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Die Prinzen von Orleans

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»Dazu darf es nicht kommen; denn wir müssen uns feiner entledigen

Und so geschah es. Leroi ging, ehe er sich nach dem Parlamente verfügte, in ein Kaffeehaus. Dort umringten ihn einige Repräsentanten der orleanistischen Partei, die ihn den ganzen Morgen nicht aus den Augen verloren hatten;. . . sie bedauerten ihn, versicherten ihn, er werde auf dem Grève-Platze hingerichtet werden, wenn er das Decret seiner Verhaftung, welches nicht ausbleiben könne, abwarte,. . . er verließ dies Kaffeehaus. . . er erschien nicht vor dem Parlamente. Man hat ihn nicht wieder gesehen. . .

Kurze Zeit nach dieser Begebenheit ließ Louis Philipp v. Orleans falsche Papiere machen und dieselben durch einen gewissen Leguerre an der Disconto-Casse präsentieren, es waren für fünfzigtausend Thaler. Diese Bons waren Necker unterzeichnet und wurden bezahlt. Als sie Necker vorgelegt wurden, erkannte derselbe die Unterschrift nicht als die seinige an; doch eine Gleichgültigkeit, welche beleidigenden Argwohn gegen ihn erweckte, ließ ihn die Sache unbeachtet lassen und keine Untersuchung gegen die Fälscher veranlassen.

Endlich wurden die General-Staaten eröffnet: Louis Philipp erschien daselbst mit den Deputirten des dritten Standes und weigerte sich, seinen Platz an der Spitze der Prinzen von Geblüt einzunehmen. Als Ludwig XVI. ihm darüber bittere Vorwürfe machte, antwortete der Herzog:

»Sire, meine Geburt giebt mir immer das Recht, mich an die Seite Ew. Majestät zu setzen; aber in diesem Augenblick glaube ich mich zu Denen halten zu müssen, die mich zum Deputirten erwählt haben.«

Der Plan dieses Werks gestattet mir nicht, die Sitzungen der General-Staaten zu beschreiben und mich bei Thatsachen aufzuhalten, die sich nicht auf die Orleans beziehen. Das Betragen desjenigen von ihrer Familie, von dem hier die Rede ist, erregte eine dumpfe Sympathie. Ein Prinz von Geblüt entsagte den Vorrechten seiner Geburt, um sich zwischen die Abgeordneten der Bürgerschaft zu setzen! Das war etwas Unerhörtes. Seine Popularität gewann dadurch: er hatte das Talent, den Enthusiasmus des großen Haufens zu erregen; er legte dem Glauben des Publikums Schlingen, in denen es sich einen Augenblick fangen ließ. In einer der Adelskammern hielt Orleans eine Rede, als einer der Anwesenden, von der Hitze belästigt, laut ausrief:

»Oeffnet das Fenster!«

Orleans, glaubend, daß man ihn hinauswerfen wolle, erschrak, erbleichte und sank ohnmächtig um. Man brachte ihn in einen Nebensaal, ließ ihn Salze und Wohlgerüche einathmen, und knöpfte seine Kleider auf, um das Athemholen zu erleichtern; aber wie groß war das allgemeine Erstaunen, als man sah, daß er einen Brustharnisch trug.5 Dessen ungeachtet hatte er eine bedeutende Majorität; er hatte eine unbeugsame Beharrlichkeit und es gelang ihm, in einer Versammlung folgende Beschlüsse zu veranlassen:

»1) Montag, den 13. Juli 1789, allgemeiner Aufstand in der Hauptstadt und den Provinzen, und dann wird man die so Gelegenheit benutzen, um den Herzog von Orleans als General-Lieutenant, oder Regenten des Königreichs zu proclamiren.

»2) Wird vorläufig Alles aufgeboten werden, um die Noth allgemein zu machen, damit die Bürgerschaft gezwungen wird, zu den Waffen zu greifen.

»3) Ermordung des Flesselles, Stadtschultheißen von Paris; Berthier’s, Intendanten von Paris; Foulon’s, seines Schwiegervaters; Durocher’s, Oberbefehlshabers der Marechaussée; Pinet’s, Wechselagenten des Baron von Besenvas, des Baron von Breteuil, des Grafen Artois, des Prinzen Condé, des Prinzen Conti, des Marschall von Broglie, des Prinzen von Lambes, des Abbé Maury, des Herrn von Aligre, ehemaligen ersten Präsidenten des Parlamentes von Paris; und der Herren von Eprémesnil und von Lefebre d’Ammécourt, Parlamentsräthe.

