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La San Felice Band 6

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San Felice seufzte.

»Als Du dem Prinzen verspracht, ihm zu folgen, glaubtest Du da, daß ich Dir nicht folgen würde?« fragte Luisa.

Eine Thräne fiel aus den Augen des Chevalier auf Luisa's Hand.

»Wenn Du dies gedacht hat, mein Freund,« fuhr sie mit einer sanften, schmerzlichen Bewegung des Kopfes fort, »so hast Du Dich geirrt. Mein sterbender Vater hat uns vereinigt, Gott hat unseren Bund gesegnet und nur der Tod kann uns trennen. Ich gehe mit Dir, mein lieber Freund.«

San Felice richtete rasch ein von Glück strahlendes Antlitz empor, und es war nun eine Thräne von Luisa, welche ihrerseits auf die Hand des Gatten fiel.

»Aber dann liebst Du mich also? Segen des gütigen Gottes! Dann liebst Du mich also?« rief der Chevalier.

»Mein Vater,« sagte Luisa, »Du bist undankbar gewesen. Bitte deine Tochter um Verzeihung.«

San Felice warf sich auf die Knie nieder und küßte die Hände seiner Tochter, während sie, die Augen gen Himmel richtend, murmelte:

»Nicht wahr, mein Gott, wenn ich nicht thäte, was ich thue, so wäre ich beider unwürdig?«

Sechstes Capitel.
Die beiden Admirale

Der Prinz Franz hatte, indem er San Felice die Flucht der königlichen Familie nach Sicilien als etwas Festbeschlossenes dargestellt, im Namen seines Vaters und seiner Mutter zu sprechen geglaubt, in der That und Wahrheit aber hatte er blos im Namen der Königin gesprochen.

Von dieser Seite war die Flucht wirklich beschlossen und man wollte sie um jeden Preis.

Der König dagegen, der, so blind er auch war und eben in Folge seiner Blindheit den Enthusiasmus eines Volkes sah, und die von hunderttausend Menschen ausgesprochenen Betheuerungen hörte, vom Ersten bis zum Letzten für ihn zu sterben, hatte wieder die Idee aufgenommen, seine Hauptstadt zu vertheidigen und von der Feigheit der Armee an die Thatkraft dieses Volkes zu appellieren, welches sich ihm so freiwillig darbot.

Er erhob sich daher am Morgen des 11. December, das heißt am Tage jenes unglaublichen Triumphs, welchem wir versucht haben, unsere Leser beiwohnen zu lassen, noch ohne festbestimmten Entschluß, sich aber mehr dem des Widerstandes als dem der Flucht zuneigend, als man ihm meldete, daß der Admiral Francesco Caracciolo seit einer halben Stunde sich im Vorzimmer befinde und darauf warte, daß es bei Seiner Majestät Tag werde.

Durch die Einflüsterungen der Königin aufgereizt, liebte Ferdinand den Admiral nicht, konnte aber nicht umhin, ihn zu achten. Sein bewunderungswürdiger Muth in verschiedenen Treffen, die er mit den Barbaresken bestanden, das Glück, womit er seine Fregatte, die »Minerva«, von der Rhede von Toulon hinweggeführt, als dieses den Engländern durch Bonaparte wieder abgenommen ward, die Kaltblütigkeit, welche er bei dem Schutze entwickelt, den er andern Schiffen angedeihen lassen, welche er, wenn auch durch Kugeln verstümmelt und durch den Sturm entmastet, ohne ein einziges zu verlieren, zurückgeführt, hatten ihm den Admiralsgrad erworben.

Man hat in den ersten Capiteln dieser Erzählung die Beweggründe gesehen, welche die Königin zur Beschwerde über den Admiral zu haben glaubte, und daß es ihr mit ihrer gewöhnlichen Gewandtheit gelungen war, den König ziemlich stark gegen ihn einzunehmen.

Ferdinand glaubte, Caracciolo käme jetzt, um von ihm die Begnadigung Nicolinos zu verlangen, der sein Neffe war, und erfreut, durch die falsche Stellung, in welche sich ein Mitglied seiner Familie gebracht, etwas zu haben, wobei er den Admiral fassen konnte, gab er Befehl, ihn sofort vorzulassen.

