Kostenlos

La San Felice Band 10

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Sechstes Capitel.
Wo der falsche Herzog von Calabrien thut, was der wirkliche hätte thun sollen

Nachdem Fra Pacifico fort, das heißt als der Würfel gefallen war, fragten sich die beiden Abenteurer, was sie wohl zu thun hätten, wenn die beiden Städte Widerstand leisteten.

Allerdings hatten sie eine Art Armee, da dieselbe aber blos mit Messern und schlechten Musketen bewaffnet war und weder Kanonen noch Belagerungsmunition besaß, so kannte sie gegen feste Mauern nichts ausrichten.

In diesem Augenblick ward Seiner königlichen Hoheit dem Herzog von Calabrien gemeldet, daß ein gewisser Giovanni Battista Petrucci um eine Audienz bitten ließe. Im Fall der Herzog von Calabrien ihn nicht selbst empfangen könnte, wünschte er wenigstens von dem Herzog von Sachsen empfangen zu werden, weil die Mittheilungen, die er zu machen habe, von der grüßten Wichtigkeit wären.

In der That wäre es auch sehr indiscret gewesen, um ein Uhr des Morgens zwei so hochgestellte Personen zu stören, dafern es sich blos um gewöhnliches Nachrichten gehandelt hätte.«

Don Giovanni Battista Petrucci ward von den beiden jungen Abenteurern sofort vorgelassen.

Don Giovanni Battista Petrucci war Marineinspector im Namen der Parthenoptischen Republik. Er hatte soeben Befehl erhalten, eine Abtheilung Cavallerie und zwei Geschütze mit Munition und allem sonstigen Zugehör nach Lecce abzusenden. Jetzt kam er, um sich gegen die beiden Prinzen bereit zu erklären, seine Reiter und Kanonen, anstatt sie nach Lecce zu führen, zu ihrer Verfügung zu stellen.

Es versteht sich von selbst, daß die beiden Abenteurer sein Anerbieten welches ihnen so gelegen kam, mit Freuden annahmen.

Cesare ernannte Don Giovanni Battista Petrucci sofort zum Oberinspector der Marine, anstatt daß er bis jetzt gewöhnlicher Inspector gewesen.

Dann stellte er ihm zum beliebigen Gebrauch ein Attest über die von ihm bewiesene Loyalität aus, welches Zeugniß er mit seinem falschen Namen unterschrieb.

Da man erst die Rückkehr Fra Pacificos abwarten mußte, um zu hören; was man von Torent und von Martina zu hoffen und zu fürchten hätte, so beschloß man, um keine Zeit zu verlieren, auf Lecce zu marschieren, welche Stadt eine Deputation schickte, die um Beistand gegen die Republikaner und ganz besonders gegen einen gewissen Fortunato Andreoli bat, welcher sich der Festung bemächtigt und eine aus Jägern und Cavallerie bestehende Bürgergarde organisiert hatte.

Petrucci erbot sich, diese Expedition mitzumachen, um durch seine Anwesenheit seinen Reitern Muth einzuflößen.

« Um neun Uhr Morgens brach nun demgemäß nach Lecce auf. Unterwegs stieß man auf zwei- bis dreihundert Jäger, welche aus der Stadt entflohen waren, weil sie nicht gegen ihre Meinung dienen wollten. Diese Mannschaften vereinigten sich mit der kleinen bourbonischen Armee, welche auf diese Weise nun über tausend Mann zählte.

Cesare zog demgemäß mit einer imposanten Streitmacht in Lecce ein.

Andreoli hatte sich in das Castell zurückgezogen und in dasselbe eingeschlossen. Cesare ließ ihn auffordern, sich zu ergeben, und gab, als er sich weigerte, Befehl zum sofortigen Angriff.

Der Widerstand dauerte nicht lange. Gleich bei den ersten Musketenschüssen öffnete die Garnison eine ins Freie führende Thür und entfloh durch dieselbe.

Dieser Sieg war, obschon leicht, doch von großer Bedeutung. Es war der erste Zusammenstoß, welcher zwischen den Roylisten und den Republikanern stattgefunden, und die Republikaner hatten gleich auf die ersten Flintenschüsse den Platz geräumt.

Wir sagen absichtlich nochmals: »auf die ersten Flintenschüsse,« denn der Kanonen hätte man sich nicht bedienen können.

Man hatte, nämlich nun wohl Artillerie, aber noch keine Artilleristen.