»4) Tod Jedem, der dem Aufkauf des Getreides Hindernisse in den Weg legt, namentlich dem Müller Sauvage zu St.-Germain en Laye; dem Pächter Thomasin in der Nähe desselben Ortes, dem Cuveau, Mairie-Adjunkt zu Mans; dem Chatal, Maire zu St. Denis; dem Manssion, Intendanten von Rouen; dem Belboeuf, General-Procurator des Parlaments von Rouen.

»5) Plünderung und Anzündung aller Schlösser von Aristokraten, wo man hin gelangen kann.

»6) Niedermetzlung aller Royalisten, die Frankreich nicht verlassen werden.« –

Man wird sich vielleicht wundern, auf dieser Proscriptionsliste auch den Namen Pinet’s, eines der Mitschuldigen Orleans, zu finden. Das kam daher, daß Pinet sehr reich geworden war: Philipp-Egalité wollte ihn beerben. Uebrigens erklärte Pinet öffentlich, der Herzog sei ein ehrloser Ränkemacher und Mörder. Unter den über Philipp Egalité gefällten Urtheilen ist besonders anzuführen, was Mirabeau von ihm sagt:

»– Er ist feige und niederträchtig wie ein Laquai er ist nicht werth, daß man sich um ihn bekümmert! Er ist ein Elender, der zu nichts taugt, als Prinz zu sein!«

Talleyrand, selbst so verächtlich, schonte doch Orleans auch nicht, und sagte von ihm:

»– Er ist ein niedriger, gemeiner Intriguant; er bedarf nur Geld, um zufrieden zu sein. Für Geld würde er seine Seele verkaufen, und thäte recht daran, denn er vertauschte einen Misthaufen gegen Gold.«

Es ist merkwürdig zu sehen, wie Ein Nichtswürdiger den Andern beurtheilt. Der Herzog von Orleans ließ eine Vertheidigungsschrift drucken und vertheilen, die wörtlich so anfing:

»Hätte man jemals erwarten können, daß ein Fürst, dessen Jugend (gewiß ein großes Unrecht) fast ganz in den Frivolitäten und Freuden, die das Leben und die Empfindungen der Personen seines Ranges zu erfüllen pflegen, verging, einst den muthvollsten und edelsten Eifer für die Wiederherstellung des allgemeinen Wohlstandes und des Glückes der Nation an den Tag legen werde? Man würde diese Wahrnehmung noch bezweifeln, wenn nicht vielfache Beweise uns in dem Herrn Herzog von Orleans einen würdigen Sprößling Heinrich IV, den Feind der Verbündeten und der Aristokratie, die Stütze der Sache des Volks und des allgemeinen Rechts, welches älter als Reiche und Könige ist, erkennen ließen.«

Im Schooße der allgemeinen Gährung war die Haltung des Hofes schlaff und kraftlos. Der König, ein Theil des Adels und fast der ganze Clerus wendeten das Jahr 1789 an, um gegen die Gewalt der großherzigen Ansichten, von denen die Orleans Vortheil ziehen wollten, einen übermüthigen Kampf zu unternehmen. Was die Deputierten der Gemeinden anbetraf, so gaben sie diesen Grundsätzen der Regeneration ihren vollen Beifall und erhöhten somit den Aufschwung derselben. Auf einer Seite war der König, allem Entsetzen eines in seiner Schwäche noch hartnäckigen Geistes Preis gegeben; auf der andern Seite bemühte sich die Nationalversammlung, die Schwierigkeiten zu überwinden, die es machte, dem Lande eine Constitution zu geben.

Unterdessen setzten die Clubbs kühn ihre öffentlichen Sitzungen fort. Der Garten des Palais-Royal war einer der Mittelpunkte der Vereine. Diese Versammlungen waren von dem Herzoge von Orleans gestiftet, der eine Menge Schwelger, Müßiggänger und Ausländer in seinem Solde hatte.

Unter den glühendsten Aufwieglern machte sich Camille Desmoulins, ein überspannter Republikaner, ein Mensch eben so sentimal als blutdürstig, bemerkbar. Bei der Nachricht von der Ankunft der Truppen des Hofes begab er sich nach dem Palais-Royal und stellte sich an die Spitze der Bewegung. Das Blut des Volkes floß unter den Streichen des Prinzen von Lambes, dessen Namen die Geschichte mit seiner Schande zugleich aufzeichnete. Die Läden der Waffenschmiede wurden geplündert, die Bürger- Miliz wurde organisiert. So entstanden die Nationalgarden.

