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Die Prinzen von Orleans

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Siebentes Kapitel
Louis Philipp I., König der Franzosen (der. Freimaurer), 1773–1850

Louis Philipp von Orleans wurde am 6. October 1773 im Palais-Royal geboren. Er ward Herzog von Valois genannt. Der Dauphin, nachher Ludwig XVI., und die Dauphine (Marie Antoinette) vertraten persönlich Pathenstelle bei ihm.

So begann dieses Leben, welches so verschiedene Wechsel erfahren, so viel merkwürdige Situationen darbieten sollte. Es ist noch nicht beschlossen dieses Leben, und sonach der Tag noch nicht gekommen, wo es vollständig beurtheilt werden kann; aber die Geschichte hat wenigstens das Recht, dasselbe bis 1830 zu beschreiben.

Nach dem Tode seines Großvaters Herzog von Chartres geworden, ward er von Frau von Genlis erzogen, einer ehemaligen Concubine des Finanzier la Popelinière, die, seit ihrer Kindheit mit Ränken vertraut, Comödiantin schon in ihrer Jugend, mit allen Schwächen des weiblichen, alle Ansprüche des männlichen Geschlechts verband. Aus Rücksicht auf die Herzogin von Orleans, wohnte sie im Palais-Royal. Als sie mit ihren Zöglingen, Louis Philipp von Orleans und Mademoiselle Adelaide einst das Schloß Anet besuchte, erröthete sie nicht, vor dem Grabmale Dianens von Poitiers stehen bleibend, und mit bedeutungsvoller Miene zu dem jungen Prinzen zu sagen:

»O!, wie glücklich war sie, die Geliebte von Vater und Sohn zu sein!«

Vermöge ihrer lebhaften Einbildungskraft suchte sie durch die politische Tendenz ihres Unterrichts den revolutionairen Ideen des jungen Herzogs zu schmeicheln; aber weit entfernt, ihm das Edle und den progressiven Einfluß derselben anschaulich zu machen, ließ sie ihn nur deren Mißbrauch sich aneignen. Als jene Ideen sich endlich verwirklichten, verließ Frau von Genlis mit ihren Zöglingen. Saint-Leu und ließ sie dem entsetzlichen Schauspiele eines in Aufruhr gerathenen Volkes, welches den Fall der Monarchie verlangt, beiwohnen. Am 5. Oktober war sie mit ihnen auf der Terrasse eines Hauses in Passy, um die nach Versailles strömenden Patrioten vorüberziehen zu sehen; auch an dem Tage, wo Ludwig XVI. sich nach dem Stadthause begab, waren sie daselbst. Auf dieser Terrasse wurden die beleidigendsten Gespräche über zwei unglückliche Frauen, die Königin und Prinzessin von Lamballe geführt.

Am 8. August 1792 ging Louis Philipp zu der in Valenciennes vereinigten Armee ab. Er wohnte den Gefechten von Jemappes und Valmy bei, unter dem Namen Louis Philipp Egalité, welchen er führte, seit sein Vater dem Namen seiner Vorfahren entsagt hatte. Er war bei dem General Dumouriez, der daran arbeitete, die Familie Orleans auf den Thron zu setzen. Louis Philipp fuhr fort, sich zu denselben Meinungen zu bekennen, bis zu dem Tage, an welchem die Commissaire des Convents gekommen waren, um Dumouriez zu verhaften, die aber von ihm verhaftet wurden, worauf derselbe mit dem Sohne Egalité’s in das österreichische Lager überging. Von da an nahm er andere Grundsätze an.

Um diese Zeit schrieb er an seinen Vater:

Tournay, 30. März.

»Ich schrieb Ihnen von Louvain aus, cher papa, am 21sten; es war der erste Augenblick, über den ich seit der unglücklichen Schlacht von Neerwinden disponieren konnte. Auch von Brüssel und Enghien aus habe ich Ihnen geschrieben; Sie sehen also, daß ich nichts versäumt habe. Aber man macht sich keinen Begriff von der Schnelligkeit, mit der die Post-Administrationen sich zurückziehen, ich war zehn Tage ohne Briefe und Zeitungen, und in jenen Bureaux herrscht wie überall die bewunderungswürdigste Unordnung.