Die Freude war groß. Sämtliche Glocken in Lecce und der Umgegend begannen zu läuten, um den Triumph des Herzogs von Calabrien zu feiern. Abends war die Stadt glänzend erleuchtet.

Am Tage nach der Einnahme von Lecce sah man den durch das Glockengeläute angelockten Fra Pacifico eintreffen. Er hatte sich seiner Mission in den beiden Städten treulich und klug entledigt und berichten nun gleichzeitig Gutes und Böses.

Das Gute bestand darin, daß Tarent bereit war, seine Thore ohne Schwertstreich zu öffnen.

Das Böse bestand darin, daß dagegen Martina sich bereit erklärte, sich bis aufs Aeußersten zu vertheidigen.

Demgemäß beschloß man die kleine Armee in zwei Trupps zu theilen. Der eine dieser Trupps sollte unter Boccheciampes Führung Tarent vollständig für die bourbonische Partei gewinnen und der andere unter Cesare’s Führung langsam auf Martina marschieren, so daß Boccheciampes Colonne ihn einholen könne, ehe er unter den Mauern der Stadt angelangt wäre.

Tarent öffnete, wie Fra Pacifico vorhergesagt, seine Thore, ohne auch nur erst die militärische Aufforderung abzuwarten, und die Bewohner kamen Boccheciampe mit der königlichen Fahne in der Hand entgegen.«

Anders aber war es in Martina. Hier hatte die Stadtbehörde die Vertheidigung beschlossen und einen Preis auf die Köpfe der beiden Prinzen gesetzt, einen von dreitausend Ducaten auf den des Herzogs von Calabrien und einen zweiten von fünfzehnhundert Dukaten auf den des Herzogs von Sachsen.

Man wird vielleicht finden, daß diese Preise eben nicht sonderlich hoch waren; die Stadt Martina war aber durchaus nicht reich.

Eine Viertelstunde vor der Stadt stieß Boccheciampe’s Colonne auf die Cesares und nachdem die Vereinigung bewirkt war, beschloß man einen Sturm auf die Stadt zu unternehmen. Dieser Beschluß worin Anbetracht, daß man wohl Artillerie, aber keine Artilleristen hatte, ein beinahe tollkühner zu nennen.

Man versuchte demgemäß ehe man handgemein würde, alle möglichen Mittel zu einer gütlichen Verständigung.

Man rief einen Trompeter herbei, ließ ihn zu Pferde steigen und gab ihm eine Proclamation an die Bewohner von Martina, worin ihnen mitgetheilt ward, daß die königlichen Truppen, weit entfernt, die geringste Feindseligkeit gegen die Martinesier begehen zu wollen, von denselben weiter nichts verlangten, als Gehorsam gegen ihren legitimen Herrscher. Sollten sie sich jedoch weigern, dieser gerechten Aufforderung nachzukommen, so solle dann das Loos der Waffen die Frage entscheiden.

Der Trompeter ritt fort, während die Blicke der ganzen bourbonischen Armee und besonders die der beiden Anführer ihm folgten.

Er konnte jedoch seinen Auftrag nicht ausrichten, denn in dem Augenblick, wo er in Schußweite kam, ward er mit einer furchtbaren Salve begrüßt und Mann und Roß wälzten sich auf dem Pflaster.

Aber nur das Pferd war todt. Der Mann erhob sich wieder, und obschon er den Hinweg zu Pferde gemacht und den Herweg zu Fuße machen mußte, so legte er gleichwohl letztern viel schneller zurück als erstern.

Die beiden Anführer gaben sofort Befehl zum Sturm und rückten unter einem Kugelregen gegen die Stadt vor, griffen die vor dem Thor stehenden vorgeschobenen Posten an und zwangen sie in die Stadt zurückzukehren.

In diesem Augenblicke aber kam ein sündflutartiger Regen und Hagelschlag den Belagerten zu Hilfe und hinderte die königlichen Truppen, ihren Sieg weiter zu verfolgen. Da ferner unmittelbar nach dem Regen die Nacht einbrach, so sah man sich genöthigt, die Fortsetzung der Belagerung auf den nächstfolgenden Tag zu verschieben.

Fra Pacifico hatte an dem Kampfe keinen Antheil genommen, war aber deswegen nicht unthätig geblieben.

In Lecce, in Tarent, unterwegs, überall hatte er unter der Zahl der Freiwilligen, welche sich dem kleinen Trupp angeschlossen, Mönche gefunden.