Glücklicherweise fand die Beredtsamkeit der Vertheidiger der Tyrannei dieses Mal keinen Eingang bei dem Volke, es warf sich auf die Bastille, – dieses Denkmal der rächenden Feudalherrschaft – und bemächtigte sich ihrer.

Das Schicksal der Opfer dieses großen Kampfes wie aller derer, die demselben eine Reihe von Jahren hindurch folgten, ist zu bedauern. Die Verbrechen der Vorfahren, wie ihre Irrthümer, werden oft noch an den späten Enkeln heimgesucht, und nur erst in einer andern Welt, wo wir die Weisheit der Weltregierung in ihrem vollen Lichte erkennen, wird uns das Dunkel solcher trüben Verhängnisse klar werden.

Wenn man revolutionaire Ereignisse und Thaten richtig beurtheilen will, so muß man dabei die Umstände , unter denen sie stattfinden, berücksichtigen, die Beschwerden des Volkes gegen die bevorzugten Classen reiflich erwägen, mit Einem Worte, feststellen, auf welcher Seite die größte Schuld begangener Verbrechen war. Das Königthum, der Clerus und der Adel wollten die Rechte und Vorzüge, in deren Besitz sie waren, fest halten. Das Volk darbte unter diesen Rechten und Vorzügen; es erkannte dieselben für ungerecht, übermäßig und abgeschmackt; der materielle Beweis für diese Behauptung war das Elend und der Verfall, zu dem diese vorgeblichen Rechte und Vorzüge es geführt hatten, und es fand die moralische Sanction seiner Verwerfung in seinem Gewissen und in dem Evangelium, welches ihm im Namen Gottes verkündigt war. Da nun die Frage über Rechte und Pflichten aufgeworfen war, bedurfte es eines neuen Vertrages, einer neuen sozialen und politischen Constitution; aber dieselbe mußte vollständig, feierlich, auf eine unerschütterliche Basis – die allgemeine Moral – gegründet, und durch Ehrfurcht einflößende Institutionen gegen die Eingriffe der Ränkemacher und Usurpatoren geschützt sein. Das war es, was die National-Versammlung versprach und was sie, ach! so unvollkommen hielt.

 

Die Religion wurde dadurch, daß Menschen sie predigten, deren Lebenswandel allgemeines Aergerniß gab, verkannt und als Lüge behandelt. Aber die Völker können nicht, so wenig wie der einzelne Mensch, ohne Glauben, ohne einen heiligen Namen auf den Lippen, ohne einen Ruf der Hoffnung, leben. Dieser Glaube, dieser Name, dieser Hoffnungsruf, sind in dem einzigen Worte Freiheit enthalten. Dieses Wort ertönte, ertönte aus Millionen jauchzenden Kehlen und die französische Monarchie stürzte zusammen. Mitten in diesem Werke der Zerstörung erhoben sich große Geister, die im hellsten Lichte die christliche Bedeutung der Gleichheit neben die der Freiheit stellten, welche so eben die Bürger gegen die Privilegien und den Despotismus bewaffnet hatte.

Daher kommt es, daß wir jetzt voll Vertrauen sind; es giebt keine Macht mehr auf Erden, die uns lange am Gängelbande führen könnte; jene entsetzliche Tyrannei kann nicht wieder erstehen, denn wenn dem so wäre, gälte es einen Kampf, und vor dem würde das Volk nicht zurückbeben. Man mag sagen was man will, es können jetzt keine Bastillen mehr bestehen. Hat der Schriftsteller nicht Feder und Schwert? Hat das Volk nicht Muth und die Erinnerung seines ersten Sieges?

Bei dem Sturze dieser alten Monarchie, die von Raub und Schändlichkeiten abgenutzt, in Wollüste und Schwelgereien versunken war, zitterten alle Könige auf ihren Thronen; sie sahen die Freiheit, drohend allen denen, die ihre Gewalt mißbrauchen; und bei dem blendenden Glanze, welchen sie verbreitete, bemerkten sie zum ersten Male, daß ihre Throne eigentlich nur ein Gebäude von geschmückten Brettern waren, welches der geringste Stoß umstürzen konnte!