»Meine Rosenfarbe ist jetzt sehr verdunkelt und in das tiefste Schwarz verwandelt; ich sehe die Freiheit verloren; sehe den National-Convent durch die Zerrüttung aller seiner Grundsätze ganz Frankreich verderben; ich sehe den Bürgerkrieg entzündet, sehe unzählbare Armeen von allen Seiten unter unglückliches Vaterland überschwemmen, sehe aber keine Macht, die denselben entgegengestellt werden könnte; meine Linientruppen sind fast ganz aufgerieben, die stärksten Bataillone bestehen aus 400 Mann. Das tapfere Regiment Zweibrücken hat nur noch 150 Mann und keine Recrutierung zu hoffen; Alles geht zu den Freiwilligen, oder zu dem neuen Armeecorps; zudem hat das Decret, welches die Linientruppen den Freiwilligen gleichstellt, sie gegen einander aufgebracht. Die Freiwilligen desertieren und fliehen nach allen Seiten hin; man kann sie nicht halten, und mit solchen Soldaten glaubt der Convent sich gegen ganz Europa behaupten zu können! Ich versichere Sie, daß, wenn dies noch kurze Zeit so fort geht, derselbe bald nur zu sehr enttäuscht sein wird. In welchen Abgrund hat er Frankreich gestürzt . . .  Meine Schwester wird nicht nach Lille gehen, wo sie Unannehmlichkeiten wegen ihrer Auswanderung haben könnte: ich ziehe es vor, daß sie ein Dorf in der Nähe von Saint-Amand wählt.

Unterzeichnet: »Egalité«

Louis-Philipp v. Orleans, sagt Herr Sarrans, that zwanzig Jahre lang Alles was nur einem Menschen zu thun möglich ist, um Vergebung zu erhalten für das, was Seine Königliche Hoheit die Verirrungen der Jugend nannte. Von seiner Mutter unterrichtet, daß das Herz Ludwig XVIII. nicht unempfindlich gegen die Reue seines Vetters sei, trug der Herzog von Orleans kein Bedenken, eine amerikanische Familie zu verlassen, die ihn in seinem Unglücke aufgenommen und mit Liebe gepflegt und beschützt hatte und in deren Schooß soeben Hymen durch die Bande der Dankbarkeit ihn fesseln sollte. Nach Europa zurückgekehrt, von seiner Familie wieder aufgenommen und mit zweitausend Pfund Sterling bei der Summe betheiligt, welche Groß-Britannien dem entthronten Königshause bewilligte, strengte der Herr Herzog v. Orleans auf alle nur mögliche Weise sich an, die Aufrichtigkeit seiner Reue und seiner Gewissensbisse zu bethätigen. Von diesem Augenblicke an war seine Bekehrung zu der Lehre der Legitimität eben so glühend, als früher seine Liebe zu den revolutionairen Grundsätzen leidenschaftlich gewesen war. Es schien ihm dringendes Bedürfniß, seine Reue täglich auszusprechen; er bethätigte dieselbe öffentlich in der Cathedral-Kirche zu Palermo, wo er, die Hand einer neapolitanischen Prinzessin empfangend, der Contre-Revolution huldigte und derselben Treue schwur; er bethätigte sie ferner in London, wo er 1866 mit Entzücken das Anerbieten einer Befehlshaberstelle in der Armee des Königs v. Schweden annahm, der am 3. Oktober einen Vertrag mit England geschlossen und sein Haupt-Ouartier in Limburg hatte; er bethätigte sie in Cadix, indem er um eine Befehlshaberstelle gegen die Veteranen von Jemappes und Valmy einkam; er bethätigte sie in Tarragona, indem er eine Proklamation unterzeichnete, welche die Soldaten der dreifarbigen Fahne aufforderte, sich unter die Standarte der Lilien zu schaaren, kurz, überall und zu jederzeit drückte Louis-Philipp, sowohl durch Widerrufungen als durch Thaten, die tiefe Reue aus, welche er über seinen revolutionairen Wahnsinn empfand, der ihn sogar so weit hingerissen hatte, folgende Unterschrift unter einen Brief zu setzen:

»Louis-Philipp – Egalité, durch sein Unglück französischer Prinz, vom Herzen aber Jakobiner bis zu den Zehenspitzen.«

Es ist ausgemacht, daß die Revolution von 1789 den Herzog v. Orleans in eine sehr klägliche Lage versetzt hatte. Ausgeschlossen von der Nation und von seiner Familie, blieb ihm nichts übrig als Sprachlehrer in der Schweiz zu werden.

Als er, des Elendes überdrüssig, sich dem Throne wieder nahen wollte, wendete er sich an den Grafen v. Artois. Die Verbrechen Philipp-Egalité’s wurden vergessen, und Louis-Philipp dankte, nachdem er Ludwig XVIII. den Eid der Treue geschworen hatte, den Wohlthaten seiner Verwandten eine glückliche Zuflucht in Sicilien, sowie die Begründung eines Vermögens und die Hand der Prinzessin Amalie.

