Delicious 1 - Taste me | Erotischer Roman

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Aus der Reihe: Erotik Romane
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»Fuck.« Marlon starrte an sich hinunter. Er hatte immer noch einen Steifen und versuchte, ihn irgendwie in seine Hose zu zwängen. Mit mangelndem Erfolg. Ich ging zu ihm rüber und umarmte ihn von hinten, während ich nach unten griff.

»Entspann dich, ich mach das schon. Gefällt dir das?«, fragte ich ihn, während ich mit meiner Hand sanft seinen Schwanz rieb. Ein leises Stöhnen entglitt ihm. Ich deutete das als ein Ja, drehte ihn zu mir um und wies ihn an, sich auf seinen Schreibtischstuhl zu setzten. Ich kniete mich vor ihm hin und küsste ihn. Behutsam nahm ich seinen Ständer in den Mund und strich sanft mit meiner Zungenspitze darüber. Marlon lehnte sich schwer atmend zurück und schloss genussvoll seine Augen. Ich glitt mit meinem Mund auf und ab und ließ meine Zunge immer schneller kreisen, während meine Finger seinen Bauch hinauffuhren. Ich legte noch mal an Tempo zu und erhöhte den Druck. Mit meiner Hand umfasste ich seinen Schaft und drückte ihn sanft. Je fester, je intensiver ich wurde, umso mehr steigerte sich Marlons Puls. Ich konnte es spüren, dass er fast so weit war, konnte es anhand seines Keuchens hören. Er krallte sich an den Armlehnen des Stuhls fest, stöhnte auf und kam in meinem Mund. Ich verweilte noch einen Moment, bevor ich mich von seinem Schritt löste und mit meinen Lippen seinen Oberkörper hinaufwanderte. Ich küsste zärtlich seinen Bauch, seine Brust und seinen Hals. Er lächelte zufrieden.

»Gern geschehen«, flüsterte ich ihm ins Ohr und zog mich fertig an. Ich band mir meine Schürze wieder um und ging zur Tür. Marlon saß noch immer im Stuhl und atmete schwer.

»Das sollten wir wiederholen.«

»Jederzeit«, entgegnete ich zufrieden und ging hinaus.

***

Den restlichen Nachmittag konnte ich permanent Marlons Blicke auf mir spüren. Und auch ich kam nicht umhin, ihn verstohlen anzuschauen und mir seinen harten Schwanz vor Augen zu führen. Seinen Gesichtsausdruck, als er in meinem Mund gekommen war.

Mit einem verheißungsvollen Lächeln ging ich direkt an ihm vorbei und strich ihm über seinen Hintern. Ich blickte verschmitzt über meine Schulter. Ich wollte ihm gerade zuzwinkern, als Hendrik neben ihm auftauchte. Er funkelte mich an, während er Marlon etwas zuflüsterte. Dieser lachte und erwiderte etwas. Sie schauten mich beide an, als wüssten sie etwas, was ich nicht wusste. Ich hatte den Eindruck, sie unterhielten sich genau in diesem Moment über mich. Ich drehte mich um und ging ins Getränkelager.

Ich musste in die hinterste Ecke klettern, um an den Whisky heranzukommen. Da hörte ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Jetzt war es so dunkel, dass ich Mühe hatte, den Weg zwischen den vielen Kisten zurückzufinden.

»Na, öfter hier?« Vor Schreck ließ ich eine der Flaschen fallen, die zerbrach.

»Fuck. Ich hab ja nicht genug zu tun.« Hendrik schaltete das Licht ein.

»Ich wusste nicht, dass du so schreckhaft bist. Irgendwie niedlich.« Irgendwie niedlich? Das letzte Mal, als mich jemand so bezeichnet hatte, war ich noch zur Schule gegangen. Er reichte mir seine Hand, um mir über die Kartons zu helfen. Im ersten Moment dachte ich, er würde mich an sich ziehen und küssen. Tat er aber nicht. Er verschränkte bloß die Arme und musterte mich.

»Was?«, fragte ich. Er zuckte mit den Schultern.

»Du machst es einem echt nicht leicht, aus dir schlau zu werden. Ich dachte, du fickst keine Arbeitskollegen.« Aha, der Buschfunk. Klar, Hendrik und Marlon waren Freunde. Natürlich redeten sie. Ich schaute ihn an, stellte die restlichen Flaschen ab und ging auf ihn zu. Ich legte meine Hände auf seinen Oberkörper und wanderte langsam zu seinen Schultern hinauf.

»Hab’s mir anders überlegt. Eifersüchtig?« Ich beugte mich leicht nach vorn, um ihm zu suggerieren, mich zu küssen.

