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La San Felice Band 10

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Aller Lippen öffneten sich, um zu fragen, was es gäbe. Die an Bord der englischen Schiffe herrschende Disciplin aber ließ diese Frage nicht laut werden.

»Oeffne diesen Korb,« sagte Truebridge zu dem Manne, der ihn gebracht, während er sich gleichzeitig die Finger mit seinem battistenen Taschentuch abwischte, gerade wie Hamlet zu thun pflegt, nachdem er Yoricks Schädel in der Hand gehalten.

Der Mann gehorchte, und man sah zunächst einen dichten schwarzen Haarwuchs zum Vorschein kommen. Eben die Berührung mit demselben hatte in dem Commodore das Gefühl von Ekel erweckt, welches er nicht zu unterdrücken im Stande gewesen.

Der Mann, der den Korb gebracht, war jedoch nicht so empfindlich wie der aristokratische Capitän. Nach dem Kopfhaar brachte er die Stirn, nach der Stirn die Augen und nach den Augen den übrigen Theil des Gesichtes zum Vorschein.

»Da,« sagte er, indem er einen frisch abgeschnittenen Kopf fest bei den Haaren packte und aus dem Korbe zog, in welchem er auf einer Schicht Kleien oder Sägespäne ruhend, mit der größten Sorgfalt emballirt war, »da, das ist der Kopf des Don Carlo Granosio di Gassoni.«

Indem er den Kopf vollends aus seiner Hülle herauszog, fiel zugleich ein Billet mit heraus.

Truebridge hab es auf. Es war an ihn gerichtet und enthielt die folgenden Zeilen: [Wir brauchen wohl nicht erst zu sagen, daß wir an dem Billet keinen Buchstaben ändern, sondern uns begnügen, die wörtliche Uebersetzung davon mitzuteilen.]

»An den Commandanten der englischen Station.

»Salerno, 24. April Morgens.

»Mein Herr!

»Als treuer Unterthan Sr. Majestät meines Königs Ferdinand, welchen Gott noch lange erhalte, habe ich die Ehre, Ew. Excellenz den Kopf des Don Carlo Granosio di Gaffoni zu übersenden, welcher unter der Verwaltung des schändlichen Commissärs Ferdinand Ruggi angestellt war. Genannter Granosio ist von mir, während er sich auf der Flucht befand, an einem Orte, die Puggi genannt, in dem District von Ponte Cognaro getödtet worden. Ich bitte Ew. Excellenz diesen Kopf anzunehmen und meine That als einen Beweis meiner Anhänglichkeit an die Krone betrachten zu wollen.

»Ich bin mit dem Ew. Excellenz gebührenden Respect der treue Unterthan des Königs,

»Giuseppe Maniutio Vitella.«

»Eine Feder und ein Blatt Papier!« befahl Truebridge, nachdem er gelesen.

Man brachte ihm das Verlangte.

Er schrieb in italienischer Sprache:

»Ich Endesunterzeichneter bekenne, von Giuseppe Maniutio Vitella durch seinen Boten den wohlerhaltenen Kopf des Don Carlo Granosio die Gassoni empfangen zu haben und beeile mich, ihm zu versichern, daß mit der ersten Gelegenheit dieser Kopf nach Palermo an den König übersendet werden soll, der, wie ich nicht bezweifle, ein solches Geschenk zu würdigen wissen wird. Am 24. April 1799, vier Uhr Nachmittags.

»Truebridge.«

Der Commodore wickelte eine Guinee in die Quittung und gab sie dem Ueberbringen welcher sich beeilte zu seinem Cameraden zurückzukehren wahrscheinlich weniger vor Begierde die Guinee mit ihm zu theilen, als um ihm das Ereigniß zu erzählen.

Truebridge befahl einem seiner Matrosen den Kopf bei dem Haar zu nehmen, ihn wieder in den Sack zu stecken und den Korb wieder in den Zustand zu setzen, in welchem er sich vor dem Oeffnen befunden.