Am 23. April 1803 unterzeichnete Louis-Philipp als erster Prinz von Geblüt, folgende, von der ganzen königlichen Familie unterschriebene Proclamation:

»Wir, unterzeichnete Prinzen, Bruder, Neffe und Vetter Sr. Maj. Ludwig XVIII., Königs v. Frankreich und Navarra:

»Erklären, durchdrungen von denselben Empfindungen, die unser erhabener König und Herr in seiner edeln Beantwortung des ihm gemachten Vorschlages, der Krone Frankreichs zu entsagen und allen Prinzen seines Hauses eine Entsagung ihrer unverjährbaren Rechte der Nachfolge zu dieser nämlichen Krone aufzuerlegen, so ruhmwürdig ausgesprochen hat:

»Daß da unsere Anhänglichkeit an unsere Pflichten und unsre Ehre, uns nie erlauben kann unsern Rechten zu entsagen, wir mit Herz und Seele in die Antwort unsers Königs einstimmen;

»Daß wir, seinem erhabenen Beispiele folgend, uns niemals zu irgend einem Schritte willig finden lassen werden, der das Haus Bourbon herabwürdigen und es vergessen lassen könnte, was es sich selbst, seinen Vorfahren und seinen Nachkommen schuldig ist;

»Und daß, wenn ungerechte Anwendung des Rechtes des Stärkeren jemals, (was Gott verhüten wolle) mit Gewalt, aber niemals mit Recht, irgend einen Andern, als unsern legitimen König, auf den Thron Frankreichs setzen sollte, wir mit eben so viel Vertrauen als Treue, der Stimme der Ehre folgen wollen, die uns gebietet, bis zu unserm letzten Athemzuge, vor Gott, vor Frankreich und mit unserm Degen dagegen zu appellieren.«

»Wasred-House, am 25. April 1803.

L.-Ph. v. Orleans.«

Der Inhalt dieser Proclamation gibt genug Fingerzeige, um den Mann, der jetzt auf Frankreichs, durch die Flucht Karl X. leergewordenem Thron sitzt, beurtheilen zu können.

Am 7. Mai 1810 schrieb er den Cortes von Cadir, welche Ferdinand VII. repräsentierten, folgenden Brief:

»Indem ich den ehrenvollen Auftrag, mit den spanischen Truppen zu kämpfen, annehme, erfülle ich nicht allein die Forderungen meiner Neigung und meiner Ehre, sondern auch die Wünsche: J. J. M. M. von Sicilien und der Prinzen, meiner Schwäger, die bei dem Erfolge Spaniens gegen den Tyrannen, welcher dem erhabenen Hause, von dem auch ich abzustammen die Ehre habe, alle seine Rechte rauben wollte, so unendlich interessirt sind.

 

»Es ist ohne Zweifel an der Zeit, daß der Ruhm der Bourbons aufhört, nur noch eine leere Erinnerung der Völker zu sein, welche von ihren Vorfahren zu so vielen Siegen geführt wurden. . . Heil mir, wenn meine schwachen Kräfte dazu beitragen können, so viele von dem Usurpator umgestürzte Throne wieder aufzurichten und zu stützen, so wie die Rechte und die Unabhängigkeit der Völker, die er schon seit so langer Zeit mit Füßen tritt, wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten! Heil mir, selbst wenn ich in diesem edeln Kampf unterliegen sollte; denn ich hätte alsdann jedenfalls meine Pflichten erfüllend, mich meiner erhabenen Ahnen würdig gezeigt.

». . . Spanien wird seinen König wieder bekommen, wird Thron und Altäre aufrecht erhalten; und so Gott will, werde ich die siegreichen Spanier begleiten, wenn, durch ihr edles Beispiel angefeuert und mit ihrer Hilfe, ihre Nachbarn sie bei sich empfangen.«

»Palermo, 7. Mai 1810.

L.-Ph. v. Orleans.«

Am 18. Juli 1804 schrieb er, veranlaßt durch den Tod des Herzogs v. Enghien, an den englischen Bischof von Landoff:

»Mein lieber Mylord,

»Ich war überzeugt, daß Ihre große Seele eine gerechte Empörung über den abscheulichen Mord meines unglücklichen Vetters empfinden werde. Seine Mutter war meine Tante und er war nach meinem Bruder mein nächster Verwandter. . .

Sein Schicksal ist eine Mahnung an uns Alle, die uns zeigt, daß der corsische Usurpator15 nicht ruhen wird, bis er unsere Familie von der Liste der Lebenden gestrichen hat.

»Das erhöht. Wenn es möglich ist, noch meine dankbare Anerkennung de Wohltat des großmüthigen Schutzes, der uns von Ihrer hochherzigen Nation gewährt wird.