Doch stattdessen sagte er: »Gott, würde ich dich jetzt gerne küssen. Aber ...« Ich kam näher.

»Aber was? Stört es dich, dass du nicht der Einzige auf meinem Radar bist?« Hauchte ich leise.

»Nein, das ist es nicht ganz.« Ich wollte ihm gerade entgegenkommen und den Kuss selbst in die Hand nehmen, als er zurückwich. Ich ließ meine Hände sinken.

»Was ist?«, stieß ich genervt aus.

»Versteh mich nicht falsch. Ich würde dich auf der Stelle küssen, aber ich weiß, wo dein Mund heute schon war und so nah möchte ich Marlon wirklich nicht kommen.« Er grinste. Hendrik meinte es wohl ernst, aber nicht beleidigt-ernst. Eher Geh-erst-mal-Zähneputzen-und-komm-dann-wieder-ernst.

Im ersten Moment fiel mir die Kinnlade bildlich runter und ich fühlte mich gekränkt, aber nur kurz. Ich konnte es ihm ja schlecht übel nehmen. Allerdings fragte ich mich nahezu zeitgleich, wie man dieses Anliegen in einer Dreier-Konstellation angehen sollte. Alle zehn Minuten Mundspülung verwenden, bevor man Bäumchen wechsle dich spielt? Wenn ich wirklich einen Dreier mit Marlon und Hendrik in Betracht ziehen wollte, würde ich mir etwas einfallen lassen müssen. Mann, was man alles bedenken musste.

Mich stört das nicht. Aber gut, nicht jeder hat an Oralsex so viel Freude wie ich. Ich spucke auch nichts aus. Ich finde, das ruiniert die Stimmung. Vor allem, wohin damit? Runterschlucken geht schnell und ist unkompliziert. Und so schlimm ist es nun auch nicht. Ich bin nicht versessen drauf, ich mache es einfach. Daher kann ich das Dilemma mit dem fremden Geschmack an den Lippen schon ein bisschen nachvollziehen.

»Schade. Aber nur zur Info, das ist bereits Stunden her. Ich habe mittlerweile gegessen, zwei Becher Kaffee getrunken und hatte vor etwa zehn Minuten einen Orangensaft. Ich glaube kaum, dass du da noch etwas anderes herausschmecken würdest. Na ja, dann ein anderes Mal.« Ich nahm die Flaschen wieder hoch und ging zur Tür. Ich stieß sie mit meinem Fuß auf und trat raus. Die Sonne knallte mir so stark ins Gesicht, dass ich kurz die Augen zusammenkneifen musste. Hendrik hielt mir die Tür auf und grinste mich schon wieder an.

»Nun denn, Alex. Gehst du nächste Woche mit mir aus? Immerhin hast du deine Regeln schon mal gebrochen. Das schaffst du sicher auch ein zweites Mal.« Ich schaute in die pralle Sonne und konnte kaum etwas sehen.

»Ach, Hendrik, ich gehe doch nicht mit Kollegen aus.« Nachdem ich mehrmals geblinzelt hatte, blickte ich in sein verwundertes Gesicht. Ich wollte Sex, kein Date. Dass er das immer noch nicht verstanden hatte.

»Aus dir soll mal einer schlau werden.« Er ließ die Tür ins Schloss fallen und ging an mir vorbei. Er kam gar nicht auf die Idee, mir etwas abzunehmen. Offenbar war er beleidigt. Na, so was habe ich ja gar nicht gern. Beleidigte Männer sind schrecklich. Ich bin eher der Schrei-alles-raus-und-diskutiere-bis-einer-tot-umfällt-Typ. Ich mag es nicht, zu schmollen, alles in mich hineinzufressen oder passiv-aggressiv zu sein.

Nun, bisher hatte ich nur Kontakt zu Hendriks ansehnlichen Charaktereigenschaften. Früher oder später musste ja mal etwas auftauchen, was mir nicht gefiel. Wäre ja zu schön gewesen. Da hatten wir es also. Beleidigtes Abschwirren. Ein kleiner Penis wäre mir lieber gewesen. Damit konnte ich umgehen. Jetzt war ich ein wenig enttäuscht. Meine Dreier-Fantasie rückte in weite Ferne. Ernüchterung statt Erregung.