Dann, nachdem dies geschehen, sagte er:

»Trage ihn in meine Cajüte.«

Mit jenem den Engländern eigenthümlichen Phlegma setzte er dann achselzuckend bei sich selbst hinzu:

»Ein niedlich-er Schlafgenoß! Wie Schade, daß ich mich wieder von ihm trennen muß!«

Und in der That, als schon den nächstfolgenden Tag sich Veranlassung fand, ein Schiff nach Palermo zu senden, ward das kostbare Geschenk des Giuseppe Maniutio Vitella an den König spedirt.

Dreizehntes Capitel.
Ettore Caraffa

Man erinnert sich, daß der Commodore Truebridge in seinem Briefe an Lord Nelson von zwei Schlappen sprach, welche die mit den Franzosen vereinigten neapolitanischen Patrioten erlitten – die eine vor der Stadt Andria, die andere in der Umgegend von Salerno.

Diese Nachricht, von welcher die eine Hälfte auf Wahrheit, die andere auf Unwahrheit beruhte, war die Folge des Planes, welcher, wie man sich erinnert, zwischen Manthonnet, dem Kriegsminister der Republik, und Championnet, dem Obergeneral der französischen Armee, verabredet worden.

Eben so erinnert sich der Leser, daß Championnet abberufen worden war, um von seinem Verhalten Rechenschaft zu geben.

Als Championnet Neapel verließ, waren die beiden Colonnen schon unterwegs. Da jede derselben von einer unserer Hauptpersonen geführt wird, so wollen wir sie begleiten, die eine auf ihrem Siegeszuge, die andere in ihrem Unglück.

Die stärkste dieser beiden Colonnen, aus sechstausend Mann Franzosen und tausend Mann Neapolitanern bestehend, war nach Apulien dirigiert worden. Es galt die Kornkammer Neapels wieder zu erobern, welche durch die englische Flotte blockiert und fast gänzlich in die Gewalt der Bourbons gefallen war.

Die sechstausend Mann Franzosen waren von dem General Duhesme commandirt, welchen wir in dem Feldzuge gegen Neapel Wunder der Tapferkeit verrichten gesehen, und die tausend Mann Neapolitaner von einer der Hauptpersonen dieser Geschichte welche wir den Augen unserer Leser vorgeführt, nämlich von Ettore oder Hektor Caraffa, Grafen von Ruvo.

Der Zufall wollte, daß die erste Stadt, gegen welche die französisch-neapolitanische Colonne marschieren sollte, Andria war, eine alte Lehnsherrschaft seiner Familie, deren Oberherr er als das älteste Glied seiner Familie gegenwärtig war.

Andria war gut befestigt; Ruvo hoffte aber, daß eine Stadt, deren Gutsherr er war, seinem Worte nicht widerstehen würde. Er machte demzufolge von allen Mitteln Gebrauch und begann Unterhandlungen, um die Bewohner zur Annahme der republikanischen Grundsätze zu bestimmen.

Alles aber war vergebens und er sah ein, daß er genöthigt sein würde, ihnen gegenüber die letzten Beweisgründe der Könige, welche Tyrannen bleiben, oder der unterdrückten Völker, welche frei werden wollen, nämlich Pulver und Blei, in Anwendung zu bringen.

Ehe er sich aber Andria’s bemächtigen konnte, mußte er San Severo besetzen.