Da war denn also die Demokratie in ein neues Stadium gelangt, wo wir ihr Schritt vor Schritt, in ihren Erfolgen und Verlusten, über die neue Erfolge sie trösten, folgen werden. Die Schicksale der Nationen ruhen in den Herzen und den Gedanken der Männer von Muth und Einsicht, die sich für Ideen und Grundsätze opfern, welche das einzige Wort: der Fortschritt, in sich faßt. Der Fortschritt! er erblühete aus dem Blute der gefallenen Herren, der auf einander eifersüchtigen Sclaven, der Unschuldigen, der Opfer, er erblühte auf den Schlachtfeldern, unter dem Geheul der zu Boden geworfenen Feinde, dem Gewieher der Schlachtrosse, dem Flattern der Fahnen. Der Fortschritt! er wird sich Bahn brechen durch die Ränke der Geldmänner und die geheimen Umtriebe der Polizei; er wird die Freiheit an den Tyrannen, die sie unterdrückten, rächen und Gerechtigkeit, Wahrheit und Freiheit werden endlich siegen! –

Nach der Einnahme der Bastille versuchte Ludwig XVI. noch, gegen den Strom der neuen Begriffe zu kämpfen, und das beschleunigte seinen Fall. Es gab nur noch Ein Rettungsmittel für ihn, nämlich freimüthig in die ihm vorgeschlagenen Umgestaltungen einzugehen und sich selbst an die Spitze der Volksbewegung zu stellen; aber zu diesem Entschluß gehörte ein Mann mit einer starken Seele und ausgezeichnetem Verstande, nicht aber ein König wie er, der unfähig war, die Anforderungen seiner Zeit zu erkennen und zu verstehen.

Traurig war es andrerseits anzusehen, wie leicht das Volk sich von ehrgeizigen Männern leiten und verführen ließ: so fand die Volkspartei sich geheilt zwischen Orleans, Mirabeau, Barnave, den Lameth’s und La Fayette, welche Letztere die Monarchie retten wollten. Damals erkannte das Volk nicht, daß der Herzog v. Orleans General-Lieutenant des Reichs und Mirabeau Minister werden wollte.

Dieser doppelte Versuch scheiterte an dem Terrorismus Robespierre’s und der Lameth’s.

Das Jahr 1790 hatte kaum begonnen, als der Marquis v. Favras seine geheimen Verbindungen mit dem Hofe, der alles Geschehene wieder rückgängig machen wollte, auf dem Blutgerüste büßte. Bald darauf arbeitete die ganze Nation an den Vorbereitungen zu dem Feste, welches auf dem Marsfelde gefeiert werden sollte; und dort empfingen alle Verbündeten, die Deputierten des Heeres und der Provinzen den Eid des Königs, der seine rechte Hand gegen den Altar ausstreckend, an welchem der Bischof von Autun so eben die Messe gelesen hatte, mit starker Stimme sagte:

»Ich, König der Franzosen, schwöre die mir durch die Constitutions-Urkunde des Staats verliehene Gewalt anzuwenden, um die von der National-Versammlung decretirte und von mir bestätigte Constitution auf recht zu erhalten.«

An demselben Abend war ein allgemeines Fest in Paris, und an dem Platze, wo das alte Gefängniß der Bastille gestanden hatte, las man:

Hier wird getanzt

Indessen hatte der Hof den in Chatelet schon begonnenen Prozeß gegen die Rädelsführer vom 5. und 6. October wieder anhängig gemacht. Der Herzog v. Orleans und Mirabeau waren unter den Angeklagten. Der Hof erlitt den Schimpf eine erfolglose Anklage gemacht zu haben; die Stimme Mirabeau’s übertönte dieselbe, so wie auch die des Herzogs v. Orleans.

Um den Bankerott zu vermeiden, brachte die Regierung eine Menge Assignaten in Umlauf und nahm alle möglichen Maaßregeln, um den Credit derselben zu sichern. Unterdessen starb Mirabeau in Folge übermäßiger Arbeiten und Schwelgereien, aufgerieben durch Sinnenlust und politische Aufregung. Es war am 2. April 1791; er war umgeben von Cabanis, Talleyrand und Barnave, die zu ihm gekommen waren, um fein letztes Lebewohl zu empfangen.

Am 20. Juni, um Mitternacht, entflohen Ludwig XVI., die Königin, Madame Elisabeth und Frau von Tourzel, Erzieherin der Kinder von Frankreich, verkleidet aus dem Schlosse. Sie reisten die ganze Nacht, ohne daß ihre Flucht bemerkt wurde. »La Fayette hat diese Entweichung begünstigt,« schrie das Volk. Erst in Varennes wurde der König verhaftet durch den republikanischen Eifer , Drouet’s, eines Postmeisters-Sohnes. Die National-Garden der Umgegend lieferten die königlichen Personen nicht eher aus, als bis drei von der National-Versammlung bevollmächtigte Personen sich zu diesem Zwecke einfanden. Es waren Barnave, Latour-Maubourg und Péthion.

