler-Teubel § 1 Rn. 57.

[10]

LG Köln AnwBl. 1999, 703, 704; LG Düsseldorf JurBüro 1991, 530, 531; AG Gemünden AGS 2007, 340.

[11]

OLG Hamm AnwBl. 1986, 452; LG Düsseldorf JurBüro 1991, 530, 531.

[12]

OLG Düsseldorf Urt. v. 23.11.1999 – 24 U 213/98, NJW 2000, 1650; Schneider/Wolf-Onderka RVG, § 3a Rn. 48; Schneider NJW 2006, 1905, 1909.

[13]

Mayer/Kroiß-Gierl RVG, § 8 Rn. 8.

[14]

AG Berlin-Lichtenberg Urt. v. 1.3.2013 – 114 C 138/11.

[15]

Schneider/Wolf-Schneider RVG, § 9 Rn. 92.

[16]

Schneider Rn. 1776; Klemke/Elbs Rn. 254 ff.

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › D. Praktische Handhabung

D. Praktische Handhabung

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › D. Praktische Handhabung › I. Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung

I. Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung

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Sollte der Verteidiger nicht in der Situation sein, ausschließlich Stundenhonorare am Markt durchsetzen zu können, gibt es keine allgemeingültige Regel, wann und wie er das Thema der Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten besprechen und wann es zum Abschluss kommen sollte. Einerseits sollte selbstverständlich nicht so lange zugewartet werden, bis eine Ablehnung des Mandanten die angemessene Finanzierung der bisher geleisteten Tätigkeiten in Frage stellen würde. Andererseits kann der Rechtsanwalt erst dann einen sachgerechten Vorschlag machen, wenn er den zukünftigen Arbeitsaufwand realistisch einschätzen kann. Bereits die Auswahl des Abrechnungsmodus – z.B. Pauschal- oder Zeithonorar – hängt wesentlich davon ab, welche Tätigkeiten im Verlauf des Mandats erforderlich werden.

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Grundsätzlich sollte die Vereinbarung möglichst frühzeitig geschlossen werden. Hierfür bietet sich bspw. das Ende des Erstgesprächs an.[1] Der zusätzliche Hinweis, das Mandat erst nach Eingang eines Vorschuss zu bearbeiten oder gar das Diktat eines entsprechenden Vermerks zur Aktenanlage erst nach Geldeingang in Anwesenheit des Mandanten, mögen ihn finanziell disziplinieren. Keinesfalls sollte er den Eindruck gewinnen, die anwaltliche Dienstleistung sei gratis. Gegebenenfalls mag es sinnvoll sein, bspw. bei Mandanten, die auf verlässliche Empfehlung kommen, bis zum zweiten Gespräch, etwa nachdem Akteneinsicht genommen wurde, zuzuwarten, da erst dann der weitere Aufwand seriös überblickt werden kann.

Hinweis

Gerade in Strafsachen bietet es sich an, sich die einzelnen Verfahrensabschnitte gesondert vergüten zu lassen, das mag sogar der Mandantschaft eingängig vermittelt werden. So kann bspw. das Ermittlungsverfahren, sofern absehbar nicht aufwendig gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis oder Untersuchungshaft anverteidigt werden muss, pauschal honoriert werden. Und, falls erforderlich, mag sich alsdann eine Vereinbarung über die Vergütung des Zwischen- und Hauptverfahrens, insbesondere der einzelnen Hauptverhandlungstage anschließen.

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Selbstverständlich kann der Verteidiger die Weiterführung des Mandats von der Unterzeichnung einer Vergütungsvereinbarung abhängig machen.[2] Das darf nur nicht durch unzulässigen Druck verstärkt werden;[3] vor allem nicht in zeitlicher Hinsicht. Problematisch ist etwa die Vorlage der Vereinbarung unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung, verbunden mit der Drohung, bei Nichtabschluss das Mandat niederzulegen.[4] Jedenfalls muss dem Mandanten noch genügend Zeit verbleiben, sich für seine Verteidigung einen neuen Rechtsanwalt zu suchen.[5] Anderenfalls ist zu befürchten, dass die Vergütungsvereinbarung sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) oder anfechtbar (§ 123 Abs. 1 BGB) zustande gekommen ist und dem Mandanten ein Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gerichtet auf Befreiung von der Verbindlichkeit (§ 311 Abs. 2 BGB) entstehen kann. Eine Mandatskündigung durch den Verteidiger bei Nichtabschluss könnte dann zur Unzeit erfolgen.[6] Die Frage, was eine angemessen lange Zeit vor dem Termin ist, beantwortet der BGH freilich nicht. Als Faustformel soll gelten: „Je näher der Termin rückt, desto weniger zulässig ist ein Einwirken auf den Mandanten.“[7]

121

Selbst nach dem Abschluss des Verfahrens kann eine Vergütungsvereinbarung noch zulässig abgeschlossen werden. Dies wird am Ehesten bei einem besonders erfolgreichen Ergebnis möglich sein. Gedacht werden kann bspw. an die von der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen als zusätzliches Honorar. Dem steht inzwischen auch nicht mehr das frühere Verbot des Erfolgshonorars entgegen.[8]