Diese Mönche gehörten beinahe alle dem Minoritenorden, das heißt dem des heil. Franciscus, an.

Fra Pacifico, der mit einer Mission vom Cardinal beauftragt war, übte natürlich eine gewisse Suprematie über diese Leute aus. Demzufolge hatte er sie exercirt und, damit die beiden Geschützt nicht unthätig blieben, im Bedienen derselben unterrichtet.

Demzufolge sah man noch am Abend des Scharmützels zum großen Erstaunen der beiden Anführer und zur nicht geringen Erbauung der Armee zwölf Mönche, je sechs Mann, an die beiden Kanonen gespannt, welche auf diese Weise auf eine kleine die Stadt beherrschende Anhöhe dem Thor gegenüber hinaufgeschleppt wurden.

Am nächstfolgenden Morgen mit Tagesanbruch waren die beiden Geschütze schulgerecht aufgepflanzt.

Cesare, welcher bei Tagesanbruch diese von Fra Pacifico getroffenen Anordnungen sah, wollte die Batterie selbst besuchen. Hier ward Alles durch ein einziges Wort erklärt.

Am Bord der »Minerva« war Frau Pacifico während seiner Dienstzeit Oberkanonier gewesen. Jetzt hatte er sich nicht blos selbst wieder seines alten Handwerks erinnert, sondern es während der letztvergangenen zwei oder drei Tage auch den von ihm exercirten Mönchen gelehrt.

Cesare ernannte ihn sofort zum Anführer der Artillerie.

Trotz dieses Zuwachses in seinem Angriffsmaterial, eines Zuwachses, der ihm den Sieg versprach, wollte Cesare immer noch mit Mäßigung gegen die Martinesier zu Werke gehen und schickte daher einen zweiten Parlamentär an sie ab, welcher dieselben Instructionen hatte wie der erste.

Als die Martinesier jedoch den Parlamentär innerhalb Schußweite sahen, begannen sie auf ihn eben so zu feuern, wie sie aus den ersten gefeuert.

Zur Antwort auf dieses Feuer krachten Fra Pacifico’s beide Geschütze und sendeten den Vertheidigern der Mauern einen Kartätschenhagel, der sie decimirte.

Bei dieser Kundgebung einer nicht geahnten Artillerie, welche ohne erst um Erlaubniß zu bitten, sich in die Conversation mischte und sofort ein Dutzend Feinde niederstreckte, trat in den Reihen der Belagerten ein Augenblick des Zögerns ein.

Die royalistischen Anführer benützten denselben.

Beide gebotene Corsen und tapfer wie Corsen, vergaßen sie ihre angebliche Vornehmheit und stürzten jeder mit einem Beil in der Hand auf das Thor los, welches sie sofort einzuschlagen begannen.

 

Die ganze Armee folgte ihnen mit Enthusiasmus. Die Calabresen hatten noch niemals davon gehört, daß Prinzen bei einer Belagerung die Arbeit von Pionieren und Capuziner die von Artilleristen verrichteten. Das Thor ward binnen wenigen Augenblicken gesprengt und mit Cesare und Boccheciampe an der Spitze drang die kleine Armee in die Stadt wie ein Strom, der seinen Damm durchbrochen hat.

Die Martinesier versuchten diesen Menschenstrom aufzuhalten, ihre Häuser und die freien Plätze zu vertheidigen, sich in den Kirchen zu verschanzen. Schritt um Schritt verfolgt, aus nächster Nähe niedergeschossen, konnten sie sich nicht wieder sammeln, sondern sahen sich gezwungen, die Stadt in wilder Unordnung und als Fliehende durch das Thor zu verlassen, welches dem, zu welchem die Bourbonisten eingedrungen, entgegengesetzt war.

Eine einzige kleine Gruppe von Republikanern sammelte sich um den Freiheitsbaum und ließ sich hier vom ersten bis letzten Mann niedermachen.

Der Freiheitsbaum fiel ebenso wie seine Vertheidiger, ward in Stücke gespalten und zu einem Scheiterhaufen umgestaltet, auf welchem man die Todten und mit denselben auch einige Lebendige verbrannte.

Auch diesmal thaten Cesare und Boccheciampe Alles, was sie konnten, um dem Gemetzel Einhalt zu thun. Es herrschte jedoch unter den Siegern ein solcher Blutdurst, daß diese menschenfreundlichen Bestrebungen von einem weit ungünstigeren Erfolg begleitet waren als in den anderen Städten.

