Alles, was Sie über Trading wissen müssen

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Der Mythos des Kapitalmangels

Viele Verlierer meinen, sie würden erfolgreich traden, wenn sie ein größeres Depot hätten.

Die Menschen ruinieren ihre Depots entweder durch eine Serie von Verlusten oder durch einen einzigen abgrundtief schlechten Trade. Es kommt oft vor, dass der Markt, nachdem die Position eines Verlierers geschlossen wurde, weil er eine Nachschussforderung nicht erfüllen konnte, dreht und sich in die Richtung entwickelt, die der Verlierer erwartet hatte. Nun schäumt er vor Wut – hätte er nur eine Woche länger überlebt, hätte er, statt zu verlieren, ein Vermögen verdient!

Solche Menschen schauen sich Trendwenden, die zu spät gekommen sind, an und meinen, diese würden ihre Trading-Methode bestätigen. Vielleicht gehen sie dann wieder ihrer Arbeit nach und sparen sich genug Geld zusammen oder sie leihen sich Geld, um wieder ein kleines Depot zu eröffnen. Und die Geschichte wiederholt sich: Der Verlierer wird ausradiert, der Markt dreht und „beweist“, dass er richtiggelegen hatte, wenn auch zu spät – wieder wurden seine Papiere verkauft. Nun wird eine Fantasievorstellung geboren: „Wenn ich nur ein größeres Depot gehabt hätte, dann hätte ich mich länger halten können und hätte gewonnen.“

Manche Verlierer beschaffen sich bei Freunden und Verwandten Geld, indem sie ihnen eine schriftliche Erfolgsbilanz vorlegen. Diese scheint zu belegen, dass sie große Gewinne erzielt hätten, wenn sie bloß mehr Geld gehabt hätten, mit dem sie hätten arbeiten können. Aber auch das zusätzliche Geld, das sie sich beschaffen, verlieren sie wieder – als würde der Markt sie auslachen!

Einem Verlierer mangelt es nicht an Kapital, sondern an Verstand. Ein Verlierer kann ein großes Depot fast genauso schnell vernichten wie ein kleines. Ein Bekannter von mir hat einmal an einem Tag mehr als 200 Millionen Dollar in die Luft gejagt. Sein Broker liquidierte sein Depot – und dann drehte der Markt. Er verklagte den Broker und sagte zu mir: „Hätte ich doch nur ein größeres Depot …“ Ein Depot mit 200 Millionen Dollar hatte offenbar nicht gereicht.

Das eigentliche Problem eines Verlierers ist nicht die Größe des Depots, sondern dass er sich übernimmt und schlampiges Money-Management betreibt. Er geht Risiken ein, die für sein Depot – mag es klein oder groß sein – zu groß sind. Egal, wie gut sein System auch sein mag, ein paar schlechte Trades hintereinander treiben ihn garantiert in den Bankrott.

Amateure rechnen nicht mit Verlusten und sind nicht auf den Umgang mit Verlusten vorbereitet. Sich über zu wenig Kapital zu beklagen ist eine Ausrede, mit der sie sich vor zwei schmerzlichen Wahrheiten drücken: Sie haben keinen realistischen Money-Management-Plan und es mangelt ihnen an Disziplin.

Ein Trader, der überleben und gedeihen will, muss seine Verluste kontrollieren. Das macht man, indem man für jeden einzelnen Trade nur einen kleinen Bruchteil seines Kapitals einsetzt (siehe Kapitel 9, „Risikomanagement“). Lernen Sie aus wenig kostspieligen Fehlern in einem kleinen Depot!

Einen Vorteil hat ein großes Trading-Depot allerdings: Die Kosten für Ausrüstung und Dienstleistungen machen dann einen kleineren Teil des verfügbaren Geldes aus. Wer ein Vermögen von einer Million besitzt und 5.000 Euro für Kurse ausgibt, steht dadurch nur ein halbes Prozent im Minus. Die gleiche Ausgabe würde für einen Trader, der 20.000 Euro im Depot liegen hat, tödliche 25 Prozent bedeuten.

