50 Dinge, die ein Wiener getan haben muss

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

04

IM DUNKELN DURCH DIE KAISERAPPARTEMENTS

Innere Stadt | Hofburg

Die Taschenlampenführung in der Hofburg bietet spezielle Einblicke in das Leben der Kaiserfamilie und wird besonders gerne von Einheimischen besucht.

Die Dame aus dem 19. Jahrhundert läuft in ihrem langen Kleid die prunkvolle Kaiserstiege hinab. „Die Herrschaften sind nicht zu Hause“, ruft sie den Besuchern hektisch zu. Die Herrschaften, das sind Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Es ist das Jahr 1897, Kronprinz Rudolf ist bereits seit acht Jahren tot, seine Mutter Elisabeth wird ihm im September 1898 folgen und Franz Joseph ist schon ein älterer Herr. Die kaiserliche Familie residiert in den Wintermonaten in ihren Privatgemächern der Hofburg. Die weitläufige Anlage in der Innenstadt ist bis 1918 das politische Zentrum der Monarchie. Heute haben der Bundespräsident und andere hochrangige Politiker und Beamte in dem riesigen asymmetrischen Gebäudekomplex ihren Amtssitz. Und von November bis Februar führt jeden Samstagabend eine „Vertraute“ der Kaiserin durch die Kaiserappartements. Heute ist Fanny Feifalik an der Reihe, Elisabeths Friseurin. Die Feifalik war eine wichtige Person am Hof, hing von ihr doch meist die Laune der Kaiserin ab. Die historische Fanny soll ja ein Mädchen von „munterem Witz“ und eine „pikante Erscheinung“ gewesen sein.

„Gnädige Frau, weiß denn Ihr Mann, dass Sie Hosen tragen?“, fragt Fanny Feifalik mit gespieltem Entsetzen eine Besucherin. „Bei Hof trägt man doch ein langes Schleppkleid und Frack. Zum Kaiser darf jeder kommen, aber er muss sein bestes Gewand anziehen.“ Die Fanny aus dem Jahr 2015 trägt die dunklen Haare hochgesteckt und ein langes Kleid, das vorne mit Bordüren und hinten mit einer großen Masche verziert ist. Sie lehrt den unstandesgemäß angezogenen Fremden noch rasch den Hofknicks und die Verbeugung, man weiß ja nie, wer einem in der nächtlichen Hofburg begegnet. „Nun dürfen Sie Ihre Kerzen einschalten, dann zeige ich Ihnen die Räume der Herrschaften.“ Die Hofburg wurde erst im Jahr 1891 elektrifiziert. Heute Abend bleibt das elektrische Licht ausgeschaltet, die Besucher haben Taschenlampen mitgebracht, die als einzige Lichtquelle dienen werden. Zwei Dutzend Taschenlampen gehen an. Fanny Feifalik öffnet eine Tür und geht vor – zurück in die Vergangenheit.

Unten links: Turnzimmer der Kaiserin,

unten rechts: Fanny Feifalik

Fünfzig Zentimeter Taillenumfang

Wir leuchten in Vitrinen mit ausgestellten Kleidungsstücken der Kaiserin. Ein Morgenmantel aus weißem Leinen mit Spitzenbesatz, ein Bademantel mit Bordüre, ein Tageskleid und ein Hermelinensemble, schwarze Halbschuhe mit goldenen Schnallen. Und ein Taillengürtel. „Da passt ja nicht einmal mein Fuß durch“, flüstert eine (schlanke) Besucherin. Nur unglaubliche fünfzig Zentimeter Umfang hatte die Taille von Elisabeth auch noch nach der Geburt ihrer vier Kinder.

Fanny führt die Gruppe in das Audienzzimmer des Kaisers. Hier hielt Franz Joseph zwei Mal pro Woche allgemeine Audienzen, die jedem Bürger der Monarchie zugänglich waren. Wie Fanny schon erwähnt hat, mussten Audienznehmer in ihrem schönsten Gewand erscheinen.

