Buch lesen: «Alfred Lichtwark: Eine Sommerfahrt auf der Yacht "HAMBURG"»

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Alfred Lichtwark

Alfred Lichtwark: Eine Sommerfahrt auf der Yacht „HAMBURG“

Band 146 in der maritimen gelben Buchreihe

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Alfred Lichtwark

Beginn Sommerfahrt auf der Yacht „HAMBURG“ in Altona

Das Schiff

Kiel

Kieler Museen

Kapitän und Mannschaft

Kopenhagen

Der Stadtplan von Kopenhagen

Meister Carolus Hamburg 1255

König, Bürger, Adel

Kopenhagener Kunst

Künstlerische Kultur im Bürgertum

Städtische Museen

Hirschsprung und Jacobsen

Spaziergänge

Kopenhagener Sammlungen

Lyngby-Skosborg

Bornholm

Rügen

Travemünde und die Bäder der Lübecker Bucht

Leben an Bord

Die maritime gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.


Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere, inzwischen über 140 Bände. Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski


Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

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Der Autor Alfred Lichtwark

Der Autor Alfred Lichtwark


Alfred Lichtwark wurde am 14. November 1852 in Hamburg geboren und starb am 13. Januar 1914 ebendort.

Er war Kunsthistoriker, Museumsleiter und Kunstpädagoge. Er war der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, ein Amt, das er von 1886 bis zu seinem Tode innehatte. Der heutige Bestand der Kunsthalle beruht noch wesentlich auf den von Lichtwark geschaffenen Grundlagen.

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Alfred Lichtwark zu diesem Buch:


Der Einladung eines Freundes folgend habe ich im Sommer 1904 auf der „HAMBURG“ eine Kreuzfahrt durch die Ostsee gemacht. Es war eine ganz neue Erfahrung für mich, zu reisen ohne anderen Zweck als den Genuss, nirgends einen Zwang zu fühlen, nicht sehen und studieren, nirgends erschöpfen zu müssen, neue Eindrücke aufzunehmen, wie sie von selber kamen, alte aufzufrischen, ohne ein Gefühl der Verpflichtung.

Vom ersten Tage an habe ich dabei die Erfahrung gemacht, dass ich durch diese lose Berührung mit den Dingen die Massen und Gesamtformen frischer und unbefangener empfand als wenn mir, wie sonst wohl, der unvermittelte Beginn des Einzelstudiums die Übersicht abgeschnitten hätte. Ich habe mir deshalb vom ersten Tage an die Gesamteindrücke skizziert. Es ist keine Reisebeschreibung daraus geworden, sondern eine Reihe von Silhouetten, die das Wesentliche zusammenfassen. Als Museumsmann habe ich überall ein Augenmerk auf die Museen und Sammlungen gerichtet und was zur Wirksamkeit der Museen in engerer oder fernerer Beziehung steht. Als Hamburger habe ich alles, was sich auf Hamburg beziehen ließ, vom Standpunkt unserer Zustände angesehen. Für den Hamburger ist deshalb auch diese Veröffentlichung gedacht. Wie die Reise hat auch dieses Buch keinen Plan und keine Absicht. Es ist von selber entstanden.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Eine-Sommerfahrt-auf-der-Yacht-Hamburg

Näheres über Alfred Lichtwark auch im Band 145 dieser gelben Buchreihe aus der Feder von Max Liebermann.

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Eine Sommerfahrt auf der Yacht „HAMBURG“

http://www.lexikus.de/bibliothek/Eine-Sommerfahrt-auf-der-Yacht-Hamburg

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Beginn Sommerfahrt auf der Yacht „HAMBURG“ in Altona

Beginn Sommerfahrt auf der Yacht „HAMBURG“ in Altona

http://www.lexikus.de/bibliothek/Eine-Sommerfahrt-auf-der-Yacht-Hamburg/Altona


Vom Bahnhof in Altona sollte es mit dem Frühzug nach Kiel gehen, wo die „HAMBURG“ bereit lag. Als ich am frühen Morgen von der Uhlenhorst über Eimsbüttel nach Altona fuhr, kam es mir vor, als sähe ich eine unbekannte Stadt.