»Ich habe mein Vaterland so früh verlassen, daß ich kaum noch die Sitten eines Franzosen kenne und mit Wahrheit sagen kann, daß ich, nicht durch Dankbarkeit, sondern auch durch Geschmack und Neigung, England angehöre.«

Hier folgt nun endlich der Brief, den er im Anfange des Jahres 1814 an Ludwig XVIII, schrieb:

»Sire!

»Ist es möglich, daß eine bessere Zukunft zu erwarten ist, daß endlich Ihr Stern die Wolken, die ihn so lange umhüllten, durchsicht, während der des Ungeheuers, welches Frankreich so lange unterdrückte, erbleicht?. . .

»Wie bewunderungswürdig ist es, was jetzt geschieht. Wie glücklich bin ich über den Erfolg der Coalition. Es ist Zeit, daß die Revolution endlich gänzlich gestürzt wird. Mein lebhaftester Kummer ist, daß der König mich nicht autorisiert hat, bei den Souverainen Dienste zu nehmen; ich möchte, von meinen Irrthümern zurückgekommen, persönlich beitragen, dem Könige den Weg nach Paris zu bahnen. Meine Wünsche beschleunigen wenigstens den Fall dieses Bonaparte, den ich eben so sehr hasse, als ich ihn verachte.

»Wer hat uns mehr Leid zugefügt, als er, der Mörder unsers armen Vetters, des Herzogs v. Enghien, der Usurpator Ihrer Krone, die er mit Verbrechen besudelt?

Gott gebe, daß sein Fall nahe sei! Ich flehe den Himmel täglich in meinem Gebete darum an.«

Es ist bekannt, wie Ludwig XVIII. ihn am Hofe aufnahm und was er, ungeachtet des Widerstrebens der Emigrieten, für ihn und seine Familie that.

Es ist ferner allgemein bekannt, daß Ludwig XVIII. alle seine Schulden bezahlte und ihm das Vermögen seines Vaters zurückgab, welches dieser in Folge eines schmachvollen Bankerottes ganz und gar seinen Gläubigern überlassen hatte.

Sein Betragen während der hundert Tage ist bekannt; Herr Sarrans sagt darüber:

»Der Herzog v. Orleans schickte zwei pro Memoria bei dem Wiener Congreß ein, in welchen er die Gründe des Verfalls des Hauses Bourbon in den Jahren 1780 bis 1815 auseinander setzte. Wollte Seine Hoheit damit dem Congresse darthun, daß er die Klippe zu umschiffen wissen werde, an welcher Ludwig XVI. gescheitert war. Dies ist eine Frage, deren Beantwortung wir dem Scharfsinne unserer Leser überlassen.

»Ausgemacht ist es, das Ludwig XVIII. diesen Schritt des Herzogs v. Orleans erfahrend, den größten Unwillen zeigte, und augenblicklich der Herzogin von Angoulême, die in London angekommen war, den Auftrag zukommen ließ, die Schritte des Herzogs von Orleans in London zu beobachten und seinen Einfluß auf den Geist des Regenten zu bekämpfen, von dem man wußte, daß er sich, noch von der Zeit der Orgien her, in welche der Prinz v. Wales und der Vater Sr. Hoheit, sich früher gemeinschaftlich gestürzt hatten, für den Herzog interessierte.«

Karl X. erhob die Glückseligkeit des Herzogs von Orleans auf den höchsten Gipfel, indem er ihm den so lange ersehnten Titel »Königliche Hoheit« verlieh, den Ludwig XVIII. ihm beharrlich verweigert hatte. Klüger als Karl X. antwortete er auf alle Bitten, die deshalb an ihn gerichtet wurden:

»Er steht dem Throne so schon nahe genug, ich werde mich wohl hüten, ihn demselben noch näher zu stellen!«

Karl X. that noch mehr, er ließ die Apanage des Herzogs v. Orleans gesetzlich feststellen.

Allgemein bekannt ist in allen ihren Einzelheiten die vielbesprochene Weise, wie der Herzog von Orleans und Frau von Feuchères sich der Erbschaft des Herzogs v. Bourbon versicherten. Die Herzogin v. Berry hatte, – diese Gerechtigkeit muß die Geschichte ihr angedeihen lassen, – sich geweigert, zum Vortheile des Herzogs v. Bordeaux sich in diese schmutzige Angelegenheit zu mischen.