Der Admiral trat, mit seiner Galauniform bekleidet, ruhig und würdig ein, wie immer. Seine hohe sociale Stellung brachte seit vierhundert Jahren die Häupter seiner Familie in Berührung mit den Monarchen, welche sich auf dem Throne von Neapel gefolgt waren. Er verband daher mit jener hohen Würde jene vollkommene Courtoisie, wovon er der Königin eine Probe durch die doppelte Weigerung gegeben, welche er im Namen seiner Nichte und für sich selbst ausgesprochen, den Festlichkeiten beizuwohnen, welche der Hof dem Admiral Nelson gegeben.

Diese Courtoisie setzte, mochte sie kommen, von welcher Seite sie wollte, Ferdinand, bei welchem sie nicht die vorherrschende Eigenschaft war, stets ein wenig in Verlegenheit.

Als er daher sah, wie der Admiral ehrerbietig in einiger Entfernung stehen blieb und, der Etikette des Hofes gemäß, wartete, bis der König zuerst das Wort an ihn richten würde, hatte er nichts Eiligeres zu thun, als die Conversation mit dem Vorwurf zu eröffnen, den er gegen ihn vorzubringen hatte.

»Ah, sind Sie es, Herr Admiral!« sagte er. »Wie es, scheint, liegt Ihnen sehr viel daran, mich zu sprechen.«

»Allerdings, Sire,« antwortete Caracciolo, sich verneigend. »Ich hielt es für dringend nothwendig, die Ehre zu haben, bis zu Euer Majestät zu gelangen.«

»O, ich weiß schon, was Sie herführt,« sagte der König.

»Um so besser für mich, Sire,« sagte Caracciolo. »In diesem Falle ist es eine Gerechtigkeit, welche der König meiner Treue widerfahren läßt.«

»Ja, ja. Sie wollen für jenen Taugenichts von Nicolino, Ihren Neffen, sprechen, nicht wahr? Wie ich höre, hat er sich in eine schlimme Geschichte verwickelt, denn es handelt sich um nichts Geringeres, als um ein Hochverrathsverbrechen. Ich sage Ihnen aber im Voraus, daß jede Bitte, selbst die Ihrige, vergeblich sein, und daß die Gerechtigkeit ihren Verlauf haben wird.«

Ein Lächeln zeigte sich auf dem strengen Gesicht des Admirals.

»Eure Majestät irren sich,« sagte er. »Vor großen politischen Katastrophen treten kleine Familienunfälle in den Hintergrund. Ich weiß nicht und will nicht wissen, was mein Neffe gethan hat. Wenn er unschuldig ist, so wird seine Unschuld sich aus der Instruction des Processes ergeben, eben so wie die des Chevalier von Medici, des Herzogs von Canzano, Marie‘s Pogano und so vieler anderen Angeklagten ergeben hat, die man, nachdem man sie drei Jahre gefangen gehalten, der Freiheit hat zurückgeben müssen. Ist er dagegen schuldig, so wird die Gerechtigkeit ihren Gang gehen. Nicolino ist von edler Abkunft. Er wird das Recht haben, enthauptet zu werden, und Eure Majestät weiß, das Schwert ist eine so edle Waffe, daß sie selbst in den Händen des Henkers den, der davon getroffen wird, nicht entehrt.«

»Aber dann, sagte der König, nicht wenig erstaunt über diese so einfache und so ruhige Würde, von welcher seine Natur, sein Temperament, sein Charakter ihm keinen klaren Begriff gaben, »aber wenn Sie nicht gekommen sind, um von Ihrem Neffen zu sprechen, was haben Sie mir sonst zu melden?«

»Ich komme, Sire, um mit Ihnen von Ihnen selbst und dem Königreiche zu sprechen.«

»Aha,« sagte der König, »Sie kommen also, um mir gute Rathschläge zu geben?«

»Wenn Eure Majestät sich herabläßt, mich zu Rathe zu ziehen,« antwortete Caracciolo mit ehrerbietiger Kopfbewegung, »so werde ich mich glücklich und stolz schätzen, meine bescheidene Erfahrung zu Ihrer Verfügung zu stellen. Im entgegengesetzten Falle werde ich mich begnügen, Ihnen mein Leben und das der wackern Seeleute zu bieten, welche ich die Ehre habe zu befehligen.«

Der König würde sich gefreut haben, wenn er eine Gelegenheit gehabt hätte, sich zu erzürnen. Einer solchen Zurückhaltung und einer solchen Ehrerbietung gegenüber gab es aber keinen Vorwand zum Zorn.