Ich marschierte über den Hof zurück ins Restaurant und kümmerte mich wieder um den Tresen. Marlon war nicht mehr zu sehen und auch Hendrik schien wenig Interesse daran zu haben, mir über den Weg zu laufen. Wenigstens hatte Collin schon Feierabend und wurde von Sören und Freddy abgelöst. Ich hatte keine Lust mir von Collin einen Vortrag anhören zu müssen, weil er ohne mich das Kuchenbüfett hatte aufbauen müssen. Auch wenn die Rüge heute gerechtfertigt gewesen wäre.

»Und? Was haste so getrieben und noch viel wichtiger, mit wem?« Christian sah mich neugierig an. »Du warst vorhin so schnell verschwunden, dass ich mir schon fast Sorgen gemacht habe.« Ich ließ meinen Oberkörper ernüchtert auf den Tresen sinken.

»Von wegen, es ist ja nur Sex.« Ich erzählte ihm von meinem heißen Zusammenstoß mit Marlon und dem nicht ganz so heißen mit Hendrik. »Ich hasse es, wenn Männer Besitzansprüche stellen. Erst recht, wenn noch gar nichts passiert ist. Ich bin nicht ohne Grund Single«, fluchte ich. Christian nickte zustimmend.

Ich machte überpünktlich Feierabend und fuhr nach Hause. Hendriks Reaktion machte mich wütend. Aber noch mehr war ich enttäuscht. Ich hatte gerade erst mit dem Gedanken gespielt, meine Dreier-Fantasie in die Tat umzusetzen. Aber er zerstörte mit seinem beleidigten Abgang alles. Gemeinheit.

4

Ich schleppte mich frustriert die Treppe hinauf, schloss meine Tür auf und schlurfte ins Wohnzimmer. Am Spiegel neben der Couch hing ein kleiner Zettel von André. Bin mit Jens beim Bowling, wird spät. Ich nickte gedanklich und ließ mich mit dem Gesicht voran auf das Sofa fallen, das zwischen etlichen bunten Kissen verschwand. Ich blieb eine Weile so liegen und ließ meine Gedanken schweifen. Was ist daran so schwer zu begreifen, dass ich an Romantik kein Interesse habe? Ich wirke doch nun wirklich nicht wie jemand, der von der großen Liebe träumt, sich insgeheim schon das Brautkleid ausgesucht hat und nur darauf wartet, von seinem Traummann gefunden zu werden. Nein, das bin ich nicht.

»Ha!« Ich stieß einen Ruf der Erleuchtung aus. »Plüsch!« Das hatte Bea damit gemeint. Mädchen machen Plüsch. Romantische Frauen sind Plüsch. Kitsch und Gefühlsduseleien sind Plüsch. Ich raffte mich auf und ging rüber zu Bea.

»Hi, Alex. Komm doch rein.«

»Plüsch«, sagte ich nur und grinste.

»Aha, ich sehe, du hast meine Nachricht verstanden.« Ich nickte.

»Aber das war schon ironisch gemeint, oder? Du denkst doch nicht wirklich, dass ich ein Mädchen bin?« Sie schüttelte den Kopf und bahnte sich den Weg zwischen den Kartons hindurch in ihr Wohnzimmer.

 

»Nein, ich halte dich nicht für ein typisches Mädchen. Daher ja die Karte. Ich finde es interessant, dass du nicht so plüschig bist.« Ich folgte ihr vorsichtig. Bisher war noch nicht viel von ihrem Kram ausgepackt, wie es schien. Daher konnte ich noch nicht erkennen, welchen Einrichtungsstil sie hatte. Unterm Fenster, das zur Straße rausging, hatte sie sich aber schon mit ihren Noten und dem Cello eingerichtet. Ein schöner Platz zum Spielen. Auf der Fensterbank stand eine kümmerliche Zimmerpflanze, die der von Marlon in seinem Büro sehr nah kam. Die hatte auch schon bessere Tage hinter sich. An der Wand gegenüber standen jede Menge Bücherregale. Eigentlich war die gesamte Wand ein einziges Regal.

»Wow, du musst viele Bücher haben. Bekommst du das auch voll?« Sie lachte, während sie offenbar etwas in den Kartons suchte.

»Da geht gerade mal die Hälfte rein. Im Schlafzimmer ist noch ein Regal.«

»Und was liest du so?«, fragte ich. Sie öffnete eine Kiste nach der anderen, ohne zu finden, was sie so vergebens zu suchen schien.