»Die Frau Herzogin v. Berry, sagt ein Geschichtschreiber, war in gewisser Hinsicht ihrem Oheim durch ihre Verweigerungen nicht minder nützlich, als sie es in andrer Hinsicht durch ihre Forderungen gewesen sein würde. Eines Tages kam ein Beamter des Herzogs von Bourbon zu einem der ersten Beamten der Frau Herzogin v. Berry, und brachte nach mannigfachen Umschweifen das Gespräch auf Frau v. Feuchères. Sie ist falsch beurtheilt worden, sagte er, man ist sehr strenge mit ihr verfahren. Dieser Schimpf hat ihr tödtlichen Kummer gemacht. Wenn es möglich wäre, diese Sache in Vergessenheit zu bringen und zu vermitteln , daß die Baronin v. Feuchères wieder Zutritt am Hofe erhielt, wenn Madame Ihren Einfluß dazu benutzen wollte, so glaube ich behaupten zu können, daß sie dadurch nicht allein sich als gut, sondern auch als klug bewiese.

Der Herr Herzog v. Bourbon ist betagt, der Einfluß der Frau v. Feuchères auf ihn ist größer denn je, und das Haus Condé ist reich, wie Sie wissen werden. Was den Herzog v. Bordeaux anbetrifft, so ist dessen Erbtheil gewiß genug, es ist die Krone von Frankreich; anders aber ist es mit Mademoiselle.«

»Er erhielt zur Antwort, daß man erstlich nicht die mindeste Neigung habe, sich mit dieser Sache zu befassen und zweitens überzeugt sei, daß Jeder der es thue, sehr übel ankommen werde.

»Die Frau Herzogin von Berry, der diese Unterredung noch denselben Abend mitgeheilt war, billigte die Antwort sehr, und fügte hinzu, sie wolle von solchen Sachen nichts hören.

»Bei einer Abreise wendete der Emissair der Baronin von Feuchères sich an den Herzog v. Orleans, der seine Eröffnungen mit großer Theilnahme anhörte und jenen schönen Successions-Krieg begann, der mit der Wiederaufnahme der Frau v. Feuchères am Hofe, und mit der Erlangung des köstlichen Testamentes endigt, durch welches das ganze Besitzthum des Hauses Condé dem Herzog v. Aumale zufiel.«

Mit seiner dem Herzoge v. Orleans bis dahin bewiesenen Güte noch nicht zufrieden, ließ Karl X. die Memoiren von Maria Stella, ein Libell gegen die Legitimität des Herzogs v. Orleans, in Beschlag nehmen, und bat Lamartine16 statt des Verses: »Der Sohn hat die Verbrechen seines Vaters geerbt!« zu sagen:

»Der Sohn hat die Tapferkeit seines Vaters geerbt.«

»Indessen, sagt ein Schriftsteller der Linken, versammelte der Herzog v. Orleans nicht allein die Patrioten von 1789 und die Helden des Kaiserreichs, sondern auch alle Männer von einiger Bedeutung, die bei der Restauration in Ungnade standen, um sich; er entriß die historischen Erinnerungen der Vergessenheit, schmückte seine Salons mit den Farben von Austerlitz und Marengo, ließ von Vernet’s Pinsel die großen Scenen der Revolution darstellen, empfing die Unzufriedenen aus allen Epochen in einem Cabinet, sprach unaufhörlich von Begebenheiten, in die sein Name verflochten war, und unterzeichnete für die Kinder des General Foy.

»In seinen vertrauten Unterredungen mit den Oberhäuptern der Opposition, die er noch öfter geheim als öffentlich bei sich sah, griff er entschieden die Handlungsweise der bestehenden Regierung an. Man beklagte bei diesen Zusammenkünften gemeinschaftlich die Angriffe des Hofes gegen die Freiheit des Volkes und die Grundsätze der Revolution von 1789, und deutete mit dem Finger auf die finstern Pläne der Contre-Revolution.«

Während jedoch das Verhalten des Herzogs von Orleans gegen die Linke von dieser Art war, erschöpfte er sich am Hofe in Ausdrücken der Ergebenheit und Loyalität. Tief durchdrungen von der zuvorkommenden Güte der ältern Linie, bestrebte er sich, dem Könige in lebhaften und häufigen Betheuerungen seine Anhänglichkeit zu erkennen zu geben. Man hätte Louis-Philipp sehen müssen, wie er bei jedem Toast auf den König die Hand auf sein Herz legte! Oft begegnete es ihm, daß er, während des Diners, wie von einem der Etiquette trotzenden mächtigen Gefühle ergriffen, plötzlich wie unwillkürlich ausrief: »Es lebe der König!«

Die Revolution löste dieses, durch die Wohlthaten der ältern Linie und die Dankbarkeit des Herzogs v. Orleans, so fest verschlungene Band. Dieser Sohn von Philipp-Egalité hat von der Revolution profitiert und die Lage des Volkes nicht verbessert.