Die in San Seneka versammelten Bourbonisten hatten den Titel einer vereinigten Armee von Apulien und der Abruzzen angenommen. Diese Schaar, welche sich auf zwölftausend Individuen belaufen konnte, bestand aus dem dreifachen Element, welches alle sanfedistischen Armeen jener Zeit bildete, das heißt aus den Ueberresten der royalistischen Armee Mack’s, aus den Sträflingen welche der König vor seiner Flucht aus Neapel hatte in Freiheit setzen lassen, [Denen, welche diese Sympathie Ferdinands des Ersten für die Sträflinge bezweifeln, antworten wir durch einen Auszug aus einem seiner Briefe an den Cardinal Ruffo: »In Civita Veechia fahren unsere guten Sträflinge fort sich zu vertheidigen, und die mit den Cisalpinern vereinigten Franzosen sind, nachdem sie einen Angriff gemacht, muthig von Ihnen zurückgeworfen worden. Nur der Kaiser rührt sich noch nicht.«] um dem Volke, welches er verließ, das furchtbare Zersetzungsmittel des Verbrechens beizumischen, und aus einigen echten Royalisten deren Enthusiasmus sie diese Nachbarschaft übersehen ließ.

Diese Schaar, welche San Severo verlassen, weit diese Stadt ihren Vertheidigern keine feste Position darbot, hatte eine Anhöhe besetzt, deren Wahl verrieth, daß die commandirenden Anführer nicht ohne militärische Kenntnisse waren. Es war ein kleiner mit Lorbeerbäumen beflanzter Hügel, der eine breite und lange Ebene beherrschte. Die Artillerie der Sanfedisten bestrich alle Zugänge, welche zu der Ebene führten, auf welcher eine schöne und zahlreiche Cavallerie manövrierte.

Am 25. Februar hatte Duhesme, um seine Nachhut zu decken, Broussier und Ettore Caraffa in Foggia zurückgelassen und war gegen San Severo marschiert.

Als er sich den Bourbonisten näherte, hatte er sich begnügt, ihnen sagen zu lassen:

»In Bovino habe ich die Empörer und drei des Diebstahls schuldige Soldaten erschießen lassen. Euch wird es ebenso gehen. Wollt Ihr lieber den Frieden?«

Die Bourbonisten antworteten :

»Und wir, wir haben die Republikaner, die Bürger und die patriotischen Priester, welche den Frieden verlangten, erschossen. Strenge gegen Strenge. Wir wollen den Krieg.«

Der General theilte seine Streitmacht in drei Detachements. Das eine marschierte gegen die Stadt, die beiden andern umzingelten die Anhöhe, damit kein Sanfedist entrinnen könne.

Der General Forest, welcher eines von diesen beiden Detachements commandirte, langte zuerst an. Er hatte ziemlich fünfhundert Mann, sowohl Infanterie als Cavallerie, unter seinen Befehlen.

Als die Sanfedisten diese fünfhundert Mann sahen und berechneten, daß sie über zwölftausend Mann stark waren, ließen sie in San Severo die Sturmglocke läuten und rückten in die Ebene dem Feinde entgegen.

Als das französische Detachement diese Menschenlawine sich die Anhöhe herabwälzen sah, formierte es sich in ein Bataillonscarré und machte sich fertig, sie mit dem Bajonnet zu empfangen. Noch aber hatte der Angriff nicht begonnen, als man ein lebhaftes Musketenfeuer hörte, welches in San Severo selbst stattfand, und gleichzeitig sah man aus einem der Thore die Fliehenden herausgestürzt kommen.

Es war Duhesme in eigener Person, welcher die Stadt angegriffen, sich ihrer bemächtigt hatte und nun auf der Forest entgegengesetzten Seite zum Vorschein kam.

Dieses Erscheinen gab dem Kampf sofort eine andere Gestalt. Die Sanfedisten sahen sich genöthigt, sich in zwei Trupps zu theilen. In dem Augenblick aber, wo sie mit dieser Bewegung fertig waren und den Kampf begannen, erschien die dritte Colonne von einer dritten Seite und schloß die Bourbonisten vollends ein.

 

Diese, welche sich in ein doppeltes Kreuzfeuer genommen sahen, versuchten ihre erste, unklugerweise von ihnen verlassene Position wieder zu gewinnen.

Auf drei Seiten aber wirbelten die Trommeln und die Franzosen rückten im Sturmschritt gegen die Sanfedisten an.