Der Mythos des Autopiloten

Trader, die an den Mythos des Autopiloten glauben, sind überzeugt, das Streben nach Wohlstand lasse sich automatisieren. Manche Menschen versuchen, selbst ein automatisches Handelssystem zu entwickeln, andere kaufen sich solche Systeme bei entsprechenden Anbietern. Menschen, die jahrelang ihre Fähigkeiten als Rechtsanwälte, Ärzte oder Geschäftsleute verfeinert haben, legen Tausende Euro für Kompetenzkonserven hin. Meistens verleitet sie Gier, Faulheit und mathematische Unterbelichtung dazu.

Früher wurden Systeme auf Papier verbreitet, heutzutage lädt man sie auf einen Computer herunter. Manche sind primitiv, andere sind ausgeklügelt und beinhalten Optimierungsregeln und sogar Regeln für das Money-Management. Viele Trader geben Tausende Euro für die Suche nach einem Zaubermittel aus, das ein paar Seiten Programmcode in einen endlosen Geldstrom verwandelt. Wer Geld für automatische Handelssysteme ausgibt, macht es wie die Ritter, die im Mittelalter Alchemisten für das Geheimnis bezahlten, wie man unedle Metalle in Gold verwandelt.

Komplexe menschliche Aktivitäten lassen sich nicht automatisieren. Die computergestützten Lernsysteme ersetzen die Lehrer nicht und die Steuersoftwares sorgen nicht für Arbeitslosigkeit unter den Steuerberatern. Die meisten menschlichen Aktivitäten erfordern den Einsatz des Urteilsvermögens; dabei können Maschinen und Systeme die Menschen unterstützen, nicht aber sie ersetzen.

Gäbe es ein erfolgreiches automatisches Handelssystem, könnte man sich, wenn man es gekauft hat, auf Tahiti niederlassen und den Rest seines Lebens nach Lust und Laune verbringen, während einem der Broker regelmäßig Geld überweist. Doch bislang sind die einzigen Menschen, die mit Handelssystemen Geld verdienen, diejenigen, die sie verkaufen. Dabei handelt es sich um eine kleine, aber bunte Heimarbeitsbranche. Aber wenn die Systeme funktionieren würden, warum sollten sie sie dann überhaupt verkaufen? Sie könnten doch selbst nach Tahiti ziehen und sich von ihren Brokern Geld überweisen lassen! Dazu hat jeder Systemanbieter einen Spruch parat. Manche sagen, dass sie lieber programmieren als traden, andere behaupten, sie würden ihre Systeme nur zur Kapitalbeschaffung oder gar aus Liebe zur Menschheit verkaufen.

Die Märkte verändern sich ständig und schlagen jedes automatische Handelssystem. Die strengen Regeln von gestern funktionieren heute schon nicht mehr so gut und morgen wahrscheinlich gar nicht mehr. Ein fähiger Trader kann seine Methoden anpassen, sobald er ein Problem bemerkt. Ein automatisches System ist nicht so anpassungsfähig und vernichtet sich selbst.

Fluggesellschaften zahlen ihren Piloten hohe Gehälter, obwohl sie Autopiloten haben. Das tun sie, weil Menschen mit unvorhergesehenen Ereignissen umgehen können. Wenn einem Verkehrsflugzeug über dem Pazifik das Dach wegfliegt oder wegen einer Schar Gänse über Manhattan beide Triebwerke ausfallen, kann nur ein Mensch die Krise bewältigen. Die genannten Notfälle gingen durch die Presse und in beiden Fällen gelang es den erfahrenen Piloten, ihre Flugzeuge mithilfe improvisierter Lösungen zu landen. Kein Autopilot schafft das. Sein Geld auf ein automatisches Handelssystem zu verwetten ist genauso, als würde man sein Leben einem Autopiloten anvertrauen. Das erstbeste unvorhergesehene Ereignis lässt das Depot einbrechen und in Flammen aufgehen.