Welch ein Umschwung! Der König und seine Familie kehrten in die von ihnen verlassene Hauptstadt zurück, bewacht von einem jungen Advokaten, und von einem Manne, den die Strenge und Rauhheit seiner Grundsätze seit einigen Tagen erst berühmt gemacht hatte.

Barnave, der neben der Königin saß, konnte sich des Mitleids mit dieser unglücklichen Familie nicht erwehren. Der andre Tribun, Péthion, empfand weniger Sympathie für dieselbe. Die Reise währte acht Tage; der Wagen war von National-Garde begleitet, »Das Schweigen der Völker, sagt man, ist das Verbannungsurtheil der Könige.« Ludwig XVI. kannte diesen Ausspruch, die Aufnahme die er fand, mußte ihm mithin entsetzlich sein. Nicht ein Ruf, weder der Freude noch der Lästerung, ward gehört. Von da an konnte der König sich als verloren betrachten. Diese Reise, Folge jenes Mißgeschicks, welches die Schwäche und Feigheit verfolgt, setzte ihn auf immer in der Achtung der Nation herab. Der König und seine Familie wurden in den Tuilerieen gefangen gehalten. Umsonst boten Barnave und Lameth ihren Einfluß auf, um sie zu retten, es war um sie geschehn: Péthion, Robespierre und Buzot wollten die Republik, und die, welche noch nicht geradezu Republikaner waren, verlangten wenigstens eine andre Dynastie, wogegen Jene meinten: wenn so Vieles nur geschehen sein sollte, um wieder einen König zu wählen, wäre es am Besten gewesen, diesen zu behalten. Uebrigens verdiente der Herzog v. Orleans wahrlich nicht, Ludwig XVI. vorgezogen zu werden.

Unterdessen ließ La Fayette auf dem Marsfelde, neben dem Altar der Freiheit, auf das Volk schießen. Mehre hundert Bürger wurden von seinen Soldaten niedergemetzelt und zertreten.

Endlich wurde der König, nachdem er die Constitution, welche in aller Eile entworfen war, angenommen hatte, wieder in Freiheit gesetzt, und am 30. September erklärte die National-Versammlung ihre Sitzungen für geschlossen. Einige ihrer Mitglieder, nämlich Barnave, Lameth und Duport, näherten sich dem Hofe, und gaben dem Könige Rathschläge. Aber die Unentschlossenheit des Monarchen gestattete ihm nicht, die Fingerzeige, die ihm gegeben wurden, zu benutzen.

Der neue Verein, der den Namen die gesetzgebende Versammlung annahm, zählte unter seinen Mitgliedern Girardin, Ramon, Voublanc, Dumas und jene talentvolle aber schlaffe Plejade, aus der die Partei bestand, die man die Girondisten nannte und unter welcher Deputierte aller Departements sich befanden. An der Spitze dieser Partei standen Condorcet und Vergniaur, welche eine friedliche, milde Republik träumten, und Merlin von Thionville, Chabot, Bazire, welche später zu der Partei des Berges gehörten. Die Clubbs wurden jetzt immer zahlreicher und hatten einen unerhörten Einfluß. Der älteste derselben, der Jacobinerclubb, dem Robespierre präsidierte, unterschied sich von dem der Feuillants durch seine Kühnheit und Energie. Umsonst bemühten sich die Cordeliers, deren Oberhaupt Danton und deren Secretär Camille Desmoulins war, mit den Jacobinern zu wetteifern.

Robespierre hatte sich in der National-Versammlung durch die Strenge seiner Grundsätze zu bemerkbar gemacht, um nicht bald der populairste aller Tribunen zu werden. Von der gesetzgebenden Versammlung ausgeschlossen, hatte er sich an die Jacobiner angeschlossen, wohin ihm jener Ruf der Rechtschaffenheit folgte, dem er den Beinamen des Unbestechlichen verdankte.

So standen die Sachen in Frankreich, als Bailly seine Entlassung als Maire von Paris nahm. Der Hof gab sich alle mögliche Mühe, die Ernennung Péthions zu bewirken, den er zwar als Republikaner kannte, aber für einfältig hielt. Péthion ward ernannt, und bewies dem Hofe, indem er die republikanische Partei eifrig unterstützte, daß die Großen irren, wenn sie Kälte für Unfähigkeit halten.

