Buch lesen: «Christmas Time»
Marina Ocean, Sarina Louis, Karina Reiss
Christmas Time
Ein bisschen Weihnachten
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Vorwort
Sarina Louis
Shane
Amy
Über die Autorin
Karina Reiß
Über die Autorin
M. Ocean
Über die Autorin
Kate Novella
Erstes Kapitel Marion
Zweites Kapitel Thomas
Drittes Kapitel Marion
Viertes Kapitel Thomas
Fünftes Kapitel Marion
Sechstes Kapitel Marion
Über die Autorin
Amanda Partz
Über die Autorin
Sara C. Schaumburg
Über die Autorin
Samira Wood
Kapitel 1 - Jenny
Kapitel 2 - Zac
Kapitel 3 - Jenny
Kapitel 4 – Zac
Kapitel 5 - Jenny
Kapitel 6 – Zac
Kapitel 7 – Jenny
Über die Autorin
Danksagung
Impressum neobooks
Impressum
© / Copyright: 2021
Marina Ocean & Sarina Louis
Marina Ocean
c/o Autorenservice Gorischek
Am Rinnergrund 14/5
8101 Gratkorn
Österreich
marinaocean.author@gmail.com
Sarina Louis
c/o Barbaras Autorenservice
Tüttendorfer Weg 3
24214 Gettorf
Deutschland
Sarinalouis@gmx.de
1. Auflage
Umschlaggestaltung: Die Bücherfee - Karina Reiß
Bildmaterial: Adope Stock, Deposit Photos, Pixabay
Lektorat, Korrektorat: Sandra Paczulla, Karina Reiß, Marina Ocean, Kate Novella
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Vorwort
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67550 Worms
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Sarina Louis
Shane
»Und am Weihnachtsmorgen laufen wir immer nackt um den Weihnachtsbaum«, flüstert mir Amy ins Ohr und legt ihre Arme von hinten um meinen Hals.
»Cool«, sage ich und streichele dabei kurz über ihren Unterarm. »Hört sich doch nach einer schönen Weihnachtstradition an, Babe.«
»Hmhm, das machen wir jedes Jahr so. Außerdem spielen wir an Heiligabend immer Strip Poker, wenn die Zwillinge im Bett sind.«
»Was?«, frage ich geistesabwesend, während ich die Unterlagen weiter vor mir auf dem Couchtisch in ihrem Zimmer ausbreite.
»Du hörst mir überhaupt nicht zu.« Amy grinst, was ich an meiner Haut spüre. Anschließend nimmt sie mir das Buch aus der Hand, das ich gerade hochnehmen möchte, und legt es zurück. »Genieße doch die paar freien Tage mal, bevor es mit der Uni weitergeht.«
»Ich kann nicht«, raune ich ihr zu und drücke ihr einen Kuss auf die Wange, bevor ich mir meinen Notizblock und den Kugelschreiber schnappe, um mir weiter Anmerkungen zu machen.
Schnaufend lässt sie mich los und kommt um die Couch herum. Bevor ich reagieren kann, hat sie mir schon die Sachen wieder aus der Hand genommen, legt sie auf den Tisch und klettert anschließend auf meinen Schoß. Als wollte sie in mich hineinkriechen, kuschelt sie sich an mich und legt ihren Kopf an meinen Hals.
»Wieso nicht?«, flüstert sie und platziert dabei kleine federleichte Küsse auf meiner Haut. Wie gerne würde ich mich fallen lassen und die Situation genießen, aber das geht nicht.
»Weil ich deinem Vater beweisen will, dass ich gut genug für dich bin«, spreche ich das erste Mal meine Gedanken aus. Meine Worte verfehlen ihre Wirkung nicht, denn Amy löst sich sofort von mir und lehnt sich auf meinem Schoß ein Stück nach hinten.