(Altona gehört erst seit 1937 zu Hamburg, vorher gehörte es zum preußischen Schleswig-Holstein, früher zu Dänemark)


Rot = Alt-Hamburg – violett = Altona

Straßen, die ich seit Jahren nicht betreten, hatten ein verändertes Gesicht, ich musste mich besinnen, wo ich wäre. Nie hatte ich so lebhaft empfunden, dass in unseren Tagen Altona eine ganz neue Stadt geworden ist. Wir Hamburger pflegen uns wenig um die Nachbarin zu kümmern. Häufig genug kreuzen wir freilich die Straßen und Plätze, die zwischen uns und den Gärten an der Elbe liegen. Aber es kommt kaum vor, dass wir Altonas wegen nach Altona fahren. Es würde sich lohnen, denn die stille Stadt hat im letzten Jahrzehnt eine der größten Umwälzungen durchgemacht, die im Leben einer Stadt vorkommen können: sie hat ihren Mittelpunkt verschoben.

Früher konnte man aus dem Stadtplan von Altona ohne Mühe seine Geschichte ablesen. Zwei uralte Landstraßen, das ließ sich auf einen Blick erkennen, hatten lange bestanden, ehe die Stadt war. Eine wenig entwickelte, die süd-nördlich vom Elbstrand ins Land führte, eine stark benutzte von Osten nach Westen verlaufend, die Fortsetzung der Hauptstraße Hamburgs (Steinstraße, Burstah, Steinweg), die sicher als alte Handelsstraße sehr viel älter war als sogar Hamburg. Wo sich in Altona die beiden Straßenzüge kreuzen, wurde der Markt mit dem Rathaus angelegt. Dass er auf gegebener Grundlage ruht und nicht, wie bei den Stadtgründungen des 12. und 13. Jahrhunderts nach Willkür abgesteckt wurde, beweist seine Gestalt. Sie ist nicht regelmäßig rechteckig wie in Lübeck, Wismar, Dresden und Breslau (um nur einige charakteristische Beispiele zu nennen), sondern dreieckig. An dem einen Schenkel bewegt sich der kleine Verkehr, am anderen (der Königstraße) der große, die stille Seite füllt, wie sich’s gehört, das Rathaus, ein sehr reizvolles Gebäude, das mit starkem Gefühl für das Angemessene dem Platz angepasst da liegt. Es gibt in dem ganzen Städtekomplex Hamburg-Altona vielleicht nur ein Gebäude, das sich so glücklich seiner Hauptzufahrt vorlegt, das ist die Petrikirche als Abschluss der Bergstraße, wie man sie vom Jungfernstieg sieht. Dies war der alte Stadtkern. Ihm hatte sich, seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts neubebaut der Mittelpunkt des vornehmen Lebens, die Palmaille zugesellt, ohne irgendwie auf ihn bezogen zu sein. Sie war, wie der Name sagt, ein Sportplatz, angelegt für eine Art Schlagball.