»Brauchst du Hilfe?«

»Ich benötige meine Lampe. Ich bin noch nicht dazu gekommen, eine an die Decke zu hängen. Beziehungsweise jemanden dafür anzurufen. Ich will heute noch ein paar Kartons auspacken. Licht wäre da von Vorteil.« Ich bot ihr an, ihr meine Stehlampe auszuleihen. Wir gingen zu mir, während sie von ihrer Büchersammlung schwärmte. Was für mich meine DVD-Kollektion ist, sind für sie ihre Schmöker. So hat halt jeder seins. Ich war kein großer Leser. Bea hingegen erzählte mir, dass sie pro Woche ein bis zwei Bücher verschlang, wenn sie gut geschrieben waren. Biographien, Fantasy, Krimi, sie las alles. Das fand ich mächtig beeindruckend.

Ich holte meine Schlafzimmerlampe, doch wir kamen an diesem Abend nicht mehr dazu, sie zu ihr rüberzubringen.

»Ich glaube, ich hab doch keine Lust mehr, zu kramen. Musst du morgen früh raus?« Ich schüttelte den Kopf.

»Hab die Woche Spätschicht.« Wir setzten uns auf die Couch und bewegten uns die nächsten vier Stunden nicht mehr vom Fleck. Außer, um zwischendurch den Rauch von Beas Zigaretten rauszulassen oder neues Bier aus dem Kühlschrank zu holen.

»Wir könnten ausgehen.« Bea machte sich noch ein Bier auf und schaute mich erwartungsvoll an. Ich hatte ihr erzählt, dass ich kommendes Wochenende nicht arbeiten müsste und sie hatte sich prompt verpflichtet gefühlt, etwas zu organisieren. Eigentlich war mir nicht nach Ausgehen. Mir war eher nach einem faulen Couch- und Fernsehmarathon, aber Bea schaute mich mit so großen Bambi-Augen an, dass ich nicht Nein sagen konnte. Vielleicht war das auch genau das Richtige. Ich hatte seit siebenundvierzig Tagen keinen Sex mehr gehabt. Ein Zustand, den ich nur zu gern ändern wollte. Es würde das Arbeiten sicher auch vereinfachen, wenn ich mir meine Kollegen nicht dauernd in Unterwäsche vorstellen würde. Es war beschlossene Sache. Am Samstag würden Bea und ich ausgehen und ich mir was Nettes zum Ficken suchen. Ein guter Plan.

»Und? Hast du einen Freund?«, fragte sie mich einige Minuten später. Ich schnorrte mir eine Zigarette und klärte Bea über meine Einstellung zu Romantik und Beziehungen auf.

»Klingt irgendwie sehr nüchtern. Aber wenn es für dich passt ...«

»Tut es«, bestätigte ich. Doch sie bohrte nach.

»Wie kommt das? Warst du noch nie verliebt? Hast du ’ne schlimme Trennung hinter dir oder so was?« Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Sie reagierte zwar verständnisvoller als die meisten, aber auch sie versuchte, hinter meiner unromantischen Ader ein großes Drama zu finden, welches mich fürs Leben gezeichnet hatte. Aber etwas Derartiges würde auch sie nicht entdecken.

Ich war schon mal verliebt gewesen. Es war also nicht so, dass ich dazu nicht fähig wäre. Ich hatte auch schon einige Beziehungen gehabt. Mal länger, mal eher von kurzer Dauer. Eine ernsthafte war allerdings noch nicht dabei gewesen. Das Längste waren vier Monate gewesen. Ich hatte schnell feststellen müssen, dass mir feste Bindungen unangenehm waren. Ich habe gern meinen Freiraum. Ich hasse es, wenn aus zwei Individuen ein Wir wird. Darüber hinaus gehe ich ungern Kompromisse ein. Ja, ich bin ein Egoist. Ganz bewusst und da stehe ich auch zu.

Gut, man könnte jetzt sagen, dass vier Monate noch nicht ausreichend waren, um sich ein Bild von einem Beziehungsmodell gemacht haben zu können. Und ja, so richtig tiefe Verbundenheit und Zugehörigkeit hatte ich noch nie bei einem Mann empfunden. Aber, und das war der springende Punkt, ich hatte auch nicht das Bedürfnis danach. Zumindest bisher nicht. Meine Autonomie war mir bisher immer wichtiger als Zweisamkeit.

Die Menschen neigen dazu, zu glauben, man sei krank oder habe ein schreckliches Trauma erlebt, weil man sich nicht danach sehnt, verheiratet zu sein. Ich habe oft genug den Satz gehört, wenn der richtige an deine Tür klopft ... Es war halt einfach noch nicht der Richtige dabei. Mag ja alles stimmen und ich schließe es auch nicht aus, dass ich irgendwann den Wunsch nach einer Partnerschaft verspüren könnte, auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte. Aber solange dieser Tag noch nicht da ist, ficke ich, wen ich will, wann ich es will und halte mich nicht mit anderen Dingen auf.