Auf den Fall von Martina folgte der von Aquaviva, und unsere beiden Abenteurer glaubten, es sei nun in der Provinz Alles wieder in das alte Gleis zurückgebracht, als sie erfuhren, daß Bari, trotz des an Martina und Aquaviva statuierten Exempels, die republikanische Regierung proklamiert und geschworen hatte, dieselbe aufrecht zu erhalten.

Dies war dieser Stadt um so leichter, als sie auf dem Seewege einen Succurs von sieben- bis achthundert Mann Franzosen erhalten hatte.

Cesare und Boccheciampe fragten sich eben, ob sie Bari trotz dieser Verstärkung angreifen, oder, die von französischen Bajonneten unterstützte Revolution hinter sich lassend, sich, den Befehlen des Cardinals folgend, mit ihm vereinigen sollten.

Während sie noch so unschlüssig waren, erfuhren sie, daß die Franzosen Bari verlassen hatten und gegen Casa Massima verrückten.

Sie wußten, daß die französische Colonne nur siebenhundert Mann zählte. Die bourbonische Armee zählte deren beinahe zweitausend, das heißt eine beinahe dreifache Streitmacht.

Sie beschlossen deshalb es auf einen Zusammenstoß mit den regulären Truppen ankommen zu lassen.

Uebrigens war dies eine Extremität, zu welcher man ja auf jeden Fall gelangen mußte.

Um sich ihres Vortheils aber noch mehr zu versichern, beschlossen die beiden Freunde den Franzosen einen Hinterhalt zu legen. Sie theilten deshalb ihre Truppen. Boccheciampe ließ tausend Mann dem vorgeblichen Kronprinzen und rückte mit den andern tausend Mann auf der Straße von Monteroni vor.

In dem Thal fand er einen Ort, der zu einem Hinterhalt geeignet war, und setzte sich mit seinen Truppen hier fest.

Cesare dagegen hielt sich auf der Höhe von Casa Massima in Sicht, denn er hoffte auf diese Weise die Blicke des Feindes auf sich zu ziehen und von Boccheciampe’s Hinterhalt abzulenken.

Boccheciampe sollte die Franzosen angreifen und Cesare die Unordnung, welche dieser Angriff in ihren Reihen verursachen würde, benutzen, um über sie herzufallen und sie vollends in die Flucht zu schlagen.

Cesare hatte in Martina und in Aquaviva eine Contribution von zwölf Pferden erhoben, die er Fra Pacifico für seine Artillerie gegeben, welche immer noch durch seine zwölf Mönche bedient ward, die, da er sie dreimal täglich exerciren ließ, ganz vortreffliche Artilleristen geworden waren.

Diesmal postierte man Fra Pacifico und seine Kanonen auf die Landstraße, damit er sich überall hinwenden könnte, wo er gebraucht würde.

Dann wartete man.

Alles kam so, wie man es vorausgesehen, ausgenommen die Entwicklung.

Die nur mit Cesare und dessen Leuten, welche sie auf der Höhe des Hügels von Casa Massima gewahrtem beschäftigten Franzosen gingen richtig in den ihnen von Boccheciampe gelegten Hinterhalt. Mit Nachdruck angegriffen und anfangs nicht wissend, mit wem sie zu thun hätten, ließen sie in ihren Reihen eine zögernde Bewegung eintreten. Sobald sie aber erkannt, was für einen Feind sie zu bekämpfen hatten, zogen sie sich auf dem Gipfel eines sich an den Wald lehnenden Hügels zusammen und marschierten von hier aus, durch ihre Artillerie unterstützt, im Sturmschritt und mit gefälltem Bajonnet auf Boccheciampe los.

In diesem Augenblick wollte der Zufall, daß unter den Bourbonisten sich das Gerücht verbreitete, eine starke Colonne von Patrioten rücke von Bari an, um ihnen in den Rücken zu fallen.

Nun war Alles aus. Die bewaffneten Garben, die Campieri, die Jäger von Lecce waren die Ersten, welche die Flucht ergriffen, und die ganze übrige Colonne folgte ihrem Beispiel.

Vergebens stürzte Cesare an der Spitze einiger treugebliebenen Reiter sich mitten in das Handgemenge hinein. Er konnte die Fliehenden nicht wieder sammeln.