Wer heute den Stadtplan von Altona studiert, findet ihn gründlich verändert, obwohl das Alte stehen geblieben ist. Das heutige Rathaus liegt an einem riesenhaften Schmuckplatz außerhalb der alten Stadt und gegenüber dem Bahnhof — wenn auch in erheblicher Entfernung. Da nun Ottensen eingemeindet worden, liegt das neue Rathaus, das aus Sempers altem Bahnhofsgebäude umgebaut ist, doch wieder im Mittelpunkt der neuen Stadt. Staat und Stadt und opfermütige Bürger haben einander in die Hände gearbeitet, um dieses mächtige neue Stadtbild zu schaffen, wo die Verlegung des Bahnhofs den Raum gewährte, den andere Städte günstigsten Falles durch Niederlegung der Festungswälle gewinnen. Der Begriff Altona hat einen neuen Inhalt bekommen. Nach der Eingemeindung der schönen Ortschaften am hohen Elbufer ist eine der herrlichsten Städte Deutschlands entstanden. Tatsächlich ist freilich nichts verändert, nur dass der große Komplex ohne inneren Zusammenhang ein Bewusstsein erhalten hat. Es glimmt freilich erst eben, es hat den Körper noch nicht bis in jede Fiber durchströmt, dazu braucht es ein Menschenalter. Aber es äußert sich schon in neuen Taten, deren Altona früher nicht fähig gewesen wäre. Schmuckplätze werden angelegt, Parks an der Elbe gehen in den Besitz der Stadt über und werden öffentliche Anlagen, aus Stiftungen werden Monumentalbrunnen errichtet, und am neuen Zentrum der Stadt erhebt sich zwischen Bahnhof und Rathaus als ein Ausdruck des neuen Lebensgefühls und Selbstbewusstseins das Museum der Stadt. Seine Bedeutung kann im Augenblick kaum überschätzt werden. Es würde schwer sein, eine Stadt zu nennen, für die ihr Museum so sehr Notwendigkeit ist.

Mit seinen hundertfünfzig tausend Einwohnern entbehrt Altona jedes aktiven geistigen Zentrums. Es hat Militär- und Verwaltungsbehörden aller Art, aber es hat nicht, wie Kiel, die Universität und die Marineakademie. Die Nachbarschaft Hamburgs — das selber nicht überreich gesegnet ist — hat bisher dazu beigetragen, selbständige Regungen am Aufkommen oder an der Entwicklung zu hindern. Vor der Umwälzung, die durch die Verlegung des Bahnhofs ermöglicht wurde, hatte es ein kleines Museum, das außerhalb der Stadt so gut wie unbekannt war und auch von der Einwohnerschaft wenig besucht wurde. Als es hieß, die Stadt baue einen großen Museumspalast, durfte man sich fragen, was kann sie hineinstellen? Wir haben doch überall in Deutschland Museumspaläste genug, deren Inhalt sich zur Behausung wie die Maus zum Berge verhält. Ausgefallene Schätze an seltenen Naturalien, an kunstgewerblichen Altertümern und Gemälden besitzt das Museum auch heute nicht, und doch ist es eins der anziehendsten und reichsten modernen Museen geworden. Seine Kraft liegt in der Beschränkung, es hat nicht gewollt, was unerreichbar war, und hat sich dafür ein besonderes Ziel gesetzt und erreicht. Es ist als Lehranstalt ausgebildet, und sein Stoff ist die Heimat. Wer die Räume betritt, lernt durch die Anschauung die Tierwelt der Heimat in bunten und anziehenden Lebensbildern und in großen Zügen die kulturelle Entwicklung des Menschenlebens der Scholle kennen, und als Sondergebiet ist dabei ein höchst lehrreiches Fischereimuseum entwickelt. Aus der Armut konnte auf diesem Wege ein Reichtum werden, der nicht nur Altona zugutekommt, sondern auch für Hamburg nicht gleichgültig ist. Tausende strömen im Lauf des Jahres auch von uns aus hin und finden in dem Heimatmuseum Altonas eine willkommene Ergänzung unserer Sammlungen, die sich naturgemäß nicht dieselben Ziele aufstellen konnten. Wie der Platz vor dem Rathaus für Altona das räumliche Zentrum bedeutet, so ist jetzt das Museum sein geistiges. Unendliche Anregungen gehen allein von dem Schaumuseum aus, Vorträge aller Art und die Organisation des künstlerischen Lebens sind weitere Aufgaben, die die Museumsleitung sich gestellt hat. Es lässt sich voraus sehen, dass dieses Museum in Altona ein neues Geschlecht heranbilden wird, das sein Lebensverständnis und seine Lebensfreude dem Museum dankt, das bereit sein wird, die Anstalt nach Kräften zu fördern und auszubauen. Die nächste Generation, deren Augen vom Museum erzogen sind, wird auch in Altona Kunstwerke im Besitz der Stadt genieße wollen und wird die Mittel für ihre Erwerbung aufbringen. Wir werden von Hamburg aus mit freundnachbarlicher Teilnahme verfolgen, was in Altona geschieht, um der Barbarei der heutigen Menschheit, die nur noch gut leben will, zu steuern. Alles Gute, was dort geschieht, kommt mittelbar oder unmittelbar auch uns zugute, sei es auch nur als Beispiel und Anregung. Wie es gekommen ist, dass Altona so große Schritte vorwärts getan hat, wissen wir in Hamburg recht gut. Einige wenige Männer waren es, wir kennen ihre Namen, die das Geschick der Stadt mit tiefer Einsicht und kräftiger Hand in neue Bahnen gelenkt haben.