»Shane«, kommt es leise aus ihrem Mund. Dieser Blick. Genau deswegen habe ich nichts gesagt. »Du bist gut genug für mich.«
»Und genau da bin ich mir nicht so sicher. Dein Dad hat schon recht, dass er mich hasst.«
»Er hasst dich nicht«, widerspricht sie, doch sie weiß genau, dass es so ist. Auch wenn er mittlerweile akzeptiert, dass wir zusammen sind und es zähneknirschend duldet, dass wir in Sünde in seinem Haus wohnen, wäre es ihm lieber, wenn seine Prinzessin endlich zur Vernunft kommt und den asozialen Tätowierten verlässt. Und ich kann ihn verstehen. Nach allem, was ich Amy in der Vergangenheit angetan habe, ist mir klar, dass ich nicht gerade den Titel »Schwiegersohn des Jahres« verdient habe. »Er hasst dich nicht mehr«, rudert sie schließlich ein kleines Stück zurück.
Ich rutsche mit meinem Hintern etwas weiter nach unten, weshalb sie sich lachend auf meiner Brust abstützt. Meinen Kopf lege ich auf der Rückenlehne der Couch ab und streiche mit meinem rechten Zeigefinger eine ihrer dunklen Locken aus ihrer Stirn.
»Du bist mein Leben. Ohne dich wäre ich in der Gosse gelandet, Babe«, gestehe ich ihr nicht zum ersten Mal, dass sie alles ist, was ich zum Atmen brauche. Und ich danke dem Scheißer da oben im Himmel jeden Tag, dass diese Frau mir noch eine Chance gegeben hat.
»Ich liebe dich auch.« Ihre braunen Augen strahlen mich an, als sie sich zu mir vorbeugt und mich küsst.
Hört es jemals auf, was ich für mein Mädchen empfinde? Ich hoffe es nicht, denn ich kann niemals genug davon bekommen. Ihre Lippen auf meinen, ihre Haut, die meine berührt, als wäre ich etwas Besonderes … als wäre ich ebenfalls ihr Leben. Ganz automatisch rutschen meine Hände auf ihren Hintern, um sie noch näher an mich heranzuziehen. Ein Stöhnen dringt aus ihrer Kehle und lässt meine Selbstbeherrschung immer weiter schwinden, als sie mit ihren Hüften auf meinem Schoß hin- und herwackelt.
»Amy!«, ermahne ich sie, denn sie weiß ganz genau, dass ich nicht mit ihr schlafen werde, solange ihr Vater und Grace noch nicht im Bett sind.
»Ja, Baby?«, haucht sie an meinem Hals, bevor sie mir ins Ohrläppchen beißt.
»Oh, du spielst nicht fair«, beginne ich zu stöhnen, reibe mich aber gleichzeitig an ihr. »Und du weißt, wie schwer ich dir widerstehen kann.«
»Hmhm, das ist mir durchaus bewusst«, ist die kehlige Antwort von dem Wirbelwind auf meiner Erektion, die sich mittlerweile gegen ihre heiße Mitte presst. »Außerdem ist das vielleicht eine gute Ablenkung von dem ganzen Unikram.«
Schwer seufzend gebe ich mich geschlagen, auch wenn der Unikram wichtig ist, um endlich der Mann zu werden, den Amy verdient. Auf der anderen Seite hat sie recht: Ich war schon viel zu lange nicht mehr in meiner Freundin. Das sollte ich schnell ändern.
Auf meinen Lippen bildet sich ein dreckiges Grinsen, als ich meine linke Hand auf ihren Hinterkopf lege und sie somit für einen Kuss zu mir ziehe. Die rechte Hand wandert gleichzeitig unter ihr Shirt und öffnet geschickt den Verschluss ihres BHs.
»Aber wehe … du bist dieses Mal nicht leise … denn ich habe keine Lust … dass dein Dad …«, bringe ich zwischen einzelnen Küssen heraus, während ich zeitgleich Amys Kapuzenpulli über ihren Kopf zerre und hinter mich werfe.
»Dass dein Dad was?«
Fuck! Bitte sag mir, dass nicht Jordan hinter uns steht und uns praktisch dabei erwischt hat, wie ich seine Tochter auf der Couch vögeln wollte!
»Dad! Kannst du nicht anklopfen?«, faucht Amy gleich drauflos, was die Sache nicht besser macht, denn wenn die zwei Streithähne aufeinandertreffen, eskaliert das gerne. Hätte nie gedacht, dass ich mal der ruhige Pol in unserer Beziehung bin, aber Amy macht mich eben zu einem besseren Menschen.
