Buch lesen: "Perry Rhodan Neo Story 15: Der Untergang des Hauses Zoltral"

NEO-Story 15
Der Untergang des Hauses Zoltral
Eine PERRY RHODAN NEO-Erzählung
von Alexander Huiskes
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Rückentext
Crest da Zoltral stammt vom fernen Planeten Arkon. Er wächst im riesigen Imperium der Arkoniden auf, zählt als Adeliger zur wohlhabenden Oberklasse eines Sternenreiches, das Zigtausende von Welten umfasst. Zugleich ist er ein Derengar, einer der wichtigsten Wissenschaftler seines Volkes.
Doch die Freundschaft zu Perry Rhodan verschiebt für ihn die Schwerpunkte seines Lebens. Der Kontakt zu den Menschen, seine Anteilnahme am Schicksal der Erde – das alles verändert nicht nur Crest, sondern auch sein Verhältnis zu seinem Volk und seiner Heimat.
Als er Botschaften aus Arkon erhält und auf diese Weise mehr über die nahe Vergangenheit erfährt, verbinden sich für ihn Vergangenheit und Gegenwart. Er erlebt den Untergang des Hauses Zoltral mit – aus einer Perspektive, die ihn berührt und schmerzt …
Prolog
Crest
Der Wissenschaftler Crest da Zoltral ist als Wegbegleiter und Wegbereiter Perry Rhodans untrennbar mit der Menschheit verbunden. Eines Tages war der alte Arkonide da, ein Schiffbrüchiger auf dem Erdmond, zur rechten Zeit und am rechten Ort, und Rhodan begrüßte ihn als das, was er in ihm sah: als Freund.
Diese unvoreingenommene Freundschaft lohnte sich für beide. Rhodan und der Menschheit stieß Crest das Tor ins Weltall auf, und Crest erhielt, was er am meisten ersehnte: einen Zellaktivator, der ihn heilte und ihm Unsterblichkeit verhieß.
Das war alles, was über Crest bekannt war – das und einige spärliche Informationen aus seiner Vergangenheit.
Demzufolge war Crest ein alter Arkonide aus dem untergegangenen Adelshaus Zoltral, ein sterbender Wissenschaftler und Sucher nach Unsterblichkeit.
Crest redete nur selten von der Vergangenheit, und niemand wagte es, ihn darauf anzusprechen.
Und doch ist bei allen Wesen, die es zur Bewusstheit gebracht haben, die Vergangenheit unvermeidlich präsent, oft so unsichtbar wie Luft, manchmal auch schattenhaft und neblig. Andere vermögen sie selten zu sehen, aber ihr Träger ist stets von ihr umgeben. Er kann sie ignorieren, jedenfalls eine Zeit lang, aber abzuschütteln vermag er sie niemals. Denn sie beeinflusst ihn zu subtil.
Crest bildete da keine Ausnahme, obwohl er es hoffte.
Als er zurückkehrte nach Arkon, auf die Welt, die er so lange Heimat genannt hatte, wurde ihm dies klar. Und er ergriff die Chance, sich seiner Vergangenheit zu stellen.
Perry Rhodan ahnte davon nichts, er war zu sehr von anderen Dingen beansprucht, was Crest durchaus recht war.
Dies war seine Geschichte, seine Schuld. Die Schuld am Untergang des Hauses Zoltral.
Kapitel 1
Späte Heimkehr
Arkon I lag unter ihm, ein so schöner Planet, dass es ihm wohl das Herz zerrissen hätte vor Wehmut und Glück, wenn es nicht schon vor langer Zeit zerrissen worden wäre, auf eben dieser Welt. Crest hatte gar nicht gemerkt, wie sehr er diesen Ort vermisst hatte. Arkon – und das Epetran-Archiv.
Als enger Berater von Imperator Orcast XXI. hatte Crest einst das Epetran-Archiv nutzen können, wenngleich nicht unbeschränkt. Was Epetran da geschaffen hatte vor so langer Zeit, war atemberaubend gewesen und war es noch.