Sobald als das furchtbare Bajonnet an dieser von der Anhöhe in Unordnung herabgekommenen Schaar sein Werk beginnen konnte, war es nicht mehr ein Kampf, sondern eine Metzelei. Duhesme hatte dreihundert hingeschlachtete Patrioten und die seinem Parlamentär gegebene insolente Antwort zu rächen.

Die Trompeten fuhren fort zu schmettern und das Signal zur Vertilgung zu geben. Das Blutbad dauerte drei Stunden. Dreitausend Leichen blieben auf dem Schlachtfeld und drei Stunden später hätte man das Doppelte gezählt, wenn nicht plötzlich, gleich jenen Römern, welche kamen, um Coriolan um Gnade zu bitten, eine Schaar Frauen, ihre Kinder an der Hand führend und in Trauerkleidern, aus der Stadt San Severo herausgekommen wären, um das Mitleid der Franzosen anzuflehen.

Duhesme hatte geschworen, die Stadt niederzubrennen; beim Anblick dieses großen Schmerzes von Töchtern, Schwestern, Müttern und Gattinnen aber ließ er Gnade ergehen.

Dieser Sieg hatte ein großes Resultat und brachte eine bedeutende Wirkung hervor. Sämtliche Bewohner des Gargano, des Berges Toburno und des Corvino sendeten Deputationen und stellten Geißeln zum Zeichen der Unterwerfung. Duhesme schickte die der Cavallerie abgenommenen Fahnen nach Neapel.

Nachdem San Severo genommen war, blieb den Bourbonisten keine wichtige Stellung weiter als Andria und Trani.

Wir haben gesagt, daß die Expedition abgegangen war, während Championnet noch an der Spitze der französischen Truppen in Neapel stand. Wir haben seiner Abberufung beigewohnt und gesagt, unter welchen Bedingungen er abberufen ward.

Einige Tage nach dem Kampfe bei San Severo rief Macdonald, welcher an Championnet‘s Stelle zum Obergeneral ernannt worden, Duhesme zu sich.

Broussier ersetzte Duhesme und erhielt die Oberleitung der Bewegungen, welche gegen Andria und Trani unternommen werden sollten. Er vereinigte mit der siebzehnten und vierundsechzigsten Halbbrigade die Grenadiere von dem sechsundsiebzigsten und sechzehnten Dragonerregiment, sechs leichte Geschütze, ein unter dem Commando des Brigadechefs Berger aus den Abruzzen eingetroffenes Detachement und die Legion Caraffa‘s welche vor Begier brannte, ihrerseits zu kämpfen, denn sie war bei den letzten Ereignissen nicht betheiligt gewesen.

Andria und Trani hatten ihre Festungswerke restauriert und zu den alten Werken, welche diese Städte vertheidigten, neue hinzugefügt. Alle ihre Thore waren mit Ausnahme eines einzigen, vermauert und hinter einem jeden hatte man einen breiten Gräben angelegt und denselben mit einer breiten Brustwehr umgeben. Die Straßen waren durchschnitten und verbarrikadiert, die Häuser mit Schußscharten versehen und die Thüren vernagelt.

Am 21. März marschierte man gegen Andria. Am nächstfolgenden Tage mit Tagesanbruch war die Stadt eingeschlossen und die Dragoner wurden unter den Befehlen des Brigadechefs Leblanc so postiert, daß die Communication zwischen Andria und Trani dadurch unterbrochen ward.

Eine aus zwei Bataillonen und der Legion Caraffa’s gebildete Colonne ward mit dem Angriff auf das Thor Camazza beauftragt, während der General Broussier das von Trani angreifen sollte, und der Adjutant des Generals Duhesme, Ordonneau, der von der Wunde, die er bei dem Angriff Neapels erhalten, wieder hergestellt war, gegen das Thor Barra verrückte.