Ohne mich zu Jordan umzudrehen, schnappe ich die Decke, die neben uns auf der Couch liegt und halte sie Amy vor die Brust, schließlich erfüllt der BH nicht mehr ganz seinen Zweck: Die Brüste meiner Freundin vor den Blicken anderer zu verstecken.
»Anklopfen? Das ist immer noch mein Haus und solange …«, geht die Diskussionsrunde auch schon los.
»Du deine Füße unter meinen Tisch stellst …«, giftet meine Curly Sue zurück. Doch gerade, als sie weitersprechen will, lege ich meine Handfläche auf ihren Mund und sehe Jordan nun mit einem zusammengekniffenen Auge an. Er steht im Türrahmen, den Pulli von Amy in seiner Hand.
»Wir kommen gleich«, versuche ich, ihn zu beschwichtigen, erreiche aber genau das Gegenteil, als er zurückkeift: »Vergiss es. Hier kommt niemand. Aber du kannst deinen Arsch nach unten bewegen, Shane. In fünf Minuten in der Küche! Allein!« Keine zwei Sekunden später fliegt die Tür ins Schloss.
»Geil. Wirklich geil. Musst du ihn immer so provozieren? Damit erreichst du nur, dass er mich bald rauswirft.«
»Ach was, das wird er nicht. Bellende Hunde beißen nicht«, sagt Amy kichernd und schließt den BH hinter ihrem Rücken, bevor sie von mir herunterklettert und mir anschließend immer noch halb nackt die Hand entgegenhält. »Wir dürfen ihm nur keinen Grund liefern, es sich anders zu überlegen. Also komm.«
»Na toll. Bellende Hunde beißen nicht? Damit willst du mir Mut machen?«, sage ich, als ich mich von ihr hochziehen lasse. Ein zuckersüßes Nicken ist ihre Antwort. »Dann hab ich News für dich. Es funktioniert nicht.«
****
Bevor ich die Küche betrete, atme ich noch mal tief durch und richte meine Haare. Scheiße, bin ich nervös. Ich fühle mich, als hätte ich ein erstes Date und müsste einen guten Eindruck hinterlassen. Das Problem ist nur, dass der Zug schon lange abgefahren ist.
»Willst du noch lange da draußen stehen bleiben?«, durchdringt Jordan die Stille.
Amy ist mit Grace und ihren Geschwistern im Wohnzimmer, da er mich unbedingt alleine sprechen wollte. Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Ich weiß es nicht.
Nach einem Räuspern betrete ich die Küche und bin mir nicht sicher, was ich sehe.
Jordan, Amys Onkel Sam und Georg, Amys Großvater, stehen mir gegenüber, alle mit einem Gesichtsausdruck, den ich absolut nicht deuten kann.
Na klasse. Jeder Einzelne der Williams Männer ist schon angsteinflößend, aber alle auf einem Haufen sorgen dafür, dass ich am liebsten flüchten möchte. Doch das kann ich nicht, denn das würde bedeuten, dass ich Amy verlassen muss, aber diesen Gefallen werde ich ihnen nicht tun. Und daran ändert auch nichts, dass Sam ein Gewehr in der Hand hält. Ein Gewehr? Was zum Teufel haben die vor? Wollen die mich umbringen und anschließend im Wald verscharren?
»Liebst du meine Enkeltochter, Shane?«, beginnt Georg ein Gespräch, als wäre es vollkommen normal, den Freund der Enkelin mit einer Flinte zu bedrohen – am Morgen des 24. Dezember.
»Ja, Sir«, kommt es kratzig aus meiner Kehle, weshalb ich mich erneut räuspere und meine Worte nun fester wiederhole. »Ja, Sir. Ich liebe Amy.«
Jordan kneift die Augen zusammen, Sam umfasst das Gewehr fester und Georg verschränkt die Arme vor der Brust.
»Würdest du auch für sie töten?«, fragt nun Sam.
Erst möchte ich lachen, weil ich vermute, dass das nur ein Scherz sein kann. Aber als ich den Muskel in seinem Kiefer zucken sehe, wird mir klar, dass er diese Frage ernst meint.
