Alles, was Sie über Trading wissen müssen

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14. Die Masse der Marktteilnehmer und der einzelne Trader

Märkte sind lose organisierte Menschenmassen, deren Mitglieder darauf wetten, dass Preise steigen oder fallen werden. Da jeder Preis eine Einigung der Masse zum Zeitpunkt der Transaktion darstellt, wetten Trader auf die künftige Meinung und die künftige Stimmung der Masse. Die Masse schwankt stets zwischen Hoffnung und Angst sowie zwischen Gleichgültigkeit, Optimismus und Pessimismus hin und her. Die meisten Menschen halten sich nicht an ihre eigenen Trading-Pläne, weil sie sich von den Gefühlen und Handlungen der Masse mitziehen lassen.

Während am Markt Bullen und Bären einander bekämpfen, steigt oder fällt der Wert der eigenen offenen Positionen in Abhängigkeit von dem, was vollkommen fremde Menschen tun. Man kann die Märkte nicht kontrollieren. Man kann lediglich seine Positionsgröße festlegen und entscheiden, ob und wann man in seine Trades einsteigt oder aus ihnen aussteigt.

Die meisten Trader sind nervös, wenn sie einen Trade eingehen. Nachdem sie sich der Masse angeschlossen haben, trübt sich ihr Urteilsvermögen. Viele Trader, die sich von den Emotionen der Masse vereinnahmen lassen, weichen von ihrem Plan ab und verlieren Geld.

Experten für Menschenmassen

Der schottische Rechtsanwalt Charles Mackay schrieb im Jahr 1841 den Klassiker „Zeichen und Wunder: aus den Annalen des Wahns“. Darin beschrieb er mehrere Beispiele für Massenwahn, unter anderem die Tulpenmanie in Holland im Jahr 1634 und die Südseeblase in England im Jahr 1720.

Der Tulpenwahn begann als Hausse der Preise für Tulpenzwiebeln. Dieser lange Preisanstieg führte bei wohlhabenden Holländern zu der Überzeugung, der Wert von Tulpenzwiebeln werde weiter steigen. Viele gaben ihren Beruf oder ihr Geschäft auf, um Tulpen zu züchten und damit zu handeln oder um Tulpenmakler zu werden. Banken akzeptierten Tulpenzwiebeln als Sicherheit und Spekulanten machten gute Geschäfte. Doch schließlich kollabierte die Manie in mehreren Wellen von Panikverkäufen, Menschen verarmten und die Nation war geschockt. Mackay schrieb seufzend: „Menschen verfallen einem Wahn massenweise und sie kommen erst langsam einer nach dem anderen wieder zur Besinnung.“

Im Jahr 1897 schrieb der französische Philosoph und Politiker Gustave Le Bon das Buch „Psychologie der Massen“. Ein Trader, der es heute liest, sieht in einem mehr als hundert Jahre alten Spiegel sein Spiegelbild.

Le Bon schrieb über Menschen, die sich zu einer Masse versammeln: „Wer immer auch die Menschen sind, aus denen sie sich zusammensetzt, wie ähnlich oder unähnlich einander ihre Lebensweisen, ihre Tätigkeiten, ihr Charakter oder ihre Intelligenz auch sein mögen, die Tatsache, dass sie sich in eine Masse verwandelt haben, verleiht ihr gewissermaßen einen kollektiven Geist, der dazu führt, dass sie in einer Weise empfinden, denken und handeln, die sich sehr von dem unterscheidet, was jeder Einzelne empfinden, denken oder wie er handeln würde, wenn er sich in einem isolierten Zustand befände.“

Wenn sich Menschen einer Masse anschließen, verändern sie sich. Sie werden gutgläubiger und impulsiver, sie suchen ängstlich nach einem Anführer und reagieren auf Emotionen, anstatt ihren Verstand zu benutzen. Eine Person, die in eine Gruppe verwickelt wird, ist weniger als sonst in der Lage, eigenständig zu denken.

