Buch lesen: «Ein Maskenball»
Ein Maskenball
Alexandre Dumas
Inhaltsverzeichnis
Über den Autoren
Ein Masenkball
Teil 1
Teil 2
Über den Autoren
Alexandre Dumas, im Deutschen auch bekannt als Alexandre Dumas der Ältere, war ein französischer Schriftsteller. Heute ist er vor allem durch seine zu Klassikern gewordenen historischen Romane bekannt, etwa Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo.
Ein Masenkball
Teil 1
Ich hatte gesagt, ich sei für Niemand zu Hause: einer der Freunde erzwang den Zutritt.
Mein Bedienter kündigte Herrn Antony H . . . an. Ich erblickte hinter der Livree Josephs die Ecke eines schwarzen Überrocks; es war wahrscheinlich, dass Derjenige, der den Überrock trug, seinerseits einen Zipfel meines Schlafrocks gesehen hatte; nicht im Stande, mich zu verleugnen, sagte ich ganz laut: — Wohl! wohl! er mag eintreten. — Er soll zum Teufel gehen, sagte ich nur ganz leise.
Wenn man arbeitet, kann uns allein die Frau, die man liebt, ungestraft stören, denn für sie klingt immer eine Saite in dem, was man tut.
Ich ging ihm daher mit dem halb unwirschen Gesicht eines Schriftstellers entgegen, der in einem jener Augenblicke unterbrochen worden ist, wo er am meisten fürchtet, es zu werden, aber ich sah ihn so blass und entstellt, dass die ersten an ihn gerichteten Worte die waren: — Was haben Sie? was ist Ihnen zugestoßen?
— »Lassen Sie mich zu Atem kommen, sagte er. ich will es Ihnen sagen; zudem ist es vielleicht ein Traum, oder ich vielleicht ein Narr.«
Er warf sich in einen Lehnsessel, und ließ seinen Kopf in seine beiden Arme sinken.
Ich blickte ihn mit Staunen an; seine Haare waren vom Regen durchnässt, und seine Stiefel, seine Knie und der untere Teil seiner Beinkleider mit Kot bedeckt; ich sah an der Tür seinen Bedienten und sein Kabriolett: Was sollte ich davon denken?
Er sah meine Überraschung. — Ich war auf dem Kirchhofe von Pére-La-Chaise, sagte er.
— »Um zehn Uhr Morgens?«
— »Ich war um sieben Uhr dort . . . Verfluchter Maskenball.«
Ich konnte nicht enträtseln, was ein Maskenball und der Pére-La-Chaise, mit einander gemein hatten.Ich ergriff meine Partie und fing, den Rücken dem Kamine zudrehend, an, mit dem Phlegma und der Geduld eines Spaniers, eine Zigarre zwischen meinen Fingern zu rollen.
Als ich damit fertig war, bot ich sie Antony hin, von welchem ich wusste, dass er diese Art von Aufmerksamkeit gewöhnlich sehr dankbar annahm.
Er machte mir mit dem Kopfe ein Zeichen des Dankes, schob aber die Zigarre mit der Hand zurück.
Ich bückte mich, um sie für mich selbst anzuzünden: Antony hielt mich zurück.