Scheiße, was sage ich denn jetzt? Wenn ich Ja sage, denken sie vielleicht, dass ich immer noch der Shane bin, den sie kennengelernt haben. Der Sohn eines Kriminellen und der Typ, der Amy damals … fuck, wenn ich daran denke, was ich ihr alles angetan habe, wird mir immer noch schlecht. Aber der bin ich nicht mehr. Ich habe mich verändert. Für Amy. Für mich.
Wenn ich aber Nein sage, denken sie, dass ich sie doch nicht so sehr lieben könnte, wie ich ihnen weismachen will.
»Denk nicht so viel nach, Junge. Beantworte einfach die Frage. Ja oder Nein?«, will nun Georg wieder wissen. Jordan hat noch keinen Ton gesagt, seit ich die Küche betreten habe, trotzdem ist er es, dem ich bei meiner Antwort in die Augen sehe, denn ich möchte, dass er sieht, wie ernst mir meine Worte sind.
»Ja. Ich würde mein Leben für sie geben. Und ja. Ich würde für sie töten.«
Einen Moment lang ist es still in der Küche, bevor Jordan antwortet: »Gut. Dann hast du gleich die Möglichkeit, es zu beweisen.«
****
Wir fahren tatsächlich in den Wald. Ich sitze auf der Laderampe von Jordans Pick-up und friere mir den Arsch ab, während aus der warmen Fahrerkabine Jingle Bells zu mir nach hinten schallt, in voller Lautstärke wohlgemerkt. Georg fährt und die zwei Williams Brüder singen lautstark mit, als wären sie zwei Jungs, die auf Santa Claus warten. Die haben doch echt einen Knall.
Die wären nicht so gut gelaunt, wenn sie mich um die Ecke bringen würden, oder doch?
Amy hat mich mit einem mitleidigen Blick angesehen, als wir gefahren sind und mir »Viel Glück« gewünscht. Das lässt mich jetzt auch nicht gerade Luftsprünge machen.
»Ist alles okay bei dir?«, ruft Sam nach hinten, woraufhin ein Lachen von meinem zukünftigen Schwiegervater kommt.
»Alles bestens!«, ist meine sarkastische Antwort, während ich zeitgleich meinen Mantel enger um mich ziehe.
Alles super hier hinten. So bequem und kuschelig, denke ich mir meinen Teil. Ist ja nicht so, als wäre auf der Rückbank des geräumigen Pick-ups nicht noch ein Platz für mich frei gewesen.
»Dann ist ja gut. Wir hatten schon Angst, dass du uns da hinten erfrierst.« Keine Ahnung, ob die Worte nun von Sam oder Jordan kommen. Wieder Gelächter.
Genervt rolle ich mit den Augen.
Sie haben mich gefragt, ob ich für Amy töten würde. Ob sie es mir sehr übel nehmen wird, wenn ich mit ihnen anfange?
Gerade, als ich antworten möchte, verlassen wir die befestigte Straße und biegen auf einen Waldweg ab. Also doch verscharren. Ich habe es gewusst.
Auf der anderen Seite würde niemand nach mir suchen, außer Amy, denn ich habe niemanden mehr. Mein Vater, oder besser gesagt mein Erzeuger, wurde erschossen, meine Mutter hat sich umgebracht und ansonsten habe ich keine Verwandtschaft, da beide keine Geschwister hatten. Die Freunde, die ich hatte, habe ich alle in den Wind geschossen, da sie sowieso nur wussten, wo ich war, wenn sie etwas von mir wollten. Und sie wollten alle dasselbe: Geld.
Tja, Geld macht aber nicht glücklich. Wenn das jemand weiß, dann ich.
Nur am Rande bekomme ich mit, dass wir immer tiefer in den Wald fahren, sosehr bin ich in meinen Gedanken versunken.
Ich hatte nie das Gefühl, eine Familie zu haben.
Weihnachten war bei uns ein Tag wie jeder andere, deswegen kann ich nicht verstehen, dass Amy dieses Fest so viel bedeutet. Bei uns gab es kein Baum schmücken, Plätzchen backen, Lieder singen, Geschenke unter den Baum legen. Kein Baum fällen. Baum fällen! Das wird es sein. Deswegen nehmen die mich mit in den Wald. Aber was hat das damit zu tun, ob ich für Amy töten würde?