„Man darf mit dem Kaiser nur zwei bis drei Minuten reden und ihm nie den Rücken zudrehen“, erklärt Fanny und trippelt rückwärts mit einer leichten Verbeugung in Richtung Ausgangstür. Sie richtet sich wieder auf und zeigt auf ein Bild, das den jungen Franz Joseph in einer Galauniform zeigt. „Er war so ein schöner Mann“, schwärmt sie. „Heute ist er ja schon etwas älter. Aber Frau Schratt kümmert sich ja gut um ihn.“ Die Beziehung des Kaisers zu der Schauspielerin Katharina Schratt war tatsächlich schon damals kein Geheimnis, war sie doch von Elisabeth persönlich eingefädelt worden. „Die Kaiserin ist froh, dass sich jemand um ihren Gemahl kümmert. Wir sind ja meistens auf Reisen.“ Wir passieren das Konferenzzimmer mit den kriegsverherrlichenden Bildern an der Wand und gelangen in das private Arbeitszimmer des Kaisers. „Um vier sitzt er schon am Schreibtisch“, erzählt die Feifalik. Hier frühstückte der Monarch und gönnte sich im Anschluss meistens eine Zigarre. Am Schreibtisch stehen noch seine Kaminuhr, ein großes rotes Feuerzeug und zahlreiche Familienporträts. Während der Arbeit hatte der Kaiser ein Bild seiner Frau im Blickfeld, auf dem ihre langen Haare vor der Brust verschlungen sind. Es ist eines der drei berühmten Winterhalter-Gemälde. Ein zweites an der Wand gegenüber zeigt die Kaiserin mit offenem Haar in einem Nachtkleid. „Dieses Bild darf eigentlich nur der Kaiser sehen“, sagt Fanny.

Viel Tragisches weiß sie auch vom Hofleben zu berichten. Sie erzählt von Kronprinz Rudolfs harter Erziehung, seinen Affären, der Kokainsucht und den Depressionen der Kaiserin. Im spartanisch eingerichteten Schlafzimmer des Kaisers ist es Zeit für eine kurzweilige Anekdote. Da gab es diesen stets betrunkenen Diener, der Franz Joseph jeden Morgen um halb vier in der Früh in einer transportablen Kautschukbadewanne badete. Weil der Badewaschl keine Lust hatte, um diese unchristliche Zeit aufzustehen, ging er gar nicht ins Bett, sondern schlug sich die Nächte bei einem Heurigen um die Ohren. Eines Morgens musste der Kaiser den Angetrunkenen stützen, damit dieser nicht in das Badewasser kippte. „Der Diener wurde aber nicht entlassen, sondern in die Stallungen versetzt“, weiß Fanny.

Elisabeths Haarpflege

Die Kaiserin mochte es da schon viel moderner als ihr Herr Gemahl. Sie ließ sich 1876 eine Badewanne aus verzinktem Kupferblech mit Trinkwasserleitungen einbauen. Auch ihr Bett war bereits sehr innovativ. Sie hatte ein Klappbett, das sie auf ihre Reisen mitnahm. „Sie schläft gerne in ihrem eigenen Bett. Seit sie nicht mehr reitet, wandern wir bis zu acht Stunden pro Tag.“ Fanny und das restliche Personal durften aber oft in der Kutsche nebenherfahren. „Wir können ja nicht mit ihr mithalten.“

Im nächsten Raum war Fannys Arbeitsplatz. „Hier mache ich ihr die Haare. Das dauert jeden Tag zwei bis drei Stunden. Wenn ich krank bin, verlässt sie das Haus nicht“, sagt sie stolz. Unter anderem war Fanny verantwortlich für Sisis berühmte Haarkrone mit den auf dem Kopf verschlungenen langen Zöpfen. Alle paar Wochen wurden die kaiserlichen Haare gewaschen. „Das Shampoo war eine Mischung aus Dotter und Cognac.“ Fanny lässt die Besucher an der Mixtur riechen und teilt kandierte Veilchen aus. „Eine Lieblingsnascherei der Kaiserin.“ Im Toilettezimmer von Elisabeth stehen noch ihre Turngeräte, an denen sie stundenlang trainierte, um ihre legendäre Figur zu erhalten. In bodenlangen Kleidern, wohlgemerkt.