Bea lenkte überraschend schnell ein und wir widmeten uns anderen Themen. Sie wirkte auch nicht wie jemand, der einen bekehren wollte. Aber niemand, der eine Partnerschaft führte oder den Wunsch nach einer verspürte, würde jemals verstehen, wie ich lebe.

Bea erzählte mir von ihrem Freund Jonas. Sie waren schon seit sechs Jahren zusammen, führten seit einem halben Jahr eine Fernbeziehung und hatten beide wohl ordentlich daran zu knabbern. Sie hatten sogar schon Heiratspläne. Das würde aber nicht heißen, dass sie ein typisches Mädchen wäre, versicherte sie mir. Ich versicherte ihr wiederum, dass ich sie auch nicht für ein solches gehalten hatte. Aber als sie dann anfing, von ihren Hochzeitsvorstellungen zu erzählen und ich ihr Glitzern in den Augen sah, konnte ich einfach nicht anders, als laut Plüsch zu rufen. Wir mussten beide herzlich darüber lachen.

»Tja, so ein bisschen Mädchen steckt wohl doch in jedem. Irgendwo da drin ist bestimmt auch eins«, behauptete sie lächelnd und pikte mir leicht in den Bauch.

»Wenn da eins drin ist, sitzt es wahrscheinlich irgendwo in der Ecke und schmollt«, entgegnete ich nüchtern. Ich hatte sicher irgendwo mädchenhafte Wesenszüge. Ich bin ja nicht aus Stein. Aber in Bezug auf Männer bin ich nun mal kein Mädchen. Meistens jedenfalls. Es gibt immerhin jemanden, dem es durchaus des Öfteren gelingt, mich zu einem werden zu lassen. Oder so etwas Ähnliches zumindest.

***

Freitag. Fünfzig Tage keinen Sex.

Stattdessen: Spießrutenlauf auf der Arbeit. Hendrik ignorierte mich. Er hatte sich offensichtlich dazu entschieden, weiterhin kindisch zu sein und beleidigt zu schmollen. Er beschränkte sich auf das Nötigste, was wir am Arbeitsplatz an Konversation betreiben mussten, und schaffte es nicht mal, sich ein anständiges Hallo rauszuwürgen.

»Wow, als wäre die Hölle zugefroren.« Christian hatte uns beobachtet und es auf den Punkt gebracht.

»Jepp. Wir haben Eiszeit«, entgegnete ich genervt. Marlon kam durch die Schwingtür der Küche und raste an mir vorbei. »Hi«, sagte ich kurz und bekam ein eher neutrales Nicken gefolgt von einem knappen Alex als Antwort. »Ich begreife es nicht. So was Lächerliches. Das ist mir echt zu dumm. Morgen such ich mir jemanden, der meine Bedürfnisse ohne Drama befriedigen kann. Das ist ja nicht zum Aushalten hier.« Wütend griff ich nach dem vollen Tablett und brachte es in die Spülküche.

Zum Glück war jede Menge zu tun. Jeder rannte nur so über die Flure und versuchte, mit den Bestellungen hinterherzukommen. Dadurch hatte niemand die Gelegenheit und auch nicht den Kopf, um an sein Privatleben zu denken. Die Geburtstagsrunde im Roten Festsaal bestellte massenhaft bunte Cocktails. Was dazu führte, dass ich Hendrik hinter der Bar unterstützen musste. Ich hatte kaum die Bestellung abgearbeitet, als Christian schon mit dem nächsten Bon kam.

»Gott, wieso haben wir diese Scheißdinger eigentlich noch auf der Karte?«, motzte ich. Hendrik räumte die Spülmaschine aus und polierte die Weingläser. Er überhörte meinen Kommentar einfach und ließ mich weiter die Cocktails mixen. Christian schaute mich an und ich ihn. Wir dachten wohl beide dasselbe, aber keiner von uns hatte eine Lösung parat. Bevor ich mir wieder unnötig Gedanken machen konnte, kam Kai um die Ecke und schmiss mir einen weiteren Bon hin.

»Mach hin«, fauchte er mich an. Unhöflich und laut wie immer. Aber ich nahm seine ungehobelte Art schon lange nicht mehr persönlich. Er war einfach so. Ein kleiner Kotzbrocken, der hin und wieder mal rumpöbeln musste, um Dampf abzulassen. Ich fand es eher belustigend, wie sich sein kantiges Gesicht jedes Mal zusammenzog, wenn er lospolterte. Er sah ohnehin schon verkniffen und garstig aus. Wenn er dann noch schlechte Laune hatte, presste er seine schmalen Lippen immer so fest zusammen, dass sie kaum noch zu sehen waren. Warum er stets so muffelig war, kann ich gar nicht sagen. So richtig warm sind wir bis heute nicht miteinander geworden. Aber das war mir auch vollkommen egal. Er und Collin kochten sowieso ihr eigenes Süppchen.