Von dem 28. Juli, 1830 an arbeiteten die Anhänger des Herzogs v. Orleans für ihn. Diese Männer waren Oberhäupter der Bourgeoisie. Lafitte fand an ihrer Spitze. Dieser Banquier hatte, recht gut wissend, daß bei Revolutionen die Macht dem zu Theil wird, der sich ihrer bemächtigt, am 28. eine Botschaft an den Herzog v. Orleans geschickt, um denselben zu vermögen, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Der Prinz, der seinen Kopf nicht aufs Spiel setzen wollte, hatte geantwortet: »Ich danke Ihnen.«

Es lag in feinem Plane, nichts zu übereilen; er hoffte wohl, den Thron zu besteigen, wagte es aber nicht eher, bis derselbe leer, bis der letzte Flintenschuß verhallt sein würde; Herr Lafitte, der ihn kannte, schickte am Abend des 29. Juli Herrn Qudard zu ihm und trug demselben Folgendes auf:

»Sagen Sie dem Herzoge, daß die Stadt in der Gewalt des Volkes ist die Truppen sind abgefallen, und vollständig für die Sache des Volks gewonnen. Ich werde versuchen, ihn zum König v. Frankreich ernennen zu lassen; wenn es mir gelingt, soll er mir kein Wechselrecht gewähren, wenn es mir mißlingt, weiß er nichts davon!«

In demselben Augenblicke riefen die Herren Thiers, Mignet und Andre den Bürgern zu, daß sie würdig seien zu herrschen:

»Seid ruhig, meine Freunde, diesen Abend wird der Herzog v. Orleans Euer König sein!«

Sie waren es, die folgende Proclamation abfaßten:

»Karl X. kann nicht wieder nach Patis zurückkehren, er hat das Blut des Volkes vergossen.

»Die Republik würde uns schrecklichen Zerwürfnissen aussetzen, sie würde uns mit ganz Europa verfeinden.17

 

»Der Herzog v. Orleans ist in der Sache der Revolution ergebener Fürst.

»Der Herzog v. Orleans hat nie gegen uns gekämpft.

»Der Herzog v. Orleans war bei Jemappes.

»Der Herzog v. Orleans wird ein Bürger-König sein.

»Der Herzog v. Orleans hat die dreifarbige Fahne ins Feuer getragen; er kann sie nochmals hinein tragen, wir wollen keinen Andern.

»Der Herzog v. Orleans spricht sich nicht aus. Er erwartet eure Gelübde und wird die Charte annehmen, wie wir es immer gewünscht und gemeint haben. Von dem französischen Volke wird er seine Krone erhalten.«

Aber der Gedanke, daß der Herzog v. Orleans nach der Krone greifen wolle, während die Thränen seiner Familie flossen, hatte für das Volk etwas Abscheuliches. Auch die Republikaner welche für das Gesetz gefochten hatten, waren gegen seine Erhebung. Sie wollten den Kampf von Neuem beginnen und suchten La Fayette auf. Der alte General schwor, sich dem, was die Republikaner die Usurpation Louis-Philipp’s nannten, zu widersetzen: aber der unentschlossene Greis, der einst auf dem Marsfelde das Volk hatte niedermetzeln lassen, hielt die muthigen jungen Leute zurück, welche die Aufhebung des Königthums ausrufen wollten.

Am Morgen des 30. hatte Herr Lafitte mit Hrn. Glandevès, Gouverneur der Tuilerieen, folgende Unterredung:

»Mein Herr, sagte Glandevès, Sie sind also seit vierundzwanzig Stunden Herren von Paris; wollen Sie die Monarchie retten?«

»Welche, mein Herr, die von 1789, oder die von 1814 ?«

»Die constitutionelle Monarchie.«

»Um die zu retten gibt es nur Ein Mittel, nämlich den Herzog v. Orleans zu krönen.«

»Den Herzog v. Orleans, mein Herr! den Herzog v. Orleans! Aber kennen Sie ihn denn?«

»Seit fünfzehn Jahren.«

»Worin bestehen seine Ansprüche an die Krone? kennen Sie nicht seine Vergangenheit, seine heimlichen Ränke? . . .  Jenes Kind, welches Wien erzogen, kann doch wenigstens die Erinnerung an den väterlichen Ruhm geltend machen, und man muß gestehen, der Weg Napoleon’s hat in der Erinnerung der Menschen, eine leuchtende Spur hinterlassen. Aber welcher Zauber umgiebt den Herzog v. Orleans? kennt das Volk nur seine Geschichte? und wie oft hat es seinen Namen nennen hören?«

»Das ist eher ein Vortheil als ein Nachtheil. Je weniger Einfluß er auf die Einbildungskraft ausübt, je schwerer wird es ihm sein, die Gränzen zu überschreiten, in denen das Königthum gehalten werden muß. Auch halte ich den Herzog für tugendhaft, er ist von seiner Frau geehrt und von seinen Kindern gefürchtet.«

»Tugendhaft! der Herzog v. Orleans tugendhaft! O! sein Leben ist nicht frei von Handlungen die man so vielen Fürsten Schuld giebt.