Es gibt durchaus gute Handelssysteme, aber man muss sie anhand seines persönlichen Urteilsvermögens überwachen und anpassen. Man muss immer am Ball bleiben – man kann die Verantwortung für seinen Erfolg nicht auf ein mechanisches System abwälzen.

Trader mit Autopilot-Fantasien versuchen das Gefühl wieder zu erleben, das sie als Babys hatten. Ihre Mütter befriedigten alle ihre Bedürfnisse nach Nahrung, Wärme und Behaglichkeit. Jetzt versuchen sie, das Erlebnis nachzubilden, untätig auf dem Rücken zu liegen und die Gewinne wie einen Strom kostenloser warmer Milch zu sich fließen zu lassen. Der Markt ist jedoch nicht ihre Mutter! Er besteht aus toughen Männern und Frauen, die es darauf abgesehen haben, ihnen Geld abzunehmen – nicht, ihnen warme Milch in den Mund zu gießen.

Personenkult

Die meisten Menschen reden gern über ihren Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit, aber wenn sie unter Druck geraten, erweist sich das als Lippenbekenntnis, sie singen nun ein anderes Lied und suchen nach einer „starken Führung“. In Not geratene Trader suchen oft bei diversen Gurus nach Anweisungen.

Als ich in der Sowjetunion aufwuchs, wurde den Kindern beigebracht, Stalin sei unser großer Führer. Später merkten wir, welch ein Ungeheuer er war, aber solange er lebte, folgten die meisten Menschen freudig dem Führer. Er entband alle von der Notwendigkeit, selbst zu denken.

In allen Bereichen der Gesellschaft wurden „kleine Stalins“ installiert – Wirtschaft, Biologie, Architektur und so weiter. Als ich in die Vereinigten Staaten kam und an den Märkten zu handeln begann, erstaunte es mich, wie viele Trader auf der Suche nach einem Guru waren – nach ihrem eigenen „kleinen Stalin“. Die Fantasievorstellung, jemand anders könne uns reich machen, begleitet uns stets.

An den Finanzmärkten gibt es drei Sorten von Gurus: Marktzyklus-Gurus, Zaubermethoden-Gurus und tote Gurus. Die Zyklus-Gurus sagen bedeutende Wendepunkte von Märkten voraus. Die Zaubermethoden-Gurus werben für neue Königswege zum Reichtum. Wieder andere sind der Kritik enthoben und haben sich eine gläubige Anhängerschaft verschafft, indem sie schlicht aus dieser Welt geschieden sind.

Marktzyklus-Gurus

Seit vielen Jahrzehnten hält sich der US-amerikanische Aktienmarkt im Allgemeinen an einen 4-Jahres-Zyklus. Normalerweise steigt er zweieinhalb oder drei Jahre lang und fällt dann ein oder anderthalb Jahre. In fast jedem dieser großen Zyklen taucht ein neuer Marktzyklus-Guru auf, also alle vier Jahre einer. Der Ruhm eines solchen Gurus hält meistens zwei oder drei Jahre lang. Die Herrschaftszeit jedes Gurus fällt jeweils mit einer großen Hausse in den Vereinigten Staaten zusammen.

 

Ein Marktzyklus-Guru sagt Anstiege und Rückgänge voraus. Jede zutreffende Vorhersage mehrt seinen Ruhm und veranlasst noch mehr Menschen, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen, wenn er seine Verkündigungen ausspricht. So ein Marktzyklus-Guru pflegt eine Lieblingstheorie über die Märkte. Diese Theorie – ob es dabei nun um Zyklen, um das Handelsvolumen, um Elliott-Wellen oder was auch immer geht – wurde gewöhnlich ein paar Jahre vor dem Zeitpunkt entwickelt, zu dem sie zu Berühmtheit gelangt. Zunächst weigert sich der Markt, der geliebten Strategie eines aufstrebenden Gurus zu folgen. Dann verändert sich der Markt und läuft mehrere Jahre im Einklang mit den Prognosen des Gurus. In dieser Zeit steigt der Stern des Gurus hoch über dem Marktplatz auf.