»Leck mich, Kai«, schmiss ich ihm ungehobelt entgegen und griff nach dem Zettel. Christians Tablett war noch nicht mal halb fertig.

»Könntest du dich vielleicht beteiligen?« Ich knallte Hendrik den Bestellschein auf die Theke und machte weiter. Er griff missmutig danach und fing an, zu zapfen. Kai scharrte ungeduldig mit den Füßen und klopfte auf dem Tresen herum.

»Davon werde ich auch nicht schneller«, zischte Hendrik. »Noch zwei Zombies, Alex«, rief er mir zu, während er unter der Theke halb in einem der Schränke verschwand, um nach Rum suchte.

»Ich mach ja schon, so schnell ich kann. So, kann raus.« Ich schob das Tablett zu Christian und schnappte mir die nächsten Gläser. Marlon kam bereits mit einer weiteren Bestellung, Sören dicht auf den Fersen. So ging es fast die ganze Nacht. Ich spürte, wie sich mein Arm von dem ganzen Limettenpressen verkrampfte. Morgen würde ich sicher Muskelkater haben.

»Verfluchte Scheiße, wer hat das Zeug hier hingeschmissen? Verdammt noch mal. Meine Küche ist kein Abstellraum«, schrie Frank aus selbiger heraus. Mit einem lauten Knall schmiss er ein Tablett samt Kuchengeschirr vor die Tür.

»Sag mal, bist du noch ganz dicht?«, brüllte Marlon in die Küche. Frank und er lagen sich nahezu jeden Tag in den Haaren. Aber so wütend hatte ich die beiden lang nicht gesehen.

»Leck mich. Packt euren Mist gefälligst dorthin, wo er hingehört«, entgegnete Frank. »Das ist meine Küche.«

»Und ich bin dein Boss, ob es dir passt oder nicht. Was fällt dir eigentlich ein? Scheiße, Frank.« Marlon verschwand in der Küche. Ich konnte nicht mehr alles verstehen, aber das musste ich auch nicht. Frank und Marlon waren sich noch nie grün gewesen. Frank hatte ein Problem damit, einem jüngeren und in seinen Augen unerfahrenen Mann unterstellt zu sein. Und das ließ er ihn auch bei jeder Gelegenheit spüren. Marlon war davon jedoch unbeeindruckt. Und dass er sich nicht von ihm einschüchtern ließ, sondern ihm ordentlich Kontra bot, ärgerte Frank umso mehr. Dennoch hielten es wohl beide für nötig, in regelmäßigen Abständen ihr Revier zu markieren.

Marlon stürmte aus der Küche und fluchte vor sich hin. Ich arbeitete die letzte Bestellung ab und machte mich daran, den Scherbenhaufen zu beseitigen. Bis auf die fliegenden Teller war es ein ganz normaler Freitagabend. Gott sei Dank war er das. Kaum vorzustellen, wie der Abend verlaufen wäre, wenn wir nichts zu tun gehabt hätten. Womöglich hätten wir uns die ganze Zeit peinlich berührt angeschwiegen. Oder Schlimmeres.

Da ich Spätschicht hatte, übernahm ich mit Christian und Kai den Schlussdienst. Die Küche war längst geschlossen und der DJ begann gerade mit der Rausschmeißer-Musik. Hendrik, Marlon und Sören hatten seit zwei Stunden Feierabend. Kai war bereits dabei, das Büfett aufzubauen und alles fürs Frühstück vorzubereiten, als eine ziemlich betrunkene, ältere Dame an die Bar getorkelt kam und versuchte, sich an Christian heranzuschmeißen. Sehr amüsant.

»Na, Großer?«, lallte sie und forderte einen Drink. Christian setzte sich zu ihr und legte ihr fürsorglich die Hand auf die Schulter.

»Ich denke, ich rufe Ihnen besser ein Taxi. Meinen Sie nicht auch?« Er sprach ruhig und sehr liebenswürdig mit ihr.