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Das Schiff

Das Schiff http://www.lexikus.de/bibliothek/Eine-Sommerfahrt-auf-der-Yacht-Hamburg/Die-Yacht?ref=vor


An der Landungstreppe vorm Kieler Bahnhof erwarteten uns ein Boot und eine Dampfbarkasse, das Boot für Gepäck, die Barkasse für uns. Die Barkasse schoss wie ein lebendiges Wesen über die Fläche und warf breite Massen Schaum auf die Seiten. Auf ein kurzes Gewitter, das die Wellen ausgelöscht hatte, war eine unbegreifliche Windstille gefolgt. Wie auf dem ruhigen Spiegel der Alster sahen wir die „HAMBURG“ in der Ferne vor der Seebadeanstalt liegen, zierlich, fast niedlich. Sollte sie wirklich Platz für mehr als dreißig Menschen enthalten?

Auf der Fahrt wurde die Barkasse besehen. Wir saßen hinten auf bequemen Bänken, die rund um den ausgesparten Raum liefen. Zehn Menschen hatten behaglich Unterkunft. Gegen Sturm, Kielwasser und Regen war durch eine Art Kutschendach gesorgt, das sich leicht hochschlagen ließ. Vor uns hatte der Maschinist seinen Raum, ganz vorn saß der Steuermann, dass er die Bahn ungehindert überblicken konnte. Auch als wir näher kamen, erschien die „HAMBURG“ nicht viel größer als aus der Ferne. Den ersten Begriff von der wirklichen Größe bekamen wir, als uns die Barkasse an Bord folgte. Es ging so rasch, dass man den Eindruck hatte, sie käme uns von selber nachgeklettert. Ehe wir es uns versahen, stand sie wie ein Spielzeug auf dem Verdeck. Das Ruderboot folgte ebenso geschwind. Sie fanden Gesellschaft. Ein Kutter zum Segeln und ein größeres Boot hingen in den Davits. Bei der Flaute blieb das Schiff an der Boje, und wir benutzten die Zeit, uns zurecht zu finden und einzurichten. Meine Kabine gefiel mir gleich. Es war mehr ein Zimmer. Die Schlafzimmer in Pariser Privatwohnungen größeren Stils sind nicht geräumiger. Dass keine Stühle oder andere Möbel, die bei Sturm zu tanzen anfangen konnten, umherstanden, verstärkte die einheitliche Wirkung und gab Ruhe. Decken und Wände waren weiß lackiert. In den Wandfüllungen helle, freundliche französische Kattune. Der Teppich rot. Links vom Eingang stand das Bett, in eine Nische eingebaut. Der Raum darunter war als Kommode mit sechs Schiebfächern ausgebildet. Dem Bett gegenüber, eine Nische mit bequemem Diwan. An der Wand dazwischen der Waschtisch, weiß lackiert, wie die Wände, und mit einem Aufsatz von rotem Marmor. An der vierten Wand ein sehr umsichtig eingerichteter Kleiderschrank. Als ich mich eingerichtet und die Koffer auf dem Boden des Schranks verstaut hatte, fühlte ich mich schon zu Haus.