»Hm!« sagte er, »hm!«

Nachdem er zwei oder drei Secunden geschwiegen, setzte er hinzu:

»Nun gut, Admiral, ich werde Sie zu Rathe ziehen.«

In der That wendete er sich auch schon nach Caracciolo, als ein durch die Thür der Gemächer eintretender Lakai sich dem König näherte und ihm in gedämpftem Tone einige Worte sagte, welche Caracciolo nicht hörte und auch nicht zu hören suchte.

»Ah, ah,« sagte der König, »er ist also da?»

»Ja, Sire, und er sagt, daß Eure Majestät ihm gestern in Caserta gesagt hätten, daß Sie ihn zu sprechen wünschten.«

»Das ist wahr.«

Dann wendete sich der König zu Caracciolo und setzte hinzu:

»Kann das, was Sie mir zu sagen haben, in Gegenwart eines Zeugen gesagt werden?«

»In Gegenwart der ganzen Welt, Sire.«

»Dann,« sagte der König, indem er sich wieder zu dem Lakai wendete, »laß ihn hereinkommen. Uebrigens, setzte er zu Caracciolo hinzu, »ist der Mann, welcher Eintritt begehrt, ein Freund, ja mehr als ein Freund – ein Bundesgenosse; es ist der berühmte Admiral Nelson.«

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür und der Diener rief in feierlichem Tone:

»Lord Horaz Nelson vom Nil, Baron von Buroham-Thorpes, Herzog von Bronte.«

Ein leichtes Lächeln, welches nicht frei von Bitterkeit war, umspielte bei der Aufzählung aller dieser Titel Caracciolo's Lippen.

Nelson trat ein. Er wußte nicht, daß schon Jemand bei dem König war. Er heftete sein graues Auge auf den Mann, der ihm im Cabinet des Königs zuvorgekommen, und erkannte den Admiral Caracciolo.

»Ich habe wohl nicht nöthig, Sie einander vorzustellen, meine Herren?« sagte der König. »Sie kennen sich.«

»Von Toulon her, ja, Sire,« sagte Nelson.

»Ich habe die Ehre, Sie schon länger zu kennen, Mylord, antwortete Caracciolo mit einer gewöhnlichen Courtoisie. »Ich kenne Sie seit dem Tage, wo Sie an der Küste von Canada mit einer Brigg sich gegen vier französische Fregatten schlugen und denselben durch ein Manöver entschlüpften, welches man bis dahin für unausführbar hielt. Es war dies, glaube ich, im Jahre 1786. Es sind also nun zwölf Jahre her.«

Nelson verneigte sich. Er, der rauhe Seemann, war mit dieser Sprache nicht vertraut.

»Mylord,« sagte der König, »der Admiral Caracciolo kommt, um mir eine Rathschläge in Bezug auf die Situation anzubieten. Sie kennen dieselbe. Setzen Sie sich und hören Sie, was der Admiral sagen wird. Wenn er fertig ist, so werden Sie antworten, wenn Sie etwas zu antworten haben. Nur sage ich Ihnen im Voraus, daß ich mich sehr freuen würde, wenn zwei so ausgezeichnete Männer, die sich auf die Kunst des Krieges so gut verstehen, einer und derselben Meinung wären.«

 

»Wenn Mylord, wie ich überzeugt bin,« sagte Caracciolo, »ein wahrer Freund des Königreichs ist, so hoffe ich, daß es in unsern Ansichten nur leichte Verschiedenheiten in Bezug auf das Einzelne geben kann, die uns nicht abhalten werden, in der Hauptsache übereinzustimmen.«

»Sprich, Caracciolo, sprich, sagte der König, indem er in die Gewohnheit der Könige von Spanien und Neapel, ihre Unterthanen zu dutzen, zurückverfiel.