Im Salon der Kaiserin frühstückte diese mit Franz Joseph. Die große Tafel ist mit edlem Geschirr und gefalteten Servietten gedeckt, als ob jeden Moment der Hofstaat zum Diner erscheinen würde. Bis zu zwölf Gänge wurden damals serviert. „Man durfte nur mit seinen Sitznachbarn sprechen, und das möglichst leise“, sagt Fanny. Legte der Kaiser sein Besteck zur Seite, wurde abserviert. „Auf dem Besteck ist unser Kaiseradler abgebildet. Ich bin mir sicher, dass es noch sehr lange benutzt wird.“ Die Feifalik sollte recht behalten. Bis heute wird es für Staatsbesuche verwendet.

Als die Taschenlampen ausgehen, hat Fanny Feierabend. Samstag in einer Woche wird in der Hofburg die Zeit wieder auf das Jahr 1897 zurückgedreht.


Hofburg: Hofburg/​Innerer Burghof, 1010 Wien

www.hofburg-wien.at, www.imperial-austria.at

Taschenlampenführung: November, Jänner und Februar an ausgewählten Samstagen, 18 : 30 Uhr.

05

DIE GEISTIGE SCHATZKAMMER DER NATION

Innere Stadt | Österreichische Nationalbibliothek

Etwa elf Millionen gesammelte Objekte werden in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrt. Wer helfen will, diese gigantische Sammlung zu erhalten, kann Buchpate werden.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten wäre die geistige Schatzkammer der Nation fast ein Opfer der Flammen geworden. In der Nacht vom 26. auf den 27. November 1992 brannten die Redoutensäle in der Hofburg ab. Die Spanische Hofreitschule musste evakuiert werden und fast hätte das Feuer auf den Prunksaal der Nationalbibliothek übergegriffen. Die Polizei hatte bereits mehr als 10 000 Bände in Sicherheit gebracht, als gegen 5 Uhr in der Früh die Entwarnung kam: Die Löscharbeiten waren erfolgreich, die Nationalbibliothek gerettet.

Ein Verlust, der nicht auszudenken gewesen wäre: Die Österreichische Nationalbibliothek archiviert und verwaltet etwa elf Millionen Objekte, Tendenz steigend. Davon sind rund 3,8 Millionen Bücher, der Rest Fotos, Grafiken, Karten, Papyri, Globen und elektronische Dokumente. Uralte kulturelle Schätze wie die ägyptische Papyrussammlung (180 000 Objekte) oder eine byzantinische Handschrift aus dem 6. Jahrhundert werden hier verwahrt, Teile der Sammlung erklärte die UNESCO zum Weltdokumentenerbe. Alles, was je in Österreich erschienen ist oder publiziert wurde, wird hier gesammelt. In der Neuen Burg am Heldenplatz befindet sich die öffentlich zugängliche wissenschaftliche Bibliothek, am Josefsplatz gleich um die Ecke der heute als Museum genutzte Prunksaal, die Verwaltung und einige der insgesamt acht Sondersammlungen.

 

Jede österreichische Publikation muss in der Österreichischen Nationalbibliothek abgeliefert werden, bis 1918 galt diese Pflicht auch für den Großteil der Monarchie. Sucht man Informationen egal welcher Art über Österreich, findet man sie hier. Wer Hilfe beim Recherchieren braucht, erhält bei einem Arbeitsaufwand unter dreißig Minuten kostenlos Auskunft. Außerdem bietet die Nationalbibliothek Suchstrategie-Schulungen an. Seit vielen Jahren werden auch urheberrechtsfreie Bücher und historische Zeitungen digitalisiert und kostenlos online angeboten.

Oben: Prunksaal,

unten links: Heldenplatz,

unten rechts: Josefsplatz

Klingonisch-Crashkurse und Grillparzers Arbeitszimmer

Der Österreichischen Nationalbibliothek untersteht auch eine Reihe von Museen: das Papyrus-, das Globen- und das Esperantomuseum sowie der Prunksaal aus der Barockzeit, der als einer der schönsten Bibliothekssäle der Welt gilt. Unter anderem findet man hier die 15 000 Werke umfassende Bibliothek des Prinzen Eugen von Savoyen. Spezialtipp: In der „Langen Nacht der Museen“ bietet das Esperantomuseum Crashkurse in Esperanto und Klingonisch (!) an.