— »Alexander, sagte er zu mir, hören Sie mich an, ich bitte Sie!«
— »Aber es ist ja schon eine Viertelstunde, seit Sie hier,sind, und Sie reden Nichts mit mir.«
— »Es ist ein ganz besonderes Abenteuer. Ich richtete mich auf, legte meine Zigarre auf das Kamin und kreuzte die Arme, wie ein Mann, der auf Alles gefasst ist; nur glaubte ich nach und nach, er könne wohl toll geworden sein.«
— »Sie erinnern sich des Opernballs, auf dem ich Sie traf? fragte er mich nach einem Augenblicke des Schweigens.«
— »Des letzten, auf dem höchstens zweihundert Personen anwesend waren?«
— »Gerade diesen. Ich verließ Sie, in der Absicht, mich nach dem Theater des Varietes zu begeben, von dem man als von einer Merkwürdigkeit mitten in unserer so merkwürdigen Zeit gesprochen hatte: Sie wollten es mir ausreden, dorthin zu gehen; ein unseliges Geschick trieb mich dazu. O! warum haben Sie das nicht gesehen; Sie, der Sie Sitten zu schildern haben? Warum waren Hoffmann oder Callot nicht da, um das zugleich phantastische und burleske Gemälde zu entwerfen? Ich hatte die Opera leer und düster verlassen; ich fand einen vollen und heitern Saal: Gänge, Logen, Parterre, Alles war überfüllt. Ich machte die Runde im Saal: zwanzig/ Masken riefen mich bei meinem Namen und sagten mir den ihrigem Es waren aristokratische oder finanzielle Hoheiten unter der gemeinen Vermummung von Pierots, Postillonen, Harlekinen und Fischerweibern. Lauter junge Leute von Namen, Herz und Verdienst; Familie, Künste und Politik vergessend, bauten sie hier mitten in unserer ernsten, verhängnisvollen Epoche einen Abend der Regentschaft wieder auf. Man hatte es mir gesagt, und doch hatte ich es nicht geglaubt!. . . Ich stieg wieder einige Stufen hinauf, und an eine Säule mich lehnend, die mich halb verbarg, heftete ich meine Augen auf diese Flut menschlicher Geschöpfe, welche sich unter mir bewegte. Diese Dominos von allen Farben, diese buntscheckigen Trachten, diese grotesken Verkleidungen bildeten ein Schauspiel, das Nichts Menschlichem ähnlich sah. Die Musik begann zu spielen. O! jetzt vollends!. . . Diese seltsamen Geschöpfe bewegten sich beim Klang des Orchesters, dessen Harmonie zu mir nur durch Geschrei, Lachen, Hohngelächter, hindurchdrang; sie hängten sich mit den Händen, Armen, mit dem Hals aneinander; ein großer Kreis bildete sich, mit einer drehenden Bewegung beginnend; Tänzer und Tänzerinnen stießen mit dem Fuße, ließen mit Geräusch einen Staub umher wirbeln, dessen Urstoffe das blasse Licht der Kronleuchter sichtbar machte; sie drehten sich in immer zunehmender Schnelle, mit wunderlichen Stellungen, unzüchtigen Gebärden, Ausrufungen voller Wollust; sie drehten sich immer schneller, verrückt? wie betrunkene Männer, heulend wie verworfene Weiber, mit mehr Wahnsinn als Freude, mit mehr Raserei als Vergnügen: einer Reihe von Verdammten ähnlich, welche unter der Zuchtrute der Dämonen eine höllische Strafe aushält. Dies ging unter meinen Augen vor. Ich fühlte den Luftzug, den ihr Rennen verursachte; Jeder von ihnen, den ich kannte, warf nur beim Vorübergehen ein Wort zu, mich zum Erröten zu bringen. All dieses Gelärme, dies Gesumse, diese Verwirrung, diese Musik, gingen in meinem Kopf wie im Saal herum! Schnell war ich so weit, dass ich nicht mehr wusste, ob das, was ich vor Augen hatte, Traum oder Wirklichkeit sei; es war so weit mit mir gekommen, dass ich mich fragte, ob nicht ich unsinnig und sie vernünftig seien; es wandelten mich seltsame Versuche an, mich mitten unter dieses Pandämonium zu werfen, wie Faust in d«r Hexenreigen,, und ich fühlte, dass alsdann mein Schreien, meine Gebärden, Stellungen, Gelächter, wie die ihrigen wären. O! von da an bis zur Tollheit ist nur ein Schritt. Ich war entsetzt; ich stürzte mich aus dem Saal, bis an das, Thor, bis auf die Straße von dem Geheul verfolgt, das einem Liebesgebrülle ähnlich war, wie es aus der Höhle Milder Tiere ertönt.
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