Wir haben bereits gesagt, was Ettore Caraffa war, Krieger, General und Soldat zugleich, mehr aber Soldat als General, ein Löwenherz dessen eigentliches Vaterland das Schlachtfeld war. Er übernahm nicht blos das Commando seiner Colonne, sondern stellte sich auch an die Spitze derselben, ergriff mit der einen Hand seinen blanken Degen, mit der andern die gelbrothblaue Fahne, schritt unter einem Hagel von Kugeln bis an den Fuß der Mauern, nahm mit einer Leiter das Maß des Walles, stellte sie auf den Punkt, wo sie bis an den oberen Rand reichte, rief : »Wer mich lieb hat, der folge mir!« und begann wie einer der Helden Homer‘s oder Tasso’s den Stürmenden voranzuklettern.

Der Kampf war ein furchtbarer. Ettore Caraffa kletterte den Degen zwischen den Zähnen, in der einen Hand seine Fahne und mit der andern den Baum seiner Leiter haltend, Sprosse um Sprosse hinauf, ohne daß die Geschosse aller Art, die man auf ihn herabregnen ließ, im Stande gewesen wären ihn aufzuhalten.

Endlich erfaßte er den oberen Rand einer Schießscharte und nichts vermochte ihn zum Loslassen zu bewegen.

Ein Rad mit seinem Degen schuf einen weiten leeren Kreis um ihn herum und mitten in diesem leeren Kreis sah man ihn zuerst die dreifarbige Fahne auf den Mauern von Andria aufzupflanzen. Während er, kaum von einigen Mann gefolgt, sich der Mauer bemächtigte und trotz der Anstrengungen eines zehnmal bedeutenderen Trupps als der seinige sich darauf behauptete, zerschmetterte eine Haubitze , das Thor von Trani und die Franzosen stürzten durch diese Presche in die Stadt.

Hinter dem Thore aber fanden sie den Graben, in welchen sie fielen, den sie aber binnen wenigen Augenblicken ausgefüllt hatten.

Nun, einer dem andern helfend und während die Verwundeten ihre Schultern denen liehen, die es nicht waren, überschritten mit jener französischen Furie welcher nichts zu widerstehen vermag, die Soldaten Broussier‘s den Graben, drangen im Sturmschritt in die Straßen, trotz eines Kugelregens, welcher aus allen Häusern kommend in wenigen Minuten zwölf Officiere und hundert Soldaten tödtete, und kamen so auf den Marktplatz, wo sie sich festsetzten Ettore Caraffa und seine Colonne schlossen sich hier ihnen an. Ettore troff vom Blute Anderer und dem seinigen.

Ordonneau‘s Colonne, welche nicht durch das Thor von Barra hatte eindringen können, weil dasselbe zugemauert war, hörte das Feuern im Innern der Stadt und schloß daraus, daß Caraffa oder Broussier eine Bresche gefunden und dieselbe benutzt hätte. Sie begann daher im Geschwindschritt um die Stadt herum zu marschieren, fand das Thor von Trani gesprengt und drang durch dasselbe ein.

Auf dem Marktplatze, wo nach dem furchtbaren Kampfe, den wir zu schildern versucht, die drei französischen Colonnen und die neapolitanische Colonne zu einander stießen, erklärte sich jene wahnsinnige Wuth, welche die Bewohner von Andria beseelt und wovon wir nur ein einziges Beispiel anführen wollen.

Zwölf in einem Hause verbarrikadierte Männer waren von einem ganzen Bataillon belagert worden.

Dreimal wurden sie aufgefordert, sich zu ergeben, und dreimal weigerten sie sich.

Man ließ nun Artillerie kommen und das Haus zusammenschießen. Alle fanden ihren Tod unter den Trümmern, aber keiner ergab sich.