Das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, das im April 2015 eröffnet wurde, bietet wechselnde und Dauerausstellungen, Lesungen sowie Workshops rund um das Thema österreichische Literatur. Eingerichtet wurde es im Hofkammerarchiv in der Johannesgasse 6, wo einst Nationaldichter Franz Grillparzer seinen Beamtendienst versah. Das Zimmer, in dem er seinen (anscheinend spärlichen) Amtsgeschäften nachging, ist noch im Originalzustand erhalten. Hier schrieb er den berühmten Satz: „12 Uhr Mittag ins Bureau. Keine Arbeit vorgefunden.“

Kampf gegen Tintenfraß und Holzwurm

Hillary Clinton, Martin Scorsese und Donna Leon haben es bereits getan: Sie übernahmen die Patenschaft für ein Objekt der Österreichischen Nationalbibliothek. Denn das Restaurieren und Konservieren von zum Teil uralten Büchern, Karten, Handschriften, Globen oder Fotos kostet sehr viel Zeit und Geld. Wer zur Langzeitkonservierung von Sammelbeständen einen Beitrag leisten möchte, kann sich je nach persönlichem Interesse ein Werk aus einer Liste aussuchen und dafür spenden. Scorsese hat sich für die älteste Ansicht von New York aus dem Jahr 1650 entschieden, Hillary Clinton wurde Patin für den Amerika-Band des Atlas Blaeu-Van der Hem. Die Aktion besteht seit 1990 und bis heute konnte die Nationalbibliothek rund 7000 Buchpaten gewinnen. Die Spender erhalten als Dankeschön eine Ehrenurkunde und dem restaurierten Objekt wird ein Exlibris mit dem Namen des Paten beigefügt. Einmal im Jahr sind die Paten beim Empfang der Generaldirektorin eingeladen.


Österreichische Nationalbibliothek: Josefsplatz 1, 1015 Wien www.onb.ac.at

Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek:

Grillparzerhaus, Johannesgasse 6, 1010 Wien

Oben: Literaturmuseum,

unten: Hauptlesesaal

06

MULTIMEDIALE ZEITREISE IM KLOSTERGEWÖLBE

Innere Stadt | Time Travel

Ungefähr zwölf Meter unter der Straße werden in der Wiener Innenstadt 2000 Jahre Stadtgeschichte mit modernsten Mitteln zum Leben erweckt.

Millionen von Jahren fliegt die Zeitmaschine zurück, bis der gewaltige Tritt eines Dinosauriers uns rasant in das Römerlager Vindobona und dann weiter ins mittelalterliche Wien befördert. Die Schwänze der Tiere streifen unsere Füße. Wir rasen mit ihnen durch den Stephansdom, der gerade erbaut wird, bis zu seinem höchsten Punkt. Der Fahrtwind bläst uns ins Gesicht. Dann Kanonenschüsse, die Sitze zittern von den virtuellen Detonationen. Wir befinden uns im Jahr 1683. Aus der Vogelperspektive sehen wir, wie die Stadt von den Türken belagert wird. Kurz darauf landen wir wieder im Hier und Jetzt. Schade, es hätte ewig so weitergehen können. Keine Frage, das 5D-Kino ist das Highlight der Multimediashow „Time Travel“. Eigentlich gibt es nur eines zu bemängeln: Der Film ist viel zu kurz.

Ungefähr zwölf Meter unter der Straße im ehemaligen Weinkeller des Salvatorianerklosters St. Michael in der Wiener Innenstadt wird seit dem Sommer 2012 in fünfzig Minuten ein Auszug aus zweitausend Jahren Stadtgeschichte geboten. Dabei geht es hauptsächlich um Animation und Unterhaltung, weniger um historische Präzision. Empfangen werden die Besucher im Gewölbe von sakralem Chorgesang und bekannten österreichischen „Nationalhelden“. Die Figuren auf den Gemälden bewegen sich und können sprechen, wie man es aus Harry Potters Zauberschule kennt. Da mokiert sich Maria Theresia über Sigmund Freuds Raucherei, dort plänkelt Sisi mit Wolfgang Amadeus Mozart.