 

»Du kannst mich auch gleich auf mein Zimmer begleiten«, säuselte sie und klimperte mit den Wimpern, bevor sie vornüber in seine Arme fiel und sich erschrocken an seinem Oberkörper festkrallte. »Ups. Hoppla. Was war’n das?«

Christian half ihr wieder auf den Barhocker und machte ihr einen Kaffee. Er rief an der Rezeption an und erkundigte sich nach dem Zimmer der Dame, die wieder bedrohlich ins Schwanken geriet. Doch diesmal sackte sie nur in sich zusammen und legte den Kopf auf dem Tresen ab. Einige Minuten später kam Carmen vom Nachtdienst rüber. Christian deutete auf die Bar. Sie ging zu ihr und schaute sich die Frau an. Sie erkannte sie offenbar.

»Frau Vogel? Hören Sie mich? Kommen Sie, ich begleite Sie auf Ihr Zimmer.« Sie versuchte, die Dame zum Gehen zu bewegen. Vergebens. Offenbar war sie bereits eingeschlafen. Carmen arbeitete hier auch schon seit einigen Jahren in der Nachtschicht. Ich hatte mich noch nie lang genug mit ihr unterhalten, um sie besonders gut zu kennen. Aber sie war auch ein viel zu stiller Mensch für mich. Carmen war grundsätzlich die Ruhe selbst. Als würde sie permanent meditieren.

»Hilf mir mal«, sagte sie in gewohnt gelassener Art. Christian und Carmen stellten die Frau weitestgehend auf die Beine und brachten sie ins Hotel. Ich schüttelte den Kopf. Es war nicht selten, dass sich Gäste so sehr betranken, dass sie ihr Zimmer nicht mehr wiederfanden. Erst vor ein paar Wochen war eine junge Frau auf der Tanzfläche einfach in sich zusammengesackt. Sie hatte wohl das erste Mal seit Jahren einen kinderfreien Abend gehabt und das auskosten wollen. Etwas zu sehr wie sich herausgestellt hatte. Ihr war nichts passiert, aber wenn man so viel trank, dass man nicht mehr wusste, wer oder wo man war, dann sollte man sich schon Gedanken machen.

Ich für meinen Teil weiß, wie viel ich vertrage, und vermeide es weitestgehend, mich in der Öffentlichkeit derartig zu betrinken. Ich kenne mein Limit. Außerdem finde ich nichts peinlicher und unangenehmer als betrunkene Menschen. Und ich nehme mich da nicht aus. Wenn ich angetrunken bin, werde ich rattig. Das ist nicht weiter schlimm. Es ist eher heiß. Ich bin dann deutlich fordernder als ohnehin schon. Fast gierig könnte man sagen. Und das gefällt mir. Wobei ich mich in diesem Zustand durchaus noch artikulieren kann.

Bin ich wirklich dicht, sieht das ganz anders aus. Ich werde streitlustig. Und das ist dann richtig peinlich. Denn im betrunkenen Zustand ist mir Höflichkeit und eine gepflegte Ausdrucksweise vollkommen egal. Ich hau dann durchaus mal unter die Gürtellinie, aber so richtig. Ich fluche, schimpfe und in extremen Fällen schlage ich auch um mich. Nicht, um jemanden zu treffen oder gar zu verletzten. Ich weiß dann einfach nicht mehr, wohin mit meiner Energie. Um dann mitten im Geschehen plötzlich müde zu werden und genau da einzuschlafen, wo ich mich gerade befinde. Ob nun auf der Straße, im Gebüsch oder auf einer Toilette.

Bisher hatte ich Glück gehabt und mir war nie etwas passiert. Ich hatte immer irgendwen dabei gehabt, der dafür gesorgt hatte, dass ich heil nach Hause gekommen war. Aber schön war so was nicht. Und witzig war es vielleicht als Teenager. Mit neunundzwanzig nicht mehr.

Daher trank ich grundsätzlich nicht mehr, als ich vertrug. Und um herauszufinden, ob ich schon am Limit war, brauchte ich mir nur an die Ohren zu fassen. Wenn sie anfingen zu glühen, war es Zeit, aufzuhören. Maximal ein Drink war dann noch drin. Das hatte ich mal durch Zufall entdeckt, als mich jemand beim Vorspiel auf meine heißen Ohren aufmerksam gemacht hatte. Er war einer von denen gewesen, die gerne an den Ohrläppchen knabberten. Ich steh da ja nicht so drauf. Ich finde, es kitzelt nur unangenehm, erregend ist anders. Noch schlimmer finde ich es, wenn sie einem mit der Zunge reingehen. Das kann ich überhaupt nicht leiden. Wenn das einer bei mir macht, ist meine Lust dahin. Aber zumindest die Erkenntnis über mein glühendes Frühwarnsignal hatte mir die Ohrknabberei beschert. Von daher ...