Vergleichen Sie das einmal mit dem, was mit Models passiert, wenn sich der Geschmack der Allgemeinheit ändert. In einem Jahr sind Blondinen angesagt, im nächsten Jahr Rothaarige. Auf einmal wird der blonde Star vom letzten Jahr nicht mehr für den Titel einer großen Zeitschrift gebucht. Das Model verändert sich nicht – nur der Geschmack ändert sich.

Gurus tummeln sich immer an den Rändern der Marktanalyse. Niemals sind sie etablierte Analysten. Mitarbeiter von Institutionen gehen auf Nummer sicher – sie lehnen sich nicht gern aus dem Fenster – und erzielen fast nie spektakuläre Ergebnisse. Ein Marktzyklus-Guru ist ein Außenseiter mit einer einzigartigen Theorie.

Ein Guru bleibt so lange berühmt, wie sich der Markt seiner Theorie entsprechend verhält – meistens nicht über die Dauer des vierjährigen Marktzyklus. Zu irgendeinem Zeitpunkt ändert sich der Markt und tanzt nach einer anderen Pfeife. Der Guru wendet weiterhin die alten Methoden an, die früher so gut funktionierten, und verliert seine Gefolgschaft. Sobald die Prognosen des Gurus nicht mehr funktionieren, schlägt die allgemeine Bewunderung in Hass um. Ein diskreditierter Marktzyklus-Guru kann unmöglich erneut zum Star werden.

Alle Marktzyklus-Gurus haben ein paar Dinge gemeinsam. Sie werden im Vorhersagegeschäft schon ein paar Jahre vor dem Zeitpunkt tätig, zu dem sie Berühmtheit erlangen. Jeder hat eine einzigartige Theorie, ein paar Anhänger und dank seines schieren Überlebens im Beratungsgeschäft eine gewisse Glaubwürdigkeit. Die Tatsache, dass die Theorie jedes Gurus einige Jahre lang nicht funktioniert hat, wird von seinen Anhängern ignoriert. Wenn die Theorie zutreffend wird, fällt es den Massenmedien auf. Wenn eine Theorie aufhört, zu funktionieren, verwandelt sich die Lobhudelei der Massen in Hass.

Wenn Sie erkennen, dass ein erfolgreicher neuer Guru aufkommt, kann es durchaus gewinnbringend sein, auf seinen Zug aufzuspringen. Noch wichtiger ist allerdings, dass man erkennt, wann ein Guru seinen Höhepunkt erreicht hat. Alle Gurus stürzen irgendwann – und per Definition stürzen sie vom Gipfel ihres Ruhmes ab. Wenn ein Guru bei den Massenmedien auf Akzeptanz stößt, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass er den Scheitelpunkt erreicht hat. Die gängigen Medien hüten sich vor Außenseitern. Wenn mehrere Massenblätter einem angesagten Börsenguru Raum bieten, weiß man, dass sein Ende nahe ist. Es liegt in der Natur der Massenpsychologie, dass weiterhin neue Gurus auftauchen werden.

Zaubermethoden-Gurus

Während Zyklus-Gurus eher am Aktienmarkt zu Hause sind, sind „Methoden-Gurus“ an den Derivatemärkten stärker vertreten. Ein solcher Methoden-Guru taucht unvermutet auf der Bühne der Finanzwelt auf, sobald er eine neue Analysemethode oder Handelsmethode entdeckt hat.

Trader sind immer auf der Suche nach einem Vorsprung, nach einem Vorteil gegenüber ihren Trader-Kollegen. Wie Ritter beim Schwertkauf sind sie bereit, für ihre Trading-Tools ordentlich zu blechen. Kein Preis ist ihnen zu hoch, wenn sie dadurch eine Geldader anzapfen können.