Zur Audienz am Habsburgerhof

Nach den atemberaubenden Spezialeffekten der Kinovorführung laden die bedeutendsten Kaiser der Habsburgermonarchie zur Audienz. Maximilian I., auch bekannt unter dem Beinamen „der letzte Ritter“, Maria Theresia und Franz Joseph I. samt Ehefrau Sisi treten im nächsten Raum als lebensgroße und animierte Puppen vor ihre Untertanen. In zum Teil nasalem Wienerisch tauschen sich die vier Hochwohlgeborenen über habsburgische Siege, Niederlagen, die Heiratspolitik und deren Folgen aus. Maria Theresia bemerkt, „dass sich die Habsburger alle so ähnlich sehen“. Franz Joseph, der ja bekanntlich mit seiner Kusine verheiratet war, nimmt es gelassen: „Ein bisserl Schwund ist halt immer dabei.“

Die Erlebnisreise führt weiter ins Reich der Musik. Plastikausgaben von Johann Strauß Sohn und Wolfgang Amadeus Mozart diskutieren über die Bedeutung ihrer Musik, danach lädt der Wiener Kongress zum Walzertanzen auf ein Drehkarussell.

In den nächsten Stationen folgen Österreichs dunkelste Jahre: Kaiser Franz Joseph liegt aufgebahrt in einem Sarg, dahinter laufen die Originalbilder seiner Beerdigung im Kriegsjahr 1916. Danach werden die Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs in einem nachgebauten Bunker simuliert. Der Boden vibriert unter den Beinen, Bomben schlagen ein, Sirenen heulen, ein nationalsozialistischer „Volksempfänger“ rauscht im Hintergrund. Während des Krieges war das Salvatorianerkloster ein Zufluchtsort bei Bombenangriffen. Die Kapitulation des Deutschen Reichs, die Nachkriegsjahre und die Unterzeichnung des Staatsvertrags lösen das Unbehagen rasch auf.

Time Travel schließt klassisch wienerisch. Wir fliegen mit einem virtuellen Fiaker über die Dächer der modernen Stadt, schweben über die Hofburg, den Stephansdom, Schloss Schönbrunn und den Prater. Wien präsentiert sich wie die herausgeputzte Diva, die es heute ist: voll imperialer Pracht und Schönheit.

Time Travel macht Lust auf die Highlights von Wien. Und jede Menge Spaß – Erwachsenen und Kindern gleichermaßen. Die schlechte Nachricht für die Kinder: Den Geschichtsunterricht erspart es euch nicht.


Time Travel: Habsburgergasse 10 A, 1010 Wien

Täglich 10 – 20 Uhr, Showstart alle 20 Minuten, Dauer: ca. 50 Minuten.

Eintritt: Erwachsene 18 €, Kinder/​Jugendliche 14 €.

www.timetravel-vienna.at

07

GRÄFIN KRACH GEBORENE MANDEL

Innere Stadt | K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel

Der Autor Friedrich Torberg setzte der K. u. K. Hofzuckerbäckerei Demel in seinem Buch Tante Jolesch ein literarisches Denkmal: „Der Demel ist mehr als eine Institution. Eine Legende.“ Eine, die bis heute zu Gaumenschmeicheleien und Ausflügen in die Geschichte des süßen Wien einlädt.

„Haben schon gewählt?“, fragt die Demelinerin. Sie ignoriert keinesfalls Grammatikregeln, sondern spricht das „Demel-Deutsch“ mit seiner charakteristischen Mischung aus Majestätsplural und Höflichkeitsform. Die förmliche Anrede und die „Demelinerinnen”, das ausschließlich weibliche Bedienpersonal, sind nur zwei der vielen Traditionen, die von den wechselnden Besitzern seit der Gründung des Hauses im Jahr 1786 beibehalten wurden: von August Dehne, der die Zuckerbäckerei 1857 an seinen Gesellen Christoph Demel verkaufte, von Anna Demel, die bis 1956 täglich an der Kassa thronte, und vom Künstler Friedrich Ludwig Berzeviczy-Pallavicini. Eine Zeit lang besaß Udo Proksch die Institution, seit 2002 ist die Hofzuckerbäckerei Teil des Nobelcaterers DO & CO.