Das Epetran-Archiv log nie. Es sammelte aktiv Informationen, auch weit nach dem Tod seines Schöpfers und Namensgebers. Das nicht zu tun, wäre eine unvergleichliche Torheit gewesen; es hätte bedeutet, sich eines Tages selbst überflüssig zu machen. Daher erhielt das Archiv auf unterschiedlichste Weise Informationen zugetragen und eingespeist.
Das Epetran-Archiv archivierte all das, aktualisierte und vervollständigte in Form einer unsichtbaren, nicht zu ortenden Datenwolke sämtliche Angaben, die sich beizeiten immer wieder sublimierten. Die Aufgabe seiner Nutzer war es, das Archiv richtig zu verwenden, Rückschlüsse, Querverbindungen, historische Linien zu ziehen, Widersprüche zu erkennen und Lücken … Es war das perfekte Instrument und weitaus mehr als die Essenz Arkons, als die Epetran es einst konzipiert hatte.
Wissen, das begriff Crest, war der wahre Schlüssel zu Macht. Aber direkt hinter der aufgeschlossenen Tür lauerten zuerst deren beiden Wächter: Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Während Crest das Archiv zum ersten Mal benutzt hatte, in den Tagen von Orcast XXI., war das Wissen wie ein tiefes, dunkles Meer voller Strudel gewesen, die ihn beinahe in den Tod gezogen hatten. Je mehr er erfuhr, desto aussichtsloser schien ihm zu werden, wohin das Imperium steuerte oder besser: driftete. Denn von einer politischen Steuerung in den zentralen Belangen war bereits damals nur noch wenig zu merken gewesen.
Auch deswegen hatte Crest Arkon schließlich den Rücken gekehrt, hatte sich aufgemacht auf seine besondere Suche. Jedes Verweilen hätte die Hoffnungslosigkeit nur verstärkt. Seine Jagd nach der Unsterblichkeit war daher zugleich eine Suche nach neuer Hoffnung für Arkon gewesen.
Nun kehrte er zurück, aber nicht im Triumph, sondern im Verborgenen.
Wie sehr hatte Crest sich gefreut auf die Heimkehr, und wie sehr hatte er sich gefürchtet.
Crest hatte gehofft, er würde unerkannt bleiben, zumindest weitgehend. So viele Wesen kamen ins Arkonsystem, dass er gewiss nicht auffallen würde.
Offenbar hatte er sich getäuscht.
Er betrachtete den Holoschirm, der gerade eingegangene Nachrichten anzeigte – eine von Aizela, eine von Yrandi.
Aizela, mit der er sich einst eine Zukunft hatte vorstellen können, hatte er längst vergessen geglaubt. Yrandi, die ihn wie eine Mutter aufgezogen hatte, war vor vielen Jahren durch seine Schuld gestorben. Woher kamen ihre Nachrichten zu ausgerechnet diesem Zeitpunkt? Sollte er sie überhaupt lesen?
Er atmete durch und recherchierte. Tatsächlich waren beide Nachrichten positronisch verplombt und gesichert: nur auf Arkon I abrufbar, individuell verschlüsselt, vertraulich und persönlich, erst nach dem Tod des Absenders zu öffnen. Das an sich war nicht ungewöhnlich, gerade in den elitären Kreisen des Adels, der sich am Spiel der Kelche beteiligte. Wahrheiten hinter Lügen, falsche Fährten, späte Reue, Manipulationen und vieles mehr … Nein, das war nicht ungewöhnlich.
Verwirrend wurde es allerdings dadurch, dass beide Nachrichten mehrfach per imperialer Verfügung zurückgehalten worden waren, erstmals durch Orcast XX. Die Verfügung war erst vor einer Weile aufgehoben worden, nachdem der herrschende Imperator bereits so lange verschwunden war, dass die meisten ihn für tot hielten. Da hatte Crest das Arkonsystem aber längst verlassen gehabt. Seitdem warteten die Nachrichten auf seine Rückkehr.
Was hatte sich der verstorbene Imperator davon versprochen, die Nachrichten zurückzuhalten? Weshalb hatte er sie lediglich blockiert und nicht stattdessen gelöscht?