Es mag sein, dass Angehörige einer Gruppe ein paar Trends erwischen, aber sie werden vernichtet, wenn Trends drehen. Erfolgreiche Trader denken eigenständig.

Warum sollte man sich einer Masse anschließen?

Seit Anbeginn der Zeit schließen sich Menschen um der Sicherheit willen Massen an. Wenn ein steinzeitlicher Jäger einem Säbelzahntiger begegnete, waren seine Chancen, mit dem Leben davonzukommen, sehr klein, aber wenn die Menschen in Gruppen auf die Jagd gingen, überlebte wahrscheinlich die Mehrheit von ihnen. Einzelgänger wurden getötet und hinterließen weniger Nachkommen. Da Angehörige von Gruppen mit größerer Wahrscheinlichkeit überlebten, ging die Neigung, sich Gruppen anzuschließen, offenbar in unser Erbgut ein.

Unsere Gesellschaft verherrlicht den freien Willen, aber unter der dünnen Fassade der Zivilisation tragen wir viele primitive Impulse in uns. Wir wollen uns um der Sicherheit willen Gruppen anschließen und von starken Anführern geleitet werden. Je größer die Ungewissheit, umso stärker unser Wille, mitzumachen und zu folgen.

In den Schluchten der Wall Street streifen keine Säbelzahntiger umher, aber das finanzielle Überleben ist in Gefahr. Der Wert einer Position steigt und fällt durch die Käufe und Verkäufe von völlig fremden Menschen. Angst kommt auf, weil man die Preise nicht unter Kontrolle hat. Diese Unsicherheit lässt die meisten Trader nach einem Anführer suchen, der ihnen sagt, was sie tun sollen.

Auch wenn man rational beschlossen hat, long oder short zu gehen, wird man in dem Augenblick, in dem man den Trade eingeht, von der Masse aufgesogen. Man verliert nach und nach seine Eigenständigkeit, wenn man mit Adleraugen die Kurse beobachtet und wenn man euphorisch wird, wenn sie sich wie gewünscht entwickeln, oder deprimiert ist, wenn sie gegen einen laufen. Wenn man Verlustpositionen impulsiv aufstockt oder dreht, hat man ein Problem. Man verliert seine Eigenständigkeit, wenn man anfängt, Gurus mehr zu vertrauen als sich selbst, und man sich nicht an den eigenen Trading-Plan hält. Wenn Sie merken, dass Ihnen das passiert, versuchen Sie, wieder zur Vernunft zu kommen. Wenn Sie die Fassung nicht zurückgewinnen können, steigen Sie aus Ihren Trades aus und bleiben Sie neutral.

Die Mentalität der Masse

Wenn sich Menschen Massen anschließen, wird ihr Denken primitiv und sie neigen eher dazu, spontan zu handeln. Massen schlagen von Furcht in Fröhlichkeit um, von Panik in Euphorie. Ein Wissenschaftler kann in seinem Labor cool und rational sein, aber haarsträubende Trades tätigen, nachdem er sich von der Massenhysterie des Marktes hat mitreißen lassen. Eine Gruppe kann einen regelrecht aufsaugen, ob man nun von einem überfüllten Brokerbüro aus oder von einem entlegenen Berggipfel aus tradet. Wenn man seine Trading-Entscheidungen von anderen beeinflussen lässt, gehen die Erfolgschancen in Rauch auf.

Für einen prähistorischen Jäger war die Gruppenloyalität überlebenswichtig. Ein Gewerkschaftsbeitritt kann einem inkompetenten Arbeitnehmer, der keine Leistung bringt, sogar den Job retten. Am Markt ist das anders: Sich einer Gruppe anzuschließen schadet einem eher.