Auf dem Deck wurde für die Abfahrt gerüstet. Ich ging nach dem Heck, um einen Überblick zu haben. Bis zum Steven, wo in ihren weißen Anzügen und roten Mützen die Mannschaft beschäftigt war, dehnte sich eine weite Perspektive. Es war ein Schauspiel, den Bewegungen und Gruppierungen der Leute zu folgen, wie sie unhörbare Befehle ausführten und wie das Weiß ihrer Kleidung, je nachdem sie in Sonne oder in Schatten kamen, warm oder kühl stand. Unwillkürlich stieg der Blick an den Masten und Segeln empor zu den Wimpeln, die in der Windstille flapp hingen. Dass die Länge des Decks und die Höhe der Masten ungefähr gleich waren, ließ sich kaum schätzen. Der Mast erschien bedeutend kürzer als er war. Ein Auge, das nicht gewöhnt war, Verhältnisse auf See zu schätzen, hätte sicher nicht gewagt, anzugeben, dass die Höhe bis zum Wimpel am Hauptmast einige zwanzig Meter mehr betrüge, als die des Berliner Schlosses.

Mit Spannung wurde dann eine Orientierungsreise ins Innere angetreten, das auf dem Weg zur Kabine nur flüchtig durcheilt war. Schon beim Treppenhaus überraschte die sinnige und auf lange Erfahrung deutende Umsicht der Ausbildung. Der Eingang ist durch eine feste Hütte aus schwerem, gegen den stärksten Wellenschlag unempfindlichem Teakholz überdacht und als eine Art Veranda oder Beischlag ausgebildet. Zu beiden Seiten ziehen sich unter der Bedachung, die sich zurückschieben lässt, so dass man bei starkem Wind durch die Wände geschützt ist und doch offenen Himmel über sich hat, bequeme, mit Lederpolstern ausgestattete Bänke hin, die der ganzen Schiffsgesellschaft bei schlechtem Wetter Unterkunft gewähren. Die linke Bank ist erheblich breiter. Es braucht einem nicht erst gesagt zu werden, dass sie sehr bequem zum Liegen ist. Damit die Füße nicht den fallenden Grund der Treppe als Stützpunkt haben, ist nach den ersten drei Stufen der Länge der Bänke nach eine Rast in den Lauf der Treppe eingefügt. Wo die Treppe anfängt setzen sich die Bänke in Gestalt von Börtern fort, die sehr brauchbar sind. So steht auf der Schmalseite ein in Fächer geteilter Bort mit den Signalflaggen, und für Karten, Bücher, Deckstühle, Ferngläser, Kissen bleibt Platz genug. Unten mündet die Treppe in einen Vorraum. Geradeaus geht es durch eine Flügeltür in die Gesellschaftsräume, die mittschiffs um den großen Mast liegen. Dass der Mast den Schnittpunkt für die Raumteilung hergegeben hat, sieht man nicht auf den ersten Blick, denn er ist ganz eingebaut in die Vertäfelung des Salons, der quer durch die ganze Breite des Schiffes geht. Zwischen Mast und der Außenwand öffnet sich auf der einen Seite eine tiefe Nische mit einem Kamin zwischen zwei Diwans, auf der anderen Seite führt die Tür in den Speisesaal.

Der Salon ist ungemein behaglich. Man empfindet beim Eintreten, dass er nicht, wie unsere Einrichtungen so oft, eine Übung am Phantom, sondern bis in alle Einzelheiten der Ausdruck ganz bestimmter Bedürfnisse ist. Er soll bei rauem Wetter und abends nach Tisch die Gesellschaft behaglich vereinigen. Dazu gehört, dass ein Platz da ist, an dem sich alle — nach der Zahl der Kabinen sieben oder acht — oder die Mehrzahl zu einer gemütlichen Plauderei niederlassen können, und dass daneben einzelne, die allein sein wollen, um zu lesen oder zu schreiben, oder die zu zweien oder dreien eine Unterhaltung führen wollen, vorbereitete Plätze finden.