»Wissen Sie denn übrigens nicht, daß man ihn anklagt, die mörderischen Entscheidungen seines Vaters laut gebilligt, sich in den bösen Tagen unserer Geschichte in Pläne eingelassen zu haben, welche die Erben des unglücklichen Ludwig XVI. für immer von dem Throne ausschließen sollten; in London während der hundert Tage eine Stellung eingenommen zu haben, welche den stärksten Argwohn auf sein Haupt herabruft?. . .  Nein, es ist keine Verläumdung, daß er seit 1815 allen Parteien schmeichelt, daß er sich ganz ungesetzmäßiger Weise seine Apanage gesichert hat, daß er diejenigen welche National-Güter gekauft haben, durch seine Prozesse in Schrecken versetzt, demüthig bei Hofe und außerdem der Schmeichler aller Unruhestifter ist. Gewiß ist es, daß Ludwig XVI. ihm unermeßliche Besitzungen gegeben hat, daß Karl X. bei den Kammern für ihn eingekommen ist, um ihm auf gesetzlichem Wege ein unabhängiges Vermögen zu sichern; daß er ihm endlich huldreich den von ihm so sehr gewünschten Titel Königl. Hoheit verliehen hat. Von so vielen Wohlthaten der ältern Linie bedeckt, sollte er die Vermessenheit haben, nach ihrem Erbe zu trachten? er sollte mit eigenen Händen die Feuersbrunst anschüren, die seine Familie verzehren soll?. . . «

»Hier, mein Herr Baron, handelt es sich nicht darum, was die ältere Linie für den Herzog von Orleans gethan hat; es handelt sich um die Wohlfahrt des Landes, welches von Anarchie bedroht ist. Ich glaube, es ist wünschenswerth für uns, daß der Herzog zum Throne gelangt; denn er ist mehr wie jeder andere Fürst, frei von den Vorurtheilen, die den Untergang Karl X. herbeiführten. Welche Combination ist der, welche seine Krönung veranlassen würde, vorzuziehen?«

»Wenn Sie Karl X. für schuldig halten, so müssen Sie wenigstens die Unschuld des Herzogs v. Bordeaux anerkennen. Bewahren Sie diesem die Krone auf; er er soll in guten Grundsätzen erzogen werden. Will der General La Fayette die Republik? . . . «

»Er würde sie wünschen, wenn er nicht eine große Umwälzung zu sehr fürchtete.«

»Nun wohl denn! Möge man einen Regentschafts-Rath einsetzen, zu dem sowohl Sie, als er, gehören.«

»Gestern noch würde das möglich gewesen sein; und wenn die Herzogin v. Berry, ihre Sache von der des alten Königs trennend, sich, ihren Sohn an der einen und eine dreifarbige Fahne mit der andern Hand haltend, gezeigt hätte . . . «

»Eine dreifarbige Fahne! die für Jene, die symbolische Darstellung aller Verbrechen ist!«

»Was haben Sie mir alsdann vorzuschlagen?«

»Mein Herr Lafitte, lassen Sie mich, ehe wir uns trennen, Ihnen etwas voraussagen:

»Der Herzog von Orleans besitzt Ehrgeiz und läßt von demselben alle seine Schritte leiten. Wenn er jemals zur Regierung kommt, so werden Sie sehen, daß Frankreich unglücklicher wird, als Rom es unter seinen Kaisern war! Ich sage Ihnen, Sie werden es bereuen, wenn es zu spät ist.«

Herr Lafitte und viele Andre sollten es wirklich bereuen. So kommt es, wenn man die wahren Bedürfnisse einer Nation verkennt. Nochmals: das Volk ist sehr thörigt, welches, nachdem es für seine Freiheit gekämpft hat, sich unter das Joch neuer Herrscher beugt, sich abermals mit Ketten belasten läßt!

Der Sohn Louis-Philipps, der Herzog v. Chartres, war in Montrouge verhaftet worden. La Fayette ließ ihm die Freiheit wieder geben. Er hatte indessen Joigny verlassen, um sich zur Disposition Karl X. zu stellen.