»Gestern,« entgegnete der Admiral, »verbreitete sich in der Stadt das, wie ich hoffe, unverbürgte Gerücht, daß Euer Majestät, an der Vertheidigung Ihres festländischen Königreiches verzweifelnd, den Entschluß gefaßt hätten, sich nach Sicilien zurückzuziehen.«

»Und Du wärest wohl, wie es scheint, entgegengesetzter Meinung?«

»Sire,« antwortete Caracciolo, »ich bin jetzt und stets der Meinung, welche die Ehre gegen die Rathschläge der Schande geltend zu machen sucht. Es gilt die Ehre des Königreichs, Sire, und folglich auch die Ihres Namens und diese Ehre verlangt, daß Ihre Hauptstadt bis aufs Aeußerste vertheidigt werde.«

»Du weißt aber doch, wie unsere Sache steht?«

»Ja, Sire, ich weiß, daß sie schlecht steht, aber verloren ist sie noch nicht. Die Armee ist gesprengt, aber nicht vernichtet. Wenn Sie viertausend Tode und sechs bis achttausend Gefangene von zweiundfünfzigtausend Mann in Abzug bringen, so bleiben Ihnen noch vierzigtausend, das heißt eine Armee, die immer noch viermal stärker ist als die der Franzosen. Ueberdies hat Ihre Armee vor diesen den Vortheil, daß sie auf heimischem Boden kämpft, fast undurchdringliche Engpässe vertheidigt und von der Bevölkerung von zwanzig Städten und sechzig Dörfern unterstützt wird. Hierzu kommen noch drei ohne Belagerungsmaterial uneinnehmbare Festungen – Civitella del Tronto, Gaëta und Pescara, abgesehen von Capua, dem letzten Bollwerk von Neapel, bis wohin die Franzosen nicht einmal dringen werden.«

»Und würdest Du die Aufgabe, die Armee wieder zu sammeln, übernehmen?«

»Ja, Sire.«

»Dann erkläre mir, auf welche Weise. Du wirst mir damit Vergnügen machen.«

»Ich habe viertausend Seeleute unter meinen Befehlen, Sire. Es sind dies erprobte Leute, und nicht Soldaten von gestern, wie die Ihrer Landarmee. Geben Sie mir Befehl, Sire, und ich stelle mich sofort an die Spitze dieser Mannschaft. Tausend Mann werden den Paß von Itri nach Sessa vertheidigen, tausend den von Sora nach San Germano, tausend den von Castell di Sangro nach Isernia. Die tausend andern – Seeleute sind zu Allem zu gebrauchen, dies weiß Mylord Nelson besser als irgend Jemand, denn er hat mit den einigen Wunderdinge verrichtet – die tausend andern werden, in Pionniere verwandelt, diese drei Pässe befestigen und den Dienst von Artilleristen versehen. Mit ihnen halte ich, wäre es auch nur mittelt unserer Enterpiken, den Anprall der Franzosen, wie furchtbar er auch sein möge, aus, und wenn Ihre Soldaten sehen werden, wie die Seeleute sterben, Sire, so werden sie sich hinter diesen sammeln, besonders wenn Euer Majestät zur Stelle ist, um ihnen als Fahne zu dienen.«

»Und wer wird während dieser Zeit Neapel bewachen?«

»Der Kronprinz, Sire, und die achttausend Mann unter dem Befehl des Generals Maselli, welche Mylord Nelson nach Toscana geführt hat, wo sie jetzt nichts mehr zu thun haben. Mylord Nelson hat, glaube ich, einen Theil seiner Flotte in Livorno zurückgelassen. Er möge ein leichtes Schiff mit dem Befehle Seiner Majestät absenden, diese achttausend Mann frische Truppen nach Neapel zurückzuführen, und sie können mit Gottes Hilfe binnen acht Tagen hier sein. Sie sehen also, Sire, welche ungeheure Streitmacht Ihnen noch zur Verfügung steht – fünfundvierzig oder fünfzigtausend Mann Truppen, die Bevölkerung von dreißig Städten und fünfzig Dörfern, welche sich erheben wird, und hinter all' diesem Neapel mit seinen fünfhunderttausend Seelen. Was sind zehntausend Franzosen in diesem Ocean?«

»Hm,« sagte der König und sah Nelson an, welcher sich immer noch schweigend verhielt.