Alle diese Anforderungen hat der Erbauer umsichtig erfüllt. Die Diwans in der Kaminecke sind gerade so weit voneinander entfernt, dass die Füße der Plaudernden, die von den Kissen und Polstern der niedrigen Diwans mollig aufgenommen werden, nicht miteinander in Konflikt kommen, und dass kleine Tische für Gläser oder Aschbecher noch reichlich Platz haben. Wer schreiben will, findet einen halb in die Wand gebauten Schreibtisch, der mit allem Material ausgestattet ist, oder er kann sich an einen der beiden größeren Tische setzen, die sich an die Wand halten, damit sie keinen Durchgang sperren. Wer allein seine Zeitung lesen will, kann sich in einem der tiefen, überaus bequemen Lehnstühle niederlassen, die in gutem Licht an den Tischen allein stehen. Vorübergehende stören ihn nicht, und er sperrt keinen Durchgang. Sie sehen aus wie andere Lehnstühle, lassen sich jedoch nicht vom Platz bewegen, sondern nur drehen. Ein Ruck, und man hat Anschluss an einen Nachbar jenseits des Tisches. Links vom Eingang an der Außenwand steht noch ein breiter Diwan. Hier kann sich ausstrecken, wer ruhen will, und mit dem benachbarten Lehnstuhl zusammen bildet der Diwan Gelass für eine engere Gruppe. Einige leichte Stühle, die rasch hin und herzuschieben sind und nirgends im Wege stehen, dienen dem Bedürfnis raschen Anschlusses. Dass die großen Lehnstühle befestigt sind, fordert die Bewegung des Schiffes. Aber es ist eine Vorrichtung, die innerhalb gewisser Grenzen auch für die Einrichtung des Wohnhauses vorbildlich ist. Die Möbel müssten auch im Zimmer so aufgestellt werden, dass bei der Benutzung niemand das Bedürfnis hat, einen Stuhl zu rücken. Damit ist nun der Inhalt des Salons noch nicht erschöpft, zwei niedrige Tische, Lehnstuhltische, bilden Anlehnungspunkte für die Stühle. Zwei Schränke mit Glastüren im oberen Aufsatz stehen für Bücher bereit, deren Anwesenheit einen solchen Raum erst wohnlich macht. Die Schränke mit den Glastüren schmiegen sich in die Ecken, wo, wenn das Schiff schwankt, niemand etwas zu suchen hat. Für die Beleuchtung sorgen Wandarme und Lampen, die mit der bekannten Hängevorrichtung den Schiffsbewegungen sich anpassen.