Nach und nach beschränkte die gesetzgebende Versammlung die königliche Macht und deren Vorrechte immer mehr. Sie machte das Veto ungültig, schaffte die althergebrachte Feierlichkeit am Neujahrstage ab, und verwarf die Titel Sire und Majestät.

Gegen den Beginn des Jahres 1792 war die Kriegs-Frage an der Tagesordnung. Die Republikaner mißtraueten der Redlichkeit des Königs. Sollte er gewissenhaft gegen seine Höflinge und Familienglieder auftreten? Die Girondisten, und mit ihnen Louvet und Brissot, waren für den Krieg, Robespierre und die Jacobiner – 123 – für den Frieden. Robespierre fürchtete, daß der Krieg dem General La Fayette, der mit Leib und Seele dem Königthume anhing, zu viel Uebergewicht geben werde. Camille Desmoulins war der Meinung Robespierre’s und erinnerte daran, daß La Fayette das Volk auf dem Marsfelde hatte niedermetzeln lassen.

Die Cordeliers, deren Mehrzahl sich von Orleans hatte betrügen lassen, führten dieselben Beschwerden gegen den Marquis La Fayette. Der Herzog v. Orleans hatte eine unedle Rolle gewählt, denn nachdem er Uneinigkeit in der republikanischen Partei angestiftet hatte, verließ er die Demokraten, um den König um Verzeihung zu bitten. Die Freunde des Königs suchten Orleans, dessen Hoffnungen mit der Gefahr des Thrones erwachten, jedoch fern zu halten. Zu diesen Gefahren muß man die Auflösung des Ministerii rechnen, und daß Delessart, der den Plan, einen Congreß zu bilden, begünstigt hatte, in Anklage stand versetzt wurde.

In dieser äußersten Verlegenheit nahm Ludwig XVL, einfältig wie man ihn geglaubt hat, seine Zuflucht zu einem, eines rechtschaffenen Mannes unwürdigen Mittel. Er beschloß ungeschickte Demagogen zu Ministern zu wählen, um den Ruf der republikanischen Partei zu schwächen. Für die auswärtigen Angelegenheiten stellte er Dumouriez an, einen glänzenden Abenteurer, der keiner innigen Ergebenheit für irgend eine Sache fähig, Soldat und nichts als Soldat war, immer bereit, die Hoffnungen der Partei, die den Krieg wollte, zu begünstigen. Wenn er sich nur schlagen konnte, welches die feindlichen Fahnen waren, war ihm einerlei. Sobald ein Krieg oder eine Bewegung begann, machte er den Schlachtplan, den er an alle Parteien schickte, bereit, für den Meistbietenden zu handeln.

Mit dieser unedeln Politik verband Dumouriez eine gewisse Gewandtheit, die er zu benutzen wußte, um die Gemüther seiner Collegen, Cayier de Gerville und Desgraves zu gewinnen. Auf den Rath des Herzogs von Orleans, dessen Ehrgeiz ihm nicht unbekannt war, setzte er bei den Jacobinern die rothe Mütze, dieses Sinnbild der Freiheit, auf. Er wünschte den Krieg und machte denselben unvermeidlich.

Uebrigens rechtfertigte das Verfahren des Wiener Cabinets denselben hinreichend. Zum Marine-Minister schlug Dumouriez einen Beamten, Namens Lacoste, vor, der ungeachtet seines patriotischen Sinnes sich an Ludwig XVI. schloß. Ein Advokat aus Bordeaux, Duranthon, wurde zum Justiz-Minister; Clavière zum Finanz-Minister und Roland zum Minister des Innern gemacht. Dieser Letztere, ein rauher, unbeugsamer Mann, stand jedoch unter dem Einflusse seiner Frau, eines jungen, schönen Weibes, die sich aus philosophischen und republikanischen Ideen eine Religion gebildet hatte.

 

Das Ultimatum des österreichischen Cabinets fand Dumouriez zum Kampfe bereit; er brachte es dahin, daß Ludwig XVI. zu der Versammlung kam und dieselbe bat, dem Könige von Ungarn und Böhmen den Krieg zu erklären. Indem Frankreich den Krieg erklärte, der Europa so lange zerrissen hat, beantwortete es nur mit angemessener Würde die beleidigenden Herausforderungen der fremden Mächte. Die französischen Waffen hatten im Beginn der Campagne kein Glück und in dem girondistischen Ministerium entstand eine Spaltung; diesem folgte, auf Veranlassung des Ministers Roland, der an den König schrieb, ein feuilantistisches Ministerium. Die neuen Minister waren: Terrier de Montciel, Chambonas und Lejard. Lacoste und Duranthon hatte der König beibehalten.