Ein Zaubermethoden-Guru verkauft einen Satz neuer Schlüssel zu Börsengewinnen – Aktionslinien, Zyklen, Marktprofil und so weiter. Er kann anfänglich einen Vorteil bringen, aber sobald sich genug Menschen mit einer neuen Methode vertraut machen und sie an den Märkten ausprobieren, wird sie unweigerlich schlechter und verliert ihre Popularität wieder. Stets schleifen die Märkte den Vorsprung jeder Methode ab und etwas, das gestern noch funktioniert hat, funktioniert heute mit geringerer Wahrscheinlichkeit und in einem Jahr höchstwahrscheinlich gar nicht mehr.

Seltsamerweise verändern sich sogar in unserem Zeitalter der globalen Kommunikation Reputationen nur langsam. Ein Guru, dessen Image im eigenen Land ruiniert ist, kann damit Geld verdienen, seine Theorie im Ausland zu verhökern. Das hat mir einmal ein Guru erklärt, der seine spätere Popularität in Asien mit dem Schicksal verblasster amerikanischer Gesangs- und Filmstars verglich. In den Vereinigten Staaten können sie kein Publikum mehr anlocken, aber von Auftritten im Ausland können sie noch leben.

Tote Gurus

Die dritte Sorte von Börsengurus sind tote Gurus. Die Bücher eines toten Gurus werden neu aufgelegt, seine Börsenlehrgänge werden von neuen Generationen begieriger Trader unter die Lupe genommen und die Legende von den Großtaten und vom Reichtum des teuren dahingeschiedenen Analysten wächst posthum heran. Der tote Guru weilt nicht mehr unter uns und kann aus seinem Ruhm keinen Nutzen mehr ziehen. Nun profitieren andere Werber von seiner Reputation und seinem abgelaufenen Copyright. Einer dieser dahingeschiedenen Gurus ist R. N. Elliott, aber das beste Beispiel für solche Legenden ist W. D. Gann.

Diverse Abstauber verkaufen „Gann-Kurse“ und „Gann-Software“. Sie behaupten, Gann sei einer der besten Trader, die je gelebt haben, er habe 50 Millionen Dollar hinterlassen und so weiter. Ich habe mit W. D. Ganns Sohn gesprochen, der bei einer Bostoner Bank als Analyst arbeitet. Er berichtete mir, sein berühmter Vater habe seine Familie nicht durch das Traden ernähren können, sondern habe sein Geld mit dem Verfassen und Verkaufen von Lehrgängen verdient. Er konnte sich keine Sekretärin leisten und ließ daher seinen Sohn für sich arbeiten. Als W. D. Gann in den 1950er-Jahren verstarb, wurde sein Nachlass einschließlich seines Hauses auf etwas über 100.000 Dollar taxiert. Die Legende von W. D. Gann als Gigant des Tradings wird von denjenigen am Leben erhalten, die ihren leichtgläubigen Kunden Kurse und andere Kultartikel verkaufen.

Die Jünger von Gurus

Ein Guru muss ein paar Jahre lang eigenes Forschungsmaterial produzieren und dann das Glück haben, dass der Markt auf seinen Kurs einschwenkt. Manche Gurus sind tot und bei den lebenden reicht das Spektrum von ernsthaften Wissenschaftlern bis hin zu großartigen Schaustellern. Als Lektüre über Skandale im Zusammenhang mit vielen Gurus empfehle ich „Winner Take All“ von William R. Gallacher.

Wenn man einem Guru Geld bezahlt, rechnet man damit, dafür mehr zurückzubekommen, als man ausgegeben hat. Damit benimmt man sich wie jemand, der an der Straßenecke gegen einen Hütchenspieler wettet und hofft, er werde mehr gewinnen, als er auf die umgedrehte Kiste gelegt hat. Einen solchen Köder schlucken nur Unwissende und Gierige.