Man fühlt überall: Der das eingerichtet hat, ist von der Frage nach dem Bedürfnis erzogener Menschen ausgegangen, die einander zu geben bereit sind, was sie Bestes in sich haben, die aber an den einzelnen und an die Gesellschaft keine lästigen Ansprüche stellen. Jeder ist frei und allein, wann er will. Aber er wird es nicht wollen, wenn die anderen seiner bedürfen. Auf Menschen von Geschmack weist auch die farbige Ausstattung des Raumes. Wände und Decke sind weiß lackiert. Die Wandfüllungen sind mit gestreifter grüner Seide bespannt, ein sattgrüner einfarbiger Teppich deckt den Boden. Der Bezug der Lehnstühle, Diwans und Kissen gleicht dem der Wandfüllungen. Der Schreibtisch, die größeren Tische und die Glasschränke bringen als Abwechslung den freundlichen Ton des Mahagoni hinein. Ihre Formen sind englisch (Chippendale), die der architektonischen Ausgestaltung des Raumes französisch (Louis XVI). Nirgends eine Spur von Pomp oder Prunk. Nirgends ein Ornament oder ein Ausstattungsstück mit symbolischem oder beziehungsreichem Schmuck. Es soll nirgends und für nichts Stimmung gemacht werden, eine Neigung die wir bei einer solchen Aufgabe wohl kaum zu unterdrücken vermöchten. Was würden wir wohl in den Wandfüllungen aufgeboten haben, was in dem Feld über dem Kamin? Aber gerade, weil nichts gewollt ist, kommt alles von selber. Von welchem Platz aus man den Raum überschaut, stets fühlt man den Organismus der Anordnung, und überall gibt es deshalb ausdrucksvolle Perspektiven. Auch im Speisezimmer spricht sich derselbe Geist aus. Nach dem üblichen Schema müsste es die Türen in der Mitte der Wand haben, und der Speisetisch würde in der Mitte des Raumes stehen. Hier sind die Türen an die Seite, und der Tisch ist aus dem Wege gerückt. Von Tür zu Tür bleibt an der Kaminwand der Durchgang frei, und den Tafelnden erscheint der Raum malerischer und größer. Der Tisch bietet bequem für acht bis zehn Gedecke Platz. An der Außenseite, dem Kamin gegenüber, steht ein Diwan für drei Personen, die übrigen fünf haben Stühle, bequeme, leichte Lehnstühle. Zu dem satten Eichenholz der Wandtäfelung, die bis zur Decke reicht, steht das grüne Saffianleder der Stuhl- und Diwanbezüge sehr gut. Dass die Tischplatte in Gewichten geht, bewährt sich ausgezeichnet. Es bedarf keiner Vorrichtungen, das Geschirr und die Flaschen festzuhalten. Selbst bei schwerem Wetter bleibt der Tisch immer im Lot. Wir haben gespeist, wenn an der Leeseite das Wasser über das Bollwerk schäumte. Dann hatten die auf der Luvseite den Tischrand unter den Knien, die an der Leeseite unter der Nase. Wer das von außen sah, dem drehte sich die Welt um. Bis zum letzten Tage haben wir nicht von dem Eindruck loskommen können, dass die Flaschen schräge standen und nicht die Wände. Das kam von dem allein wirkenden Oberlicht, denn die Ochsenaugen der Seitenwand waren unter Wasser. Große Fenster an den Seitenwänden — wären sie möglich — würden durch den Ausblick auf die Außenwelt den Eindruck berichtigt haben. Vom Speisezimmer — mit dem Spiegel über dem Kamin — geht es in die Küche und in den Teil des Schiffes, der den Matrosen zur Behausung dient. Nach der anderen Seite liegen an einem langen mit Mahagoni getäfelten Korridor die Kabinen, die besser Schlafzimmer hießen und mit allem Luxus ausgestattet sind. Einige haben das Bad im Fußboden, wo es bei Tage verdeckt liegt, andere im Nebenraum. Aber bei aller Freundlichkeit doch nirgend ein auffallender Luxus.

Die Yacht, die dem Hamburger Verein „Seefahrt“ gehört, ist 1898 in Glasgow für eine englische Familie erbaut. Die Kosten konnte ich nicht mit Sicherheit erfahren. Es hieß, sie hätten etwa 800.000 Mark betragen. Die Pläne stammen von dem Konstrukteur Charles Lindsay. Erbaut wurde das Schiff auf der Werft von D. und W. Henderson & Co. in Partick (nach den Vorschriften für höchste Klasse 20 Jahre A I mit Stern des englischen Lloyd). Es ist für atlantische Fahrt berechnet. Bei der Übernahme durch den Verein Seefahrt wurde die Klasse bei einer erneuten Prüfung durch die Agenten des Lloyd bestätigt. Ihren ersten Namen „RAINBOW“ vertauschte sie mit dem Namen „HAMBURG“. Eine genaue Beschreibung mit den nötigen Abbildungen und Plänen findet sich im Jahresbericht für 1903 des Norddeutschen Regatta-Vereins.

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