Ein panischer Schrecken hatte sich seiner Leute bemächtigt. Zum Glück für die beiden Abenteurer glaubten die so nachdrücklich angegriffenen Franzosen, als sie nicht blos jeden Angriff, sondern auch jeden Widerstand aufhören sahen, an irgend eine Kriegslist, welche den Zweck hätte, sie in einen zweiten Hinterhalt zu locken.

Deshalb machten sie anfangs kurz Halt, und setzten dann ihren Marsch nur langsam und unter Beobachtung der größten Vorsicht fort.

Es dauerte jedoch nicht lange, so erkannten sie, daß es sich hier um eine wirkliche Niederlage handle, und die republikanische Cavallerie brach daher zur Verfolgung der Fliehenden auf.

In dem Augenblicke, wo sie die Landstraße erreichte, begrüßte Fra Pacifico sie mit zwei Kartätschenschüssen,, die ihnen einige Pferde und einige Mann kosteten. Dann ergriff er mit Zurücklassung eines umgestürzten Munitionswagens, und nachdem er eine mit einer Pulverschlange in Verbindung stehende Lunte gelegt, mit seiner übrigen Artillerie eiligst die Flucht.

Nun wollte der Zufall oder auch eine richtige Berechnung von Seiten Pacifico‘s, daß in demselben Augenblick, wo die Dragoner, um nicht auf den umgestürzten und den Weg versperrenden Munitionswagen zu stoßen, sich in zwei Glieder theilten , welche zu beiden Seiten um den Wagen herumritten, das Feuer sich von der Pulverschlange und von dieser dem Munitionswagen mittheilte, welcher mit furchtbarem Gekrach in die Luft flog und die Pferde und Menschen, welche in das Bereich seiner Trümmer kamen, in Stücke riß.

Damit kam die Verfolgung zum Stillstand. Die Franzosen fürchteten einen neuen Fallstrick von derselben Art, und die Bourbonisten konnten sich daher zurückziehen, ohne weiter belästigt zu werden.

Die Glorie aber, welche sich bis jetzt an ihre göttliche Mission geknüpft, war damit zerstört. Gleich bei dem ersten Kampf mit den republikanischen Truppen waren sie, obgleich diesen dreimal an Zahl überlegen; besiegt worden.

Von den zweitausend Mann, welche die beiden jungen Abenteurer vor dem Kampfe hatten, blieben ihnen kaum fünfhundert.

Die andern hatten sich zerstreut.

Man kam überein, daß Cesare mit vierhundert Mann sich dem Cardinal anschließen und Boccheciampe mit hundert Mann nach Brindisi begeben sollte, um hier wo möglich wieder eine Colonne zu organisieren, womit er seinerseits wieder zu dem Kern der sanfedistischen Armee stoßen könnte.

Fra Pacifico die beiden Kanonen, der noch übrige Munitionswagen und seine zwölf Mönche blieben bei Cesare’s Colonne. Die beiden Freunde umarmten einander und schlugen noch denselben Abend jeder den Weg ein, der ihn seiner Bestimmung entgegenführen sollte.

Siebentes Capitel.
Niccola Addone

Wir haben erzählt, wie Salvato von dem General Championnet nach Salerno geschickt worden war, um daselbst eine Colonne zu organisieren und auf Potenza zu dirigieren, wo man eine Reaction und die furchtbaren Leiden fürchtete, von welchen eine solche stets in einem halbwilden Lande begleitet ist, wo die Bürgerkriege nur der Vormund für persönliche Rachegelüste sind.

Obschon die Ereignisse von Potenza mehr der allgemeinen Geschichte von 1799 als der besonderen Erzählung angehören, mit welcher wir es hier zu thun haben und die den Augen unserer Leser nur die Thaten der Personen, welche darin eine Rolle spielen, vorführen soll, so werden wir doch, da diese Ereignisse sowohl die Zeit, in der sie geschehen, als auch das Volk, unter welchem sie vorfielen, auf furchtbare Weise kennzeichnen, ihnen ein Capitel widmen, aus welches sie ein doppeltes Recht haben, sowohl wegen der Größe der Katastrophe, als auch wegen des unheilvollen Einflusses, den die Reise, welche Micheles Verrath des Backerschen Complotts herbeiführte, auf das Leben der Heldin unserer Geschichte äußerte.