Seitdem wacht Dietmar Muthenthaler über die Demel’sche Backtradition und die klassischen Rezepte von Dobos-, Fächer- und Annatorte – und der „Demel’s Sachertorte“. Diese ist neben der „Original Sacher-Torte“ des Hotels Sacher eines der kulinarischen Wahrzeichen der Stadt. Während dieses sein Tortenrezept wie ein Staatsgeheimnis hütet, geht der Demel ganz offen damit um. „Geheim ist unser Sacher-Torten-Rezept gar nicht: Die Torte besteht im Wesentlichen aus einer Sandmasse, die zu gleichen Teilen aus Mehl, Zucker, Schokolade und Eiern besteht“, so Muthenthaler. „Wir verraten bloß nicht, welche Schokolade wir verwenden.“

In Demels Schaubäckerei kann man allmorgendlich zusehen, wie bis zu 300 Eduard-Sacher-Torten glaciert werden, wie die Annatorte mit Pariser Creme gefüllt und mit feinem Nougat umhüllt wird. Von Hand und mit viel Geduld werden täglich vierzig Sorten Teegebäck gebacken. Natürlich wird auch der Teig für die Strudel von Hand gezogen, wie es sich gehört: bis er so dünn ist, dass man durch ihn Zeitung lesen könnte.

Kunstvolle Auslage und süßes Museum

Eine Besonderheit des Demel ist aber auch die Nähe zur Kunst. Das Zuckerbäckerhandwerk ist hier Kunsthandwerk im wahrsten Sinne des Wortes: Bereits unter Anna Demel hatte es eine Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte gegeben, die die Verpackungen gestaltete. Der Künstler und spätere Besitzer Berzeviczy-Pallavicini führte diese Tradition fort und etablierte die künstlerische Schaufenstergestaltung, für die der Demel heute berühmt ist. Zuckerfiguren wie die „Gräfin Krach geborene Mandel“ oder ein übergroßes Fabergé-Ei werden kreiert, die den Originalen in Sachen Kunstfertigkeit zur Ehre gereichen. Immerhin achtmal pro Jahr werden die Auslagen neu dekoriert, Muthenthaler erarbeitet dafür mit seinem Team neue zuckersüße Figuren.

Dabei lässt er sich auch vom vielfältigen Fundus im hauseigenen Museum inspirieren. Dieses lädt zu einer süßen Zeitreise ein: Handgemachte Bonbons aus dem 19. Jahrhundert, Originalentwürfe längst verspeister Torten und Zuckerbüsten von Tennisstars wie Roger Federer sind zu bewundern. Dabei erfährt der Besucher einiges über die Kulturgeschichte der süßen Verführungen: etwa, dass der Wiener Gesellschaft einst Mandelmilch, Gefrorenes und Sorbets serviert wurden, dass sich Kaiserin Sisi ihr geliebtes Veilcheneis durch unterirdische Gänge in das ehemalige Burgtheater in der Hofburg bringen ließ oder dass der einstige Demel-Chef sich so vor der jährlichen vorweihnachtlichen Audienz bei Kaiser Franz Joseph fürchtete – der Kaiser wählte die Süßigkeiten für den Christbaum selbst aus –, dass er den Tag davor und danach im Bett verbringen musste. Dabei war der Demel bei Hofe bereits etabliert: Schließlich belieferte er den Hofball und Tanzfeste mit Buffets und den berühmten, zu Pyramiden geschlichteten Hofzuckerln.

Der Demel verwöhnt seine Gäste bis heute mit traditionellen und neuen Torten und eigenen kulinarischen Kreationen am kalten Buffet. Friedrich Torberg setzte dem Demel in seiner berühmten Tante Jolesch ein literarisches Denkmal: „Die Zuckerbäckerei, die nur noch vom kalten Buffet übertroffen wird, als auch das kalte Buffet, das nur noch von der Zuckerbäckerei übertroffen wird“ – der Demel sei „mehr als eine Institution“, nämlich eine Legende – mit angeschlossenem Museum.

 

K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel: Kohlmarkt 14, 1010 Wien Täglich 9 – 19 Uhr. www.demel.at

Demelmuseum: Freitag 10 – 12 Uhr. Preis: 4 €