Manche Menschen wenden sich auf der Suche nach einer starken Führungspersönlichkeit einem Guru zu. Sie suchen nach einem allwissenden Ernährer, einer Art Elternfigur. Ein Freund hat es einmal so formuliert: „Die laufen mit ihrer Nabelschnur in der Hand durch die Gegend und suchen eine Stelle, an der sie sie einstöpseln können.“ Ein schlauer Verkäufer bietet eine solche Anschlussmöglichkeit gegen eine Gebühr an.

Die Allgemeinheit will Gurus und es werden neue Gurus kommen. Als intelligenter Trader muss einem klar sein, dass einen auf lange Sicht kein Guru reich macht. Daran muss man schon selbst arbeiten.

Manchmal stellt mich, wenn ich einen Vortrag halte oder im Fernsehen auftrete, jemand als „berühmten Guru“ vor. Bei diesem Worten zucke ich zusammen und unterbreche die Vorstellung. Ein Guru ist jemand, der behauptet, er werde die Menschenmengen gegen eine Spende durch die Wüste führen. Bei mir gibt es keine solchen Anpreisungen!

Ich fange immer damit an, zu erklären, dass es keine magischen Methoden gibt und dass das Gebiet des Tradings ebenso riesig und vielfältig ist wie das der Medizin, wo man sich ein Fachgebiet aussuchen und hart arbeiten muss, um darin gut zu werden. Vor langer Zeit habe ich mich für meinen Weg entschieden und wenn ich vor den Kursteilnehmern stehe, denke ich im Grunde einfach laut; so vermittle ich meine Researchmethoden und meine Entscheidungsprozesse.

Mit offenen Augen traden

Wunschdenken ist stärker als Geld. Neuere Forschungen belegen, dass die Menschen eine erstaunliche Fähigkeit besitzen, sich selbst zu belügen und vor der Wahrheit die Augen zu verschließen.

Dan Ariely, Professor an der Duke University, beschreibt ein kluges Experiment: Einer Gruppe von Menschen wird ein Intelligenztest ausgehändigt, aber der Hälfte von ihnen wird „zufällig“ ein Blatt mit Lösungen vorgelegt, sodass sie die richtigen Antworten nachlesen können, bevor sie sie eintragen. Es versteht sich von selbst, dass sie mehr Punkte erzielen als die anderen. Dann werden alle gebeten, ihre Punktzahl beim nächsten Intelligenztest vorherzusagen, bei dem es natürlich keinerlei Spickzettel geben wird – und diejenigen, die eine korrekte Prognose abgeben, sollen dafür Geld bekommen. Überraschenderweise sagte diejenige Hälfte der Gruppe, die dank der Spickzettel besser abgeschnitten hatte, auch für den nächsten Test bessere Ergebnisse voraus. Die Schummler wollten glauben, sie seien sehr klug, obwohl ihre falschen Vorhersagen sie Geld kosten würden.

Ein erfolgreicher Trader kann sich kein Wunschdenken leisten – er muss realistisch sein. An den Märkten gibt es keine Spickzettel – man sieht die Wahrheit in seinen Trading-Tagebüchern und in seinen Kapitalkurven.

Um an den Märkten zu gewinnen, muss man drei wesentliche Komponenten des Tradings beherrschen: robuste Psychologie, ein logisches Handelssystem und einen wirkungsvollen Risikomanagement-Plan. Sie sind wie die drei Beine eines Hockers – nimmt man eines weg, fällt der Hocker um. Sich ausschließlich auf Indikatoren und Handelssysteme zu konzentrieren ist ein typischer Anfängerfehler.

Man muss analysieren, wie man sich beim Traden fühlt, um zu gewährleisten, dass die Entscheidungen, die man trifft, solide sind. Die Trades müssen auf klar festgelegten Regeln beruhen. Man muss sein Money-Management so strukturieren, dass einen eine Verluststrähne nicht aus dem Spiel katapultiert.