Als der General Championnet aus jener Soirée bei der Herzogin Fusco zurückkehrte, wo Monti‘s Verse vorgelesen, wo der »Parthenopäische Moniteur« gegründet worden und wo der Papagei der Herzogin Dank seinen beiden Lehrern Velasco und Nicolino genesen hatte: »Es lebe die Republik! Nieder mit den Tyrannen!« hatte er in dem Palaste Angri einen reichen Grundbesitzer aus der Basilicata, Namens Niccola, angetroffen.

Don Niccola Addone, wie man ihn in dortiger Gegend, wo noch theilweise spanische Gebräuche herrschten, nannte, wohnte in Potenza und der Bischof Monsignore Serrao war sein intimer Freund.

Monsignore Calao, ein geborener Calabrese, hatte sich während seines Episcopats den Ruf eines gelehrten Mannes von exemplarischem Lebenswandel erworben.

Der Grund hiervon lag einerseits in den von ihm veröffentlichten geschätzten Werken und andererseits in seiner wahrhaft evangelischen Mildthätigkeit und Menschenliebe. Mit Gerechtigkeitsgefühl und edlem Sinn begabt, hatte er die Freiheit als den von dem Evangelium versprochenen Engel des Volkes begrüßt und die liberale Bewegung ebenso wie die neue Doktrin gefördert.

Dieser schöne republikanische Himmel begann aber kurz nach der ersten Morgenröthe sich bereits zu trüben. Ueberall organisieren sich Banden von Sanfedisten. Die Anhänglichkeit an die Bourbons war der Verwand, Plünderung und Mord waren das eigentliche Ziel.

Monsignore Serrao, welcher seine Mitbürger durch seinen Eifer und sein Beispiel compromittirt hatte beschlossen, wenigstens für ihre persönliche Sicherheit zu sorgen.

Er kam auf den Gedanken, aus Calabrien, das heißt aus seiner Heimat, eine Garde jener bewaffneten Männer, die unter dem Namen der Campieri bekannt sind, kommen zu lassen.

Es waren dies Ueberreste jener Söldnerschaaren des Mittelalters, welche sich jedem Edelmanne verdungen, der sie am besten bezahlte. Ihre Abstammung kannte man nicht. Vielleicht waren es Nachkommen der alten Condottieri.

Der arme Bischof glaubte an diesen Leuten, seinen Landsleuten, besonders wenn er sie gut bezahlte, muthige und hingebende Vertheidtger zu haben.

Unglücklicherweise hatte Monsignore Serrao vor einiger Zeit die Handlungsweise eines jener schlechten Priester getadelt, deren es in den südlichen Provinzen so viele gibt, und welche allemal den Blicken ihrer Vorgesetzten dadurch zu entrinnen hoffen, daß sie sich unter die große Menge mischen. Dieser Priester hieß Angelo Felice Vinciguerra.

Er war aus demselben Dorfe wie einer der beiden Anführer der Campieri, der Falsetta hieß.

Der zweite Anführer hieß Capriglione.

Der Priester war schon als Knabe ein intimer Freund von Falsetta gewesen und schloß sich jetzt aufs Neue an ihn an. Er machte ihm begreiflich, daß der Sold, welchen Monsignore Serrao ihm zahlte, so hoch derselbe auch sei, doch keinen Vergleich aushalte mit dem, was ihm die Contributionen, die er auflegen, und die Beute, die er machen könnte, einbringen würden, wenn Capriglione und er, anstatt sich der Aufrechtbaltung der Ordnung zu widmen, sich mit Hilfe der unter ihren Befehlen stehenden Leute zu Meistern der Stadt machten.

Falsetta, welcher Vinciguerras Rathschlägen Gehör gab, theilte dieselben Capriglione mit, welcher ebenfalls sofort darauf einging.

Daß die Mannschaften die Ansichten ihrer Anführer theilten, versteht sich fast von selbst.

Eines Morgens sah Monsignore Serrao der noch im Bett lag, seine Thür sich öffnen, und Capriglione erschien mit der Muskete in der Hand auf der Schwelle, indem er ohne weitere Einleitung jagte:

»Monsignore, das Volk will Ihren Tod.«

 

Der Bischof erhob die rechte Hand, machte die Geberde eines Mannes, der seinen Segen ertheilt, und sagte:

»Ich segne das Volk.«

Ohne ihm Zeit zu lassen, diesen evangelischen Worten noch etwas hinzuzufügen schlug der Bandit an und gab Feuer.

Der Prälat, welcher sich erhoben, um seinen Mörder zu segnen, sank, die Brust von einer Kugel durchbohrt, todt zurück.