Die Erklärung welche man fand, war folgende:

Auf dem Marktplatz war ein Altar mit einem großen Crucifix errichtet, und am Tage vor dem Kampfe am frühen Morgen hatte man gefunden, daß das Christusbild einen Brief in der Hand hielt. Dieser mit dem Namen »Jesus« unterzeichnete Brief sagte, daß weder die Musketen noch die Kanonenkugeln der Franzosen Macht über die Bewohner von Andria hätten, und verkündete zugleich eine bedeutende Verstärkung.

In der That langten auch während des Abends vierhundert Mann von dem Corps an, welches sich in Bitonto sammelte, und vereinigte sich, die in dem Briefe enthaltene Vorhersagung verwirklichend, mit den Belagerten oder vielmehr mit Denen, welche es den nächsten Tag werden sollten.

Die Vertheidigung war, wie man gesehen hat, eine erbitterte, die Franzosen und die Neapolitaner verloren am Fuße der Mauern dreißig Officiere und zweihundertfünfzig Unterofficiere und Soldaten. Von Seiten der Bourbonisten mußten zweitausend Mann über die Klinge springen.

Ettore Caraffa war der Held des Tages. Am Abend fand Kriegsrath statt. Caraffa stimmte wie Brutus, der seine Söhne verurtheilt, für die vollständige Vernichtung der Stadt und verlangte, daß Andria, sein Lehnsgut, zur Sühne und zum Schrecken für Andere, in einen Schutthaufen verwandelt werde.

Die französischen Anführer bekämpften diesen Antrag, dessen rauher Patriotismus ihren milderen Gesinnungen widersprach. Caraffa’s Stimme behielt aber die Oberhand. Andria ward verurtheilt, niedergebrannt zu werden, und mit derselben Hand, womit er die Leiter an die Mauern gelehnt, legte Ettore Caraffa die Brandfackel an den Fuß der Häuser. Es blieb nun noch Trani übrig, – Trani, welches, weit entfernt, durch das Schicksal Andria‘s eingeschüchtert zu werden, seine Energie auf seine Drohungen nur verdoppelte.

Broussier marschierte mit seiner kleinen Armee, die durch die beiden Kämpfe von San Severo und Andria um mehr als fünfhundert Mann vermindert worden, gegen Trani.

Diese Stadt war noch besser befestigt als Andria. Man betrachtete sie als das Bollwerk der Insurrection und als den Hauptwaffenplatz der Empörer, denn sie war von einer bastionirten Mauer umgeben, ward von einem regelmäßig angelegten Fort geschützt und von mehr als achttausend Mann vertheidigt.

Diese an Führung der Waffen gewöhnten achttausend Mann bestanden aus Seeleuten, Corsaren und Soldaten der neapolitanischen Armee.

Zu einer andern Zeit, wo man strategisch zu Werke gegangen wäre, hätte Trani vielleicht die Ehre einer regelmäßigen Belagerung erfahren. Dazu aber fehlte es an Zeit und an geeigneten Persönlichkeiten, weshalb man, anstatt geschickte Combinationen vorzunehmen, sich mit gewagten Handstreichen begnügen mußte.

Broussier, der an der Spitze der Expedition stand, trug auch in der That Bedenken, einen sofortigen Angriff auf eine Stadt zu unternehmen, die eine Garnison von achttausend Mann mit ausgezeichneten Officieren zählte, mit guten Befestigungen versehen war und eine aus Barken und Booten bestehende Flottille im Hafen liegen hatte. Auf Alles aber, was Broussier, hierauf gestützt, geltend machte, antwortete Ettore Caraffa:

»Dafern nur eine Leiter vorhanden und hoch genug ist, um mit ihr die Mauern von Trani ersteigen zu können, werde ich Tran nehmen, wie ich Andria genommen habe.«

Broussier fügte sich, durch diese heldenmüthige Zuversicht überzeugt. Er ließ die Armee in drei Colonnen und auf drei verschiedenen Wegen vorrücken, um die Stadt vollständig einzuschließen.

Im Laufe des l. April näherten sich die Avantgarden bis auf Pistolenschußweite. Die Nacht brach ein und man war beschäftigt, verschiedene Breschebatterien aufzupflanzen.