Viele Trader sind verwirrt, wenn die Märkte sofort drehen, nachdem sie eine verlustbringende Position abgestoßen haben. Das passiert, weil die Angehörigen der Masse von der gleichen Furcht ergriffen sind – und alle stoßen ihre Positionen gleichzeitig ab. Sobald der Verkaufsschub vorbei ist, bleibt dem Markt nur noch die Richtung nach oben. Am Markt hält wieder Optimismus Einzug, die Masse vergisst ihre Angst, sie wird gierig und gerät erneut in einen Kaufrausch.

Die Masse ist größer und stärker als man selbst. Egal, wie intelligent man ist, man darf nicht mit der Masse streiten. Man hat nur eine Wahl – sich der Masse anschließen oder eigenständig handeln.

Massen sind primitiv und auch die Trading-Strategien sollten simpel sein. Um eine gewinnbringende Trading-Strategie zu konstruieren, braucht man kein Raketenwissenschaftler zu sein. Wendet sich der Trade gegen einen, muss man seine Verluste begrenzen und sich aus dem Staub machen. Legen Sie sich nie mit der Masse an – setzen Sie einfach Ihr Urteilsvermögen ein, um zu entscheiden, wann Sie mitmachen und wann Sie weglaufen.

Ihre menschliche Natur verleitet Sie dazu, unter Stress Ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Wenn Sie einen Trade eingegangen sind, verspüren Sie den Wunsch, andere nachzuahmen und objektive Signale zu übersehen. Deshalb müssen Sie Ihr Handelssystem und Ihre Regeln für das Money-Management schriftlich festhalten. Sie stellen Ihre rationalen, individuellen Entscheidungen dar, die Sie getroffen haben, bevor Sie einen Trade eingegangen sind.

Wer übernimmt die Führung?

Ein unerfahrener Trader kann intensive Freude empfinden, wenn sich die Kurse in die gewünschte Richtung bewegen. Er kann wütend, deprimiert und ängstlich werden, wenn sich die Kurse gegen ihn wenden, und dann verängstigt abwarten, was der Markt als Nächstes tun wird. Wenn sich Trader gestresst oder bedroht fühlen, werden sie zu Angehörigen der Masse. Unter dem Hagel der Emotionen verlieren sie ihre Eigenständigkeit und fangen an, andere Mitglieder der Gruppe nachzuahmen, vor allem den Anführer der Gruppe.

Wenn Kinder Angst haben, wollen sie von ihren Eltern und anderen Erwachsenen gesagt bekommen, was sie tun sollen. Diese Haltung übertragen sie auf Lehrer, Ärzte, Pfarrer, Chefs und diverse Fachleute. Trader wenden sich Gurus zu, Anbietern von Handelssystemen, Zeitungskolumnisten und anderen „Marktführern“. Aber wie es Tony Plummer in seinem Buch „Forecasting Financial Markets“ so glänzend dargelegt hat, ist die wichtigste führende Kraft am Markt der Preis.

Der Preis ist der Anführer der Börsenmassen. Trader in aller Welt verfolgen die Upticks und Downticks. Es ist, als würde der Preis den Tradern sagen: „Folge mir, dann zeige ich dir den Weg zum Reichtum.“ Die meisten Trader halten sich selbst für unabhängig. Nur wenige begreifen, wie sehr sie sich auf das Verhalten des Anführers ihrer Gruppe konzentrieren.

 

Ein Trend, der zu den eigenen Gunsten verläuft, steht für einen starken, großzügigen Elternteil, der einen zu einer Mahlzeit ruft. Ein Trend, der gegen einen läuft, fühlt sich an wie ein wütender, strafender Elternteil. Wenn einen solche Gefühle erfassen, kann man leicht objektive Signale übersehen, die einem sagen, dass man an einem Trade festhalten oder aus ihm aussteigen sollte. Man kann glücklich oder erschrocken sein, verhandeln oder um Verzeihung bitten – und dabei den rationalen Akt vermeiden, die Realität zu akzeptieren und aus einem verlustbringenden Trade auszusteigen.