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › D. Praktische Handhabung › II. Preisfindung

II. Preisfindung

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Gleich für welche Art einer Vergütungsvereinbarung Verteidiger und Mandant sich entscheiden, ob bspw. Zeit- oder Pauschalhonorar, im Mittelpunkt der Überlegungen wird in der Regel die Höhe der Vergütung stehen. Eine breite Untersuchung des Soldan Instituts für Anwaltmanagement aus dem Jahr 2005 erbrachte neben vielen Details die Erkenntnis, „dass in der Anwaltschaft eine relativ hohe Unsicherheit in Sachen Preiskalkulation vorherrscht.“[9] Das mag an fehlender Ausbildung in diesem Punkt liegen oder der Annahme, das Thema Geld vertrage sich nicht mit dem geisteswissenschaftlichen Anspruch oder Habitus bzw. der Stellung als streng einseitiger Interessenvertreter und Kämpfer des Mandanten. Letztlich kann natürlich immer nur der am Markt durchsetzbare Preis realisiert werden. Zumal gleichzeitig zu gewährleisten ist, dass die Vergütung nicht unangemessen hoch i.S.d. § 3a Abs. 2 RVG ist. Patentrezepte können an dieser Stelle nicht erwartet werden. Vornehmlich dürfte sich das Problem der Preisfindung auf die Frage der eigenen Position innerhalb der stark segmentierten Anwaltschaft[10] reduzieren lassen.

1. Betriebwirtschaftliche Kalkulation

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Ein Gemeinplatz ist es, bei der Preisfindung zunächst das eigene wirtschaftliche Überleben im Blick zu haben: Jeder Rechtsanwalt muss eine eigene, immer wieder aktualisierte betriebswirtschaftliche Kalkulation zur Steuerung seiner Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und Liquidität durchführen. Sehr unterschiedlich ist etwa die Kostenstruktur von Kanzleien. Durchschnittlich dürfte eine Kostenquote in Höhe von ungefähr 50 % oder mehr anzunehmen sein.[11] Abweichungen nach oben oder unten sind selbstverständlich möglich, und wohl vor allem davon abhängig, wie weit man auf Personal angewiesen respektive zu verzichten bereit ist. Legt man die monatlichen Fixkosten zu Grunde und bedenkt die Steuerpflicht, die Ausgaben zur Krankenversicherung sowie Altersvorsorge,[12] so lassen sich der notwendige Mindestumsatz und damit ein wirtschaftlich auskömmlicher Stundesatz errechnen.[13]

Hinweis

Natürlich sind solche Berechnungen nutzlos, wenn das kalkulierte Honorar gegenüber dem Mandanten nicht durchzusetzen ist. Wenigstens zur Selbstkontrolle sollte auf eine vernünftige betriebwirtschaftliche Steuerung der eigenen Tätigkeit jedoch nicht verzichtet werden. In Zeiten einer vermeintlichen Anwaltsschwemme[14] ist ferner die Insinuation des Kaputtmachens der Preise ein ambivalentes Thema, das jeder für sich selbst beantworten muss.

2. Mandatsbezogene Kriterien

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Nach der unter Rn. 122 genannten Untersuchung orientieren sich die Rechtsanwälte bei der Preisfindung am Häufigsten an der fachlichen Schwierigkeit des zu bearbeitenden Mandats.[15] Während dieses Kriterium für jede Vergütungsvereinbarung Geltung beanspruchen kann, ist für die Pauschalvereinbarung der zu erwartende Aufwand der eigenen Tätigkeit von ganz entscheidender Bedeutung. Berücksichtigt werden kann ferner die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie ein eventuell erhöhtes Haftungsrisiko. Generell muss der Strafverteidiger – anders als bspw. sein wirtschaftsrechtlicher Kollege – fortwährend im Blick behalten, dass er regelmäßig nicht durch Dauermandate längerfristig abgesichert ist. Gleichwohl kann das alles nicht unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des konkreten Mandanten gesehen werden.

 

3. Anwaltsbezogene Kriterien

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Insbesondere ist für die Frage der Durchsetzbarkeit des vom Verteidiger als angemessen erachteten Honorars das Profil und die Position des Rechtsanwalts im Markt, seine Berufserfahrung sowie sein Ruf in der Öffentlichkeit oder bestimmten Fachkreisen entscheidend.

126

Zunehmend von Bedeutung mag eine fachliche Spezialisierung des Rechtsanwalts sein, nach außen vor allem durch den Fachanwaltstitel für Strafrecht dokumentiert. Weitere inhaltliche Eingrenzungen innerhalb des Strafrechts mögen sinnvoll sein, etwa der Erwerb weiterer Fachanwaltstitel (z.B. Fachanwalt für Steuerrecht bei der Spezialisierung auf das Steuerstrafrecht oder Fachanwalt für Medizinrecht bei der Spezialisierung auf das Arztstrafrecht).