»Es wird dann, fuhr Caracciolo fort, »für Euer Majestät immer noch Zeit sein, sich einzuschiffen und sich nach Sicilien zurückzuziehen. Bedenken Sie doch: die Franzosen haben kein einziges bewaffnetes Schiff, während Sie drei Flotten im Hafen haben – die Ihrige, die portugiesische und die Seiner britischen Majestät.«

»Was sagen Sie zu dem Vorschlag des Admirals, Mylord?« fragte der König, indem er Nelson diesmal in die absolute Nothwendigkeit versetzte, antworten zu müssen.

»Ich sage, Sire,« versetzte Nelson, indem er sitzen blieb und fortfuhr mit einer Feder in der linken Hand allerhand Hieroglyphen auf ein Blatt Papier zu kritzeln, »ich sage, daß es nichts Schlimmeres auf der Welt gibt, als einen einmal gefaßten Entschluß zu ändern.«

»Hatte der König schon einen Entschluß gefaßt?« fragte Caracciolo.

»Nein, wie Du siehst, noch nicht – ich zögere, ich schwanke.«

»Die Königin, sagte Nelson, »hat beschlossen, abzureisen.«

»Die Königin?« entgegnete Caracciolo, indem er den König nicht Zeit ließ, selbst zu antworten. »Nun gut, dann möge sie gehen. Die Frauen können unter den Umständen, in welchen wir uns befinden, sich von der Gefahr entfernen, die Männer aber müssen ihr die Spitze bieten.«

»Mylord Nelson ist, wie Du siehst, Caracciolo, für die Abreise.«

»Ich bitte um Verzeihung, Sire, antwortete Caracciolo; »ich glaube nicht, daß Mylord Nelson seine Meinung ausgesprochen habe.«

»Sprechen Sie dieselbe aus, Mylord,« sagte der König, »ich bitte Sie darum.«

»Meine Meinung, Sire, ist dieselbe wie die der Königin, das heißt, ich werde Euer Majestät mit Freuden in Sicilien eine sichere Zufluchtsstätte suchen sehen, welche Neapel nicht mehr bietet.«

»Ich bitte Mylord Nelson inständig, seine Meinung nicht leichthin auszusprechen,« sagte Caracciolo, zu seinem Collegen gewendet, »denn er weiß im Voraus, wie schwer die Meinung eines Mannes von seinem Verdienst in die Wagschale fällt.«

»Ich habe gesprochen und nehme mein Wort nicht wieder zurück,« antwortete Nelson hartnäckig.

»Sire,« antwortete Caracciolo, »Mylord Nelson ist Engländer; vergessen Sie das nicht.«

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Nelson stolz.

»Ich will damit sagen, daß Sie, wenn Sie Neapolitaner wären, anstatt Engländer zu sein, anders sprechen würden.«

»Und warum sollte ich, wenn ich Neapolitaner wäre, anders sprechen?«

»Weil Sie dann die Ehre Ihres Vaterlandes in Auge haben würden, anstatt das Interesse Großbritanniens.«

»Und welches Interesse hat denn Großbritannien an dem Rathe, welchen ich dem König gebe?«

»Indem man die Gefahr vergrößert, wird man sich später auch einen um so größeren Lohn ausbitten. Man weiß, daß England den Besitz von Malta wünscht, Mylord.«

»England besitzt Malta bereits. Der König hat es ihm gegeben.«

»O Sire,« rief Caracciolo im Tone des Vorwurfs, »man hatte es mir wohl gesagt, aber ich wollte es nicht glauben.«

»Und was zum Teufel wolltest Du denn, daß ich mit Malta machte?«, sagte der König. »Es ist ja weiter nichts, als ein Felsen, der höchstens taugt, um darauf Eier in der Sonne zu kochen.«

»Sire,« sagte Caracciolo, ohne weiter das Wort an Nelson zu richten, »ich bitte Sie im Namen aller wahrhaft neapolitanischen Herzen im Königreiche, nicht mehr auf die fremden Rathschläge zu hören, welche Ihren Thron immer weiter an den Rand des Abgrundes bringen. Der Minister Acton ist Ausländer, Sir William Hamilton ist Ausländer, Mylord Nelson selbst ist Ausländer – wie wollen Sie, daß diese Herren in der Würdigung der neapolitanischen Ehre mit Gerechtigkeit zu Werke gehen?«