Die Patrioten begannen zu murren. Ihre Anführer, Robespierre, Danton, Sergent, Panis, Parra, Fournier, l’Américain, Legendre, der Marseiller Barbaroux, wegen seiner Schönheit Antinous genannt, ein thätiger junger Mann, der sich den öffentlichen Angelegenheiten gewidmet hatte, hatten eine Zusammenkunft mit Roland und beklagten mit ihm die Gefahr, welche Frankreich und sein Volk bedrohte.

Der Hof verkannte fortwährend die Nation; Ludwig XVI. hatte Männer an Péthion abgesandt, die denselben gewinnen sollten; aber die Freude des Königs über die Aussicht, einen populairen Magistrat zu vernichten, war von kurzer Dauer: er ward nur zu bald zu der Erkenntniß gezwungen, daß die Tugend der Republikaner nicht so verkäuflich war, als der Hof gehofft hatte. Péthion wußte, wie schwer ein Mann, der im Besitze der unumschränkten Gewalt ist, seine Neigungen beherrschen kann; der Aufruf der fremden Mächte gegen die Revolution hatte ihm bewiesen, daß die Laster des Hofes unverbesserlich waren.

Am 20. Juni 1792 ging das Volk unter dem Geschrei:

Es lebe die Freiheit!
Die Constitution oder den Tod !
Es leben die Sanscúlotten!

nach der gesetzgebenden Versammlung und von da nach den Tuilerieen.

Während die Volksmasse den Palast der Könige einnahm, suchte Santerre, ein Freund Orleans, dieselbe zu allen möglichen Excessen anzureizen, indem er sie lebhaft an die Leiden erinnerte, die sie schon so lange ertragen hatte, und an die, welche sie noch bedrohten.

Ludwig XVI. zeigte sich dem Volke, welches einhielt und ihm eine Petition übergab, in der es die Sanction des von dem König zurückgewiesenen Decretes verlangte.

Péchion, der mit einigen Deputierten herbeigeeilt war, reizte durch seine Reden das Volk auf, den Palast zu plündern, und einige Tage darauf entsetzte das Departement den Maire Péthion seines Dienstes.

Nun erschienen drohende Adressen gegen das Königthum, die von Camille Desmoulins, Marat, Robespierre und Danton verfaßt und verbreitet wurden. Dieses Alles zeigte eine nahe Revolution an. Ein aus den kühnsten Patrioten bestehendes Insurrections-Comité bildete sich, während im Schlosse die Flucht vorbereitet wurde.

Den Gang dieser Begebenheiten, den Conflict dieser verschiedenen Leidenschaften und zum Kriege treibenden Interessen deutlich zu beschreiben, ist nicht der Plan dieses Werkes. Um nur die Haupt-Thatsachen zu erwähnen, sei es gesagt, daß in Folge eines National-Festes beschlossen ward, nach den Tuilerieen zu gehen und den König daselbst als Gefangnen festzusetzen.

Die Ankunft der Marseiller in Paris und die Unordnungen, welche Folge derselben waren, die Proclamation des Herzogs von Braunschweig, die Forderung des Volks, daß der König abgesetzt werde, feuerten die Vorbereitungen der Insurrection an. Das Schloß seinerseits war allen Schrecknissen und Ungewißheiten der bängsten Befürchtungen Preis gegeben.

Unter diesen gefährlichen Umständen begab Danton sich zu den Cordeliers, wo er, die Bedenklichkeit der Situation kühn entwickelnd, mit seiner Donnerstimme an die Drohungen des Hofes, so wie an dessen trügerische Versprechungen, seine heuchlerischen Worte, seine Machinationen, um Fremde auf den Boden des Vaterlandes zu berufen, erinnerte.

Nun begann der Aufstand auf das Ernsthafteste; die Bewohner der Vorstädte bemächtigten sich der Tuilerieen nach einem blutigen Kampf, und die königliche Gewalt wurde suspendiert. Ludwig XVI. begab sich mit seiner Familie nach der Versammlung, und der National-Convent wurde zusammenberufen.

Gehen wir schnell über die Folgen des 10. August hinweg. Wenn das durch den so eben für die Freiheit gelieferten Kampf erbitterte Volk, dem Impuls einiger blutdürstiger Männer folgend, sich in scheußlichen Metzeleien, in ungerechten Verurtheilungen austobte, wollen wir nicht ihm die schwere Verantwortlichkeit davon aufbürden.