Auf den Knall des Schusses kam der Vicar des Bischofs herbeigeeilt, und da er seine Entrüstung über diesen Mord aussprach, so tödtete Capriglione ihn durch einen Messerstich.

Auf diesen Doppelmord folgte beinahe unmittelbar der Tod zweier der reichsten und angesehensten Gutsbesitzer der Stadt. Sie hießen Gerardangolo und Giovanni Liani. Es waren Brüder.

Das Gerücht, daß die Ermordung des Bischofs durch Capriglione, aber auf Anstiften des Priesters, verübt worden, erhielt dadurch Bestätigung daß am Morgen nach dem Verbrechen der genannte Vinciguerra sich mit der Bande Caprilione’s vereinigte, um die Stadt Potenza in Blut und Trauer zu stürzen.

Liberale, Patrioten, Republikaner, kurz Alle, welche in irgend einer Beziehung den neuen Ideen angehörten, wurden nun von tiefem Schrecken ergriffen und dieser stieg noch höher, als das Gerücht sich verbreitete, daß an dem Tage wo das Fest des Blutes Christi gefeiert werden sollte, das heißt am Donnerstage nach Ostern, die Meister der Stadt gewordenen Briganten mitten unter der Procession nicht blos alle Patrioten, sondern auch alle Reichen niedermetzeln würden.

Der Reichste von Denen, welche von diesem Gerücht bedroht wurden und gleichzeitig einer der rechtschaffensten Bürger der Stadt, war jener Niccola Addone, der Freund des Bischofs, welcher den französischen General bei dessen Rückkunft von der Soirée der Herzogin von Fusco in seinem Quartier erwartete.

Es war ein wackerer, entschlossener Mann und hatte sich in Übereinstimmung mit seinem Bruder Basilio Addone vorgenommen, die Stadt von dieser Mörderbande zu befreien.

Er ließ deshalb diejenigen seiner Freunde zu sich rufen, welchen er den meisten Muth zutraute. Unter der Zahl dieser befanden sich drei Mann, deren Namen, welche sich in keiner Geschichte aufgezeichnet finden, durch die mündliche Tradition bewahrt worden sind.

Diese drei Männer hießen Giuseppe Scafanelli, Jorio Mandiglia und Gaetano Massi.

Noch sieben oder acht andere schlossen sich ebenfalls der Verschwörung an, doch habe ich die ältesten Bewohner von Potenza, von welchen ich ihre Namen erfahren zu können hoffte, vergebens befragt.

In Niccola Addones Hause bei verschlossenen Thüren und Fenstern versammelt, kamen diese Patrioten darin überein, daß man Capriglione, Falsetta und ihre ganze Bande vom Ersten bis zum Letzten mit einem Schlage vernichten müsse.

Um zu diesem Ziele zu gelangen, galt es, sich bewaffnet theils in Addone’s, theils in dem benachbarten Hause zu versammeln.

Die Banditen selbst lieferten, als ob sie mit den Patrioten einverstanden gewesen wären, diesen die Gelegenheit, welche ihnen noch fehlte.

Sie erhoben von der Stadt Potenza eine Contribution von dreitausend Dukaten, wobei sie es den Bürgern überließen, die Art und Weise zu regeln, auf welche diese Contribution auf die einzelnen Bürger vertheilt und wie sie bezahlt werden sollte, dafern die Zahlung nur binnen drei Tagen erfolgte.

Die Contribution ward erhoben und öffentlich in Niccola Addone’s Hause deponirt.

Ein Mann aus dem Volke Namens Gaetano Scoletta, seines Zeichens ein Schuhmacher und unter dem Spitznamen Sarcetta bekannt, übernahm es, den Banditen die Aufforderung zu überbringen, sich bei Addone einzufinden und jeder den ihm zukommenden Antheil in Empfang zu nehmen.

Die deshalb bezeichneten Stunden waren für jeden der Banditen verschieden, damit nicht etwa die ganze Bande in Masse sich einfände, was die Ausführung des Projerts schwierig gemacht haben würde.

Scoletta war beauftragt, während er mit den Banditen plauderte, sie von der innern Einrichtung des Hauses in Kenntniß zu setzen und ihnen unter Anderem zu sagen, daß die Casse aus Furcht vor Dieben in dem abgelegensten Gemach des Hauses verwahrt werde.