Während die Bourgeoisie sich bewaffnete und das Volk in ihre Werkstätten rief, schien das Schloß Neuilly, dieser Schauplatz der kühnsten Intriguen, lebendiger als jemals zu sein. Man hat versichert, daß in einem der unterm Säle dieses Schlosses, ein von Lafitte an den Herzog v. Orleans geschickter Bote, folgenden, ihm von dem Herzog selbst dictirten Brief niederschrieb:

»Der Herzog v. Orleans ist mit seiner ganzen Familie zu Neuilly. Ganz in seiner Nähe zu Puteaux sind die königlichen Truppen, und ein vom Hofe ausgehender Befehl würde hinreichen, ihn im Namen der Nation aufzuheben, die in ihm ein mächtiges Pfand künftiger Sicherheit finden kann.

»Man schlägt vor, sich in anständiger Begleitung, im Namen der constituierten Autoritäten zu ihm zu begeben, und ihm die Krone anzutragen. Wenn er aus Familien- oder sonstigen Rücksichten sich weigern, sollte, muß man ihm sagen, daß sein Aufenthalt in Paris für die Ruhe der Hauptstadt und des ganzen Landes wichtig und daß man gezwungen ist, ihn daselbst in Sicherheit fest zu halten.

»Auf die Unfehlbarkeit dieser Maßregel ist mit Sicherheit zu rechnen. Außerdem kann man erwarten, daß der Herzog v. Orleans nicht säumen wird, sich den Wünschen der Nation zu fügen.«

Durch diese von ihm selbst verfaßte Nachricht wollte der Herzog jenen Männern, die ihm als Anhänger ergeben waren, zu erkennen geben, daß sie keine Zurückweisung zu befürchten hätten. Sie sollten ihm die Krone antragen, er werde sie annehmen, mit dem Anschein dazu gezwungen zu sein.

Der Herzog wollte sich um keinen Preis blaß geben. Er gehörte nicht unter jene starken Seelen, die das Unglück fest findet, er hatte sich viele Jahre seines Lebens hindurch begnügt, die ferne Katastrophe geduldig herannahen zu sehen.

Worin hatte sein Leben bestanden? Er hatte seine Tage damit hingebracht, nicht hinter den Agenten der Popularität her zu laufen, sondern sie nach und nach an sich zu ziehen. Er hatte es zu vermeiden gewußt, sich blos zu stellen, sich auf etwas einzulassen, und so vorsichtig zu Werke gehend, hatte er die Geschicklichkeit gehabt, nichts zurückzuweisen, wodurch er die einflußreichen Aufwiegler, welche die Zeit nicht erwarten konnten, sich auf der Oberfläche der politischen Welt bemerklich zu machen, günstig für sich erhielt. Von der stärksten Partei erwählt zu werden, das war sein Ziel während der Restauration gewesen. Erstlich hatte er dem Hofe eigennützige Rathschläge gegeben; dann als man wahrscheinlich seine Pläne ahnend, ihm nicht mehr trauete, beschäftigte er sich damit, sein Vermögen zu vermehren, wobei er jedoch den Gang der Begebenheiten nie aus den Augen ließ. Sein Leben setzte er jedoch niemals aufs Spiel, das lag seinen Plänen fern.

Mittlerweile kamen die Herren Thiers und Scheffer nach Neuilly. Die Herzogin empfing diese beiden Unterhändler und bezeigte ihnen ihre Abneigung dagegen, daß einem schwachen Greise, der ihrem Hause immer ein großmüthiger Verwandter gewesen sei, von ihrem Gemahl die Krone geraubt werden sollte. Nichts desto weniger wurde der Beschluß gefaßt; indessen, so verführerisch das Anerbieten eines Thrones, wie der von Frankreich, auch war, so würdig sich der Herzog desselben auch glaubte, so dachte er doch nicht ohne Besorgniß daran, sich eine Krone auf das Haupt zu setzen, die revolutionären Stürmen ausgesetzt war; er hätte sich erheben mögen, doch nicht in Mitten politischer Leidenschaften. Was würde die Welt davon denken, wenn Philipp-Egalités Sohn sich auf den Thron setzte, den Ludwig XVI. nur verließ, um von den Jacobinern verurtheilt, das Blutgerüst zu besteigen?. . .

15Derselbe Orleans, der dieses schrieb, hat durch einen seiner Söhne die Asche des großen Napoleon pomphaft nach Frankreich zurückführen lassen.
16Herr v. Lamartine hat sich seitdem mit der demokratischen Linken verbrüdert; wir hoffen, daß sein Muth ihn nicht verlassen, daß er fortschreiten und für immer die monarchischen Gesinnungen aufgeben wird.
17Diese Voraussetzung war falsch. Europa würde ganz ruhig geblieben sein. Aber um die Republik zu proclamiren und die Volksherrschaft zu sichern, hätten Männer an der Spitze der Kämpfenden stehen müssen, deren Loosungswort Sieg oder Tod war.