»Da wären wir!« Mit diesen Worten springt Jordan aus der Fahrerkabine und klopft mir auf die Schulter. »Komm schon, lass es uns hinter uns bringen.«
Widerwillig stehe ich auf und springe von der Ladefläche, indem ich mich mit der rechten Hand auf dem Rand abstütze und seitlich meine Beine drüberschwinge.
»Wen muss ich töten?«, frage ich nur halb im Scherz und nehme Sam das Gewehr aus der Hand, das er mir schon entgegenhält.
»Trudy!«, ist die trockene Antwort von Jordan, als er schon an mir vorbeimarschieren will, doch ich halte ihn am Handgelenk auf.
»Missus Shoumaker?«, stoße ich entsetzt aus, was dafür sorgt, dass alle in schallendes Gelächter ausbrechen.
»Nein, du Idiot, nicht Missus Shoumaker, sondern Trudy, den Truthahn.«
Jordan legt seinen Arm um meine Schulter, wohlwissend, dass ich ein Gewehr in der Hand habe. Er scheint meine Gedanken zu erraten, denn er fährt fort: »Keine Sorge, die ist nicht geladen. Oder denkst du wirklich, dass mein Bruder dir einfach eine geladene Waffe in die Hand drückt?«
»Was machen wir hier?«, will ich nun wissen, obwohl ich inzwischen eins und eins zusammenzählen kann.
»Was denkst du wohl?« Jordan sieht mich von der Seite an, den Arm immer noch um meine Schulter gelegt. »Da meine Tochter dich anscheinend wirklich liebt und ich dich wohl nicht mehr loswerde, wird es Zeit, dich in die Williams-Männer-Familientradition einzuführen. Du willst zur Familie gehören? Dann ist es heute deine Aufgabe, den Truthahn für unser Weihnachtsessen zu schießen. Und ich warne dich, wir haben Hunger, also sieh zu, dass du nicht so einen Mickerling erwischst, von dem niemand satt wird. Am besten sogar zwei, denn wenn die aus dem Ofen kommen, ist nur noch die Hälfte übrig.«
****
»Und ihr seid euch wirklich sicher, dass hier Truthähne rumlaufen?«, frage ich, da ich mir kaum vorstellen kann, dass die hier einfach so durch den Wald laufen und darauf warten, für den Weihnachtsbraten geschossen zu werden.
»Das will ich für dich hoffen, sonst gibt es morgen nur Süßkartoffelauflauf und grüne Bohnen«, stößt Sam entsetzt aus, als hätte ich ihm gerade gesagt, dass es Santa Claus nicht gibt. Auch wenn ich noch nicht lange Teil dieser Familie bin, ist auch mir schon aufgefallen, dass für Amys Onkel Essen nicht einfach nur Essen ist, sondern eher eine Art Passion.
»Wir warten jetzt aber schon seit vier Stunden hier und ich habe bisher noch nichts gesehen, was auch nur annähernd nach einem Truthahn aussieht«, werfe ich meine Bedenken ein, als Jordan mir ein weiteres Bier in die Hand drückt. Wenn ich ehrlich bin, haben wir bisher außer Trinken noch nicht wirklich viel getan.
»Wir überbrücken ja auch nur die Zeit«, gibt er schließlich zu, doch ich verstehe nur Bahnhof. Als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sieht, muss er lachen. »Wenn wir nach einer Stunde zurückkommen, würde uns doch niemand abkaufen, dass wir die selbst geschossen haben.«
Keine Ahnung, ob es am Alkohol liegt oder einfach an seinen wirren Worten, aber jetzt verstehe ich gar nichts mehr.
»Jetzt guck doch nicht so. Hast du schon mal gehört, dass in Virginia Truthähne in selbstmörderischer Absicht durch den Wald laufen, weil sie es so geil finden, Maronen und Speck in ihren Hintern gestopft zu bekommen?«, kommt es lachend von Sam.
Ich sehe abwechselnd von ihm zu Jordan, dann zu Georg, der einfach nur amüsiert den Kopf schüttelt. Er trinkt einen Schluck Sprite, wobei mir nicht zum ersten Mal auffällt, dass er nur sehr selten Alkohol trinkt, eigentlich fast nie.