Welche Wunder zeigte jeder neue Tag! Gestern war dieses Volk noch Sclave, es hatte nicht einen Herrn – ein König ist über nichts Herr – sondern hundert Herren. Heute, seht! es ist frei. Frei! Aber ach! ein so großer Triumph macht es toll! Seht, wie die Köpfe fallen, wie die Blutgerüste sich röthen: der Bruder ermordet den Bruder. Abscheuliches Schauspiel! Wie viele Leichname häufen sich Angesichts dieser rasenden Menge! Nur Ein Interesse im Auge habend, sind dem großen Haufen alle sanften und edeln Gefühle fremd.

Während Dumouriez den Sieg von Jemappe erfocht, an welchem der junge Egalité, der Sohn Antheil nahm, wurde der Mangel immer fühlbarer, und umsonst forderten die Gemeinden den National-Convent auf, die Repräsentanten des Volks zu gewinnen. Aber es war nicht genug, daß das Königthum erschüttert war, es sollte für immer vernichtet werden. Seit der Einnahme der Tuilerieen forderten eine Menge Adressen und eine große Anzahl Deputierte die Verurtheilung des Königs.

Sie wurde beschlossen.

. . .  Sehen wir jetzt, welche Rolle der Herzog von Orleans bei all diesen Ereignissen gespielt hat. Er schwebte immer zwischen der Erwartung der Stunde, wo er sich der Krone werde bemächtigen können, und der Furcht, die Hand nach derselben auszustrecken. Um zu derselben zu gelangen, mußte er erst General-Lieutenant des Reichs werden, aber dieser Entscheidung stand seine feige Unentschlossenheit entgegen. Zu der Rolle, die er als solcher spielen mußte, gehörte Muth, und Entschlossenheit, während er nur jene verbrecherische und plumpe Kühnheit besaß, die den gemeinen Ehrgeizigen bezeichnet. Er wollte sich dem Volke nur zeigen, wenn er es ohne Gefahr für seine Person wagen könnte. Die Furcht und seine Neigung für die Engländer, welche immer bereit gewesen sind, Ränke, welche Frankreich schaden konnten, zu begünstigen, bewog ihn, eine Reise nach London zu machen. Ungeachtet er sich so schwer gegen Ludwig XVI. vergangen hatte, erbat er sich doch von demselben die Erlaubnis zur Reise.

Da die Männer, welche sich aus edeln Absichten und in der Ueberzeugung, nur so dem allgemeinen Elende abhelfen zu können, an die Spitze des Volks gestellt hatten, dem Herzoge zu langsam gingen, beschloß er, den König und den Grafen von Artois ermorden zu lassen. Er verband sich zu diesem Zwecke mit Herrn von Talleyrand, dem heuchlerischen Priester, dem sogar aller Gewandtheit ermangelnden Bösewicht. Sie fanden einen Mörder auf, der auf den Wagen des Königs schoß. Die Kugel tödtete eine unglückliche Frau. Der Mörder entfloh. Eine weniger bekannte Thatsache ist, daß Ludwig XVI. an demselben Tage, als er die Stufen der Rathhaus-Treppe hinanstieg, einen Dolchstich bekam, den er in dem Augenblicke kaum fühlte. Am Abend, als er nach Versailles zurückkehrte, konnte er ein Kleid nicht ausziehen und mußte es aufschneiden lassen; nun fand es sich, daß sein Hemd, ganz mit Blutgetränkt, an der Wunde festklebte. Ludwig XVI. ließ sich von den Anwesenden das Versprechen geben, diesen Vorfall zu verschweigen. Sie hielten lange Wort. Ganz natürlich ward auch dieses Attentat auf das Leben des Königs dem Herzoge von Orleans zugeschrieben. Man kann dies dahingestellt sein lassen, indem man ihm der Verbrechen so viele vorzuwerfen hat, daß eins mehr oder weniger keinen großen Unterschied in dieser schrecklichen Liste machen würde, die mit dem Monopol anfängt und mit Räubereien aller Art endet. Es ist erwiesen, daß der Herzog den Stadtschultheißen Flesselles durch einen seiner Agenten, einen Niederträchtigen, Namens Molaive, ermorden ließ. Auch Pinet hatte der Herzog nicht vergessen, er ließ ihn nach dem Palais-Royal bescheiden und sagte zu ihm:

5Man behauptet, daß der Sohn Egalités auch einen Brustharnisch trägt. Die Erfolglosigkeit der zahlreichen Attentate gegen seine Person, die seit 1830 statt gefunden haben, giebt dieser Vermuthung große Wahrscheinlichkeit.