***

»Weißt du schon, was du anziehst?« Bea stand in meiner Küche an den Kühlschrank gelehnt da und biss genüsslich in ihr Brötchen.

»Ich bin noch gar nicht richtig wach, um ehrlich zu sein.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr und schob die Stirn in Falten.

»Es ist fast drei Uhr nachmittags.«

»Ich hatte Spätschicht. Ich war erst um halb sechs zu Hause.« Sie stopfte sich ihr Brötchen in den Mund und schüttete einen Schluck Kaffee hinterher.

»Sorry, hab vergessen, dass du Schichtdienst hast.«

»Schon gut. Wohin gehen wir überhaupt?«, fragte ich, während ich ein Gähnen zu unterdrücken versuchte. Sie erzählte mir von einem kleinen Rockschuppen, in dem sie wohl seit Jahren ein- und ausging. Gegen Rock hatte ich nichts einzuwenden. Ich war zwar kein Metaller oder ein heimlicher Punk, aber die Stilrichtung mochte ich. Ich konnte mich grundsätzlich noch nie mit den Philosophien und Lebensstilen identifizieren, die hinter vielen Musikrichtungen standen. Ich hatte weder die Mode mitgemacht noch mein Leben nach den Botschaften der Songs oder der Lebensweisheiten der Künstler ausgerichtet. Musik ist für mich nur Musik und kein Lebensgefühl.

Sicher gab es viele Erinnerungen, die ich mit bestimmten Bands oder Songs verband. Das tat sicher fast jeder. Coldplay zum Beispiel konnte ich mir nicht anhören, ohne an meinen ersten Freund zu denken. Er hatte die Band gemocht. Mehr noch, er hatte sie geliebt. Neben seinem Fußballverein Schalke04 hatte Coldplay ganz oben gestanden. Ich fand sie auch recht ansprechend. Aber besonders war sie für mich nur, weil er sie so sehr geliebt hatte. Wenn ich einen der Titel hörte, egal welchen, dachte ich automatisch an unseren ersten Kuss oder an sein hellblaues Hemd, das er mir dagelassen hatte. Besprüht mit seinem Parfüm. Ich glaube, das habe ich sogar noch. Irgendwo.

»Alex?«

»Hä, was?« Ich hatte Bea gar nicht mehr zugehört.

»Ich sagte, es ist kein feiner Laden. Jeans und Shirt reichen völlig aus.« Ich nickte. Kam mir ganz gelegen. Hatte ohnehin keine sonderlich große Lust, mich aufzuhübschen. Ich würde mir nur jemanden zum Ficken suchen, meine Bedürfnisse befriedigen und dann wieder nach Hause fahren. Guter Plan.

»Wollen wir uns zusammen fertig machen?«, fragte sie und stellte die Butter zurück in den Kühlschrank. Ich bekam fast den Eindruck, sie hatte gar nicht vor, ihre Kartons auszupacken. Sie war eher dabei, bei mir einzuziehen, so schien es. Sie kannte sich bereits bestens in meiner Küche aus und bediente sich wie selbstverständlich, wenn sie hier war. Was mich nicht sonderlich störte, nur verwunderte.

»Meinetwegen. Komm gegen acht rüber. Ich will erst in Ruhe duschen und wach werden.«

»Geht klar.« Sie drückte mir im Gehen ein Küsschen auf die Wange und hüpfte fröhlich zur Tür. »Freue mich«, rief sie noch.

»Ich mich auch«, entgegnete ich leicht irritiert. Was haben die Leute nur mit ihrem Körperkontakt? Ich kannte Bea gerade mal zwei Wochen und schon bekam ich Küsschen. Menschen sind komisch.

***

Gegen halb neun verließen wir das Haus und stiegen in die S-Bahn. Ich hatte mir die Haare gemacht, ein dezentes Make-up aufgelegt und mich, wie Bea empfohlen hatte, auf Shirt und Jeans beschränkt. Dazu trug ich meine heiß geliebten schwarzen Stiefel und eine Lederjacke. Kein echtes Leder, aber wen interessierte das schon?

Wir fuhren nicht lange und gingen dann noch etwa zehn Minuten zu Fuß. Es war dunkel, als wir in eine kleine Seitenstraße einbogen, in die ich im Leben nicht allein hineingegangen wäre. Es war düster, roch unangenehm und alles in allem war sie wenig einladend. Die Pflastersteine erschwerten mir das Gehen mit meinen Absätzen und ich torkelte etwas unbeholfen hinter Bea her. Sie trug Turnschuhe und amüsierte sich königlich über meinen Storchengang.

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