Unabhängigkeit

Man muss seine Trades auf einen sorgfältig vorbereiteten Plan gründen, anstatt sich als Reaktion auf Preisveränderungen hineinzustürzen. Ein ordentlicher Plan ist ein schriftlicher Plan. Man muss genau wissen, unter welchen Bedingungen man in einen Trade einsteigt und wieder aussteigt. Treffen Sie keine spontanen Entscheidungen, wenn Sie dafür anfällig sind, sich von der Masse aufsaugen zu lassen.

Man kann als Trader nur dann erfolgreich sein, wenn man als Individuum denkt und handelt. Das schwächste Glied jedes Handelssystems ist der Trader selbst. Wenn Trader planlos handeln oder von ihren Plänen abweichen, scheitern sie. Pläne werden von vernünftig nachdenkenden Individuen erstellt. Impulsive Trades werden von verschwitzten Gruppenangehörigen getätigt.

Man muss sich beim Traden selbst beobachten und Veränderungen seines geistigen Zustands bemerken. Schreiben Sie den Grund auf, einen Trade einzugehen, und die Regeln für den Ausstieg einschließlich Regeln für das Money-Management. Während Sie eine offene Position haben, dürfen Sie Ihren Plan nicht ändern.

Die Sirenen waren in der griechischen Mythologie Geschöpfe, die so schön sangen, dass die Seefahrer über Bord sprangen und zu ihnen schwammen, dann aber getötet wurden. Als Odysseus den Sirenengesang hören wollte, befahl er seiner Mannschaft, sich die Ohren mit Bienenwachs zu verstopfen, ihn selbst aber an den Mast zu binden. So hörte Odysseus den Sirenengesang, ohne umzukommen, denn er konnte ja nicht über Bord springen. Man sichert sein Überleben als Trader, indem man sich bei schönem Wetter selbst an den Mast eines Trading-Plans und von Money-Management-Regeln kettet.

Eine positive Gruppe

Man braucht kein Einsiedler zu sein – die Impulsivität der Masse zu umschiffen bedeutet nicht, dass man in völliger Einsamkeit traden müsste. Zwar ziehen manche diesen Weg vor, aber es kann auch intelligente und produktive Gruppen geben. Deren wichtigstes Kennzeichen muss sein, dass sie unabhängige Entscheidungen treffen.

Dieses Konzept wird in einem Buch mit dem Titel „Die Weisheit der Vielen“ von dem Finanzjournalisten James Surowiecki deutlich erklärt. Er erkennt an, dass die Mitglieder der meisten Gruppen einander ständig gegenseitig beeinflussen und dadurch Wellen gemeinsamer Gefühle und Handlungen erzeugen. Bei einer intelligenten Gruppe ist das anders: Alle Mitglieder treffen eigenständige Entscheidungen, ohne zu wissen, was die anderen tun. Anstatt gegenseitig aufeinander Einfluss auszuüben und emotionale Wellen zu erzeugen, profitieren Angehörige einer intelligenten Gruppe davon, dass sie ihr Wissen und ihre Kompetenz kombinieren. Die Funktion des Leiters einer solchen Gruppe ist es, diese Struktur aufrechtzuerhalten und individuelle Entscheidungen zur Abstimmung zu bringen.

Im Jahr 2004, ein Jahr, bevor ich „Die Weisheit der Vielen“ las, baute ich eine Gruppe von Tradern in diesem Sinne auf. Diese leite ich nach wie vor gemeinsam mit meinem Freund Kerry Lovvorn – die Gruppe nennt sich SpikeTrade.

Wir veranstalten einen Trading-Wettbewerb, bei dem jede Runde eine Woche dauert. Nach Handelsschluss am Freitag wird der Teil der Website, in dem zu sehen ist, wer welche Aktien auswählt, bis Sonntag 15 Uhr für die Mitglieder unsichtbar gemacht. In dieser Zeit kann jedes Gruppenmitglied eine Lieblingsaktie für die nächste Woche angeben – ohne zu wissen, was die anderen Gruppenmitglieder machen. Am Sonntagnachmittag wird der Bereich mit den ausgewählten Aktien wieder geöffnet, sodass alle Mitglieder alle Aktien sehen. Das Rennen beginnt am Montag und endet am Freitag, dann bekommen die Gewinner ihre Preise.