»Das können Sie wohl fragen, ganz gewiß aber gehen wir in der Würdigung der neapolitanischen Feigheit mit Gerechtigkeit zu Werke,« antwortete Nelson, »und eben deshalb und nach dem, was in Civita Castellana geschehen ist, sage ich zum König: Sire, Sie können sich nicht mehr den Männern anvertrauen, von welchen Sie, sei es nun aus Furcht, sei es aus Verrath, verlassen worden sind.«

Caracciolo ward todtenbleich und legte unwillkürlich die Hand an den Degengriff. Er besann sich jedoch, daß Nelson nur eine Hand hatte, um den einigen zu ziehen, und daß diese Hand obendrein die linke war. Er begnügte sich daher damit, daß er sagte:

»Jedes Volk hat seine schwachen Stunden, Sire. Diese Franzosen, vor welchen wir fliehen, haben dreimal Ihr Civita Castellana gehabt – Poitiers, Crecy und Azincourt. Ein einziger Sieg hat aber hingereicht, um diese drei Niederlagen vergessen zu machen – Fontenoy.«

Caracciolo sprach diese Worte, indem er Nelson ansah, der sich auf die Lippen biß. Dann wendete er sich wieder zu dem König und fuhr fort:

»Sire, die Pflicht eines Königs, der sein Volk liebt, ist, ihm Gelegenheit zu bieten, sich von einer solchen Niederlage wieder aufzuraffen. Der König erlasse daher einen Befehl, er sage ein Wort, er gebe einen Wink, und kein Franzose wird aus den Abruzzen, in welche sie so unklug gewesen sind, sich hineinzuwagen, wieder herauskommen.«

»Mein lieber Caracciolo,« sagte der König, dessen geheime Wünsche durch die Worte des Admirals sich geschmeichelt fühlten, »Du bist ganz der Meinung eines Mannes, dessen Rathschläge ich hochschätze. Du bist ganz der Meinung des Cardinals Ruffo.«

»Es fehlte Ew. Majestät weiter nichts, als einen Cardinal an die Spitze Ihrer Armee zu stellen,« sagte Nelson mit verächtlichem Lächeln.

»Nun, meinem Ahn, Ludwig dem Dreizehnten oder dem Vierzehnten – ich weiß nicht mehr genau welchem – hat es aber doch nichts geschadet, daß er einen Cardinal an die Spitze seiner Armeen stellte, und ein gewisser Richelieu, welcher Rochelle eroberte, fügte dadurch der Monarchie keinen Nachtheil zu.«

»Wohlan, Sire,« rief lebhaft Caracciolo, sich an diese Hoffnung anklammernd, welche der König ihm gab, »es ist der gute Genius Neapels, welcher Sie beseelt. Folgen Sie den Rathschlägen des Cardinals Ruffo und ich, was soll ich weiter sagen, ich werde seinen Befehlen folgen.«

»Sire,« sagte Nelson, indem er sich erhob und sich vor dem König verneigte, »Ew. Majestät werden, hoffe ich, nicht vergessen, daß, wenn auch die italienischen Admirale den Befehlen eines Priesters gehorchen, doch ein englischer Admiral nur den Befehlen einer Regierung gehorcht.«

Und Caracciolo einen Blick zuwerfend, in welchem man die Drohung eines ewigen Hasses lesen konnte, entfernte Nelson sich durch dieselbe Thür, durch welche er hereingekommen und welche nach den Gemächern der Königin führte.

Der König folgte Nelson mit den Augen, und als die Thür sich hinter Letzterem geschlossen, sagte er:

»Schön! Das ist der Dank für meine zwanzigtausend Ducati Rente, für mein Herzogthum Bronte, für meinen Degen Philipps des Fünften und für mein Großkreuz des St. Ferdinandordens. Der Mann spricht sich etwas kurz, aber dafür desto deutlicher aus.«

Dann wendete er sich wieder zu Caracciolo.