Da ich immer noch nichts sage, klopft mir Jordan auf den Oberschenkel und setzt sich neben mich.
»Du musst noch viel lernen, Schwiegersohn.« Es ist das erste Mal, dass er mich so nennt, und ohne es zu wollen, sorgt es dafür, dass mein Hals enger wird. Scheiße, das liegt definitiv am Alkohol. Ich möchte den Blick abwenden, doch ich kann nicht. »Wir lieben unsere Frauen. Wirklich. Aber an Weihnachten drehen die immer ein bisschen durch. Ich wette mit dir, wenn wir nach Hause kommen, besteht das Haus aus einer einzigen Lichterkette, im Wohnzimmer steht ein riesiger Tannenbaum und Grace, Liz, Amy und Diane backen mit den Kindern Plätzchen. Also, was ist dir lieber? Der ganze Weiberkram oder wie ein Mann einen Truthahn erlegen. Was willst du sein? Sammler oder Jäger, Shane?«
Ein Grinsen bildet sich auf meinen Lippen, als mir klar wird, dass wir heute wohl keinen Truthahn schießen werden.
»Kann es sein, dass wir heute mit einem Truthahn nach Hause kommen, der schon nicht mehr geatmet hat, als wir hierhergefahren sind?«
Jordan hebt seine Bierflasche und stößt damit gegen meine. »Du lernst schnell. Unsere Vögel hängen bei einem befreundeten Jäger und warten darauf, von dir gerupft und ausgenommen zu werden.«
Meine Augen werden groß, doch er lacht nur wieder und steht auf.
»Komm, Junge. Ich denke, wir sollten unsere Auszeit nicht überstrapazieren, sonst fliegen wir am Ende noch auf.«
Nachdem ich mich ebenfalls aufgerappelt habe, halte ich Jordan am Unterarm fest. »Warum habt ihr mich heute zu eurem Williams-Männerding mitgenommen?« Ich muss es einfach wissen.
Jordan lächelt leicht, bevor er antwortet. »Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich den nächsten Satz mal ausspreche, aber … Ich mag dich, Shane. Wir hatten keinen guten Start, doch ich denke inzwischen, dass du der Richtige für meine Tochter bist. Du hast das Haus verkauft, in dem du aufgewachsen bist, weil du dein altes Leben hinter dir lassen willst. Du hast dich von dem alten Freundeskreis getrennt und mit deinem Studium angefangen. Mir ist klar, dass du mir damit etwas beweisen willst, aber das musst du nicht. Ich bin auch so stolz auf dich.«
Ich schlucke, denn so etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt.
»Mir ist klar, dass ich nicht ungeschehen machen kann, was in der Vergangenheit passiert ist, aber ich werde alles dafür tun, um Amy glücklich zu machen.«
»Das weiß ich. Und deshalb … haben Sam und ich uns überlegt …« Jordan nickt in Sams Richtung, der mit Georg ein paar Schritte von uns entfernt gestanden hat, und wartet darauf, dass die beiden zu uns kommen. »Was haltet ihr von der Idee, wenn Amy und du in die alte Wohnung von Sam und Liz zieht?«
»Ist das dein Ernst?«, stoße ich ungläubig aus, denn ich bin immer davon ausgegangen, dass er niemals zulassen würde, dass wir zwei zusammenziehen.
»Ich denke, es ist an der Zeit, loszulassen. Amy ist mein kleines Mädchen, aber ich bin nicht mehr für sie verantwortlich. Dafür hat sie jetzt dich und ich bin mir sicher, dass du dieser Aufgabe inzwischen gewachsen bist.«
»Aber ich will die Wohnung nicht geschenkt haben, ich bezahle dafür.«
»Das musst du mit Sam ausmachen.«
»Danke«, bekomme ich mit einem Kloß heraus, denn als wir hierhergefahren sind, hatte ich wirklich ein bisschen Angst, dass das hier in einem Desaster enden könnte.
Als Antwort nimmt mich Jordan in den Schwitzkasten und verpasst mir eine Kopfnuss.
»Versau es einfach nicht.«