Die ganze Woche über tauschen die Mitglieder Kommentare aus und beantworten Fragen. Die Website ist so angelegt, dass sie zur Kommunikation ermuntert – außer an den Wochenenden, da muss jeder eigenständig arbeiten. Die Ergebnisse führender Gruppenmitglieder, die auf der Website gepostet werden, sind spektakulär.

Der springende Punkt ist, dass alle Entscheidungen über die Aktienauswahl und die Richtung einsam getroffen werden müssen, ohne dass man sieht, was die Leiter oder die anderen Gruppenmitglieder machen. Der Informationsaustausch beginnt, nachdem alle Stimmen abgegeben sind. Diese Kombination aus unabhängiger Entscheidungsfindung und Austausch bringt die „Weisheit der Vielen“ hervor, sie zapft die kollektive Klugheit der Gruppe und ihrer Leiter an.

15. Die Psychologie von Trends

Jeder Preis stellt einen momentanen Konsens der Marktteilnehmer über den Wert dar. Jeder Tick gibt die neueste Abstimmung über den Wert eines Handelsinstruments wieder. Jeder Trader kann „seinen Senf dazugeben“, indem er eine Kauf- oder Verkaufsorder aufgibt oder indem er sich auf dem aktuellen Niveau zu handeln weigert.

Jeder Kursbalken beziehungsweise jede Kerze gibt einen Kampf zwischen Bullen und Bären wieder. Haben die Käufer ein stark bullishes Gefühl, kaufen sie eifriger und schieben die Märkte nach oben. Haben die Verkäufer ein stark bearishes Gefühl, verkaufen sie aktiver und drücken die Märkte nach unten.

Charts sind Fenster zur Massenpsychologie. Wenn man Charts analysiert, analysiert man das Verhalten von Handel treibenden Massen. Technische Indikatoren tragen dazu bei, diese Analyse objektiver zu machen.

Technische Analyse ist gewinnorientierte Sozialpsychologie.

Starke Gefühle

Wenn man einen Trader fragt, warum ein Preis gestiegen ist, bekommt man wahrscheinlich eine Standardantwort – mehr Käufer als Verkäufer. Das stimmt aber nicht. Die Anzahl der Aktien oder Terminkontrakte, die in einem Markt gekauft und verkauft werden, ist immer gleich.

Wenn man 100 Google-Aktien kaufen will, muss sie einem jemand verkaufen. Wenn man 200 Amazon-Aktien verkaufen will, muss sie einem jemand abkaufen. Deshalb ist die Zahl der gekauften und verkauften Aktien an der Börse gleich. Auch ist die Zahl der Long- und Short-Positionen an den Terminmärkten immer gleich groß. Die Kurse bewegen sich nicht wegen unterschiedlicher Anzahlen nach oben oder nach unten, sondern weil sich die Intensität von Gier und Angst unter den Käufern und Verkäufern ändert.

Zeigt der Trend nach oben, werden die Bullen optimistisch und haben nichts dagegen, ein bisschen mehr zu bezahlen. Sie kaufen teuer, weil sie erwarten, dass die Kurse noch weiter steigen. Die Bären haben in einem Aufwärtstrend Angst und sind erst bei einem höheren Preis zum Verkaufen bereit. Wenn gierige, optimistische Bullen auf ängstliche, defensive Bären treffen, steigt der Markt. Je stärker ihre jeweiligen Gefühle, umso steiler der Anstieg. Der Anstieg endet erst, wenn die Bullen ihren Enthusiasmus zu verlieren beginnen. Wenn die Preise abrutschen, fühlen sich die Bären optimistisch und haben nichts daran auszusetzen, zu niedrigeren Preisen zu shorten. Die Bullen sind dann ängstlich und nur mit Abschlag kaufbereit. Während sich die Bären wie Gewinner fühlen, verkaufen sie weiterhin zu niedrigeren Preisen und der Abwärtstrend setzt sich fort. Er endet, wenn die Bären beginnen, vorsichtiger zu werden und sich zu weigern, zu niedrigeren Preisen zu verkaufen.