»Du hast Recht, mein lieber Francesco,« sagte er zu ihm; »alles Unheil hat seinen Grund in den Fremdlingen. Mr. Acton, Sir William, General Mack, Lord Nelson, die Königin selbst – Irländer, Deutsche, Engländer, Oesterreicher überall – Neapolitaner nirgends. – Welch ein Bulldog ist dieser Nelson! Du hast ihn schön wüthend gemacht. Wenn wir jemals Krieg mit England haben sollten und Du ihm in die Hände geriethest, dann wäre deine Rechnung geschlossen.«

»Sire,« sagte Carracciolo lachend, »selbst auf, die Gefahren hin, welchen ich mich aussetze, indem ich mir den Sieger von Abukir zum Feinde mache, fühle ich mich glücklich, den Beifall Euer Majestät erworben zu haben.«

»Sahst Du das Gesicht, welches er Dir zog, als Du ihm – wie hieß es gleich? – Fontenoy unter die Nase riebst?«

»Ja, Sire.«

»Dann haben die Herren Engländer also wohl bei Fontenoy tüchtige Hiebe bekommen?«

»Ja wohl, ja wohl.«

»Wenn man bedenkt, daß, wenn San Nicandro nicht einen Esel aus mir gemacht hätte, ich auch auf diese Dinge antworten könnte! Unglücklicherweise ist es nun zu spät, um diesen Schaden wieder gutzumachen.«

»Sire,« sagte Caracciolo, »werden Sie mir erlauben, meinen Rath nochmals zu wiederholen?«

»Es ist nicht nöthig, denn ich bin ganz deiner Meinung. Heute noch werde ich Ruffo sehen und wir werden die Sache noch einmal miteinander besprechen. Aber warum zum Teufel hast Du, frage ich jetzt, wo wir wieder mit einander allein sind, warum hast Du Dir die Königin zum Feinde gemacht? Du weißt doch, daß, wenn sie haßt, sie dann auch unerbittlich haßt.«

Caracciolo machte eine Kopfbewegung, welche andeutete, daß er auf diesen Vorwurf des Königs keine Antwort zu geben habe.

 

»Na,« sagte Ferdinand, »es ist dies gerade so wie mit mir und San Nicandro. Was geschehen ist, ist geschehen; sprechen wir nicht weiter davon.«

»Also,« sagte Caracciolo, auf den Gedanken, der ihn fortwährend beschäftigte, zurückkommend, »ich nehme die Hoffnung mit, daß Eure Majestät dieser schmachvollen Flucht entsagt haben und daß Neapel bis aufs Aeußerste vertheidigt werden wird?«

»Nimm mehr als die Hoffnung, nimm die Gewißheit mit. Heute findet ein Cabinetsrath statt und ich werde erklären, daß es mein Wille ist, in Neapel zu bleiben. Ich habe mir Alles, was Du mir über unsere Vertheidigungsmittel gesagt, wohl gemerkt, deshalb sei unbesorgt. Was Nelson betrifft, nicht wahr, so muß man ihm Fontenoy unter die Nase reiben, wenn man will, daß er sich auf die Lippen beiße? Es ist gut; man wird sich dessen erinnern.«

»Darf ich noch um eine letzte Gnade bitten, Sire?«

»Sprich.«

»Wenn gegen alles Erwarten Euer Majestät dennoch fortginge –«

»Ich sage Dir aber ja, daß ich nicht fortgehe!«

»Nun, Sire, wenn in Folge irgend eines Zufalls, in Folge einer unerwarteten Wendung Euer Majestät doch fortgingen, dann, hoffe ich, daß Sie der neapolitanischen Marine nicht die Schmach anthun werden, auf einem englischen Schiffe abzureisen.«

»O, was das betrifft, so kannst Du unbesorgt sein. Wenn ich in diese äußerste Nothwendigkeit versetzt würde, dann stünde ich freilich nicht für die Königin. Die Königin würde thun, was ihr beliebte, ich aber gebe Dir mein Ehrenwort, daß ich auf deinem Schiffe, auf der »Minerva«, abreise. Also nun weißt Du es. Wechsle deinen Koch, wenn er schlecht ist, und schaffe Maccaroni und Parmesankäse an, wenn Du davon keine hinreichende Quantität am Bord hat. Auf Wiedersehen. – Fontenoy hieß jener Ort, nicht wahr?«

»Ja, Sire.«

Und Caracciolo entfernte sich, entzückt über das Ergebniß seiner Unterredung mit dem König, und rechnete mit Bestimmtheit auf die ihm gegebene doppelte Versprechung.

Der König folgte ihm mit den Augen und mit dem Ausdruck unverkennbaren Wohlwollens.

»Und wenn man bedenkt,« sagte er, »daß man um einer Megäre wie die Königin und um einer Buhlerin wie Lady Hamilton willen sich mit solchen Männern entzweit!«