Ettore Caraffa verlangte bei den allgemeinen Combinationen außer Betracht gelassen zu werden und, seiner eigenen Eingebung folgend, nach Belieben über seine Leute verfügen zu dürfen.

Man gestand ihm dies zu.

Am 2. April mit Tagesanbruch eröffneten die Batterien ihr Feuer in der Richtung von Biseglia.

Was Hektor und seine Leute betraf, so hatten sie schon vor Tagesanbruch die Mauern umgangen und waren, ohne eine schwache Stelle erspäht zu haben, auf die andere Seite von Trani bis an den Meeresstrand gelangt.

Hier machte Caraffa Halt, ließ seine Leute sich verstecken, entledigte sich seiner Kleider und sprang in’s Meer, um auf diese Weise weiter zu recognosciren.

Der allgemeine Angriff ward, wie wir bereits bemerkt, von Broussier in eigener Person geleitet. Er rückte deshalb mit einigen Compagnien Grenadiere, die von der vierundsechzigsten Halbbrigade unterstützt wurden, vor und ließ Faschinen zum Ausfüllen der Gräben und Leitern zum Er steigen der Mauern mitnehmen.

Die Belagerten hatten die Absicht des Generals errathen und sich in Masse auf den von ihm bedrohten Theil der Mauer geworfen, so daß er, kaum auf Schußweite herangerückt, von einem Kugelregen begrüßt ward, der beinahe die ganze Reihe seiner Grenadiere und den Capitän mitten unter seinen Leuten niederstreckte.

Die durch die Heftigkeit des Feuers und den Fall ihres Capitäns bestürzt gemachten Grenadiere zögerten einen Augenblick.

Broussier befahl ihnen, den Marsch gegen die Mauern weiter fortzusetzen, zog den Säbel und ging voran.

Plötzlich aber hörte man in der Richtung vom Meere her eine lebhafte Kanonade und zugleich gab sich unter den Vertheidigern der Mauern eine bedeutende Unruhe kund.

Einer von ihnen stürzte, durch eine Kugel in zwei Hälften gerissen, von den Zinnen in den Graben herab.

Woher kamen diese Kugeln, welche die Belagerten auf ihren eigenen Wällen tödteten?

Von Caraffa, welcher sein Wort hielt.

Er war, wie wir bereits bemerkt haben, bis an den Strand gelangt, hatte seine Kleider abgeworfen und war in’s Meer gesprungen, um seine Recognoscirung weiter fortzusetzen.

 

Dabei hatte er eine kleine unter den Klippen verborgene Sternschanze entdeckt, welche, da sie, als nach dem Meere zu gelegen, nicht bedroht war, ihm schlecht bewacht zu sein schien.

Er kehrte deshalb zu seinen Leuten zurück und verlangte zwanzig Freiwillige, die aber alle schwimmen könnten.

Es erboten sich deren sofort vierzig.

Caraffa befahl ihnen, nur ihre Unterbeinkleider anzubehalten, sich die Patronentasche auf den Kopf zu binden, den Säbel zwischen die Zähne, die Muskete in die linke Hand zu nehmen, mit der rechten zu schwimmen und, indem sie sich so gedeckt als möglich hielten, der Schanze zu nähern.

Gänzlich nackt, diente Caraffa ihnen zum Führer, ermuthigte sie und griff ihnen unter die Schultern, wenn einer oder der andere zu ermüden begann.

So erreichten sie den Fuß der Mauer, fanden eine durchlöcherte Stelle und erkletterten mittelst derselben die Höhe der Bastion, ehe sie noch von der Schildwache bemerkt wurden, welche man erdolchte, ohne daß sie Zeit gehabt hätte, auch nur einen einzigen Schrei auszustoßen.