Anstiege und Rückgänge

Nur wenige Trader sind rein rationale Menschen. An den Märkten gibt es eine Menge Emotionen. Die meisten Marktteilnehmer äffen andere nach. Von den Wellen der Angst oder Gier lassen sich Bullen und Bären mitreißen.

Wie steil ein Kursanstieg verläuft, hängt davon ab, wie sich die Trader fühlen. Wenn sich die Käufer nur ein bisschen stärker als die Verkäufer fühlen, steigt der Markt langsam. Wenn sie sich viel stärker fühlen als die Verkäufer, steigt der Markt schnell. Aufgabe eines Technischen Analysten ist es, herauszufinden, wann die Käufer stark sind und wann ihnen die Luft ausgeht.

Leerverkäufer haben das Gefühl, in der Falle zu sitzen, wenn die Märkte steigen, denn dann schmelzen ihre Gewinne zusammen und verwandeln sich in Verluste. Wenn die Shortseller hektisch eindecken, kann ein Kursanstieg parabolisch verlaufen. Angst ist eine viel stärkere Emotion als Gier.2 Rallyes, die durch das Eindecken von Shortpositionen angetrieben werden, sind zwar besonders steil, halten sich aber nicht sehr lange.

Märkte fallen, wenn unter den Bullen Angst und unter den Bären Gier herrscht. Normalerweise shorten Bären lieber im Laufe von Rallyes, aber wenn sie damit rechnen, an einem Kursrückgang viel Geld zu verdienen, haben sie auch nichts dagegen, auf dem Weg nach unten zu shorten. Ängstliche Käufer sind nur unterhalb des Marktpreises zu kaufen bereit. Solange die Leerverkäufer bereit sind, diese Nachfrage zu befriedigen, und zum Geldkurs verkaufen, setzt sich der Rückgang fort.

Wenn die Gewinne der Bullen zusammenschmelzen und sich in Verluste verwandeln, werden sie panisch und verkaufen zu fast jedem beliebigen Preis. Sie sind so sehr darauf aus, herauszukommen, dass sie die Geldkurse unterhalb des Marktpreises akzeptieren. Wenn Märkte von Panikverkäufen heimgesucht werden, können sie schnell absacken.

Preisschocks

Treue gegenüber dem Anführer ist der Leim, der Gruppen zusammenhält. Die Gruppenmitglieder erwarten, dass Anführer sie inspirieren und dass sie sie belohnen, wenn sie gut sind, sie aber auch bestrafen, wenn sie böse sind. Manche Anführer sind sehr autoritär, andere ziemlich demokratisch und ungezwungen, aber jede Gruppe hat einen Anführer – eine Gruppe ohne Anführer kann es nicht geben. Der Preis fungiert als Anführer der Massen an der Börse.

Gewinner fühlen sich belohnt, wenn sich die Preise zu ihren Gunsten entwickeln, und Verlierer fühlen sich bestraft, wenn sie gegen sie laufen. Die Angehörigen der Masse leben in dem glückseligen Unwissen, dass sie durch ihre Konzentration auf den Preis ihren eigenen Anführer schaffen. Trader, die sich von Kursen magnetisieren lassen, schaffen ihre eigenen Götzen.