Crest da Zoltral war es gewöhnt, recht zu haben. Als Derengar, als Wissenschaftler des Imperiums, als Vertrauter eines Imperators und Freund eines anderen über Jahrzehnte hinweg. Er war es gewöhnt, andere einzuschätzen. So, wie er Perry Rhodan eingeschätzt und für wert befunden hatte, Crests Weg zu begleiten, seine Suche nach dem ewigen Leben. So, wie er den Imperator gekannt hatte, seinen Vater Varga, seine Nennmutter Yrandi, seine Schwester Aénda, seinen Jugendfreund Onat … und Aizela.
Oder vielmehr so, wie er geglaubt hatte, sie alle zu kennen. Jahrelang war er davon ausgegangen, dass ihm alle Schuld zufiel für den Untergang des Hauses Zoltral …
Crest war es gewöhnt, die Freiheit der Entscheidung zu haben – mithin sowohl deren Früchte ernten zu dürfen als auch die negativen Folgen tragen zu müssen. Niemand konnte vorhersehen, wozu Entscheidungen führten. Stets gab es zu viele Wechselwirkungen auf zu vielen Ebenen, die man nicht alle im Blick haben konnte. Er hatte als junger Mann eine törichte Wahl getroffen, weil ihm das Abwägen ungleich leichter gefallen war, weil er die Schwierigkeiten nicht gesehen oder unterschätzt hatte. Aber schon damals hatte er sich stets im Recht gefühlt.
Mittlerweile hatte er seine Lektion gelernt.
Kapitel 2
Erinnerungen an eine Familie
Die Nachricht, die Crest von seinem Vater nach dessen Tod erhalten hatte, war unmissverständlich gewesen.
»Geliebter Sohn!
Wenn du dies liest, weißt du, dass ich tot bin. Ich hoffe, da ich diese Botschaft konzipiere, indes noch immer, sie möge übereilt angefertigt sein.
Wisse, dass alles, was du über mich hören wirst, dir nie das Bild ersetzen soll, das du dir selbst von mir gemacht hast. Ich habe dich oder deine Schwester nie danach gefragt, denn ich wollte euch nie zu Gefallen sein. Ihr solltet beurteilen können, nicht Meinungen anderer wiedergeben.
Ich hoffe, diese Saat keimt in dir fort und wird dich zu einem besseren Mann machen, als ich es je gewesen bin. Was ich tat, tat ich um deinetwillen. Ich nehme auch die Strafe des Imperators auf mich, die dem Vernehmen nach härter ausfallen wird, als ich vermutete.
Dein Vater«
Crest wusste, was er damals gedacht hatte: Rohinseide – war sie das alles wert gewesen?
Einst war der Khasurn da Zoltral groß und mächtig gewesen, und der junge Crest hatte sich nicht vorzustellen vermocht, dass etwas so Großes je wanken, zerbersten und verschwinden könnte. Aber es hatte kaum fünf Jahre gedauert. Und er erinnerte sich …
»Kannst du mir verraten, was das hier ist?« Die Stimme seines Vaters klang beherrscht und leise.
Crest sah, was auf dem Tisch lag, und erkannte es sofort, obwohl er schon seit über einem Jahr nicht mehr daran gedacht hatte. Eine Wette wie viele, Jugendstreiche, wenn man so wollte, längst abgehakt und vergessen als erfolgreiche Beweisführung. Derzeit galten seine Gedanken längst nicht mehr solchen Albernheiten, sondern Aizela.
Wie aber kam sein Vater an diesen Gegenstand?
Statt zu antworten, stürzte Crest sich auf die erste panische Gegenfrage, die ihm in den Sinn kam: »Woher hast du das?«
Varga da Zoltral sah ihn ernst und ein wenig traurig an. »Es wurde bei dir gefunden. Streitest du seinen Besitz ab?«
Crest senkte den Blick. Selbstverständlich stritt er nichts ab. Das hätte keinerlei Sinn gehabt, und er sah überhaupt nicht ein, sich deswegen mit einer Lüge zu belasten.