Hektor und seine Leute stürzten in das Innere der Bastion, machten Alles nieder, was sich darin vorfand, kehrten die Kanonen sofort gegen die Stadt und fingen an zu feuern. [Dieser so kühne und so glückliche Handstreich ward mir von dem General Exelmans erzählt, welcher, zu jener Zeit Adjutant, sich unter der Zahl der vierzig Schwimmer befand und der zweite Mann war, der in die Schanze drang.]

Eine dieser Kugeln war es, welche den bourbonischen Soldaten zerriß und von der Mauer herabwarf, dessen Tod und Fall dem General Broussier triftigen Grund gab, zu vermuthen, daß in der Stadt etwas Außerordentliches vorgehe.

Als die Bourbonisten sahen, daß der Angriff von der Seite kam, wo sie die Vertheidigung postiert, und der Tod gerade von dem Punkte, von welchem aus sie ihre Rettung erwarteten, erhoben sie ein lautes Geschrei und eilten nach der Richtung, woher diese neuen Angreifer kamen, welche schon durch ihre auf dem Strande zurückgelassenen Anführer verstärkt zu werden begannen.

Die Grenadiere ihrerseits ergriffen, als sie die Vertheidigung erschlaffen sahen, wieder die Offensive, marschierten gegen die Mauern, lehnten Leitern daran und liefert Sturm.

Nach einem Kampfe von kaum einer halben Stunde krönten die Franzosen als Sieger die Mauern, und Ettore Caraffa sprang nackt wie Romulus von David, seine halbnackten und vom Wasser triefenden Leute anführend, in eine der Straßen von Trani hinab, denn Meister der Mauern und der Bastion sein, hieß noch nicht Meister der Stadt sein. In der That waren auch alle Häuser mit Schießscharten versehen.

Auch diesmal veranlaßte Ettore durch sein Beispiel eine andere Art des Angriffs. Man erkletterte die Häuser, wie man die Mauern erklettert. Man schlug die Terrassen oder glatten Dächer ein und sprang dann in das Innere hinab. Anfangs kämpfte man in der Luft wie jene Phantome, welche Virgil den Tod Cäsars verkünden sah, dann von Zimmer zu Zimmer, von Treppe zu Treppe, Mann gegen Mann, mit dem Bajonnet, der den Franzosen vertrautesten, ihren Feinden schrecklichsten Waffe.

Nach dreistündigem erbitterter Kampfe entsanken die Waffen den Händen der Angreifer. – Trani war genommen.

Es trat ein Kriegsrath zusammen. Broussier war zur Milde geneigt. Noch nackte mit Staube bedeckt, marmoriert von feindlichem und eigenem Blute, den schartigen geschlagenen Säbel in der Hand, warf Ettore Caraffa wie ein zweiter Brennus seine Meinung in die Waagschale und drang auch diesmal damit durch. Sein Rath lautete: »Schwert und Feuer!«

Die Belagerten mußten demgemäß über die Klinge springen und die Stadt ward in einen Schutthaufen verwandelt.

Die französischen Truppen verließen Trani, während es noch rauchte. Caraffa zog gleich einem mit der Rache der Götter gewaffneten Richter, zugleich mit aus und durch Apulien, wo er überall Verderben und Verheerung hinter sich zurückließ, wie an dem andern Ende von Italien andererseits von den Soldaten Ruffo‘s geschah.

Wenn die Insurgenten ihn um Mitleid für die empörten Städte auflehnten, so antwortete er stets: »Habe ich wohl eine eigene Stadt geschont?«

Wenn sie ihn um ihr Leben baten, so zeigte er seine Wunden, von welchen einige immer noch frisch genug waren, um noch zu bluten, und antwortete darauf zeigend: »Habt ich wohl mein eigenes Leben geschont?«

Zu derselben Zeit aber, wo die Nachricht von dem dreifachen Siege Broussier‘s, Duhesme‘s und Ettore Caraffa‘s in Neapel eintraf, erfuhr man dort zugleich auch die Niederlage Schipani‘s.

– Ende den zehnten Theiles -