An dem bestimmten Tage ließ Niccola Addone zwei kräftige in seinem Dienste stehende Maulthiertreiber, welche der eine Loreto, der andere Surraceno hießen, sich in einer Art Cabinet verstecken, aus welchem man in das Zimmer gelangte, worin, wie Scoletta sagte, der Cassierer sich befand.

Diese beiden Männer standen mit einem Beil in der Hand zu beiden Seiten einer niedrigen Thür, welche man nicht passiren konnte, ohne sich zu bücken. Die beiden mit festen Stielen versehenen Beile waren am Abend vorher zu diesem Zwecke gekauft und geschliffen worden.

Alles war bereit und jeder eine Viertelstunde vor der bestimmten Zeit auf dem ihm angewiesenen Posten.

Die ersten Banditen kamen einer nach dem andern an und wurden sofort nach ihrer Ankunft eingelassen. Nachdem sie einen langen Corridor durchschritten, gelangten sie in das Zimmer, wo Loreto und Sarraceno hinter der Thür standen.

Diese handhabten ihre Beile mit derselben Schnelligkeit und Präcision, womit der Fleischer in seinem Schlachthofe einen Ochsen niederschlägt.

In demselben Augenblick, wo der Bandit niederstürzte warfen zwei andere Diener Addone’s, Namens Piscione und Musano, den Cadaver durch eine Fallthür in einen Stall hinab.

Sobald der Cadaver verschwunden war, trat eine alte Frau, starr wie eine Parze, mit einem Eimer Wasser in der einen und einem Schwamm in der andern Hand, aus einem Nebenzimmer heraus, wusch den Fußboden und zog sich dann wieder stumm und steif wie ein Automat in ihr Zimmer zurück.

Endlich fand auch der Anführer Capriglione sich ein. Basilio Addone, Niccola’s Bruder, folgte ihm, wie um ihm den Weg zu zeigen.

Mitten in dem Corridor aber erwachte in dem unruhigen, mißtrauischen Banditen ohne Zweifel eine bange Ahnung. Er wollte umkehren.

Ohne ihn erst zum Weitergehen bewegen zu wollen, und ohne erst sich in eine Diskussion mit ihm einzulassen, stieß ihm in dem Augenblicke wo er sich umdrehte, Basilio Addone seinen Dolch bis an den Griff in die Brust.

Capriglione stürzte nieder, ohne einen Schrei auszustoßen.

Basilio schleppte ihn in das erste Zimmer, welches sich darbot, schloß ihn, nachdem er sich überzeugt, daß er wirklich todt sei, darin ein und steckte den Schlüssel ruhig in die Tasche.

Was Falsetta betraf, so war er einer der Ersten gewesen, welchen der Kopf gespalten ward.

Sechzehn der Banditen mit Einschluß der beiden Anführer waren schon getödtet und in den Stall hinabgeworfen, als die anderen, die ihre Cameraden wohl hineingehen, aber nicht wieder herauskommen sahen, einen kleinen Trupp bildeten und, von Gennarino, Falsettas Sohn, angeführt, Addones Haus sich näherten, um an die Thür zu pochen.

Sie hatten aber nicht einmal Zeit genug, an dieser Thür zu pochen.

In dem Augenblick, wo sie nur noch etwa fünfzehn Schritte von dem Haus entfernt waren, schoß Basilio Addone, welcher an einem Fenster Schildwache stand, mit derselben festen Hand und mit demselben sichern Blick, womit er Capriglione niedergestochen, Gennarino mitten in die Stirn.

Dieser Schuß war das Signal zu einem furchtbaren Handgemenge. Die Verschworenen, welche einsahen, daß jetzt der Augenblick da war, wo jeder mit seiner eigenen Person eintreten mußte, stürzten auf die Straße hinaus und fielen mit solcher Wuth über die Banditen her, daß alle vom ersten bis zum letzten auf dem Platze blieben.

Man zählte zweiunddreißig Leichen.

Während der Nacht wurden diese zweiunddreißig Leichen eine nach der andern in einer Reihe auf den Marktplatz gelegt, so daß bei Tagesanbruch die ganze Stadt dieses blutige Schauspiel vor Augen haben konnte.

Schon am Abend vorher aber war Niccola Addone abgereist, um Championnet von diesem ganzen Vorgange in Kenntniß zu setzen und ihn zu bitten, eine französische Colonne nach Potenza zu schicken, um daselbst die Ordnung aufrecht zu erhalten und der Reaction Widerstand zu leisten.