»Ist dir klar, was du damit losgetreten hast?«, fragte sein Vater. Nun las Crest nicht mehr Tadel, sondern Sorge in seinem Gesicht.
»Es ist doch schon ein Jahr her …«, begann er.
Sein Vater schnitt ihm mit einer barschen Handbewegung das Wort ab. »Es ist egal, ob es gestern, vor einem Jahr oder vor zehn Jahren war. Du bist doch nicht so naiv anzunehmen, es bliebe unbemerkt?«
»Ich …«
»Warum? Warum bist du in den Kristallpalast eingedrungen und hast ein imperiales Schlafgewand aus Rohinseide gestohlen?«
»Es war …« Crest gewahrte, wie ihm das Blut in den Ohren rauschte. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken. Er war ein erwachsener Mann und fühlte sich wie ein kleiner Junge.
Wie konnte sein Vater es wagen, ihn so zu konfrontieren? Immerhin war er im Recht gewesen! Es war um die Lethargie gegangen, die sich im Imperium bis in die höchsten Kreise ausbreitete. Begriff niemand, welche Gefahr daraus für das Reich der Arkoniden erwuchs?
Es war ein Beweis in Form einer Wette gewesen, ein Spiel, und es war um etwas so Banales gegangen, dass weder Crest noch sein Kamerad sich deswegen Sorgen gemacht hätten. Ein Schlafgewand! Wie viele mochte der Imperator davon haben? Dutzende, mindestens.
Ein einziges Schlafgewand! Und deswegen zitiert er mich hierher?
Für einen Moment hatte er befürchtet, sein Vater hätte etwas über das Thema Aizela zu sagen gehabt. Deshalb war er erleichtert, selbst wenn das Gespräch offenbar gar nicht gut für ihn lief.
Aber besser über Angelegenheiten des Verstandes sprechen als über wirklich Wichtiges, das nur das Herz betraf.
Varga da Zoltral stellte sich vor Crest, legte ihm eine Hand unters Kinn und hob sie hoch, bis die Blicke der beiden Männer sich trafen.
»Du verstehst es nicht.« Vargas Stimme klang plötzlich sehr sanft. Seine rechte Hand krallte sich in das Schlafgewand, das unter dem Griff leise raschelte, summte und schimmerte.
Rohinseide war ein seltener, kostbarer Stoff, der nur aus den Fäden einer einzigen seltenen Spinnenart gewebt werden konnte, die ausschließlich auf dem Zwergmond Rohin im Schatten des Gasriesen Merlan gedieh und deren qualitativ hochwertige Verarbeitung nur von Hand und ohne Einsatz von Maschinen oder Energiefeldern möglich war. Eine Stoffbahn Rohinseide überstieg das halbjährliche Durchschnittseinkommen eines arkonidischen Holodesigners, und veredelt durch die bekanntesten Coutouriers des Imperiums potenzierte sich der Preis …
Was da so achtlos auf dem Tisch lag, war ein Vermögen wert – aber um Geld ging es nicht. Es ging um Symbolik: jene eines imperialen Besitzes, jene der Degeneration des mächtigsten Volks der Galaxis, jene des Diebstahls.
»Der Imperator kann nicht hinnehmen, dass er bestohlen wird. Seine Leute sind seit Monaten auf der Suche nach dem Dieb, und du kannst von Glück reden, dass sie deine Spur nicht längst aufgenommen haben.«
Crest horchte auf. Konnte das tatsächlich wahr sein? Die Agenten des Imperators suchten nach dem Dieb eines Schlafgewands? Hatte er die Angelegenheit am Ende tatsächlich unterschätzt?
»Offensichtlich warst du wirklich geschickt bei deinem Beutezug.« Varga da Zoltral gestattete sich den Anflug eines Lächelns. »Du bist mein Sohn, und ich werde immer stolz auf dich sein und mich vor dich stellen. Aber ich bin auch dein Vater, und wenn jemand das Recht hat, dir Vorhaltungen zu machen, bin ich das. Ich werde dem Imperator sein Eigentum zurückgeben, und wir werden sehen, was dann geschieht.«
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