Wenn der Trend nach oben zeigt, fühlen sich die Bullen von einem großzügigen Elternteil belohnt. Je länger ein Aufwärtstrend anhält, umso zuversichtlicher werden sie. Wenn das Verhalten eines Kindes belohnt wird, macht es weiterhin das, was es bisher gemacht hat. Wenn Bullen Geld verdienen, stocken sie ihre Long-Positionen auf. Während neue Bullen den Markt betreten, haben die Bären das Gefühl, für ihre Leerverkäufe bestraft zu werden. Viele von ihnen decken ihre Shorts ein, gehen long und schließen sich den Bullen an.

Die Käufe der glücklichen Bullen und die Eindeckungen der ängstlichen Bären treiben Aufwärtstrends noch weiter in die Höhe, aber dabei ist nur wenigen Tradern klar, dass sie selbst den Aufwärtstrend erzeugen und ihren eigenen Anführer einsetzen.

Irgendwann kommt es zu einem Preisschock – eine große Verkaufswelle sucht den Markt heim und es sind nicht genug Käufer da, um sie zu absorbieren. Der Aufwärtstrend geht in die Knie. Die Bullen fühlen sich schlecht behandelt, wie Kinder, deren Vater ihnen beim Essen eine Ohrfeige verpasst, aber die Bären fühlen sich ermutigt.

Ein Preisschock legt den Keim für die Umkehrung eines Aufwärtstrends. Selbst wenn sich der Markt erholt und ein neues Hoch erreicht, werden die Bullen nervöser und die Bären mutiger. Dieser fehlende Zusammenhalt in der dominierenden Gruppe und der wachsende Optimismus unter den Gegnern machen den Aufwärtstrend reif für die Wende. Mehrere technische Indikatoren zeigen Tops an, indem sie ein Muster bilden, das man als bearishe Divergenz bezeichnet (siehe Kapitel 4). Das passiert, wenn der Preis ein neues Hoch erreicht, der Indikator jedoch ein niedrigeres Hoch als beim vorherigen Preisanstieg markiert. Bearishe Divergenzen markieren das Ende von Aufwärtstrends und einige der besten Short-Gelegenheiten.

 

Wenn der Trend nach unten zeigt, fühlen sich die Bären wie brave Kinder, die gelobt und belohnt werden, weil sie so klug sind. Sie werden immer zuversichtlicher, sie stocken ihre Short-Positionen auf und der Abwärtstrend setzt sich fort. Weitere Bären betreten den Markt. Die Menschen bewundern Gewinner und die Finanzmedien interviewen im Laufe von Baissen ständig Bären.

Bullen machen in Abwärtstrends Verlust, sodass sie sich schlecht fühlen. Sie fangen an, ihre Positionen abzustoßen, und manche von ihnen wechseln die Seiten und schließen sich den Bären an. Ihre Verkaufstätigkeit drückt die Märkte nach unten.

Nach einer Weile werden die Bären zuversichtlich und die Bullen sind demoralisiert. Plötzlich kommt es zu einem Preisschock. Geballte Kauforders saugen sämtliche vorhandenen Verkaufsorders auf und schieben den Markt nach oben. Jetzt fühlen sich die Bären wie Kinder, deren Vater ihnen mitten in einer fröhlichen Mahlzeit eine gelangt hat.

Ein Preisschock legt den Keim für die bevorstehende Wende eines Abwärtstrends, weil die Bären ängstlicher und die Bullen mutiger werden. Wenn ein Kind zu bezweifeln beginnt, ob es den Weihnachtsmann gibt, fängt es selten an, wieder an ihn zu glauben. Selbst wenn sich die Bären wieder erholen und die Preise auf ein neues Tief fallen, helfen einem mehrere technische Indikatoren, ihre Schwäche zu erkennen, indem sie ein Muster bilden, das man als bullishe Divergenz bezeichnet. Es tritt auf, wenn der Preis auf ein neues Tief fällt, aber ein Indikator einen höheren Boden als nach dem vorherigen Rückgang markiert. Bullishe Divergenzen zeigen einige der besten Kaufgelegenheiten an.

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